Entscheidungsdatum
17.08.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W182 2164292-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Jemen, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Flüchtlingshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2017, Zl. 1070413407-150544038/BMI-BFA_STM_RD, nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG
2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger des Jemen, gehört laut eigenen Angaben der Volksgruppe der Araber an, ist Sunnit, war im Herkunftsstaat in Sanaa wohnhaft, reiste im Mai 2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 22.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich seiner Erstbefragung am 22.05.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte er als Fluchtgrund im Wesentlichen vor, vor den Houthi geflohen zu sein, die unter Tötungsdrohung verlangt hätten, dass er mit ihnen zusammenarbeite. Er habe zum Schein eingewilligt und Anfang September 2014 das Herkunftsland mit dem Flieger verlassen. Er sei in die Türkei gereist und von dort dann im Mai 2015 schlepperunterstützt über Griechenland nach Österreich weitergereist. Der BF habe im Herkunftsland in Sanaa gewohnt. Im Jemen würden sich noch seine Eltern sowie 5 Schwestern und 2 Brüder aufhalten. Seine Frau sei in der Türkei. Bei einer Rückkehr ins Herkunftsland habe er Angst um sein Leben.
Anlässlich seiner Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 08.05.2017 brachte der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass er im Juni 2014, als er im Rahmen seiner Tätigkeiten für das Militär unterwegs gewesen sei, um Medikamente zum Militärkrankenhaus XXXX zu bringen, von bewaffneten Houthi angehalten und bedroht worden sei. Aufgrund seines Namens hätten die Houthi ihn über telefonische Vermittlung seines Cousins, der den Houthi angehört habe, gegen die Zusicherung, ihn das nächste Mal mehr Medikamente zu verschaffen, unbeschadet nach Sanaa zurückkehren lassen. Mehrere Cousins bzw. fast die ganze Familie des BF würden zu den Houthi gehören. Sie würden auch sagen, dass sie " XXXX " seien, der BF und seine Familie seien aber auch nur Menschen. Der BF sei mit der Denkweise und Philosophie der Houthi nicht einverstanden, für ihn seien sie Kriminelle. Anfang Juli 2014 habe ihn sein Cousin an seine Zusicherung erinnert und ihn gefragt, wann er mit der Ladung kommen würde. Am 26.07.2014 seien bei einer Hochzeit in der Familie auch seine Cousins anwesend gewesen und hätten sie den BF als Lügner und Verräter beleidigt und Druck auf ihn ausgeübt. Sein Cousin habe ihn auch telefonisch bedroht. Der BF habe sich dann etwa zwei Monate im Haus seines Schwiegervaters aufgehalten, und sei auch nicht mehr zu seinem Vater gegangen, weil er gewusst habe, dass der Druck sonst schlimmer werden würde. Der BF habe seinen Vater zwar versprochen, zu ihm zu kommen, doch habe er längst beschlossen, das Land zu verlassen. Er sei in dieser Zeit auch nicht mehr arbeiten gegangen. Dies sei deshalb kein Problem gewesen, weil sein Vater der XXXX gewesen sei. Der BF sei zu seinem Job auch über seinen Vater gekommen. Sein Vater sei davor XXXX gewesen, wobei der BF zu dieser Zeit auch etwa 8 Jahre in Ägypten gelebt habe. Der BF sei legal aus den Jemen ausgereist, da zu diesem Zeitpunkt die Houthi noch nicht in Sanaa gewesen seien. Sein Cousin und dessen Bruder seien in der Zwischenzeit bei Kampfhandlungen im Oktober 2016 verstorben. Zum Vater habe der BF keinen Kontakt mehr, da dieser auf ihn böse sei. Bei einer Rückkehr befürchte der BF von den Houthi getötet zu werden.
Der BF legte unter anderem einen im Jänner 2010 auf seinen Namen ausgestellten jemenitischen XXXX -Reisepass mit einem am 19.08.2014 ausgestellten türkischen Visum sowie einen Ausreisestempel vom Flughafen Sanaa vom 30.08.2014 vor, der die Anmerkungen enthält, dass der BF XXXX sei, einen auf seinen Namen ausgestellten Dienstausweis des Verteidigungsministeriums der Republik Jemen, wobei als Beruf " XXXX " vermerkt ist, sowie einen auf seinen Namen ausgestellten Personalausweis für Militärangehörige vor.
1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 leg.cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.05.2018 erteilt (Spruchpunkt III.). Das Bundesamt ging aufgrund des vorgelegten Reisepasses vom Feststehen der Identität des BF aus. Hinsichtlich der Fluchtgründe wurde in der Beweiswürdigung im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF insgesamt betrachtet seine ganze Fluchtgeschichte nicht glaubhaft vorbringen habe können. Sein Verhalten in der Einvernahme sei nicht ernsthaft erschienen und könne man als äußerst gelassen bezeichnen. Er habe zwar auch behauptet, dass seine Eltern Gesundheitsprobleme hätten und die allgemeine Lage sehr schwer sei, es ihnen aber weiters gut gehe und es zu keinen Bedrohungen gekommen wäre. Würde ein derart großes Interesse an der Person des BF bestehen, wäre es logisch nachvollziehbar, dass er aufgesucht werden würde, wenn er seinem Versprechen der Medikamentenlieferung nicht nachgekommen wäre. Der BF hätte nicht versucht, die angeblich sehr guten Kontakte wie die angeblich gute Position seines Vaters beim Militär, die er jedoch in keiner Hinsicht beweisen habe können, sich zu Hilfe zu holen. Die Tatsache, dass der BF Jemen legal mit einem Visum verlassen habe können, spreche gegen eine damalige Verfolgung durch die Regierung. Hätte er sich tatsächlich zu seiner Ausreise aus dem Jemen dem Militärdienst entzogen, wäre es nicht logisch nachvollziehbar, dass er ein Visum für die Türkei erhalten und legal ausreisen hätte können. Vielmehr sei glaubhaft, dass der BF in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen und Zukunftschancen das Herkunftsland und in Folge auch die Türkei verlassen habe. Da er legal in der Türkei aufhältig gewesen sei und nicht versucht habe, seinen Aufenthalt weiter zu legalisieren, und stattdessen alleine weiter nach Österreich gekommen sei, spreche für diese Annahme. Für den Fall einer Rückkehr des BF ins Herkunftsland wurde ausgeführt, dass die humanitäre Lage derzeit als prekär zu bezeichnen sei, in der Herkunftsregion des BF die Houthi an der Macht seien, die Gewährleistung der Sicherheit durch staatliche Behörden derzeit nicht sichergestellt sei und die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative derzeit nicht gegeben sei.
1.3. Gegen Spruchpunkt I. erhob der BF durch seine Rechtsvertretung innerhalb offener Frist wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde. Darin wurde eine mündliche Verhandlung beantragt und beanstandet, dass auf Grund des unzureichenden Ermittlungsverfahrens beim Bundesamt eine ganzheitliche Würdigung des Vorbringens des BF nicht erfolgt sei. Sodann wurde im Wesentlichen das Vorbringen des BF zu seinen Fluchtgründen wiederholt, wonach er in seinem Herkunftsland von den Houthi zwangsrekrutiert werden sollte und die Beweiswürdigung des Bundesamtes im Detail bekämpft. Dazu wurde ausgeführt, dass der BF sich nicht wirklich bei seinen Schwiegereltern verstecken habe wollen, sondern aufgrund des Konfliktes mit seiner Familie Abstand von dieser haben hätte wollen. Er habe nicht mehr im selben Haus mit den Menschen wohnen wollen, die ihn als Verräter bezeichnet, bedroht und unter Druck gesetzt haben. Der BF habe auch nie behauptet, sich versteckt zu haben. Auch die Tatsache, dass der BF den Jemen legal mit einem Visum verlassen habe, stehe mit seinem Vorbringen, wonach er von den Houthi verfolgt werde, nicht im Widerspruch, zumal der BF nie eine Verfolgung durch die Regierung behauptet habe. Dies zeige vielmehr, wie wenig sich die Behörde mit dem Fluchtvorbringen des BF befasst habe, wenn ihr nicht einmal klar sei, ob der BF vom Staat oder anderen verfolgt werde. Auch sei nicht klar, wie die Behörde darauf komme, dass der BF sich dem Militärdienst entzogen habe. Die Tätigkeit für den medizinischen Dienst beim Militär sei der Beruf des BF gewesen. Er sei Arbeitnehmer und wie jedes andere Dienstverhältnis ende es durch Austritt oder schlichtweg durch das Nicht-Erscheinen des Arbeitnehmers. Es entziehe sich der allgemeinen Lebenserfahrung, darin eine Verweigerung des Militärdienstes zu sehen. Hätte die belangte Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung vorgenommen, hätte sie zum Schluss kommen müssen, dass dem BF bei einer Rückkehr in den Jemen aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Personen, die sich einer Zwangsrekrutierung entziehen und ihnen damit einhergehend eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde, sowie aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie und seines langen Auslandsaufenthaltes dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung drohe.
1.4. In der Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht am 03.10.2017 brachte der BF im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache sowie seiner Rechtsvertretung zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen wie bisher vor, dass er von den Houthi als auch Teilen seiner Familie, die den Houthi angehören bzw. mit diesen sympathisieren würde, aufgrund seiner Ablehnung und Verweigerung der Kooperation mit den Houthi bedroht worden sei. Die von ihm in der Verhandlung dazu geschilderten Vorfälle ließen auch hinsichtlich Details keine wesentlichen Abweichungen zu seinen diesbezüglichen Angaben beim Bundesamt erkennen. Laut seinem Vorbringen in der Verhandlung habe er seinen Job beim Militär im Wesentlichen über seinen Vater erlangt, der XXXX und zuletzt XXXX gewesen sei. Sein Vater sei ursprünglich Militärarzt gewesen. Der BF habe in Kairo Medizin studiert, das Studium jedoch nicht abgeschlossen. Er sei einer der Leibwächter seines Vaters gewesen und habe nach der Rückkehr im Jahr 2011 aus Ägypten Medikamente in andere Provinzen transportiert. In seinem Reisepass sei XXXX vermerkt, weil XXXX automatisch per Gesetz XXXX erhalten und dies im Dokument vermerkt sei. Die Familie des BF, die ursprünglich aus XXXX stamme, würde von sich glauben, XXXX , zu sein. Seine Cousins seien aus XXXX gewesen. Die Familie des BF sei sunnitisch und säkular gewesen und sei dies erst wieder mit dem Aufstieg der Houthi aufgekommen. Seine Brüder und sein Vater seien Schiiten geworden. Seine Brüder würden auch wie die Cousins auf Seiten der Houthi kämpfen. Auch sein Vater habe auf der Hochzeit im Juli 2018 zu ihm gesagt, dass er zu den Cousins nach XXXX gehen und für die Houthi kämpfen soll. Sein Vater habe schon vor der Ausreise des BF aufgrund seiner familiären Herkunft im Verborgenen mit den Houthi sympathisiert. Der BF habe sich den Houthi nicht anschließen wollen, weil er ein Mensch sei, der nicht töten und getötet werden will, und nicht für etwas kämpfen wolle, das sich nicht lohne. Der BF habe deshalb die ganze Zeit Probleme mit seiner Familie, seinen Brüdern und seinem Vater. Er habe auch Angst vor seinem Vater. Viele von seinen Cousins hätten jetzt hohe Positionen in Sanaa, viele seien aber auch, wie der Cousin der ihn bedroht habe, gefallen. Bis jetzt gäbe es 33 Tote auf Seiten seiner Familie väterlicherseits.
Vom BF wurden neu eine persönliche Ladung des BF zur Staatsanwaltschaft in Sanaa vom März 2015, eine weitere Ladung der Staatsanwaltschaft vom April 2015, mit handschriftlichen Eintrag, dass im April 2015 an der Adresse des BF Nachschau gehalten und dieser dort nicht angetroffen worden sei, sowie ein Zwangsvorführungsbefehl der Staatsanwaltschaft gegen den BF vom Mai 2016 sowie ein Haftbefehl vom Juni 2016 in Kopie vorgelegt. Der BF gab dazu an, dass er diese Bescheinigungsmittel von einem Schulfreund im Jemen erhalten habe, der bei der Staatsanwaltschaft arbeite, und ihm die Dokumente heimlich kopiert und über WhatsApp geschickt habe.
Zu den mit dem BF in der Verhandlung erörterten Länderberichten zur Situation in Jemen wurde dem BF bzw. dessen Vertretung die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt, wovon mit Schreiben der Vertretung des BF vom 17.10.2017 Gebrauch gemacht wurde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus den herangezogene Berichten ergeben würde, dass die Houthi im September 2014 in Sanaa einmarschiert seien und die Hauptstadt auch aktuell kontrollieren würden. Die Houthi würden Zwangsrekrutierungen durchführen und auch gegen politische Gegner vorgehen, sei dies durch Verhaftungen, Verschwindenlassen oder ähnliche Übergriffe. Der BF sei den Houthi im Jemen offensichtlich bekannt, lasse er sich für diese anhand seines Familiennamens leicht identifizieren und würden diese nicht vor Menschenrechtsverletzungen gegenüber ihren Gegnern zurückschrecken. Zu den Angaben des BF hinsichtlich des Houthi-Konfliktes wurde zur Ergänzung ein Bericht der Stiftung Wissenschaft und Politik von März 2017 mit dem Titel "Kein Stellvertreterkrieg im Jemen" beigefügt.
1.5. Bei einer kriminaltechnischen Untersuchung des vom BF vorgelegten XXXX
-Reisepasses konnten laut Untersuchungsbericht eines Bundeskriminalamtes vom 22.11.2017 keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Verfälschung gefunden werden. Zur Echtheit des zur Untersuchung vorgelegten Dokumentes habe aufgrund des Umstandes, dass kein authentisches Vergleichs- bzw. Informationsmaterial aufliege, keine Beurteilung getroffen werden können.
1.6. Mit Schreiben vom 06.07.2018 wurden den Parteien aktualisierte Länderberichte zur Situation in Jemen zur Stellungnahme zugestellt, und ihnen die Gelegenheit eingeräumt, zu diesen sowie vorläufigen Feststellungen zu ihren persönlichen Verhältnissen Stellung zu nehmen und aufgefordert, zwischenzeitlich eingetreten Änderungen bekanntzugeben bzw. Beweismittel dazu vorzulegen.
Der Inhalt der dazu seitens der Rechtsvertretung des BF abgegebenen Stellungnahme vom 19.07.2018 deckt sich im Wesentlichen mit jenem in der Stellungnahme vom 22.12.2017.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Der BF ist Staatsangehöriger des Jemen, gehört der Volksgruppe der Araber an, ist Sunnit, war im Herkunftsstaat in Sanaa wohnhaft, reiste im Mai 2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF ist ins Visier der Houthi geraten, als er es entgegen einer vorgetäuschten Zusage unterlassen hat, mit diesen zu kooperieren bzw. sich diesen anzuschließen und sich dem diesbezüglichen Druck und den Drohungen der eigenen Familie, die auf Seiten der Houthi steht bzw. kämpft, zu beugen. Aus diesem Grund hat er Ende August 2014 das Herkunftsland verlassen.
Der BF ist unbescholten. Auch sonst sind keine Asylausschließungsgründe zutage getreten.
1.2. Zur Situation im Jemen:
1.2.1. Politische Lage/bewaffneter Konflikt:
Die Republik Jemen bezeichnet sich in ihrer am 15./16. Mai 1991 in einer Volksabstimmung angenommenen Verfassung (geändert am 28. September 1994) als unabhängigen, arabischen, islamischen und republikanischen Staat. Jemen ist Teil der arabischen und islamischen Welt. Staatsreligion ist der Islam (LIPortal 9.2017).
Die innere Lage des Landes wird immer noch durch die geteilten historischen Erfahrungen geprägt: einerseits britische Kolonialisierung und anschließende sozialistische Einflüsse im Süden, andererseits muslimische Imam-Herrschaft und Stammesgesellschaft im Norden. Insbesondere seit dem Sezessionskrieg 1994 hat sich Jemen auf den Weg einer allerdings schwierigen und nicht unangefochtenen Demokratisierung begeben. Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen dem ehemaligen Nord- und Südjemen bestehen fort. Diese belasten das politische und gesellschaftliche Klima des Landes (AA 4.2016).
2004 begann in der nordjemenitischen Provinz Sa'ada der Houthi-Aufstand. Der Expräsident Ali Abdullah Saleh bekämpfte während seiner Amtszeit bis 2012 den Aufstand. Nach seinem Rücktritt schloss er sich allerdings der Rebellion an, als diese sich ausbreitete. Im Herbst 2014 nahmen die Houthi die Hauptstadt Sana'a ein (Der Standard 23.8.2016). 2015 besetzten die Houthi-Rebellen den Präsidentenpalast und einige Ministerien in Sana'a, lösten Anfang Februar per Dekret das Parlament auf und setzten einen "Obersten Revolutionsrat" als Exekutivorgan ein (AA 4.2016). Präsident Hadi gab am 22.1.2015 eine Rücktrittserklärung ab, nahm diese jedoch Anfang Februar zurück. Nach einem Zwischenaufenthalt in Aden begab er sich nach Saudi-Arabien ins Exil, hält sich jedoch zwischendurch auch in Aden auf (LIPortal 9.2017). Der Krieg im Jemen eskalierte im März 2015, als eine Koalition unter saudi-arabischer Führung im Namen der international anerkannten Regierung unter Präsident Hadi gegen die Houthi-Rebellen intervenierte. Dies hat im ohnehin armen Land zu einer humanitären Katastrophe geführt (ICG 8.2017).
Der Jemen befindet sich derzeit in einer politischen Schwebe. Die Houthi behaupten, das Parlament sei aufgelöst und durch einen Übergangs-Revolutionsrat unter dem Vorsitz von Mohammed Ali al-Houthi ersetzt worden. Die UNO, die USA und der Golf-Kooperationsrat weigern sich jedoch, die Houthi-Herrschaft anzuerkennen (BBC 6.7.2017). Zudem haben Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) und Mitglieder des sogenannten Islamischen Staates (IS) das Chaos ausgenutzt, indem sie Gebiete im Süden eingenommen und ihre Angriffe intensiviert haben (BBC 28.3.2017).
Nach einer Zeit des rasanten Vormarschs hat die Allianz aus Houthi und Saleh-Unterstützern im Juli und August 2015 Territorium im Süden eingebüßt. Seitdem bekämpfen sie die Gegenseite, was in einer Pattsituation endete. Die Allianz hat die Kontrolle über das Gebiet des nördlichen Zaidi-Hochlandes [mehrheitlich von den Zaiditen, einem Zweig der Shi'a bewohnt], das die Hauptstadt Sana'a und die Mehrheit der Bevölkerung des Landes umfasst. Dies hat zu einem angespannten Status Quo geführt, von dem mehrere Konfliktparteien profitieren, der jedoch großes Leid unter den JemenitInnen und zusätzliche Instabilität in der gesamten Region hervorgerufen hat (ICG 11.10.2017).
Führende Politiker und Militärs haben Mitte Mai 2017 in Aden die Bildung einer neuen "Übergangsregierung" für Südjemen verkündet. Damit gibt es im Jemen jetzt drei Regierungen, eine in Sana'a und zwei in Aden. Und ausgerechnet der international anerkannte Präsident Hadi operiert meist aus dem Exil in Riad. Zubaidi, der Anführer der "Bewegung des Südens", machte seine Deklaration zur neuen Regierung im Fernsehen vor einer Flagge der einstigen Demokratischen Volksrepublik Südjemen, vorerst ohne die Unabhängigkeit auszurufen. Nun droht eine Eskalation des Konfliktes zwischen Anhängern Hadis und südjemenitischen Fraktionen, die mit der Sezession liebäugeln. Über den Gräben im Süden ist auch eine Diskrepanz zwischen der Politik Saudi-Arabiens und derjenigen der Vereinigten Arabischen Emirate deutlich geworden. Die beiden Golfstaaten führen eine multinationale Militärkoalition an, welche die Anti-Houthi-Allianz unterstützt. Während Saudi-Arabien vor allem aus der Luft bombardiert und seine Aktivitäten auf die saudisch-jemenitische Grenze fokussiert, haben sich die Emirate der Hafenstädte im Süden angenommen. Zur Unterstützung der Anti-Houthi-Allianz in Aden schickten sie Bodentruppen. Südjemenitische Anführer wie Al Zubaidi haben enge Beziehungen zu den Emiraten entwickelt, während der heute in Riad lebende Hadi von Saudi-Arabien unterstützt wird (NZZ 13.5.2017).
Anlässlich der Gedenkfeiern zum 54. Jahrestages des Aufstandes gegen die Briten am 14.10.2017 verkündete Al Zubaidi die baldige Abhaltung eines Unabhängigkeitsreferendums und die Konstituierung eines Parlamentes mit 303 Abgeordneten, welches alle Regionen des Süden repräsentieren soll (Reuters 14.10.2017, vgl. MEM 15.10.2017).
Ex-Präsident Saleh inszenierte am 24.8.2017 eine Groß-Kundgebung in Sana'a anlässlich des 35. Jahrestages der Gründung der "General People's Congress Partei" (GPC). Die Houthi-Führung forderte am Vortag die Einführung des Ausnahmezustandes (ICG 8.2017). In einer Rede stellte Abdulmalik al-Houthi eine "Verschwörung" in den Raum. Saleh antwortet seinerseits mit einer Rede, in der er die Houthi beschuldigte, die 2015 getroffenen Absprachen zur Regierung der kontrollierten Gebiete zu brechen (Der Standard 29.8.2017, vgl. The National 20.8.2017). Hinter der "Verschwörung" stehen die Bemühungen der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), des zweit-wichtigsten Mitglieds in der Saudi-Allianz, um einen Waffenstillstand. Die Houthi befürchteten, Saleh könnte diesen am 24. August verkünden (Der Standard 29.8.2017). Auch Al Houthi sagte, dass er bereit sei, auf ein Friedensabkommen mit der Regierung von Herrn Hadi und der von Saudi-Arabien geführten Koalition hinzuarbeiten, das die VAE einschließt, aber nur ein Abkommen, das im Interesse des Landes sei (The National 20.8.2017).
Die Spannungen zwischen den Anhängern der Partei Houthi und Salehs General People's Congress (GPC) blieben nach dem Zusammenstoß vom 25. August in der Hauptstadt Sana'a hoch, obwohl die Führer auf beiden Seiten öffentlich versichert hatten, dass die Allianz fortgeführt wird (ICG 8.2017). Sana'a ist nun zwischen den beiden Lagern aufgeteilt, wobei die Houthi etwa 70% der Hauptstadt und einen Großteil des Nordens halten (AM 3.9.2017).
Unter der Oberfläche jedoch schwelen Differenzen. Der GPC versteht sich als Partei des politischen Zentrums, als Dachorganisation, die eine Reihe von politischen Positionen und konfessionellen Gruppen umfasst und landesweit Anklang findet. Sie sieht die Houthi in der gleichen Weise wie die [sunnitische] "Islah-Partei" als intolerante religiös begründete politische Organisationen mit Verbindungen zu ausländischen Akteuren - im Fall der Houthi zum Iran, im Fall der Islah zu Katar und der Muslimbruderschaft. Wie viele JemenitInnen vermutet der GPC, dass die Houthis die einstige Herrschaft der Zaidi-Imame, die vor der republikanischen Revolution von 1962 für ein Jahrtausend im Norden Jemens regiert hatten, zurückbringen wollen. Die Houthi betrachten umgekehrt Saleh und seine engsten Anhänger als gefährliche und unzuverlässige Verbündete. Aus ihrer Perspektive ist Salehs GPC für eine korrupte Vergangenheit verantwortlich, in der die Regierung das Land nicht entwickelt, politisch ausgegrenzt und die Verbreitung der Salafi/Wahhabi-Doktrin, des ideologischen Gegners der Houthi, erleichtert und ihr Land zerstört hat. Die Houthis sind zutiefst misstrauisch gegenüber Salehs früherer Unterstützung und Zusammenarbeit mit den USA und seinen Aktivitäten zur Terrorismusbekämpfung. Einige Houthi wollen Saleh und andere GPC-Führer für vergangene Verbrechen zur Rechenschaft ziehen, einschließlich der Ermordung von Hussein al-Houthi. So wie der GPC das Engagement der Houthi für die Demokratie bezweifelt, zweifeln die Houthi am Engagement des GPC für eine echte Teilung der Macht (ICG 11.10.2017).
Ali Abdullah Saleh wurde am 4.12.2017 in der jemenitischen Hauptstadt Sana'a von Houthi-Rebellen getötet. Mit den Houthi, die er einst bekämpfte, war Saleh 2014 eine Allianz eingegangen (Standard 4.12.2017a). Erst am 2.12.2017 hatte Saleh im Fernsehen nach mehr als zweieinhalb Jahren Krieg seine Militärallianz mit den Houthi-Rebellen aufgekündigt und "den Brüdern der benachbarten Staaten" angeboten, eine neue Seite im Verhältnis miteinander aufzuschlagen, wenn die Luftangriffe und die Blockade beendet würden. Houthi-Anführer Abdul-Malik al-Houthi bezeichnete Saleh daraufhin als Hochverräter und Putschisten (Zeit 4.12.2017). Nach anfänglichen Erfolgen in der darauffolgenden bewaffneten Konfrontation zwischen Saleh- und Houthi-Anhängern schien zuerst Saleh zu überwiegen. Am 3.12.2017 wendete sich jedoch das Blatt. Die Houthis begannen ihre Positionen in Sana'a zurückzuerobern, obwohl Saudi-Arabien seine Angriffe aus der Luft intensivierte (Standard 4.12.2017a). Die Gewalt zwischen den Streitkräften der Houthis und Salehs hat nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes in den letzten fünf Tagen bisher zum Tod von mindestens 125 Zivilisten geführt (Guardian 4.12.2017). Der in Saudi-Arabien im Exil lebende international anerkannte Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi gab unterdessen seinen Truppen den Befehl, die Hauptstadt zu stürmen und aus der Hand der Houthis zu befreien (Zeit 4.12.2017). Hadi bot allen, die ihre Unterstützung der Houthis aufgeben und sich zurückziehen, eine Amnestie an (Standard 4.12.2017b).
Nach dem Tod Salehs kam es zu erfolgreichen Bodenoffensiven gegen die Houthi Stellungen. So konnten die Houthi aus den Bayhan-Distrikt, wo die Frontlinie trotz intensiver Kämpfe über Jahre festgefahren war, verdrängt werden, und mussten sie auch Bodenverluste in Hodeidah hinnehmen. Al Jazeera betitelte angesichts dieser Entwicklungen in einem Kommentar vom 21.12.2017 die (militärische und politische) Situation der Houthi bereits als deren "Endgame" (Al Jazeera, Dezember 2017). Die Washington Post ging in einer Analyse vom 11.01.2018 gleichfalls von künftigen weiteren Bodenverlusten der Houthi aus. So hätten die Houthi aufgrund der Einrichtung von Internierungsstätten, in denen Gegner angehalten, gefoltert und getötet werden, die Unterstützung der meisten gewöhnlichen Yemeniten verloren. Eine Schlacht um Sanaa oder Hodeidah würde wahrscheinlich dennoch blutig und destruktiv verlaufen und die ohnehin sehr schlimme humanitäre Situation in eine weitere, noch katastrophalere Phase katapultieren, wobei selbst einem Sieg der von Saudi Arabien angeführten Koalition nach zerstörerischen Schlachten über Jahre hinweg Aufstände und Gegenaufstände im nördlichen Hochland folgen würden (Washington Post, Jänner 2018).
Nach dem Tod Salehs kam es laut Angaben eines geflüchteten Ministers seiner Regierung in den Wochen danach zu Repressalien gegen tausende von Mitgliedern der Kongresspartei des ehemaligen Präsidenten. So wären laut Bericht von The National, einer Tageszeitung aus Abu Dabi, vom 24.12.2017 3.000 dem Präsidenten Saleh loyal ergebene Personen von den Houthi verhaftet worden und seien in den letzten Wochen 2.000 weitere verschwunden (The National, Dezember 2017).
Den Houthi Rebellen ist es im März 2015 gelungen, weite Teile der Stadt Taiz einzunehmen, in den folgenden kriegerisch Auseinandersetzungen mit Hadi-loyalen Truppen konnten diese von April bis August jedoch einen Großteil der Stadt zurückerobern, wobei die Kämpfe mit unterschiedlichen Verlauf, zeitweiligen Waffenstillständen und Unterbrechungen im Wesentlich bis dato andauern. Zuletzt wurde einem Bericht von Middleeasteye.net zufolge am 25.01.2018 seitens der Hadi-loyalen Streitkräfte eine Offensive gestartet, um mit Unterstützung der saudiarabischen Allianz in zwei Stoßrichtungen von Osten und Westen aus den Belagerungsring der Houthi um die Stadt Taiz zu durchstoßen (Wikipedia, Zugriff am 09.02.2018).
In Aden dürfte laut Standard das Regierungsgebäude der jemenitischen Hadi-Regierung Ende Jänner 2018 von südlichen Separatisten eingenommen. Die Emirate und Saudi-Arabien stehen diesbezüglich auf unterschiedlichen Seiten (Standard Februar 2018)
Zuletzt haben die Koalitionskräfte am 12.06.2018 eine Offensive gegen die von den Houthi gehaltene Hafenstadt Hodeidah eingeleitet, wobei sich diese zur bisher größten Schlacht im Bürgerkrieg ausgeweitet hat. Die Houthi haben in Rahmen von Waffenstillstandsverhandlungen angeboten, den Hafen der Stadt einer UN- Verwaltung zu übertragen, wobei die Frontlinien zur Zeit ruhen (Reuters 01.07.2018)
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (4.2016): Jemen - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Jemen/Innenpolitik_node.html, Zugriff 28.9.2017
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BBC News (28.3.2017): Yemen crisis: Who is fighting whom?, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-29319423, Zugriff 28.9.2017
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BCC News (6.7.2017): Yemen country profile, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-14704852, Zugriff 28.9.2017
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ICG - International Crisis Group (8.2017): Yemen, https://www.crisisgroup.org/crisiswatch/august-2017#yemen, Zugriff 28.9.2017
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ICG - International Crisis Group (11.10.2017): Discord in Yemen's North Could Be a Chance for Peace [Crisis Group Middle East Briefing N°54],
https://d2071andvip0wj.cloudfront.net/b054-discord-in-yemens-north-could-be-a-chance-for-peace_0.pdf, Zugriff 13.10.2017
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LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (9.2017): Jemen - Staat und Verfassung,
https://www.liportal.de/jemen/geschichte-staat/#c1943, Zugriff 29.9.2017
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MEM - Middle East Monitor (15.10.2017): Southern Yemen leader sees independence referendum, parliament body, https://www.middleeastmonitor.com/20171015-southern-yemen-leader-sees-independence-referendum-parliament-body/, Zugriff 16.10.2017
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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (13.5.2017): Drei Regierungen für Jemen,
https://www.nzz.ch/international/separatisten-im-sueden-drei-regierungen-fuer-jemen-ld.1292924, Zugriff 11.10.2017
- Reuters (14.10.2017): Southern Yemen leader sees independence
referendum, parliament body,
https://uk.reuters.com/article/uk-yemen-security/southern-yemen-leader-sees-independence-referendum-parliament-body-idUKKBN1CJ06T?rpc=401HYPERLINK
"https://uk.reuters.com/article/uk-yemen-security/southern-yemen-leader-sees-independence-referendum-parliament-body-idUKKBN1CJ06T?rpc=401&"&,
Zugriff 16.10.2017
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Der Standard (23.8.2016): Krieg im Jemen wird zur Sackgasse für die Saudis,
https://derstandard.at/2000043199757/Krieg-in-Jemen-wird-zur-Sackgasse-fuer-die-Saudis?ref=rec, Zugriff 28.09.2017
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Der Standard. Harrer, Gudrun (29.8.2017): Die Zweckehe der jemenitischen Rebellen ist in der Krise, https://derstandard.at/2000063266198/Die-Zweckehe-der-Rebellen-im-Jemen-ist-in-der-Krise, Zugriff 9.10.2017
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The Guardian (4.12.2017): Yemen Houthi rebels kill former president Ali Abdullah Saleh,
https://www.theguardian.com/world/2017/dec/04/former-yemen-president-saleh-killed-in-fresh-fighting, Zugriff 5.12.2017
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Der Standard (4.12.2017a): Jemens Expräsident Saleh tot:
Seitenwechsel wurden zum Verhängnis, https://derstandard.at/2000069031715/Jemen-Ein-Seitenwechsel-zu-viel-wurde-Expraesident-Saleh-zum-Verhaengnis, Zugriff 5.12.2017
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Der Standard (4.12.2017b): Rettungsdienste: In Jemens Hauptstadt Sanaa werden die Leichensäcke knapp, https://derstandard.at/2000069006092/Streit-verschaerft-Jemens-Houthis-sprengen-Haus-von-Expraesident-in-die, Zugriff 5.12.2017
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Die Zeit (4.12.2017): Das Ende eines Machtjongleurs, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-12/ali-abdullah-salih-jemen-ex-praesident-tod, Zugriff 5.12.2017
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Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Jemen, Gesamtaktualisierung 16.10.2017, Update 05.12.2017, https://www.ecoi.net/file_upload/5818_1508320581_jeme-lib-2017-10-16-ke.doc;
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ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung a-10337-2 (10338) vom 10.10.2017 zum Jemen: Sind in von Houthis kontrollierten Gebieten die Houthi-Milizen die offiziellen (nordjemenitischen) Streitkräfte oder besteht daneben eine Art offizielle (nord-jemenitische) Armee? Gibt es eine generelle Mobilisierung und eine Art allgemeine Wehrpflicht, Ahndung von Verstößen dagegen, http://www.ecoi.net/local_link/347718/491796_de.html
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Aljazeera, Nadwa Al-Dawsari: The Houthis' endgame in Yemen, 21.12.2017,
http://www.aljazeera.com/indepth/opinion/houthis-endgame-yemen-171221082107181.html
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Washington Post, Peter Salisbury, In Yemen, 2018 looks like it will be another grim year. 11.01.2018, https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2018/01/11/heres-what-2018-may-have-in-store-for-yemen/?utm_term=.bc4069e50b35
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The National, Ali Mahmood: Houthis eliminating thousands of Saleh supporters, defector from rebel government says, 24.12.2017, https://www.thenational.ae/world/mena/houthis-eliminating-thousands-of-saleh-supporters-defector-from-rebel-government-says-1.690026
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Middleeasteye.net: Yemeni Forces move to break Houthi Siege of Taiz, 26.01.2018,
http://www.middleeasteye.net/news/military-campaign-break-siege-taiz-1155565272
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Wikipedia, The Battle of Taiz, (2015-present), https://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Taiz_(2015%E2%80%93present), abgerufen am 09.02.2018
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Standard.at: Kampf um Aden: Ein neuer Krieg im Jemen-Krieg, 01.02.2018,
https://derstandard.at/2000073395154/Kampf-um-Aden-Ein-neuer-Krieg-im-Krieg-im-Jemen
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Reuters: UAE says pauses Hodeidah offensive for U.N. Yemen peace efforts, 01.07.2018,
https://www.reuters.com/article/us-yemen-security/uae-says-pauses-hodeidah-offensive-for-u-n-yemen-peace-efforts-idUSKBN1JR1CL
1.2.2. Sicherheitslage
Die volatile Sicherheitslage und militärische Operationen wirken sich weiterhin auf die Zivilbevölkerung im Jemen aus. Nach Angaben des Global Protection Cluster hat die Anzahl der gemeldeten Luftangriffe im ersten Halbjahr 2017 den Gesamtwert für 2016 überstiegen, mit einer fast Verdreifachung des Monatsdurchschnitts. Die Zahl der vermeldeten bewaffneten Zusammenstöße liegt um 56 Prozent pro Monat höher als 2016. Ta'izz, Sa'ada, Hajjah, Sana'a, Al Jawf und Ma'rib bleiben die von Militäroperationen, Zusammenstößen und Luftangriffen am stärksten betroffen Gebiete (UN-OCHA 14.8.2017). Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (ICRC) bedauerte zu tiefst den Trend, dass öffentliche Plätze, wie Märkte sowie private Häuser zu Zielen der Konfliktparteien werden. Denn dies steht im Widerspruch zu den grundlegenden Grundsätzen des Kriegsrechts. Das ICRC zeigte sich insbesondere durch das jüngste Muster von Luftangriffen alarmiert, bei denen es wie zuletzt in Ta'izz zu zivilen Opfern gekommen ist (ICRC 8.8.2017).
Die Schwächen der Rechtsstaatlichkeit bestehen landesweit, vor allem aber in den Städten und Orten sowie dem Süden des Landes, wo das Fehlen einer wirksamen Kontrolle durch eine zentrale Behörde ein Machtvakuum schafft, in dem mehrere bewaffnete Gruppierungen und Stammesgruppen um die Kontrolle konkurrieren (GPC 9.2017).
Die von Saudi Arabien geführte Koalition ist wiederholt für Angriffe auf Zivilisten kritisiert worden. Mehr als 8.000 Menschen wurden seit 2015 getötet, darunter mindestens 1.500 Kinder, begleitet von Millionen Vertriebenen. Das verarmte Land wird durch den Konflikt an den Rand einer Hungersnot gedrängt. Ein Cholera-Ausbruch hat seit April 2017 mehr als 1.800 Menschen das Leben gekostet, und laut Vereinten Nationen und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz bestehen weitere 400.000 Verdachtsfälle im ganzen Land. Die Vereinten Nationen warnten im Juli 2017 davor, dass 80% der Kinder im Jemen dringend Hilfe brauchten, was die Organisation als "größte humanitäre Krise der Welt" bezeichnete (MEE 17.9.2017).
Im August 2017 kam es zur einer markanten Eskalation der Spannungen zwischen Anhängern der Huthis und jenen des ehemaligen Präsidenten Saleh in Sana'a [die bislang als Verbündete galten]. Überdies nahmen die Luftangriffe der von Saudi-Arabien angeführten Koalition zu. Die Kämpfe gingen in der Provinz Ta'izz und entlang der saudischen Grenze weiter. In Ta'izz beispielsweise kämpften Huthi und Saleh-Rebellen gemeinsam gegen die Streitkräfte der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und deren jemenitische Verbündete um die Kontrolle über den Militärstützpunkt Khaled bin Waleed und die umliegenden Gebiete (ICG 8.2017).
Die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Militäroperation im Jemen ist ins Stocken geraten, ohne dass seit Herbst 2015 strategische Erfolge erzielt worden wären, nachdem die saudischen Koalitionstruppen Aden und Teile der Provinz Ta'izz besetzt hatten. Den VAE wird mehr Interesse an der Bekämpfung der zur Muslimbruderschaft zugerechneten Al-Islah Partei (ein saudischer Verbündeter im Jemen) als der Saleh-Houthi-Allianz zugeschrieben. Angesichts der zunehmenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Ländern über den Jemen sehen die Aussichten der Koalition auf einen militärischen Erfolg schwach aus (AM 9.10.2017).
Andere bewaffnete Akteure haben weiterhin die Unsicherheit im Jemen ausgenutzt. Im vergangenen Jahr [2016] haben extremistische Gruppen ihre Präsenz aufrechterhalten und angepasst. Zum Beispiel, nachdem die Al Qaida im April 2016 aus Al Mukalla in der südlichen Provinz Hadramaut vertrieben wurde, ist sie nun in Ta'izz-Stadt aktiv (OHCHR 5.9.2017).
Die jemenitische Menschenrechtsorganisation "SAM" mit Sitz in Genf liefert für 2016 einen Überblick über die Opferzahlen nach Provinzen (siehe Tabelle unten). Die Todesursachen reichen von Beschuss durch Scharfschützen, Bombenangriffen auf Wohngebiete, Landminen auf öffentlichen Straßen und Plätzen, unkonventionellen Sprengvorrichtungen (IEDs) über Terroranschläge und politische Morde bis zu Tod unter Folter und außergerichtliche Exekutionen. Hinzu kamen Luftangriffe durch die von den Saudis angeführte Koalition sowie US-amerikanische Drohnen-Angriffe. Laut SAM waren von den 2950 Getöteten 77% Männer, 6% Frauen und 17% Kinder. Die meisten Opfer, nämlich die Hälfte, gingen auf das Konto der Huthi-Saleh-Milizen, 27% waren Opfer von Luftangriffen der Arabischen Koalitionsstreitkräfte, 12% von terroristischen Gruppen und 5% von US-amerikanischen Drohnen-Angriffen. Die Rest ging auf das Konto der Regierungstruppen oder war Opfer von sozialen Konflikten bzw. ist die Quelle der Gewalt unbekannt (SAM 15.2.2017).
Gouvernement
Zahl der Tötungen 2016
Prozent
Ta'izz
921
31%
Aden
310
11%
Shabwa
198
7%
Hadramut
192
7%
Sana'a (Stadt)
175
6%
Sana'a
165
6%
Hajjah
151
5%
Ma'rib
130
4%
Lahaj
118
4%
Al-Jouf
115
4%
Hudaydah
109
4%
Al-Baidha
104
4%