TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/20 W170 2202895-1

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Veröffentlicht am 20.08.2018
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Entscheidungsdatum

20.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs1 Z3
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W170 2202895-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2018, Zl. IFA:

1148811904 Verfahren: 180575261, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG, in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1, Abs. 4, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 AsylG und §§ 52 Abs. 2, Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 FPG stattgegeben und der gegenständliche Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

XXXX ist eine volljährige syrische Staatsangehörige, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017, Zl. IFA: 1148811904 Verfahren: 171035322, der Status der Asylberechtigen gemäß §§ 3, 34 AsylG zuerkannt worden ist. Der Bescheid wurde XXXX am 04.01.2018 zugestellt und blieb unbekämpft.

XXXX erhält derzeit von anderen Organen oder Organisationen der Vereinten Nationen als dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge keinen Schutz oder keine Hilfe.

Es bestehen keine ernsthaften Gründe für den Verdacht, dass XXXX nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017, Zl. IFA: 1148811904 Verfahren:

171035322,

* ein Verbrechen gegen den Frieden,

* ein Kriegsverbrechen oder

* ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (im Sinne jener internationalen Einrichtungen, die ausgearbeitet wurden, um Bestimmungen gegen solche Verbrechen zu schaffen) begangen hat oder

dass diese bevor sie als Flüchtlinge in Österreich anerkannt wurde, ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen hat oder sich Handlungen schuldig gemacht hat, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen richten.

Es finden sich keine stichhaltigen Gründe, die die Annahme rechtfertigen, dass XXXX eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt.

XXXX ist weder in Österreich noch im Ausland wegen einer strafbaren Handlung noch wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden.

XXXX hat sich nicht freiwillig wieder unter den Schutz Syriens gestellt, hat weiterhin nur die syrische Staatsangehörigkeit inne und hat sich nicht wieder freiwillig in Syrien niedergelassen. XXXX hat ihren Lebensmittelpunkt in Österreich.

Hinsichtlich der XXXX betreffenden Situation in Syrien ist es seit der Bescheiderlassung zu keiner Änderung der Umstände gekommen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Der Beschwerdeführerin kommt seit Rechtskraft des unbekämpft gebliebenen (und somit in Rechtskraft erwachsenen) Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017, Zl. IFA:

1148811904 Verfahren: 171035322 der Status der Asylberechtigen zu.

2. Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG ist der Status der Asylberechtigten einer Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn (1.) ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG vorliegt, (2.) einer der in Art. 1 Abschnitt C GFK angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

(3.) die Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Allerdings müssten die Aberkennungsgründe nach der Rechtskraft des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017, Zl. IFA: 1148811904 Verfahren: 171035322, eingetreten sein, da die Rechtskraftwirkung des gegenständlichen Bescheides ansonsten deren Wahrnehmung entgegensteht.

3. Hinsichtlich des Aberkennungstatbestands des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG ist auszuführen, dass gemäß § 6 Abs. 1 AsylG eine Fremder von der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten ausgeschlossen ist, wenn (1.) und so lange sie Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D GFK genießt, (2.) einer der in Art. 1 Abschnitt F GFK genannten Ausschlussgründe vorliegt, (3.) aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass die Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder (4.) sie von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

Gemäß Art. 1 Abschnitt D GFK findet die leg.cit. auf Personen keine Anwendung, die derzeit von anderen Organen oder Organisationen der Vereinten Nationen als dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten. Das trifft auf die Beschwerdeführerin nicht zu.

Gemäß Art. 1 Abschnitt F GFK sind die Bestimmungen dieses Abkommens auf Personen nicht anwendbar, hinsichtlich derer ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen, dass sie (a.) ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, und zwar im Sinne jener internationalen Einrichtungen, die ausgearbeitet wurden, um Bestimmungen gegen solche Verbrechen zu schaffen, (b) bevor sie als Flüchtlinge in das Gastland zugelassen wurden, ein schweres, nicht politisches Verbrechen begangen haben, (c) sich Handlungen schuldig gemacht haben, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen richten. Solche Gründe finden sich in Bezug auf die beschwerdeführende Partei nicht.

Auch finden sich keine stichhaltigen Gründe, die die Annahme rechtfertigen, dass die beschwerdeführende Partei eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt; ebensowenig wurde sie von einem inländischen oder ausländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt.

Ein Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG liegt daher nicht vor.

4. Hinsichtlich des Aberkennungstatbestands des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG ist auszuführen, dass gemäß Art. 1 Abschnitt C GFK die GFK auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Art. 1 Abschnittes A GFK fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie (1.) sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat, (2.) die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat, (3.) eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz ihres neuen Heimatlandes genießt, (4.) sich freiwillig in dem Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat, (5.) wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen oder (6.) staatenlos ist und die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sie daher in der Lage ist, in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren.

Nach den Feststellungen liegt kein Aberkennungstatbestand nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG vor, wenn das Bundesamt argumentiert, dass die Aberkennung des Ankerfremden zu einer Änderung dieser Umstände führt, ist es auf die Ausführungen unten (siehe 7.) hinzuweisen; auf Grund der Rechtskraftwirkung des Zuerkennungsbescheides müssten diese Änderungen auch nach der Zuerkennung erfolgt sein. Dass dies der Fall wäre, hat das Bundesamt in keinem Wort dargelegt.

5. Hinsichtlich des Aberkennungstatbestands des § 7 Abs. 1 Z 3 AsylG ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin ihren Lebensmittelpunkt in Österreich hat und daher der Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG nicht vorliegt.

6. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418) differenziert das Gesetz beim Status des Asylberechtigten nicht. Weder kennt das Gesetz einen "originären" Status des Asylberechtigten, noch spricht das Gesetz in § 34 Abs. 4 AsylG davon, dass im Familienverfahren ein anderer, nur "abgeleiteter" Status zuzuerkennen ist. Im Gegenteil spricht der zweite Satz des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 ausdrücklich davon, dass "der" Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist, was nur bedeuten kann, dass der Status des Asylberechtigten an sich (ohne weitere Differenzierung) zuzuerkennen ist. Im Übrigen lässt sich auch der Status-Richtlinie 2011/95/EU eine solche Differenzierung bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entnehmen (vgl. insbesondere deren Art. 13).

7. Es ist eine Aberkennung des Status der Asylberechtigten daher nur möglich, wenn - was hier nicht der Fall ist - die Aberkennungsgründe des § 7 AsylG vorliegen. Daher ist Spruch-punkt I. des im Spruch genannten Bescheides ersatzlos zu beheben, da dieser vollkommen ohne Rechtsgrundlage ergangen ist.

8. Da die Spruchpunkte II. bis VI. des im Spruch bezeichneten Bescheides denklogisch eine Aberkennung des Status der Asylberechtigen voraussetzen, sind diese ebenso zu beheben.

9. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG - der diesbezüglich § 24 Abs. 4 VwGVG vorgeht (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) - kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig und in ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren erhoben wurde, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch aktuell und vollständig ist und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilt.

Das ist hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhalts hier der Fall, da dieser bereits von der Behörde ermittelt wurde; diese hat lediglich die sich aus dem ermittelten Sachverhalt ergebenden Rechtsfolgen übersehen und waren daher nur Rechtsfragen zu klären.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die für die Lösung des Falles relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist dieser gefolgt; es ist daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.

Schlagworte

Asylgewährung, Behebung der Entscheidung, ersatzlose Behebung, GFK,
Rechtskraft der Entscheidung, Rechtskraftwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W170.2202895.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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