Entscheidungsdatum
22.08.2018Norm
AlVG §25Spruch
W262 2202686-1/4E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta KEUL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 07.06.2018, nach Beschwerdevorentscheidung vom 11.07.2018, GZ XXXX , betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde vom 06.07.2018 in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird - soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des
angefochtenen Bescheides richtet - gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG iVm § 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein polnischer Staatsbürger, stellte am 30.03.2015 einen Antrag auf Arbeitslosengeld und gab dabei u.a. an, dass er eine Alterspension aus Polen beziehe.
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden als AMS oder belangte Behörde bezeichnet) vom 16.06.2015 wurde das Arbeitslosengeld gemäß § 24 Abs. 1 iVm § 22 Abs. 1 und 3 AlVG ab 01.06.2015 eingestellt. Begründend führte das AMS aus, dass laut Auskunft der PVA ein Anspruch auf "EWR Ausgleichszulage" bestehe und insofern der Leistungsbezug einzustellen war.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine als Einspruch bezeichnete Beschwerde und führte aus, dass die Anerkennung der Ausgleichszulage noch nicht abschließend geklärt sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 26.08.2015 wurde das anhängige Beschwerdeverfahren bis zur Klärung durch die Pensionsversicherungsanstalt, ob die polnische Pension des Beschwerdeführers unter die Bestimmungen der EG VO 1408/71 bzw. den sachlichen Geltungsbereich gemäß Art. 4 dieser Verordnung falle, ausgesetzt.
2. Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 09.05.2018, zugestellt durch Hinterlegung am 14.05.2018, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.06.2015, mit dem das Arbeitslosengeld ab 01.06.2015 eingestellt wurde, mit näherer Ausführungen als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
3. Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 16.05.2018 wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe für die Zeiträume 30.03.2015 bis 31.05.2015 bzw. 17.08.2015 bis 31.12.2016 widerrufen, da eine Alterspension in Polen mit gleichzeitigem Anspruch auf Ausgleichzulage bestehe, jedoch von einer Rückforderung der Leistungen abgesehen.
4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 07.06.2018 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von € 717,64 verpflichtet (Spruchpunkt A). Diesbezüglich wurde die Einbehaltung der Leistung im Falle eines fortdauernden Leistungsbezuges in Aussicht gestellt. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer nicht im Leistungsbezug steht, wurde die Einzahlung des Betrages binnen vierzehn Tagen auf ein näher bezeichnetes Konto gefordert. Des Weiteren wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt B).
Zu Spruchpunkt A des Bescheides führte die belangte Behörde zusammenfassend aus, dass die Verpflichtung zum Rückersatz des angeführten Betrages aufgrund der Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 06.05.2018 [gemeint wohl: 09.05.2018] bestehe.
Der in Spruchpunkt B verfügte Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wurde wie folgt begründet: Da bereits eine Entscheidung über die Beschwerde in der Hauptsache vorliege, würde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausschließlich dazu führen, dass die Eintreibung der offenen Forderung zu Lasten der Versichertengemeinschaft verzögert werde, obwohl mit einer anderslautenden Entscheidung in der Sache zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht mehr zu rechnen sei. Aus diesem Grund überwiege in der Angelegenheit das öffentliche Interesse an der Einbringlichkeit der offenen Forderung. Die aufschiebende Wirkung sei daher abzuerkennen.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 06.07.2018 eine Beschwerde und führte darin zusammengefasst aus, dass ihm lediglich eine Entscheidung der belangten Behörde vom 09.05.2018 bekannt sei, mit dem eine Beschwerde gegen die Einstellung der Notstandshilfe abgewiesen wurde. Eine Entscheidung, mit dem dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zugesprochen worden sei, sei ihm nicht bekannt. Er monierte, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht begründet und die Rückzahlung durch seinen Pensionsanspruch gewährleistet sie und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.07.2018 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 07.06.2018 gemäß §§ 14 VwGVG iVm § 56 AlVG als unbegründet abgewiesen und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen. Nach Wiedergabe des Sachverhalts und der maßgeblichen Bestimmungen führte die belangte Behörde begründend aus, dass mit rechtskräftigem Bescheid vom 09.05.2018 der Bezug des Arbeitslosengeldes ab 01.06.2015 eingestellt wurde und das aufgrund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausbezahlte Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 01.06.2015 - 16.08.2015 rückgefordert wurde.
7. Am 18.07.2018 stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht, welchen er mit Schreiben vom 10.08.2018 ergänzte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.2. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.
Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.
3.3. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.
Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 13 VwGVG K 12).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 11.04.2018, Ro 2017/08/0033, Folgendes ausgeführt:
"Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat."
Die belangte Behörde begründete den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung insbesondere damit, dass eine Entscheidung über die Beschwerde in der Hauptsache vorliege und die aufschiebende Wirkung lediglich dazu diene, die Eintreibung der offenen Forderung zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu verzögern.
3.4. Im vorliegenden Fall verweist der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde gegen den die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 06.07.2018 ausschließenden Spruchpunkt II. des Bescheides lediglich auf die Mangelhaftigkeit des Bescheides und die gewährleistete Sicherstellung der Rückzahlung aufgrund seines Pensionsanspruches. Damit hat der Beschwerdeführer jedoch kein hinreichend konkretes bzw. substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet, dass ihn der Vollzug des Bescheides über den Verlust der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053) trifft den Beschwerdeführer hinsichtlich des unverhältnismäßigen Nachteils eine Konkretisierungspflicht (vgl. auch VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033). In diesem Sinne erfordert die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Einbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Partei. Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter - tunlichst ziffernmäßiger - Angaben über die finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Beschwerdeführer einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte.
Dazu ist auch ins Treffen zu führen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG ohne weiteres Verfahren zu entscheiden hat. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13). "Unverzüglich" und "ohne weiteres Verfahren" bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).
Vorliegend führte der Beschwerdeführer nicht näher aus, welche konkreten wirtschaftlichen, finanziellen oder rechtlichen Nachteile für ihn mit der Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes verbunden wären, zumal er sogar angibt, dass eine allfällige Rückzahlung durch seinen derzeitigen Pensionsbezug gewährleistet sei. Er legte diesbezüglich auch keinerlei Bescheinigungsmittel vor.
3.5. Die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung war daher spruchgemäß abzuweisen.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass mit dem Erkenntnis eine Entscheidung in der Hauptsache (Rückforderung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 717,64) nicht vorweggenommen wird.
3.6. Eine mündliche Verhandlung ist entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 5 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden", was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Pkt. II.3.3. und II.3.4. wiedergegeben. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, KonkretisierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W262.2202686.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.10.2018