TE Bvwg Beschluss 2018/8/22 W262 2189440-2

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Veröffentlicht am 22.08.2018
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Entscheidungsdatum

22.08.2018

Norm

AlVG §56
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W262 2189440-2/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende sowie die fachkundige Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta KEUL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_innen GmbH, gegen das Schreiben des Arbeitsmarktservice XXXX vom 19.01.2018, nach Beschwerdevorentscheidung vom 28.02.2018, GZ XXXX , betreffend die Ablehnung der Gewährung einer Zahlungserleichterung, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

A) Die Beschwerdevorentscheidung wird bestätigt und die Beschwerde

als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (in der Folge als AMS oder belangte Behörde bezeichnet) vom 23.06.2017, nach Beschwerdevorentscheidung vom 28.09.2017 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer zum Rückersatz der zu Unrecht bezogenen Notstandshilfe in Höhe von € 10.490,47 verpflichtet.

2. Mit Schreiben vom 28.12.2017, eingelangt bei der belangten Behörde am 08.01.2018, stellte der Beschwerdeführer einen näher begründeten Antrag auf Ratenzahlung.

3. Anlässlich der dazu erfolgten niederschriftlichen Einvernahme am 17.01.2018 vor dem AMS erklärte der Beschwerdeführer, nicht mehr als € 50,00 monatlich zurückzahlen zu können.

4. Mit Schreiben vom 19.01.2018 teilte das AMS dem Beschwerdeführer Folgendes mit:

"...

Service für Arbeitskräfte;

Offener Rückforderungsbetrag € 9.834,33; SVNr.: 2446 070969

Ihr Ansuchen um Zahlungserleichterung vom 19.1.2018

Sehr geehrter Herr XXXX ,

Ihr Ansuchen vom 19.01.2018 um Zahlungserleichterung betreffend die Rückzahlung Ihrer derzeitigen offenen Forderung in Höhe von €

9.834,33 kann trotz Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht bewilligt werden. Der Überbezug ist in einer Höhe, die eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft erfordert.

Es kann nur dann von einer Anzeige Abstand genommen werden, wenn Sie die gesamte offene Forderung sofort, oder in höchstens 12 Monatsraten einbezahlen.

Es wird daher bis zur Abstattung der offenen Forderung die Hälfte Ihres Leistungsbezuges einbehalten. Dies ersetzt jedoch nicht die Anzeigeverpflichtung, falls der Übergenuss nicht bis spätestens 31.12.2018 beglichen wird.

Sollten Sie aus dem Leistungsbezug ausscheiden und die Rückforderung nicht zur Gänze beglichen sein, ersuchen wir Sie, den noch offenen Betrag mit der angefügten Zahlungsanweisung einzuzahlen. Bei Fragen zur Rückzahlung wenden Sie sich bitte an das Arbeitsmarktservice

XXXX .

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landesgeschäftsführerin

..."

5. Mit Schreiben vom 01.02.2018 brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen das oa. Schreiben des AMS vom 19.01.2018 ein. Er führte zunächst aus, dass auch ein formloses Schreiben des AMS betreffend die Ablehnung eines Ratenansuchens einen Bescheid darstellen könne und verwies auf ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.09.2016, W238 2130144-1. Weiters führte er aus, dass die belangte Behörde seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausreichend berücksichtigt habe, da ihm lediglich € 140,00 für die monatlichen Fixkosten verbleiben. Darüber hinaus sei dem Gesetz auch nicht zu entnehmen, dass der Betrag innerhalb eines Jahres zurückzuzahlen sei. Zuletzt stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 28.02.2018 wurde die Beschwerde vom 01.02.2018 gemäß §14 VwGVG und § 56 AlVG iVm §§ 63 Abs. 3 und 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass es sich bei dem Schreiben vom 19.01.2018 um ein reines Informationsschreiben handle, welches keine bescheidtypischen Merkmale, wie Spruch, Begründung oder Rechtsmittelbelehrung aufweise. Die gegen dieses Schreiben gerichtete Beschwerde sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

7. Am 06.03.2018 brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag ein und führte zusätzlich zu seinem bisherigen Beschwerdevorbingen näher aus, warum es sich bei dem vorliegenden Schreiben des AMS vom 19.01.2018 um einen Bescheid handle.

8. Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 11.04.2018 unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

9. Über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.04.2018, Ra 2015/08/0033, -0047 und -0048 schriftlich Stellung zu nehmen, brachte der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme vom 30.05.2018 ein. In dieser führte er unter Zitierung einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs aus, dass das Schreiben des AMS vom 19.01.2018 als Bescheid zu qualifizieren und das Ansuchen um Ratengewährung inhaltlich zu behandeln sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid des AMS vom 28.09.2017 wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig zum Rückersatz der zu Unrecht bezogenen Notstandshilfe in Höhe von € 10.490,47 verpflichtet.

Der Beschwerdeführer stellte am 08.01.2018 einen Antrag auf Ratenzahlung beim AMS.

Mit Schreiben des AMS vom 19.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer u.a. mitgeteilt, dass sein Ansuchen auf Zahlungserleichterung trotz der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht bewilligt werden kann.

Das Schreiben des AMS vom 19.01.2018 ist nicht als Bescheid zu qualifizieren.

Am 01.02.2018 erhob der Beschwerdeführer gegen das Schreiben des AMS vom 19.01.2018 eine Beschwerde.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung, dass das Schreiben der belangten Behörde vom 19.01.2018 nicht als Bescheid zu qualifizieren ist, wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung (Pkt. 3.2.) verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde

3.1. Voraussetzung für die Qualifikation eines Verwaltungsaktes als Bescheid ist, dass es im Willen des Organs liegt, den Akt in Ausübung der hoheitlichen Gewalt zu setzen, und das Organ diesen Willen entsprechend zum Ausdruck bringt (vgl. VwGH 06.09.1995, 95/12/0195, mwN).

Aus § 58 Abs. 1 AVG ergibt sich, dass jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen ist und einen Spruch und eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten halt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt hierzu in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden kann, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch normativ rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der Erledigung, also in dem Sinn auch aus deren Form ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge im Verfahren, Rechtsbelehrungen und dergleichen reichen hierbei nicht aus (vgl. VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0033 ua. mwN).

Weist eine Erledigung nicht die für einen Bescheid vorgesehene Form auf, muss aus dieser deutlich hervorgehen, dass die Verwaltungsbehörde den objektiven Willen hatte gegenüber einer individuellen Person eine normative Regelung hinsichtlich einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen (vgl. VwGH 19.12.2001, 2001/12/0053).

Mangelt es einer Erledigung an der für Bescheide vorgesehenen Form, so muss deutlich hervorgehen, dass die Behörde dennoch den objektiv erkennbaren Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen (vgl. VwGH 19.12.2001, 2001/12/0053).

An eine nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnete behördliche Erledigung ist hinsichtlich der Wertung als Bescheid ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. VwGH 18.10.2000, 95/17/0180). Bei Zweifeln über den Inhalt kommt auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, wie etwa dem Gebrauch von Höflichkeitsfloskeln. Aus einer solchen Form der Erledigung ist eher darauf zu schließen, dass kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung oder eine bloße Wissenserklärung vorliegt (vgl. VwGH 22.02.2007, 2006/09/0216; 13.09.2006, 2006/12/0085).

3.2. Im Hinblick auf die dargestellte Rechtsprechung, insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.04.2018, Ra 2015/08/0033 ua., ist das Schreiben des AMS vom 19.01.2018 - entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers - nicht als Bescheid zu qualifizieren.

Die Erledigung des AMS vom 19.01.2018 enthält keine ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid, keinen als Spruch gekennzeichneten Teil und keine Rechtsmittelbelehrung. Weiters ist dem Verwaltungsakt keine Genehmigung des Schreibens des AMS im Sinne des § 18 Abs. 3 AVG zu entnehmen. Die Erledigung ist ferner nicht durch die gemäß § 25 Abs. 4 AlVG zur Entscheidung über Ratenansuchen berufene regionale Geschäftsstelle ergangen, sodass auch nicht gesagt werden kann, sie sei im Zweifel als Bescheid zu deuten, weil diese Erledigungsform gesetzlich geboten gewesen wäre (vgl. VwGH 09.10.2013, 2013/08/0034, mwN).

Auch aus der Textierung des Schreibens geht nicht deutlich hervor, dass über den Antrag des Beschwerdeführers rechtsverbindlich abgesprochen worden wäre. Selbst wenn einige Formulierungen ("kann [...] nicht bewilligt werden"; "wird daher [...] einbehalten") einen normativen Inhalt andeuten, sprechen andere ("ersuchen wir Sie, [...] einzuzahlen", "wenden Sie sich bitte") sowie die sonstigen Höflichkeitsfloskeln in der Anrede ("Sehr geehrter Herr [...]) und in der Grußformel ("Mit freundlichen Grüßen") gegen einen normativen Charakter (siehe hierzu auch VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0033 ua.).

3.3. Insgesamt war daher dem Schreiben des AMS vom 19.01.2018 vor dem Hintergrund des von der Rechtsprechung geforderten strengen Maßstabes nach Form und Inhalt keine Bescheidqualität beizumessen. Es handelt sich vielmehr um eine unverbindliche Mitteilung bzw. Information.

Insofern war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung zu bestätigen.

3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde - trotz Antrag des Beschwerdeführers - gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt schien. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war damit weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen. Zudem liegt eine Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität vor, die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0033, -0047 und -0048) eindeutig geklärt ist. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (VwGH vom 11.04.2018, Ra 2015/08/0033, -0047 und -0048); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich anzusehen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Bescheidqualität, Nichtbescheid, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W262.2189440.2.00

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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