TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/17 W255 2190624-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.08.2018
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Entscheidungsdatum

17.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W255 2190624-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2018, Zl. 1087369908/151338053, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.08.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste am 15.09.2015 gemeinsam mit seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Schwester in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 15.09.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Salzburg die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, afghanischer Staatsangehöriger, Tadschike, schiitischer Muslim und am XXXX geboren zu sein. Der BF habe von 1996 bis 2005 in XXXX , Afghanistan, die Schule besucht, zunächst als KFZ Mechaniker und später als Sekretär in einem Büro für Frauenrechte gearbeitet. Der BF habe Afghanistan ca. im März 2014 verlassen und sei in den Iran und die Türkei gereist. Dort habe er sich ca. ein Jahr aufgehalten, ehe er nach Österreich weitergereist sei. Der BF habe Afghanistan verlassen, da sein Leben in Gefahr gewesen sei. Die Taliban hätten ihn bedroht, weil er in einer Frauenrechtsorganisation gearbeitet habe.

Obwohl er vor vier bis fünf Jahren bereits in Europa (Ungarn, Schweiz und Deutschland) gewesen sei, sei er zwischendurch wieder nach Afghanistan zurückgegangen, weil es ihm in Europa zu viel geworden sei. Jetzt wolle er aber wieder aus Afghanistan weg, da die Gefahr dort größer geworden sei. Er befürchte bei einer Rückkehr nach Afghanistan wieder bedroht zu werden, da er in einem Büro für Frauenrechte gearbeitet habe.

1.3. Am 28.11.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich (im Folgenden: BFA), einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er geschieden sei und eine siebenjährige Tochter ( XXXX ) habe, die bei seiner Ex-Ehefrau ( XXXX ) in Afghanistan lebe. Der BF habe sich aus Österreich aus Scheiden lassen. Seine Ehefrau habe die Scheidung beantragt und seit acht Monaten sei der BF geschieden.

Der BF sei in der Stadt XXXX , im Iran geboren. Er habe im Iran drei Jahre die Schule besucht, dann sei die Familie nach Afghanistan zurückgekehrt und habe dort in XXXX gelebt. In XXXX habe der BF sechs Jahre die Schule besucht und mit seinem Vater in dessen eigener Werkstatt als Mechaniker gearbeitet. Danach sei der BF nach XXXX gegangen und habe in einem Büro für Frauenrechte gearbeitet. Er habe keine Wohnung gehabt, aber ein Zimmer von seinem Arbeitgeber bekommen. Einmal im Monat sei er nach Hause nach XXXX und habe seine Familie besucht.

Der BF habe Afghanistan bereits zuvor verlassen gehabt, ein Jahr in der Schweiz und sechs Monate in Deutschland verbracht. In beiden Ländern habe er Asyl beantragt, jedoch seien seine Anträge abgelehnt worden, weil er in Ungarn Fingerabdrücke abgegeben hätte. Er sei dann aus Deutschland freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt, da er nicht nach Ungarn wollen habe und habe Afghanistan nach einem Jahr neuerlich verlassen. Er habe auf seiner Reise ca. ein Jahr in der Türkei verbracht, wo er als Gärtner gearbeitet habe, und sei Mitte September 2015 nach Österreich gekommen.

Der BF sei in Afghanistan von den Taliban und seinem Schwager bedroht worden. Als der Schwager seine Schwester geschlagen habe, habe der BF seine Schwester beschützt und verteidigt. Danach habe der Schwager den BF mit dem Tod bedroht. Der BF sei auch von den Taliban bedroht und geschlagen worden. Dies auch, weil er für ein Büro für Frauenrechte gearbeitet habe. Ihm sei gesagt worden, dass er dort nicht arbeiten dürfe. Als er die Drohung ignoriert habe, sei er mit dem Tod bedroht worden, deshalb habe er Afghanistan das erste Mal verlassen.

Nachdem er von Deutschland nach Afghanistan zurückgekehrt sei, habe er wieder angefangen im selben Büro für Frauenrechte zu arbeiten. In den ersten Monaten sei alles normal gewesen und er habe keine Probleme gehabt. Dann habe ihn seine Schwester angerufen und gesagt, dass sie von ihrem Ex-Ehemann geschlagen worden sei und sie sich scheiden lassen wolle. Der Ex-Ehemann habe die Schwester auch geschlagen und vergewaltigt. Der BF sei aus XXXX nach XXXX und habe seinen Schwager zur Rede gestellt. Dieser habe den BF bedroht und gesagt, dass er den Taliban sagen würde, dass der BF wieder in Afghanistan sei und für das Büro für Frauenrechte arbeite. Zwei oder drei Tage später sei der BF von unbekannten Männern geschlagen worden. Er sei fast bewusstlos gewesen, als sie aufgehört hätten, auf ihn einzuschlagen und weggelaufen seien. Der BF habe sofort gewusst, dass dieser Angriff von seinem Schwager komme. Der BF denke, dass es sich bei den Tätern um Taliban gehandelt habe, er wisse es aber nicht genau. Der BF habe gewusst, dass die Familie wieder Probleme mit dem Schwager bekommen würde, daher habe die Familie beschlossen, Afghanistan zu verlassen.

Das Frauenbüro, für das der BF gearbeitet habe, heiße: " XXXX ". Diese Organisation sei von einer Frau namens XXXX gegründet worden. Ein Freund habe dem BF damals erzählt, dass diese Organisation noch eine freie Stelle gehabt habe und der BF habe als Sekretär dort gearbeitet. Sein Chef sei XXXX gewesen. Der BF habe Termine vergeben und die Probleme der Frauen, die sich an das Büro gewandt haben, protokolliert. Er habe die Akten verwalten und alles protokollieren müssen. Es habe auch eine weitere Person namens XXXX dort gearbeitet, der mit den Frauen gesprochen und ihnen Ratschläge erteilt habe. Vor seiner erstmaligen Reise nach Europa habe der BF von den Taliban einen Drohbrief erhalten. Er sei aber nicht körperlich verletzt oder attackiert worden. Nach seiner Rückkehr aus Deutschland sei er von den Taliban nicht bedroht worden. Er habe aber gewusst, dass sein Schwager Kontakte zu den Taliban habe und der Schwager habe gesagt, dass er den Taliban sagen werde, dass der BF zurück sei und wieder für das Büro arbeite.

Das Büro sei in XXXX gewesen. Der BF habe in XXXX nie irgendwelche Probleme gehabt. Die Organisation habe Frauen helfen wollen. In XXXX sei es auch für Frauen kein Problem, dass Männer in einer solchen Organisationen arbeiten.

Die Eltern des BF und ein Bruder seien von Österreich nach Afghanistan zurückgekehrt, da das Leben in Österreich für sie schwierig gewesen sei, insbesondere sich hier anzupassen. Seine Familie habe keine Probleme, seit sie nach Afghanistan zurückgekehrt sei.

Der BF habe in Österreich viele Deutschkurse besucht und freiwillig in der Gemeinde gearbeitet (geputzt, im Baubereich und Gartenarbeit). Er habe am 11.07.2017 die Deutschprüfung auf B1 Niveau bestanden.

Der BF legte die folgenden Dokumente vor:

* Tazkira

* Scheidungsurkunde

* Teilnahmebestätigung an einem Radkurs

* Teilnahmebestätigung am Lehrgang " XXXX " - Lehrgang zur Rollenklärung und -stärkung von Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern in öffentlichen Bildungseinrichtungen und Kommunen

* ÖSD Zertifikat A1 vom 14.07.2016

* ÖSD Zertifikat A2 vom 16.03.2017

* ÖSD Zertifikat B1 vom 11.07.2017

* Unterstützungsschreiben einer Privatperson vom 27.11.2017

* undatiertes Unterstützungsschreiben einer Privatperson

* Unterstützungsschreiben des Bürgermeisters von XXXX vom 27.11.2017

1.4. Das BFA führte Konsultationen gemäß § 34 Dublin III VO mit Deutschland und der Schweiz durch. Seitens der Schweizerischen Eidgenossenschaft erhielt das BFA die Auskunft, dass der BF am 21.11.2011 in die Schweiz eingereist sei und als " XXXX " am 23.05.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Am 19.06.2012 habe Ungarn der Wideraufnahme des BF zugestimmt. Die dagegen erhobenen Beschwerden des BF seien von der Schweiz rechtskräftig abgelehnt worden. Danach sei der BF verschwunden.

Seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erhielt das BFA die Auskunft, dass der BF am 11.03.2013 in Deutschland eingereist sei und am 14.03.2013 als " XXXX " einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, der mit 15.11.2013 rechtskräftig negativ entschieden worden sei. Am 12.06.2013 habe der BF Deutschland freiwillig Richtung Afghanistan verlassen. Seinen Antrag auf internationalen Schutz habe der BF damit begründet, dass er in Afghanistan für eine Organisation für Frauenrechte gearbeitet habe und von den Taliban bedroht worden sei. Der BF habe einen Drohbrief der Taliban vom 28.01.2011 und ein Arbeitszeugnis seines Dienstgebers mit dem Namen " XXXX " vom 05.02.2010 vorgelegt.

1.5. Das BFA wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 18.02.2018, Zl. 1087369908/151338053, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde seitens des BFA kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.), gegenüber dem BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

1.6. Gegen den unter Punkt 1.5. genannten Bescheid richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wiederholte der BF im Wesentlichen sein Vorbringen, dass er in Afghanistan aufgrund seiner Tätigkeit für ein Büro für Frauenrechte von den Taliban und von seinem Schwager bedroht worden sei.

1.7. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 28.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.8. Mit Schreiben vom 06.06.2018 wurden dem BF vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderfeststellungen betreffend Afghanistan übermittelt.

1.9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.08.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari sowie im Beisein des BF, seiner Schwester und seines rechtsfreundlichen Vertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Seitens des BFA wurde mit Schreiben (Beschwerdevorlage) vom 12.06.2018 auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. Dabei wiederholte der BF, dass er Afghanistan erstmals ca. 2011 verlassen habe, in die Schweiz gefahren sei, dort weniger als ein Jahr verbracht habe, nach Deutschland weitergereist sei, dort sechs Monate verbracht habe und anschließend nach Afghanistan zurückgekehrt sei. Der BF habe sich zehn Monate in Afghanistan aufgehalten, ehe er Afghanistan neuerlich verlassen habe. Er habe wieder in XXXX in der selben Frauenrechtsorganisation gearbeitet, in der er vor seiner erstmaligen Ausreise aus Afghanistan gearbeitet habe. Der BF wisse nicht, ob es sich um eine afghanische oder internationale Organisation handle. Die Organisation habe die Rechte der Frauen verteidigt und der BF sei dort als Sekretär tätig gewesen, habe Namen aufgeschrieben und Termine vereinbart. Es habe drei Mitarbeiter gegeben. Die Organisation habe auch ein Büro in XXXX , aber der BF sei noch nicht dort gewesen. Die Organisation habe dem BF während seiner Tätigkeit in XXXX ein Zimmer als Unterkunft zur Verfügung gestellt. Der BF habe vor seiner ersten Ausreise von den Taliban einen Brief bekommen, in dem er aufgefordert worden sei, seine Arbeit zu beenden. Dieser Brief sei den Eltern in XXXX zugestellt worden. Nach der Rückkehr des BF nach Afghanistan sei er von seinem Schwager bedroht worden. Der BF sei nie in XXXX bedroht worden. Er habe auch in XXXX sesshaft werden und sich dort eine Existenz aufbauen wollen. Der BF habe seinem Dienstgeber von dem Drohbrief der Taliban erzählt. Dieser habe dem BF als Lösung geraten, er solle nach XXXX ziehen und nicht mehr nach XXXX pendeln. Auch der Schwager des BF habe den BF nie in XXXX aufgesucht.

Der BF habe vor acht Jahren geheiratet. Aufgrund von persönlichen Problemen mit seiner Ehefrau und dessen Familie sei der BF ohne seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter nach Österreich gereist. Seine Ehefrau habe Afghanistan nicht verlassen wollen. Vor eineinhalb Jahren hätten sich die Beiden einvernehmlich scheiden lassen. Der BF habe einen Onkel bevollmächtigt, die Scheidung für ihn zu vollziehen.

Der BF lerne in Österreich die deutsche Sprache, er schaue fern, höre deutsche Musik und arbeite für die Gemeinde. Er gehe mit Freunden spazieren oder schwimmen und helfe bei den Pfadfindern aus. Er lebe in einer Flüchtlingsunterkunft. Seine Schwester lebe in Österreich. Der BF habe bisher nicht gearbeitet, da er nicht arbeiten habe dürfen. Er hätte jedoch eine Arbeit in einer Pizzeria gefunden. Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan befürchte der BF von seinem Ex-Schwager verprügelt zu werden.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des gegenständlich erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 07.08.2018, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt des BF und seiner Schwester, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und behauptet, am XXXX oder am XXXX in XXXX , Iran, geboren zu sein.

2.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und schiitischer Muslim. Der BF spricht Dari.

2.1.3. Der BF besuchte im Iran drei Jahre die Schule, ehe er gemeinsam mit seinen drei Schwestern, seinem Bruder und seinen Eltern nach Afghanistan, in die Stadt XXXX übersiedelte und dort sechs Jahre die Schule besuchte.

2.1.4. Der BF ist gemeinsam mit seinen Eltern, drei Schwestern und einem Bruder aufgewachsen. Der BF arbeitete als Automechaniker in XXXX und als Sekretär in einer afghanischen Organisation, die sich für Frauenrechte einsetzt, in XXXX .

2.1.5. Der BF verließ Afghanistan erstmals 2011 und reiste nach Europa, da die Taliban einen Drohbrief in das Elternhaus des BF in XXXX brachten, in dem sie den BF aufforderten, seine Arbeit für die Frauenrechtsorganisation zu beenden.

2.1.6 Der BF verbrachte im Jahr 2011 zwei Monate in Ungarn, reiste am 21.11.2011 in der Schweiz ein und stellte als " XXXX " am 23.05.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in der Schweiz. Am 19.06.2012 stimmte Ungarn der Wiederaufnahme des BF auf der Schweiz zu. Die dagegen erhobenen Beschwerden des BF wurde von der Schweiz rechtskräftig abgelehnt. Am 11.03.2013 reiste der BF in Deutschland ein und stellte am 14.03.2013 als " XXXX " einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit 15.11.2013 rechtskräftig abgewiesen wurde. Am 12.06.2013 verließ der BF freiwillig Deutschland und kehrte nach Afghanistan zurück.

2.1.7. Nach seiner Rückkehr nach Afghanistan arbeitete der BF neuerlich für ca. zehn Monate für dieselbe Organisation in XXXX , für die er bereits vor seiner erstmaligen Ausreise aus Afghanistan gearbeitet hatte. Der BF wurde in XXXX nie bedroht oder attackiert. Die Organisation verfügt sowohl über ein Büro in XXXX als auch in XXXX .

2.1.8. Als der BF 2014 einmal seine Familie in Kandahar besuchte, berichtete seine Schwester ( XXXX ) ihm davon, dass ihr Ehegatte sie verprügelt hatte. Der BF stellte seinen Schwager zur Rede und wurde zwei Tage später von unbekannten Männern in XXXX überfallen und zusammengeschlagen. Der BF geht davon aus, dass diese unbekannten Männer von seinem Schwager angestiftet wurden.

2.1.9. Der BF verließ 2014 Afghanistan und reiste in den Iran. Kurze Zeit später verließen auch eine Schwester ( XXXX ), ein Bruder ( XXXX ) und die Eltern des BF ( XXXX ) Afghanistan und reisten in den Iran. Der BF, seine Eltern, seine Schwester und sein Bruder reisten mit einem einjährigen Zwischenstopp in der Türkei nach Österreich, wo sie am 15.09.2015 Anträge auf internationalen Schutz stellten.

2.1.10. Die Eltern und der Bruder des BF verließen Österreich während des laufenden Asylverfahrens freiwillig und kehrten nach XXXX zurück, da es den Eltern schwer fiel, sich an die österreichische Kultur und Tradition und das Leben in Österreich zu gewöhnen.

2.1.11. Die Eltern, eine Schwester und ein Bruder des BF leben derzeit in der Stadt XXXX . Die Eltern und der Bruder hatten seit ihrer Rückkehr nach Afghanistan keine Probleme, weder mit dem Schwager des BF noch mit anderen Personen. Eine weitere Schwester des BF lebt mit ihrem Ehemann ebenso in XXXX . Eine andere Schwester des BF lebt mit ihrem Ehemann in Pakistan. Fünf Onkel und zwei Tanten des BF leben im Iran. Eine Tante des BF lebt in Australien und ein Onkel in Deutschland. Der Vater und der Bruder des BF arbeiten als LKW-Fahrer. Die finanzielle Situation der Familie ist gut. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie.

2.1.12. Der BF ist seit ca. 2010 mit einer afghanischen Staatsangehörigen verheiratet. Dieser Ehe entstammt die gemeinsame ca. siebenjährige Tochter. Es kann nicht festgestellt werden, ob der BF nach wie vor verheiratet ist oder eine Scheidung vollzogen wurde. Die Ehefrau und die Tochter des BF leben bei der Schwiegerfamilie des BF in XXXX .

2.1.13. Der Schwester des BF, XXXX , wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.08.2018, GZ W255 2190625-1/8E, aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Schwester um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist, handelt und sie in Österreich regelmäßig Verhaltensweisen an den Tag legt, auf Grund derer sie im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden würde, der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

2.1.14. Der BF ist gesund und im erwerbsfähigen Alter.

2.2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.2.1. Der BF hat in Österreich diverse Deutschkure besucht und Deutschprüfungen auf A1, A2 und B1 Niveau bestanden. Er hat an zwei anderen Kursen (Radkurs und Lehrgang zur Rollenklärung und - stärkung von Sprachmittlern) teilgenommen. Der BF engagierte sich ehrenamtlich in der Gemeinde XXXX . Er hilft manchmal bei den Pfadfindern aus.

2.2.2. Der BF bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist im Rahmen der Grundversorgung in Österreich in einer Unterkunft für Flüchtlinge untergebracht.

2.2.3. Der BF hat außer seiner Schwester ( XXXX ) keine Verwandten in Österreich. Er ist nicht Mitglied eines Vereins. Der BF verbringt seine Freizeit vorwiegend mit anderen Asylwerbern. Der BF verfügt über keine weiteren als den unter 2.2.1. bis 2.2.3. dargestellten familiären und sozialen Bindungen in Österreich.

2.2.4. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.3. Zu den Fluchtgründen des BF und einer Rückkehr nach Afghanistan:

2.3.1. Der BF hat Afghanistan erstmals 2011 verlassen, da ihn die Taliban - in Form eines Drohbriefes, den sie seinen Eltern in XXXX übermittelten - aufgefordert haben, seine Tätigkeit für die Frauenrechtsorganisation einzustellen.

2.3.2. Der BF hat Afghanistan 2014 zum zweiten Mal verlassen, da er den Ex-Ehemann seiner Schwester zur Rede gestellt hat, nachdem dieser die Schwester des BF misshandelt hatte, der BF zwei oder drei Tage später in XXXX von zwei unbekannten Männern zusammengeschlagen wurde und weitere Verfolgungshandlungen durch den Ex-Schwager bzw. dessen Umfeld fürchtete.

2.3.3. Der BF wurde in XXXX nie bedroht oder attackiert. Dem BF wurde von der Frauenrechtsorganisation empfohlen, ganz nach XXXX zu übersiedeln und nicht mehr nach XXXX zu pendeln, um etwaigen weiteren Verfolgungs- bzw. Bedrohungshandlungen in XXXX zu entgehen.

2.3.4. Im Falle der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz XXXX würde dem BF ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

2.3.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF in der Stadt XXXX oder XXXX einer individuellen Verfolgung seitens der Taliban oder anderer Personen ausgesetzt ist oder im Falle der Rückkehr wäre.

2.3.6. Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme.

2.3.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle der Rückkehr in die Stadt XXXX oder XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen wurde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr in die Städte XXXX oder XXXX Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.3.8. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach XXXX oder XXXX Gefahr liefe, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand geraten. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.3.9. Der BF kann die Städte XXXX und XXXX von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 30.01.2018

1. Neueste Ereignisse - KI vom 30.01.2018 - Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2019

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018). Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018). Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).

2. Neueste Ereignisse - KI vom 21.12.2017 - Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

2.1. Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

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(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D.)

2.2. Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

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2.3. High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

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(Guardian 7.11.2017)

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

2.4. ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

2.5. Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriff auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).

Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

2.6. Politische Entwicklungen

Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).

Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" - er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).

Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).

Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).

In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).

3. Sicherheitslage

3.1. Allgemeines

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

3.2. Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

3.3. Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

3.4. Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

3.5. Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weiblic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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