TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/21 W135 2196024-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.08.2018
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Entscheidungsdatum

21.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W135 2196024-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz TROMPISCH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 17.04.2018, betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen nicht mehr vor. Der Behindertenpass ist einzuziehen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin ist seit 2008 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung (GdB) von 60 v.H. (damals festgestellte und nach der Richtsatzverordnung eingeschätzte Funktionseinschränkungen: 1. Funktionsbehinderung am linken Sprunggelenk, 2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule,

3. Zustand nach doppeltem Knöchelbruch links mit Affektion des Nervus peronaeus, 4. Neuropathisches Schmerzsyndrom, 5. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung und 6. Laktoseintoleranz).

Die Beschwerdeführerin brachte am 12.12.2017 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung in ihrem Behindertenpass mit Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) mit Antragsformular 03/2017 ein. Die Beschwerdeführerin legte dem Antrag ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln sowie eine Kopie ihres Behindertenpasses bei.

Die belangte Behörde holte ein ärztliches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie ein, welches am 23.02.2018, nach einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.02.2018, erstellt wurde. Die Sachverständige hält darin wie folgt fest:

"Anamnese:

Gutachten vom 29.2.2008, Gesamtgrad der Behinderung 60 %

Letzte Begutachtung im Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen am 15.7.2014, Voraussetzungen für beantragte Zusatzeintragung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegen nicht vor (Funktionsbehinderung im linken Sprunggelenk nach Knöchelbruch, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Peroneusläsion links, neuropathisches Schmerzsyndrom, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Laktoseintoleranz, chronische Darmentzündung)

Zwischenanamnese seit 2014: Katarakt -OP bds. 13. 2. 2017 petrochantäre Fraktur linker Oberschenkel mit Abriss des Trochanter major, PFNA

Derzeitige Beschwerden:

"Beschwerden habe ich vor allem im Bereich des linken Sprunggelenks und der linken Hüfte und im linken Knie. Schmerzen strahlen bis in den Oberschenkel links aus. Das Gehen ist eingeschränkt, gehe mit Rollator etwa 5 min, ohne Rollator etwa eine Zimmerlänge. Hergekommen bin ich mit dem Auto, wurde von meinem Mann gebracht. Mit dem Rollator gehe ich seit der Hüftoperation. Das Gehen ist eingeschränkt wegen einer Schwäche in den Beinen, und wegen der Schmerzen, unterschiedlich stark ausgeprägt."

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:

Medikamente: Seretide, Berodual bei Bedarf, Hydal 4mg 2x1, + 1,3 mg bei Bedarf, Euthyrox,

Allergie: Diclofenac, Neurofenac; Tramalunverträglichkeit, Novalgin 3x1 tgl., Venoruton,

Lexotanil bei Bedarf

Nikotin:O

Laufende Therapie bei Hausarzt XXXX

Sozialanamnese:

verheiratet, ein Sohn, lebt in Wohnung 1. Stockwerk mit Lift.

Berufsanamnese: Pensionistin

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befund rheumatologische Ambulanz, nicht datiert (Sjögren-Synarom (Sicca Mund Augen, ANA, Ro) Manifeste Osteoporose - Schenkelhalsfr. li 1/17, aktuell Prolia, Z.n. >5 Jahre ISN

Chron, Schmerzsyndrom bei 2 n. Knöchelfx li 2004 mit posttraumat Arthrose Schwindel, Z.n. primärem Hyperparathyreoidismus - Z n. OP Psoriasis Posttraumatische OSG Arthrose sin , - Z.n. Sudeck-Syndrom OSG sin. Lähmung des N. peronaeus sin., Eisenmangelanämie. Essentielle Hypertonie, HO Hashimoto-Thyreoiditis, Laktoseintoleranz, Chronische obstruktive Lungenkrankheit, Spondylose und Spondylarthrose Z.n. HE, Z.n. CHE.

Allergien: Diclofenac, Neurofenac; Tramalunverträglichkeit)

MRT kleines Becken vom 28. 11. 2017 (Kein Hinweis auf eine sekundäre Osteonekrose des linken Fernurkopfes bei Zustand nach Operation einer Femurhalsfraktur links seit Jänner 2017. Es wurde eine dynamische Hüftschraube eingebracht. Postoperative Artefakte in den oberflächlichen Weichteilen ohne Hinweis auf eine Heilungsstörung und ohne Anhaltspunkt für eine postoperative Retention. Geringgradige Volumsreduktion der Muskulatur des Gluteus minimus und Gluteus medius links ohne weitere Auffälligkeit und somit uncharakteristisch)

Befund XXXX , vom 6. 3. 2017 (Aufnahmegrund: Mobilisierung nach Schenkelhalsfraktur links. Diagnosen bei Entlassung: Pertrochantäre Schenkelhalsfraktur li. mit abruptio trochanter majoris operative Sanierung 28.01.2017 im Wilhelminenspital COPD Il, Osteoporose St.p. Kollagenkolitis bei chron. NSAR-Gebrauch, Morbus Sudeck bei chron. Schmerzsyndrom St p. Nebenschilddrüsen-OP St.p OSG-OP li. 2004 St.p. Harnwegsinfekt)

Befund unfallchirurgische Abteilung Wilhelminenspital vom 13. 2. 2017 (petrochantäre Fraktur linker Oberschenkel mit Abriss des Trochanter major, PFNA).

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: normal

Ernährungszustand: adipös

Größe: 163,00 cm Gewicht: 96,00 kg Blutdruck: 140/90

Klinischer Status - Fachstatus:

Allgemeinzustand: gut, 70 Jahre

Ernährungszustand: sehr gut

Größe: 152,00 cm Gewicht: 70,00 kg Blutdruck: 135/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beWeglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu einem Drittel möglich.

Die Beinachse ist im Lot, annähernd symmetrische Muskelverhältnisse Beinlänge nicht ident, links -1 cm

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, Varizen, keine trophischen Störungen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenk links: Narbe nach PFNA, kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz.

Kniegelenk links: äußerlich unauffällig, seitengleich, keine Überwärmung, kein Erguss,

Druckschmerzen über dem Tibiakopf lateral, stabiles Gelenk, Patella mäßig verbacken.

Sprunggelenk links: Narbe über dem Außenknöchel 15 cm, geringgradige Umfangsvermehrung, keine Schwellung, keine Überwärmung, endlagige Bewegungsschmerzen.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S beidseits 0/100, IR/AR beidseits 20/0/30, Knie beidseits 0/0/130, Sprunggelenke: OSG rechts 15/0/40, links 10/0/20, USG rechts frei, links zur Hälfte eingeschränkt, Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60 0 bei KG 5 möglich.

Kraft proximal und distal KG 5/5, kein Hinweis für Vorfußheberschwäche und Großzehenheberschwäche beidseits.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, mäßig verstärkte Kyphose der BWS, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 30 cm, in allen Ebenen zur Hälfte eingeschränkt beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit Rollator, das Gangbild mit Rollator ist verlangsamt, hinkfrei.

Barfußgang im Untersuchungszimmer ohne Anhalten und ohne Gehhilfe ist etwas verlangsamt, leicht vorgeneigt, geringgradig links hinkend, insgesamt mäßig zügig, Gesamtmobilität unauffällig, Wendemanöver unauffällig.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Ergebnis der durchgeführten Untersuchung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos.Nr.

GdB %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Unterer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden mit Lumboischialgie links bei mäßig eingeschränkter Beweglichkeit ohne neurologisches Defizit.

02.01.02

30

2

Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, COPD Il Unterer Rahmensatz, da unter regelmäßiger Therapie klinisch unauffällig und kein Nachweis einer höhergradigen Lungenfunktionseinschränkung.

06.06.02

30

3

Funktionseinschränkung linkes Sprunggelenk 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da mäßig eingeschränkter Bewegungsumfang.

02.05.32

20

4

Laktoseintoleranz Oberer Rahmensatz, da ständige Diät erforderlich.

07.04.04

20

5

Geringgradige Funktionseinschränkung linkes Hüftgelenk Unterer Rahmensatz, da bei Zustand nach operativ sanierter Schenkelhalsfraktur geringgradige funktionelle Einschränkung.

02.05.07

10

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken mit führendem Leiden 1 besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Keine

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Leiden 1 des Vorgutachtens (Funktionsbehinderung linkes Sprunggelenk) wird um 2 Stufen herabgesetzt, da eine Besserung feststellbar ist.

Leiden 3 des Vorgutachtens (Affektion des N.peronaeus links) und Leiden 4 (neuropathisches Schmerzsyndrom) entfallen, da nicht mehr objektivierbar.

Leiden 5 des Vorgutachtens (COPD Il) wird unter erstmaliger Anwendung der EVO neu eingestuft.

Hinzukommen von Leiden 5 des aktuellen Gutachtens, da dokumentiert. Chronische Darmentzündung des VGA ist nicht mehr nachgewiesen.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Besserung von Leiden 1 und Wegfall von Leiden 3 und 4 des Vorgutachtens.

Dauerzustand

..."

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 23.02.2018 wurde der Beschwerdeführerin das gegenständliche Sachverständigengutachten vom 23.02.2018 im Wege des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme zu erstatten.

Mit Stellungnahme vom 13.03.2018 gab die Beschwerdeführerin, vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband (KOBV) bekannt, ihre Anträge vom 12.12.2017 auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung in ihrem Behindertenpass, auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 zurückzuziehen.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 17.04.2018 stellte die Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt. In der Begründung des Bescheides verweist die belangte Behörde im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten, wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. Es werde als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

Mit weiterem Bescheid vom 18.04.2018 wurde festgestellt, dass der Behindertenpass der Beschwerdeführerin mangels Vorliegen der Voraussetzungen einzuziehen ist und die Beschwerdeführerin aufgefordert, diesen unverzüglich dem Sozialministeriumservice vorzulegen.

Gegen den Bescheid vom 17.04.2018 betreffend die Neufestsetzung des Grades der Behinderung erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 30.04.2018 - einlangend bei der belangten Behörde am 02.05.2018 - fristgerecht die gegenständliche Beschwerde. Sie bringt darin, vertreten durch den KOBV, im Wesentlichen vor, ihren mit 12.12.2017 gestellten Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel" sowie auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO 1960 mit Schreiben vom 13.03.2018 zurückgezogen zu haben. Es werde daher der Antrag gestellt, der Beschwerde Folge zu geben und den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben.

Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 22.05.2018 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses, in welchem der Gesamtgrad der Behinderung zuletzt mit 60 v.H. ausgewiesen wurde. Damals wurden bei der Beschwerdeführerin auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens vom 29.02.2008 folgende Gesundheitsschädigungen festgestellt:

1. Funktionsbehinderung am linken Sprunggelenk,

2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule,

3. Zustand nach doppeltem Knöchelbruch links mit Affektion des Nervus peronaeus,

4. Neuropathisches Schmerzsyndrom,

5. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung und

6. Laktoseintoleranz.

Die Beschwerdeführerin stellte am 12.12.2017 den gegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien.

Bei der Beschwerdeführerin liegen aktuell folgende dauernde Funktionseinschränkungen vor, wobei es sich bei der Funktionseinschränkung 1. um das führende Leiden handelt:

1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule,

2. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, COPD II,

3. Funktionseinschränkung linkes Sprunggelenk,

4. Laktoseintoleranz und

5. Geringgradige Funktionseinschränkung linkes Hüftgelenk.

Das Hauptleiden "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" hat sich im Vergleich zum Zeitpunkt der Vorbegutachtung am 29.02.2008 verbessert.

Das Vorliegen einer Peronaeusläsion links sowie eines Neuropathischen Schmerzsyndroms kann nicht objektiviert werden.

Eine chronische Darmentzündung liegt nicht mehr vor.

Es ergibt sich daher insgesamt eine Absenkung des Gesamtgrades der Behinderung von 60 auf 30 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass und die im Jahr 2008 bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen basieren auf dem Akteninhalt, insbesondere dem ärztlichen Sachverständigengutachten vom 29.02.2008.

Die Feststellungen zu den bei der Beschwerdeführerin aktuell vorliegenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem von der belangten Behörde veranlassten und dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 23.02.2018, welches oben im Detail wiedergegeben wurde. Die Fachärztin für Orthopädie geht darin auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei ein.

Die Sachverständige nimmt auch Bezug zu dem im Fall der Beschwerdeführerin entscheidungswesentlichen Vorgutachten vom 29.02.2008.

Das Vorgutachten vom 29.02.2008 wurde unter Anwendung der damals in Geltung stehenden Richtsatzverordnung erstellt und kam der gefertigte Sachverständige damals zu dem Ergebnis eines Grades der Behinderung von 60 v.H.

Mit dem gegenständlichen Sachverständigengutachten vom 23.02.2018 war die Beurteilung der bei der Beschwerdeführerin aktuell vorliegenden Funktionseinschränkungen erstmals in Anwendung der nunmehr in Geltung stehenden Einschätzungsverordnung vorzunehmen.

Die von der fachärztlichen Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 23.02.2018 herangezogenen Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung und die gewählten Rahmensätze stimmen mit den diesbezüglichen Kriterien der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie mit dem basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.02.2018 erstellten Untersuchungsbefund überein und sind schlüssig und nachvollziehbar.

Die Funktionseinschränkung das linke Sprunggelenk betreffend weicht die vormals anzuwendende Richtsatzverordnung zwar nicht von der nunmehr in Geltung stehenden Einschätzungsverordnung ab, doch kommt die orthopädische Sachverständige in ihrem Gutachten vom 23.02.2018 zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zum Vorgutachten eine Besserung dieses Leidens in einem Ausmaß eingetreten ist, dass eine diesbezügliche Herabsetzung des Grades der Behinderung um zwei Stufen gerechtfertigt ist. Im Ergebnis rückt dieses Leiden in der Liste der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen auf die Stelle mit der fortlaufenden Nummer 3 und wurde nachvollziehbar und schlüssig unter Heranziehung der Positionsnummer 02.05.32 der Anlage der Einschätzungsverordnung in Anwendung des dort festgesetzten Rahmensatzes von 10 - 40 % mit 20 % eingeschätzt, da eine mäßig eingeschränkte Beweglichkeit vorliegt.

Das Leiden 3 (Peronaeusläsion links) und das Leiden 4 (Neuropathisches Schmerzsyndrom) aus dem Vorgutachten vom 29.02.2008 sind auf Basis der aktuellen Befundlage nicht mehr objektivierbar und entfallen daher im aktuellen Gutachten vom 23.02.2018.

Basierend auf der aktuellen Befunddokumentation war die Funktionseinschränkung der Chronisch obstruktiven Lungenerkrankung in Anwendung der Einschätzungsverordnung unter die Positionsnummer 06.06.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung einzugliedern, welche einen Rahmensatz von 30 - 40% vorsieht. Die Sachverständige begründete die Einschätzung mit dem Unteren Rahmensatz (30%) mit einer klinischen Unauffälligkeit bei regelmäßiger Therapie. Zudem liegt kein Nachweis einer höhergradigen Lungenfunktionseinschränkung vor.

Im Vergleich zum Vorgutachten vom 16.07.2014, welches eine chronische Darmentzündung festhielt, führte die nunmehrig befasste Sachverständige aus, dass eine dahingehende Funktionseinschränkung aktuell nicht mehr nachgewiesen sei, hingegen besteht eine geringgradige Funktionseinschränkung des linken Hüftgelenkes und wurde dieses Leiden mit fortlaufender Nummer 5 unter die Positionsnummer 02.05.07 der Anlage der Einschätzungsverordnung eingeschätzt und mit einem Grad der Behinderung von 10 % in die Liste der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen aufgenommen.

Die übrige Funktionseinschränkung "Laktoseintoleranz" wurde von der Sachverständigen ebenfalls unter die richtige Positionsnummer der Anlage zur Einschätzungsverordnung unter entsprechender Berücksichtigung der Kriterien und des dafür vorgesehenen Rahmensatzes mit einem Grad der Behinderung von 20% eingestuft und eingeschätzt.

Es ist auch als schlüssig anzusehen, wenn die Sachverständige verneint, dass der Grad des führenden Leidens "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" in Höhe von 30 v.H. durch die übrigen Leiden nicht erhöht wird, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken besteht.

Die Beschwerdeführerin erhebt in der Stellungnahme zum Gutachten als auch in ihrer Beschwerde gegen den Bescheid vom 17.04.2018 auch keinerlei Einwendungen gegen das Gutachten bzw. dessen Ergebnis.

Das ärztliche Sachverständigengutachten vom 23.02.2018 ist daher vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen und es bestehen seitens des Bundesverwaltungsgerichts keine Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtensergebnisses und der erfolgten Beurteilung der Sachverständigen. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigen Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

..."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) lauten auszugsweise:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."

Auszugsweise aus der Anlage zur Einschätzungsverordnung:

"02 Muskel - Skelett - und Bindegewebssystem

Haltungs- und Bewegungsapparat

02.01 Wirbelsäule

...

02.01.02 Funktionseinschränkungen mittleren Grades 30 - 40%

Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen, andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika, Beispiel:

Bandscheibenvorfall ohne Wurzelreizung (pseudoradikuläre Symptomatik)

30 %: Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika

40 %: Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, radiologische und/oder morphologische Veränderungen maßgebliche Einschränkungen im Alltag

...

02.05 Untere Extremitäten

...

02.05.07 Funktionseinschränkung geringen Grades einseitig 10 - 20%

Streckung/Beugung bis zu 0-10-90°

mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit

...

02.05.32 Funktionseinschränkung bis Versteifung einseitig 10 - 40%

...

06 Atmungssystem

...

06.06 Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

...

06.06.02 Moderate Form - COPD II 30 - 40%

Verschlechterung der Ventilation (FEV1/FVC 50% - 80%) und Fortschreiten der Symptome

...

07 Verdauungssystem

...

07.04 Magen und Darm

07.04.04 Chronische Darmstörungen mittleren Grades mit chronischen Schleimhautveränderungen 30 - 40%

Mit geringen Auswirkungen, geringe Beschwerden (Reizdarmsymptomatik)

Keine oder geringe Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, seltene Durchfälle leichten Grades, ohne chronische Schleimhautveränderungen"

Wie oben unter Punkt II. 2. ausgeführt, wird auch der gegenständlichen Entscheidung das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 23.02.2018 zugrunde gelegt, in welchem der Gesamtgrad der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Behinderung unter Anwendung der Einschätzungsverordnung und Heranziehung der Positionsnummern 02.01.02, 06.06.02, 02.05.32, 07.04.04 und 02.05.07 der Anlage zur Einschätzungsverordnung nachvollziehbar und schlüssig mit 30 v.H. eingeschätzt wurde.

Dass die Beschwerdeführerin ihren verfahrenseinleitenden Antrag mit Eingabe vom 13.03.2018 zurückzog, ändert nichts an dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin zum aktuellen Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses nicht erfüllt.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ist gemäß § 43 Abs. 1 BBG berechtigt den Behindertenpass zu berichtigen, wenn Änderungen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden und auch verpflichtet den Behindertenpass bei Wegfall der Voraussetzungen einzuziehen. Die Behörde kann hierbei auch von Amts wegen tätig werden.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht mehr erfüllt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Behindertenpass einzuziehen.

Gemäß § 43 Abs. 3 BBG ist die Beschwerdeführerin verpflichtet, über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, insbesondere dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, welches von der Beschwerdeführerin nicht substantiiert bestritten wurde. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde im Übrigen nicht beantragt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Betreffend die Frage, ab wann ein Behindertenpass auszustellen ist, konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ohnehin klare Rechtslage des BBG in Zusammenschau mit der anzuwendenden Einschätzungsverordnung samt deren Anlage stützen. Dass der Beurteilung dieser Frage ein, allenfalls mehrere, medizinische Sachverständige beizuziehen sind, gründet ebenfalls auf der klaren Rechtslage des § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung in Übereinstimmung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Anwendung des § 43 BBG betreffend konnte sich das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls auf eine klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Einziehung, Grad der Behinderung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W135.2196024.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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