TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/16 W192 2181205-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.08.2018
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Entscheidungsdatum

16.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W192 2181205-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2017, Zahl 1072917304-150643133, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 02.01.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise am 09.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am folgenden Tag gab der Beschwerdeführer an, er stamme aus der Provinz Ghazni, gehöre der Volksgruppe der Hazara und der moslemisch-schiitischen Glaubensrichtung an, habe keine Ausbildung absolviert und sei minderjährig. Der Beschwerdeführer hätte Afghanistan fünf Jahre zuvor gemeinsam mit seiner Familie verlassen und sich im Anschluss zwei Jahre in Pakistan sowie zwei Jahre im Iran aufgehalten, anschließend sei er über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist. Zum Grund seiner Flucht aus Afghanistan erklärte der Beschwerdeführer, sie hätten Probleme mit ihrem Onkel väterlicherseits gehabt, welche sie zur Ausreise nach Pakistan veranlasst hätten. Die Ausreise aus Pakistan in den Iran sei erfolgt, da der Beschwerdeführer dort Arbeit finden habe wollen, um sich um seine Familie kümmern zu können. Den Iran hätte er verlassen, da er dort keine Zukunft gehabt hätte. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen in Bezug auf Afghanistan führte der Beschwerdeführer aus, dort nichts und niemanden mehr zu haben; Afghanistan sei kein Rechtsstaat, jeder mache, was er wolle.

Aus einem durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Auftrag gegebenen medizinischen Sachverständigen-Gutachten zur Volljährigkeitsbeurteilung vom 14.08.2015 ergibt sich im Wesentlichen, dass das behauptete Lebensalter mit dem festgestellten Mindestalter des Beschwerdeführers nicht vereinbar wäre (Differenz 1,98 Jahre) und mit einfacher Wahrscheinlichkeit die Volljährigkeit seiner Person zum Zeitpunkt der Antragstellung anzunehmen wäre.

Am 07.12.2016 erfolgte im Rahmen des zugelassenen Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer gab eingangs an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen, er sei gesund, hätte jedoch psychische Probleme, derentwegen er sich in Österreich in ärztliche Behandlung begeben hätte. Er nehme Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen und Brennen in den Augen. Seine bisherigen Angaben hätten der Wahrheit gesprochen, diese seien ihm jedoch nicht rückübersetzt worden. Der Beschwerdeführer sei schiitischer Hazara. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Schiiten habe er Probleme gehabt, "weil die Menschen einfach solche bekommen." Als Hazara habe er keine Probleme gehabt. Ein persönliches Problem hätte er als Schiit nicht gehabt. Der Beschwerdeführer hätte sich von 2009 bis 2010 in Pakistan und von 2011 bis 2013 im Iran aufgehalten. Im Herkunftsstaat lebe lediglich noch ein Onkel väterlicherseits, seine Mutter und seine beiden jüngeren Geschwister würden in Pakistan leben und ihren Lebensunterhalt durch Arbeit in einem Hotel bestreiten. Der Beschwerdeführer sei ledig, habe keine Kinder und keine Verwanden in Österreich. Seit einem Monat besuche er eine Übergangsklasse einer Bundeshandelsakademie und befinde sich in Grundversorgung. Zurzeit besuche er weder einen Deutschkurs, noch sei er Mitglied in einem Verein, er spreche jedoch bereits ein wenig Deutsch.

Im Vorfeld seiner Ankunft in Österreich hätte er sich aufgrund seiner illegalen Einreise für ein Jahr in Haft in Griechenland befunden. In seinem Dorf habe er zwei Jahre lang die Schule besucht, der Lebensunterhalt seiner Familie sei zunächst durch den Vater des Beschwerdeführers bestritten worden. Nach dem Tod seines Vaters vor acht Jahren habe der Beschwerdeführer bei seinem Onkel arbeiten und die Tiere betreuen müssen. Der Beschwerdeführer sei nie von Problemen mit den Behörden seines Heimatstaates betroffen gewesen. Er stamme aus der Provinz Ghazni, habe sein dortiges Heimatdorf vor dem Jahr 2009 verlassen und sei gemeinsam mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern nach Pakistan gereist. Mitte 2010 habe er Pakistan im Alter von 11 Jahren alleine verlassen und sei in den Iran gereist, wo er auf einer Baustelle gearbeitet hätte. Der Beschwerdeführer habe ein besseres Leben für seine Familie wollen.

Nach den Umständen seiner Ausreise aus dem Iran gefragt, erklärte der Beschwerdeführer, eine psychische Störung zu haben und sich nicht an alles erinnern zu können. Der Beschwerdeführer sei zwölfeinhalb Jahre alt gewesen und hätte mit seiner Mutter gesprochen, welche ihm mitgeteilt hätte, dass er nicht mehr nach Pakistan zurückkommen solle, da es dort keine Arbeit gebe. Er solle aus dem Iran nach Europa gehen, da es dort viel besser für ihn wäre und er in der Folge auch seine Familie nach Europa bringen könnte. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer zufolge der durchgeführten Altersfeststellung gegenwärtig ein im Bereich der Volljährigkeit liegendes Lebensalter aufweisen würde und es sich demnach rechnerisch nicht ausgehen könne, dass er den Iran im Alter von zwölf Jahren verlassen hätte, entgegnete er, ein Jahr lang in Griechenland gewesen zu sein; sein in Österreich ursprünglich angegebenes Alter/Geburtsdatum wäre ihm von seiner Mutter mitgeteilt worden. Die Kosten für die schlepperunterstützte Ausreise nach Europa in der Höhe von USD 4.000,- seien ihm von seinem Arbeitgeber im Iran zur Verfügung gestellt worden.

Um detaillierte Schilderung der Gründe seiner Flucht aus dem Herkunftsstaat ersucht, erklärte der Beschwerdeführer, er sei hierhergekommen, damit er eine Schule besuchen, etwas lernen und in Zukunft ein guter Mensch werden könne. Auf die Frage, ob es in Bezug auf Afghanistan einen Fluchtgrund gegeben hätte, antwortete der Beschwerdeführer: "In Afghanistan gibt es gar nichts." Er sei nie persönlich belangt, bedroht oder verfolgt worden. Er habe lediglich Probleme mit seinem Onkel gehabt. Der Vater des Beschwerdeführers hätte eine große Landwirtschaft besessen, welche der Onkel nach dem Tod des Vaters beansprucht hätte. Aus diesem Grund habe ihn sein Onkel nicht zur Schule gehen lassen, damit er Analphabet bliebe und ihm bei der Arbeit helfe. Zusammengefasst hätte der Beschwerdeführer seine Heimat ausschließlich wegen der allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Lage verlassen. Er habe nie erwogen, sich in einem anderen Teil seines Heimatlandes niederzulassen, um sich den Problemen mit seinem Onkel zu entziehen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, dass er diesselben Schwierigkeiten mit seinem Onkel haben würde.

Der Beschwerdeführer legte Deutschkursteilnahmebestätigungen, eine Schulbesuchsbescheinigung, einen Ambulanzbefund vom 30.06.2016 (vorläufige Diagnose: F43.1. PTSD) sowie einen Befund über ein Schädel-MRT vom 13.12.2016 vor.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine "Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 8 Abs. 3a AsylG iVm § 52 Abs. 9 FPG unzulässig" sei (Spruchpunkt V.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Die Behörde stellte die Staatsangehörigkeit, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität, des Beschwerdeführers fest. Die von ihm angegebenen Gründe für das Verlassen seines Heimalandes hätten sich als nicht glaubhaft erwiesen. Die Feststellung der persönlichen Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers basiere auf dessen falschen Angaben zum Geburtsdatum, den wechselnden und widersprüchlichen Angaben zu seinem Fluchtgrund sowie zu seinen bisherigen Aufenthaltsorten in Pakistan und im Iran. Der Beschwerdeführer habe unmissverständlich ausgeführt, dass er - auch in Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara - nie persönlich bedroht oder verfolgt worden wäre und sein Heimatland aufgrund der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage verlassen hätte. Der aus der Provinz Ghazni stammende Beschwerdeführer sei gesund, arbeitsfähig und leide an keinen lebensbedrohenden Krankheiten. In seinem Fall liege eine Gefährdung in Bezug auf seine unmittelbare Heimatprovinz, nicht aber hinsichtlich des gesamten afghanischen Staatsgebiets vor. Die Lage in Kabul sei relativ sicher. Aus den zugrunde gelegten Länderberichten ergebe sich, dass die Versorgungslage in Kabul gegebenenfalls mit Schwierigkeiten verbunden sein könne; aufgrund der vielschichtigen sozialen Strukturen in Afghanistan, der besonderen Bedeutung der islamischen Glaubensgemeinschaft sowie den komplementären Auffangmöglichkeiten und internationalen Rückkehrorganisationen erweise sich die Versorgungslage jedoch grundsätzlich als gesichert. Der Beschwerdeführer sei mit den kulturellen Gegebenheiten seines Herkunftsstaats vertraut und verfüge über Familienangehörige in Ghazni sowie im benachbarten Pakistan, welche ihn bereits in der Vergangenheit finanziell unterstützt hätten. Außerdem könnte der Beschwerdeführer durch Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden und sich im Falle anfänglicher Ortsunkenntnis an dort ansässige Hilfsorganisationen wenden. Der Beschwerdeführer verfüge über Berufserfahrung, sei arbeitsfähig und könne grundsätzlich für seinen Lebensunterhalt sorgen. Soweit der Beschwerdeführer einen Ambulanzbefund vorgelegt hätte, welcher die vorläufige Diagnose einer PTSD bescheinige, sei anzumerken, dass ein weiterer Kontrolltermin seitens des Beschwerdeführers nicht wahrgenommen worden wäre und einem weiters eingebrachten Befund lediglich die Diagnose "Spannungskopfschmerz" entnommen werden könne. Aufgrund fehlender ärztlicher/psychologischer Befunde sei die endgültige Diagnose nicht geklärt; trotz angespannter medizinsicher Gesundheitsversorgung im Heimatland wären die Spannungskopfschmerzen des Beschwerdeführers dort einer Behandlung zugänglich. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit der allgemeinen Situation in seinem Heimatland seien somit keine Gründe für die Annahme ersichtlich, dass dieser im Falle einer Rückkehr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Lage ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer würde in Kabul zumutbare Lebensbedingungen vorfinden und könnte jene Stadt auf dem Luftweg sicher erreichen.

Da der Beschwerdeführer angesichts der kurzen Dauer seines Aufenthaltes keine schützenswerten privaten Anknüpfungspunkte begründet habe, würden keine Hinderungsgründe gegen eine Rückkehrentscheidung vorliegen.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 27.12.2017 fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei in Afghanistan Opfer von Kinderarbeit und Zwangsarbeit sowie physischer Gewalt durch seinen Onkel geworden und sei darüber hinaus Analphabet. Bei einer Rückkehr wäre er gefährdet, erneut Opfer von Zwangsarbeit bzw. Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Gruppen zu werden und könne sich mangels familiären Netzes nicht außerhalb von Ghazni niederlassen. Die im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Länderberichte würden sich in unzureichender Weise mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen. Die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers stelle sich weiterhin als prekär dar, zudem würden Berichte über steigende Kindesmisshandlungen in Knabenschulen vorliegen. Die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Afghanistan sei nach wie vor katastrophal, nichtstaatliche Akteure wie die Taliban und der IS wären für viele Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Auch in Kabul sei es zuletzt vermehrt zu Anschlägen mit zivilen Todesopfern gekommen, unter welchen sich auch abgewiesene Asylwerber befunden hätten. Die Behörde habe es unterlassen, die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in der von ihr vorgeschlagenen innerstaatlichen Fluchtalternative Kabul, in Bezug auf die konkrete Situation des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung seiner familiären Verhältnisse zu würdigen. Soweit die Behörde auf die Möglichkeit finanzieller Unterstützung durch seine in Ghazni lebende Herkunftsfamilie verweise, verkenne sie, dass der Beschwerdeführer vor ebenjener geflüchtet wäre. Der Beschwerdeführer habe unmissverständlich vorgebracht, von seinem Onkel zur Arbeit gezwungen worden zu sein und dafür kein Geld, sondern lediglich etwas zu essen erhalten zu haben. Dieser offenkundige Fall von Zwangsarbeit eines minderjährigen Kindes hätte von der Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung entsprechend gewürdigt werden müssen. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Opfer von Kinderarbeit bzw. Zwangsarbeit aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit zu den Hazara sowie aufgrund seiner schiitischen Religionszugehörigkeit als Flüchtling im Sinne der GFK zu qualifizieren. Im gegenständlichen Bescheid fänden sich nur sehr kurze und oberflächliche Länderfeststellungen zu den schiitischen Hazara und keine rechtliche Beurteilung zu einer möglichen Gruppenverfolgung. Die pauschale Vermutung, dass dem Beschwerdeführer eine Niederlassung in Kabul problemlos möglich sein werde, sei von der Behörde nicht entsprechend untermauert worden.

Beiliegend übermittelte der Beschwerdeführer eine Bestätigung über den Abschluss der Übergangsstufe der BMHS sowie ein Schreiben seiner dortigen Lehrerin, ein ÖSD-Zertifikat A1 sowie eine Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs übermittelt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.01.2018 wurde der oben dargestellte Bescheid der Behörde vom 28.12.2017 gemäß § 62 Abs. 4 AVG insofern berichtigt, als dessen Spruchpunkt V. richtigerweise zu lauten habe: "Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist Muslim schiitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Er stammt aus der Provinz Ghazni, wo er gemeinsam mit seiner Familie lebte, zwei Jahre die Schule besuchte und in der familieneigenen Landwirtschaft arbeitete. Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat eigenen Angaben zufolge spätestens im Jahr 2009 verlassen, im Anschluss hielt er sich zunächst mit seiner Mutter und seinen jüngeren Geschwistern in Pakistan auf, bevor er alleine in den Iran reiste, wo er auf einer Baustelle tätig gewesen ist. In weiterer Folge reiste er über Griechenland (wo er seinen Angaben zufolge rund ein Jahr aufgrund seiner illegalen Einreise inhaftiert gewesen ist), Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich weiter, wo er am 10.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat verlassen, um in Europa bessere Lebensbedingungen vorzufinden. Der Beschwerdeführer brachte vor, seinen Herkunftsstaat vor dem Jahr 2009 im Kindesalter gemeinsam mit seiner Mutter und seinen jüngeren Geschwistern verlassen zu haben, da sein Onkel ihm einen Schulbesuch verwehrt und ihn angewiesen hätte, in der Landwirtschaft der Familie mitzuarbeiten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat von Zwangsarbeit oder Zwangsrekrutierung bedroht wäre. Ebensowenig kann festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara Verfolgung in Afghanistan droht. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Es wird zugrunde gelegt, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz in Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Kabul, besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehenden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine solche Bedrohungssituation und liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im Juni 2015 durchgehend auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und hat seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung bestritten. Er absolvierte eine Übergangsstufe an einer Bundeshandelsschule sowie einen Werte- und Orientierungskurs und legte ein Zertifikat über eine mit gutem Erfolg bestandene Deutschprüfung auf dem Niveau A1 vor. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet keine Familienangehörigen oder sonstigen engen sozialen Bindungen.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

...

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an - nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Quellen:

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Pajhwok (26.5.2015): MoI confirms Daesh presence in parts of country,

http://www.pajhwok.com/en/2015/05/26/moi-confirms-daesh-presence-parts-country, Zugriff 12.1.2016

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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