TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/21 W135 2196574-1

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Veröffentlicht am 21.08.2018
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Entscheidungsdatum

21.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W135 2196574-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz TROMPISCH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 10.04.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin brachte am 12.10.2017 jeweils einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Sie gab dabei als vorliegende Gesundheitsschädigungen Grüner/Grauer Star, Diabetes, COPD II und Herzprobleme (Herzrhythmusstörungen) an und legte ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln vor.

Die belangte Behörde befasste einen Arzt für Allgemeinmedizin mit der sachverständigen Einschätzung des Grades der Behinderung nach der anzuwendenden Einschätzungsverordnung.

Im auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierenden Sachverständigengutachten vom 03.03.2018 hielt der Arzt für Allgemeinmedizin fest wie folgt:

"Anamnese:

Patientenbrief XXXX v. 11.12.17: hochgradige chronische Pyelonephritis der linken

Niere (bei Hydronephrose bei Nephrolithiasis); Myelolipom der linken Nebenniere;

Harnwegnsinfekt - Nephrektomie links, Teiladrenalektomie links am 27. 11. 2017

Die linke Niere sei nicht mehr funktionstüchtig gewesen

Z.n. 3 x Magenop vor ca. 25 Jahren - gastric banding

Z.n. Operation der linken Hand vor 2 Jahren (Sulcus N. ulnaris Syndrom links), die linke

Hand sei taub, Krämpfe, den li. Zeigefinger ziehe es zusammen; sie sei Linkshänderin Sie dürfe nicht schwer heben, nur 1-2 kg

Sie habe deswegen beim Einkaufen Probleme, könne nichts tragen Diabetes mellitus, Therapie mit Tabletten

COPD Il

Bandscheibenprobleme, Kreuzweh, sie könne nur kurz gehen, müsse dann stehenblieben, habe Kreuzschmerzen beim Gehen

FK: Op eines Sulcus N. ulnaris Syndroms, CHE, Narbenbruchop. 2011

Derzeitige Beschwerden:

s. oben

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:

Diabetes 1000 mg 2xtgl., Sultanol Berodual b. B.; Concor 5 mg Candesartan, Daflon lxl, Lasix 40 mg Pantoprazol, TASS, Simvatin, Xalatan, Mexalen, Novalgin

Sozialanamnese:

AMS, Pension eingereicht, geschieden, 2 Kinder, früher im Büro

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Dr. XXXX v. 31. 8. 17: COPD Il overlap Asthma bronchiale

Frühblüher- und Hausstaubmilbenallergie

Lageabhängige OSA AHI 20 /h in Rückenlage

Arterielle Hypertonie

NIDDM

Glaukom

XXXX v. 25. 9. 14: Suicus nervus ulnaris Syndrom links

Zervikobrachialgie links

Osteochondrose C5/C6

Periarthritis humeroscapularis links

Arterielle Hypertonie

Hypertriglyceridämie

Hyperurikämie

Adipositas

Diabetes mellitus

Nikotinabusus

Z. n. Cholezystektomie, Tonsillektomie und Appendektomie

Allergie auf Penicillin

Wirbelsäulenröntgen v. 2. 3. 2011: Halswirbelsäule ap. und seitlich:

Keine signifikante Achsabweichung bei Streckhaltung der unteren HWS-Soweit abgrenzbar WK und ZWR von regelrechter Höhe. Lediglich bei C5/C6 eine minimale Verschmälerung des ZWR mit verstärkt subchondraler Sklerosierungen und Randkantenzuschärfungen fassbar.

Brustwirbelsäule ap. und seitlich:

Linkskonvexe Achsabweichung. Multisegmentär geringe Verschmälerung des ZWR. An den Costotransversaigelenken teilweise geringe Randkantenzuschärfungen fassbar.

Lendenwirbelsäule ap. und seitlich:

Minimale rechtskonvexe Achsweichung im thoraco-lumbaien Übergang und linkskonvexe Achsabweichung im proximalen LWS-Bereich. Das mit dargestellte SIG weitgehend regelrecht. Die kleinen Intervertebralgelenke zeigen caudaibetont diskrete degenerative Veränderungen. Im übrigen WK und ZWR von regelrechter Höhe.

Ergebnis:

Steckhaltung cervical -und im thoraco-lumbaien Übergang. Deutliche linkskonvexe Skoliose der mittleren und oberen BWS und weniger deutlich auch an der oberen LWS bei rechtskonvexer Gegenkrümmung des thoracolumbalen Überganges. Inzipiente caudalbetonte Spondylarthrosis lumbalis.

Osteochondrosis intervertebralis C5/C6.

Ösophago-Gastro-Duodenoskopie v. 22. 11. 2011: Beurteilung:

Refluxösophagitis I der LA Klassifikation, kleine Hiatushernie,

Z. f. Chron.erythematöse Gastritis

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: normal

Ernährungszustand: adipös

Größe: 163,00 cm Gewicht: 96,00 kg Blutdruck: 140/90

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput: unauffällig

Collum: bland

Cor: HT rein, rhy, normfrequent

Pulmo: VA

Abdomen: Hepar am Ribo, Milz n.p., keine Defence oder Druckdolenz; lange Narbe nach

Obere Extremitäten: Schulterbeweglichkeit re. normal li Beweglichkeit zu 1/4 red; Ellbogen und Handgelenke frei beweglich, Faustschluss bds möglich, Kraft erhalten; Nackengriff und Schürzengriff bds möglich

Wirbelsäule: im Lot, FBA 10 cm, SN und RT uneingeschränkt, Beine können von der UL gehoben werden, li mit Hilfe; Lasegue neg., Zehen und Fersengang bds möglich, Einbeinstand bds möglich

Hüftgelenke: bds frei beweglich

Kniegelenke: bds Flexion uneingeschränkt, stabil, kein Streckdefizit

Sprunggelenke: bds in allen Ebenen frei beweglich

Haut: bland

Varizen: keine

Neurologisch: grob neurologisch unauffällig Sonstiges: bland

Gesamtmobilität - Gangbild:

sicher, raumgreifend, keine Gehhilfe

Status Psychicus:

voll orientiert, Antrieb und Affizierbarkeit normal, Stimmung ausgeglichen

Ergebnis der durchgeführten Untersuchung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos.Nr.

GdB %

1

Zustand nach Entfernung der linken Niere Oberer Rahmensatz, da komplette Entfernung der linken Niere. Inkludiert auch die Teiladrenalektomie links

08.01.01

30

2

COPD Il Unterer Rahmensatz, da keine Exazerbationen

06.06.02

30

3

Abnützung der Wirbelsäule, multiple Gelenksabnützungen Unterer Rahmensatz, da keine motorischen Defizite

02.02.02

30

4

Diabetes mellitus Mittlerer Rahmensatz, da Therapie mit Tabletten

09.02.01

20

5

Zustand nach Operation eines Sulcus N. ulnaris Syndroms links Eine Stufe über Unterem Rahmensatz, da motorische Schwäche

04.05.05

20

6

Zustand nach gastric banding, Refluxösophagitis Unterer Rahmensatz, da sehr guter Ernährungszustand

07.04.02

10

7

Zustand nach Narbenbruchoperation Unterer Rahmensatz, da gutes Operationsergebnis

07.08.01

10

8

Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom - leichte Form

06.11.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch die übrigen Leiden nicht weiter angehoben, da fehlendes negatives wechselseitiges Zusammenwirken

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Augen - normaler Visusbefund

..."

Mit angefochtenem Bescheid vom 10.04.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. In der Begründung des Bescheides verweist die belangte Behörde im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten, welches als schlüssig erkannt werde und wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. In einer Anmerkung zum Bescheid wurde ausgeführt, dass über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b - Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) nicht vorliegen würden. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das Sachverständigengutachten vom 03.03.2018 übermittelt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30.04.2018 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde. Sie bringt darin im Wesentlichen vor, dass sie maximal zwei Kilogramm tragen dürfe und wegen ihrer COPD II an Atemnot leide. Sie ersuche einen Ausweis für einen Behindertenparkplatz zu genehmigen, da sie oft schwer einen Parkplatz finde.

Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.05.2018 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende dauernde Funktionseinschränkungen vor, wobei es sich bei der Funktionseinschränkung 1. um das führende Leiden handelt:

1. Zustand nach Entfernung der Niere

2. COPD II

3. Abnützung der Wirbelsäule, multiple Gelenksabnützungen

4. Diabetes mellitus

5. Zustand nach Operation eines Sulcus N. ulnaris Syndrom links

6. Zustand nach gastric banding, Refluxösophagitis

7. Zustand nach Narbenbruchoperation

8. Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom

Der Gesamtgrad der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Behinderung beträgt 30 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einem aktuellen - im Akt einliegenden - Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zu den bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem von der belangten Behörde veranlassten und dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 03.03.2018, welches oben im Detail wiedergegeben wurde. Der Arzt für Allgemeinmedizin geht darin auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei ein. Die vom ärztlichen Sachverständigen herangezogenen Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung und die gewählten Rahmensätze stimmen mit den diesbezüglichen Kriterien der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie mit dem Untersuchungsbefund überein und sind schlüssig und nachvollziehbar. Hinsichtlich der Funktionseinschränkung COPD II, welche ordnungsgemäß der Position 06.06.02 zugeordnet wurde, wurde vom Sachverständigen der untere Rahmensatz von 30 v.H. gewählt (die dazu in der Anlage zur Einschätzungsverordnung angeführten Parameter lauten:

"Verschlechterung der Ventilation [FEV1/FVC 50% - 80%] und Fortschreiten der Symptome"), was vor dem Hintergrund der Begründung für die Wahl des unteren Rahmensatzes, es würden keine Exazerbationen bestehen, der vom Sachverständigen aufgenommenen Anamnese und des Untersuchungsbefundes schlüssig nachvollziehbar ist.

Die übrigen Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden vom Sachverständigen ebenfalls unter die jeweils richtige Positionsnummer der Anlage zur Einschätzungsverordnung unter entsprechender Berücksichtigung der Kriterien und der dafür vorgesehenen Rahmensätze bzw. festen Sätze eingestuft und eingeschätzt.

Es ist auch als schlüssig anzusehen, wenn der Sachverständige verneint, dass der Grad des führenden Leidens "Zustand nach Entfernung der linken Niere" in Höhe von 30 v.H. durch die übrigen Leiden wegen des Fehlens eines negativen wechselseitigen Zusammenwirkens nicht erhöht wird.

Zum Einwand der Beschwerdeführerin, dass sie maximal zwei Kilogramm heben könne, ist festzuhalten, dass sie dies bereits in der persönlichen Untersuchung durch den Sachverständigen am 29.01.2018 vorbrachte, der Sachverständige diesen Umstand in seine Anamneseerhebung aufnahm und bei der Einschätzung der einzelnen Funktionseinschränkungen berücksichtigte. So ordnete er die Funktionseinschränkung "Zustand nach Operation eines Sulcus N. ulnaris Syndrom links" der Positionsnummer 04.05.05 zu und begründete die Wahl des Grades der Behinderung mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz mit der motorischen Schwäche, an der die Beschwerdeführerin leidet.

Die Ausführungen im Sachverständigengutachten wurden im Rahmen der Beschwerde nicht substantiiert bestritten. Es wurden auch keine medizinischen Befunde vorgelegt, die das vorliegende Sachverständigengutachten entkräften könnten.

Das ärztliche Sachverständigengutachten vom 03.03.2018 ist daher vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen und es bestehen seitens des Bundesverwaltungsgerichts keine Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtensergebnisses und der erfolgten Beurteilung des Sachverständigen. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigen Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§. 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

..."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) lauten auszugsweise:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."

Auszugsweise aus der Anlage zur Einschätzungsverordnung:

"08 Urogenitalsystem

08.01 Ableitende Harnwege und Nieren

...

08.01.01 Fehlbildung der Niere, des Nierenbeckens und des Harnleiters 10 - 30%

Abhängig von den Einschränkungen im gesamten ableitenden System, dem Nierenhohlsystem Nierenhypoplasie, Beckenniere, Nierenhohlraumzysten, Nephroptose

10 - 20 %: bei leichten bis mäßigen Symptomen

30 %: bei ausgeprägten Symptomen, Beschwerden Verlust oder anlagebedingtes Fehlen einer Niere

bei uneingeschränkter Funktionsfähigkeit der anderen Niere

...

06 Atmungssystem

...

06.06 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

...

06.06.02 Moderate Form - COPD II 30 - 40%

Verschlechterung der Ventilation (FEV1/FVC 50% - 80%) und Fortschreiten der Symptome

...

06.11 Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (Osas)

06.11.01 Leichte Form 10%

Ohne Indikation zur nächtlichen Beatmung, jedoch relevante subjektive Beschwerden, wie Tagesmüdigkeit oder Schlafstörungen

...

02 Muskel - Skelett - und Bindegewebssystem

Haltungs- und Bewegungsapparat

...

02.02 Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates

...

02.02.02 Mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades 30 - 40%

Mäßige Funktionseinschränkungen, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität

...

09 Endokrines System

...

09.02 Diabetes mellitus

09.02.01 Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus 10 - 30%

10 %: Bei Kostbeschränkung ohne Medikation

20 - 30 %: Je nach Ausmaß der medikamentösen Therapie und des HbA1c

Wertes

...

04 Nervensystem

...

04.05 Lähmungen der peripheren Nerven

...

04.05.05 Nervus ulnaris 10 - 40%

Leitfunktion ist die Opposition des Kleinfingers

07 Verdauungssystem

...

07.04 Magen und Darm

...

07.04.02 Teilentfernung des Magens 10 - 40%

10 - 20 %: Teilresektionen des Magens, Gastroenterostomien mit guter

Funktion aber anhaltenden Beschwerden, z.B. Dumping-Syndrom

30 - 40 %: Rezidivierende Ulcera, reduzierter Allgemein- und

Ernährungszustand

...

07.08. Hernien

...

07.08.01 Ein- oder beidseitig mit leichten bis mittleren Funktionseinschränkungen 10 - 40%

10 %: Ein- oder beidseitig mit geringen Beschwerden, gut reponierbar

20 %: Ein- oder beidseitig mit erheblichen Beschwerden, nicht zur Gänze reponierbar

30 - 40 %: Mit ausgeprägten Komplikationen, rezidivierenden

Ileuserscheinungen oder erheblichen Komplikationen durch Organverlagerungen"

Wie oben unter Punkt II. 2. ausgeführt, wird auch der gegenständlichen Entscheidung das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 03.03.2018 zugrunde gelegt, in welchem der Gesamtgrad der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Behinderung unter Anwendung der Einschätzungsverordnung und Heranziehung der Positionsnummern 08.01.01, 06.06.02, 02.02.02, 09.02.01, 04.05.05, 07.04.02, 07.08.01 und 06.11.01 nachvollziehbar und schlüssig mit 30 v. H. eingeschätzt wurde.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu dem Ersuchen in der Beschwerde um Genehmigung eines Ausweises für einen Behindertenparkplatz, ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass die belangte Behörde über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b StVO-Parkausweises nicht bescheidmäßig abgesprochen hat und diese Frage mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Wie die belangte Behörde in der "Anmerkung" zum Bescheid in inhaltlicher Hinsicht allerdings zutreffend ausgeführt hat, liegen im Fall der Beschwerdeführerin die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Parkausweises, nämlich ein gültiger Behindertenpass mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", nicht vor.

Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, insbesondere dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, welches von der Beschwerdeführerin nicht substantiiert bestritten wurde. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde im Übrigen nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Betreffend die Frage, ab wann ein Behindertenpass auszustellen ist, konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ohnehin klare Rechtslage des BBG in Zusammenschau mit der anzuwendenden Einschätzungsverordnung samt deren Anlage stützen. Dass der Beurteilung dieser Frage ein, allenfalls mehrere, medizinische Sachverständige beizuziehen sind, gründet ebenfalls auf der klaren Rechtslage des § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W135.2196574.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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