Entscheidungsdatum
22.08.2018Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W164 2133447-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die durch den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mündlich verkündeten Bescheid, Zl. 1089840209-180746546, vom 14.08.2018, verfügte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA.
Afghanistan beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.08.2018, Zl. 1089840209-180746546, wird aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat am 04.10.2015 den einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) hat diesen Antrag mit Bescheid vom 28.07.2016, Zl. 1089840209-151484254, sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Mit Verfahrensanordnung wurde dem BF ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt. Mit 12.08.2016 erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte im Wesentlichen vor, er sei von klein auf im Iran aufgewachsen und hätte keinerlei Bezugspunkte zu Afghanistan. Ihm könne eine Rückkehr nach Afghanistan ohne familiären und sozialen Rückhalt sowie ohne die örtlichen und infrastrukturellen Verhältnisse zu kennen nicht zugemutet werden. Die Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe, Diskriminierung und die unstabile Sicherheitssituation würden die Sache zusätzlich erschweren. Am 07.02.2017 wurden dem Bundesverwaltungsgericht Integrationsnachweise des BF übermittelt.
Am 13.03.2018 wurde beim BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der BF im Beisein seiner rechtlichen Vertreterin persönlich teilnahm. Die belangte Behörde verzichtete auf ein Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.
Der BF gab zu seinen Rückkehrbefürchtungen bezogen auf Afghanistan befragt an, dass er im Iran aufgewachsen sei und sogar in Österreich von den Afghanen verspottet werde. In Afghanistan kenne er weder die Kultur, noch hätte er eine Berufsausbildung. Seine in Afghanistan lebenden Verwandten hätte er noch nie in seinem Leben gesehen. Er hätte dort nichts und könne dort nicht leben. Außerdem wäre er durch die Taliban bedroht, weil er Schiite sei. Die Rechtsvertreterin des BF brachte vor, dass der BF zwar in Afghanistan geboren sei, aber sein ganzes Leben im Iran verbracht hätte, sohin sei seine Heimat für ihn ein fremdes Land. Es bestünden für ihn bei einer Rückkehr sprachliche Schwierigkeiten. Er hätte keinerlei Anknüpfungspunkte, verfüge über keine vernünftige Berufs- und Schulausbildung und hätte kein Vermögen. Er würde bei einer etwaigen Rückkehr auf jeden Fall in eine aussichtslose Situation geraten. Da ihm jegliche familiäre Unterstützung in Afghanistan fehle, wäre er auch ein leichtes Opfer für die Taliban oder den IS und wären die staatlichen Behörden nicht in der Lage ihm den entsprechenden Schutz zu gewähren. Aus den Länderfeststellungen gehe hervor, dass seine Heimatprovinz zu einer der unsicheren Provinzen in Afghanistan gehöre und dem BF sohin eine Rückkehr nicht zumutbar sei. Die BFV verwies sie auf gezielte Anschläge der Taliban gegen Hazara/Schiiten und auf einen ACCORD-Bericht, wo festgestellt werde, dass insbesondere ein Hazara, der sein ganzes Leben im Iran verbracht hätte, nicht nach Afghanistan zurückkehren könne, weil er dort nicht mehr als Afghane angesehen werde, er würde dort als Außenseiter und als ein Verwestlichter angesehen und nicht akzeptiert werden. Sohin sei eine Rückkehr nach Afghanistan im Falle des BF nicht zumutbar. Die Rechtsvertreterin beantragte die Gewährung des subsidiären Schutzes für den BF, in eventu die Rückkehrentscheidung für unzulässig zu erklären.
Mit Erkenntnis W148 2133447-1/16E vom 19.04.2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und führte zur Begründung aus, dem BF sei es insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aus Gründen der Volksgruppenzugehörigkeit und Religion sei bezüglich des BF nicht festzustellen. Das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan sei zu verneinen. Eine konkret gegen den BF gerichtete Verfolgung als "Rückkehrer" habe der BF nicht vorgebracht und sei eine solche im Laufe des Verfahrens auch nicht hervor gekommen. Auch eine von individuellen Aspekten unabhängige "Gruppenverfolgung" könne auf Basis der Quellenlage nicht erkannt werden.
Soweit der BF Probleme im Iran ins Treffen führe, (wie v.a. der privaten und beruflichen Benachteiligungen auf Grund von Diskriminierungen) seien diese, da der Iran nicht Herkunftsstaat des BF sei, für das vorliegende Verfahren nicht relevant. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sei abzuweisen.
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, die Sicherheitslage variiere regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt. Die Herkunftsprovinz des BF (Parwan) liege 64 km nördlich von Kabul und sei eine strategisch bedeutsame Provinz. Der Flughafen Bagram Airfield sei ein high-profile Angriffsziel der Taliban und anderer Aufständischer. Die Taliban seien unter anderem in einem abgelegenen Dorf aktiv. Es würden auch militärische Operationen durchgeführt. Dabei komme es zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften. In der Vergangenheit habe die Polizei große Drogenmengen auf der Route der nördlichen Regionen beschlagnahmt. Dabei sei es zu Verhaftungen in Zusammenhang mit Drogenschmuggel im Norden gekommen. Dass Zivilisten die primären Angriffsziele der Taliban seien oder ganze Distrikte von ihnen eingenommen wären, lasse sich vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht erweisen. Ein Abschnitt der Autobahn Kabul-Parwan Highway verbinde die Provinz mit Kabul. Sollte der BF dennoch nicht in der Lage sein, sein Heimatdorf sicher zu erreichen und würde ihm daher bei einer Überstellung nach Afghanistan in diese Provinz die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohen, so könne er in zumutbarer Weise auf die Übersiedlung in außerhalb der Provinz Parwan gelegene Landesteile Afghanistans, wie insbesondere in die Stadt Kabul, verwiesen werden: In Kabul sei nach den vorliegenden Länderberichten die allgemeine Lage als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, und die afghanische Regierung behalte die Kontrolle über diese Stadt, auch wenn es selbst dort zu vereinzelten Anschlägen komme. Innerhalb Kabuls würden demnach in verschiedenen Vierteln unterschiedliche Sicherheitslagen existieren. Aus den entsprechenden Länderberichten ergebe sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGOs sowie gezielt auf (internationale) Sicherheitskräfte ereignen, dies aus Gründen der Propaganda und der hohen medialen Aufmerksamkeit. Wenn es auch zu zivilen Opfern komme, so seien in erster Linie Regierungsinstitutionen und internationale Einrichtungen Anschlagsziele. In Kabul Stadt gehe aber nicht für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr aus, die sich in der Person des BF so verdichten würde, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr darstellen würde. Die genannten Gefährdungsquellen seien in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul nach wie vor als ausreichend sicher zu bewerten sei. Es sei auch allgemein der Zugang zu Unterkunft, grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu Erwerbsmöglichkeiten gegeben. Kabul sei über den dortigen Flughäfen sicher erreichbar. Beim BF handle es sich um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Er verfüge über zehn Jahre Schuldbildung und Berufserfahrung als Schneider und Lackierer. Außerdem habe er seinem Vater bei dessen Arbeit als Schweißer geholfen sowie auch im Haushaltswarengeschäft seines Vaters ausgeholfen. Der Beschwerdeführer könne sich in einer der Landessprachen (Dari) des Herkunftsstaates verständigen, und habe bis zu seiner Ausreise aus dem Iran mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in einem Haushalt gelebt. Auch seine Tante väterlicherseits habe mit ihrer Familie in der Nähe des BF gewohnt. Dieser sei somit innerhalb eines afghanischen bzw. hazarischen Kulturkreises aufgewachsen, weshalb er mit den kulturellen Gepflogenheiten auch seines Herkunftslandes vertraut sei. Der BF habe die Möglichkeit, an seine früheren Tätigkeiten als Schneider, Lackierer oder Schweißer anzuknüpfen. Ebenso könne er sich auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten eine Existenzgrundlage sichern. Der BF sei außerdem der Volksgruppe der Sadat/Sayed bzw. der Hazara zugehörig. Aus den Länderfeststellungen zur Volksgruppe der Hazara sei ersichtlich, dass ihre Gesellschaft traditionell strukturiert sei und auf der Familie bzw. dem Klan basiere, worin auch das traditionelle soziale Netz der Hazara bestehe. Eltern, drei Brüder zwei Schwestern des BF würden im Iran leben. Zu ihnen bestehe Kontakt und es gehe ihnen gut. Deshalb sei anzunehmen, dass die Familie des BF diesen bei einer Rückkehr nach Kräften ? zumindest anfangs bzw. übergangsweise ? finanziell, in Form von Geldtransfers, unterstützen würde. Eine räumliche Trennung stehe dem nicht entgegen. Den Länderfeststellungen sei zu entnehmen, dass Geldtransferanbieter wie Western Union in Afghanistan weit verbreitet seien. Der BF verfüge auch über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Herkunftsprovinz, wo seine zwei Tanten und sein Onkel mütterlicherseits sowie seine Tante väterlicherseits leben würden. Der Ehemann seiner Tante väterlicherseits sei der Vorsitzende des Volksrates seines Heimatortes und sei für den Lebensunterhalt des Cousins des BF aufgekommen. Der BF habe zwar selbst keinen Kontakt zu seinen Tanten und seinem Onkel, da es jedoch keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass diese sich nicht mehr in der Herkunftsprovinz aufhalten würden, bestehe die Möglichkeit, zukünftig den Kontakt über die Mutter und den Cousin väterlicherseits des BF herzustellen. Bei Kontaktaufnahme sei, vor dem Hintergrund, dass die Familie das traditionelle soziale Netz der Hazara bildet, auch davon auszugehen, dass der BF von seinen Tanten und deren Familien sowie seinem Onkel nach Kräften ? zumindest anfänglich bzw. übergangsweise ? mit Sachleistungen bzw. finanziell, in Form von Geldtransfers, unterstützt würde. Außerdem könne der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden. Deshalb sei auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Auch wenn in Afghanistan, auch in Kabul, die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei, könne im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass es dem BF unter Berücksichtigung seiner oben dargelegten persönlichen Verhältnisse im Fall der Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich und zumutbar wäre, sich in der Hauptstadt Kabul einen - wenn auch anfangs nur vorläufigen - Wohnraum zu suchen und sich mit den bislang ausgeübten Tätigkeit oder gegebenenfalls mit anderen Tätigkeiten ? etwa auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten ? ein für seinen Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Zudem gehöre der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen sei, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstelle als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls in Kabul für ihre Existenzsicherung aufkommen könne. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Eine Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat in die Stadt Kabul sei möglich und auch zumutbar. Dass der BF bei Einschlafproblemen Schlaftabletten nehme, ändere an dieser Einschätzung nichts, da es ihm sonst gesundheitlich gut gehe. Der Gesundheitszustand des BF lasse eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK nicht maßgeblich wahrscheinlich erscheinen. Außerdem ergebe sich aus den Länderfeststellungen, dass in Afghanistan, insbesondere in Kabul, grundsätzlich ein Zugang zu Medikamenten bestehe. Ausgehend davon, sei mit Blick auf die persönliche Situation des BF nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die Rückverbringung des BF nach Afghanistan stehe daher nicht im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005, weshalb dem BF nach den genannten Bestimmungen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuzuerkennen sei.
Zur Rückkehrentscheidung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, vier Tanten väterlicherseits des BF und deren Kinder würden in Österreich leben. Eine seiner Tanten habe den Status einer Asylberechtigten, die anderen Tanten, Cousins und Cousinen des BF seien Asylwerber. Eine seiner Tanten wohne in Oberösterreich. Ein Cousin väterlicherseits des BF wohne in St. Pölten. Drei Tanten und fünf Cousins und Cousinen des BF würden im selben Quartier wohnen wie er. Dieses Quartier werde von einem Verein betrieben, der im Rahmen der Grundversorgung als Partnerorganisation des Landes NÖ Menschen während des laufenden Asylverfahrens beherberge. Somit wohne der BF zwar unter einem Dach mit drei seiner Tanten, und fünf seiner Cousins und Cousinen, doch dieser Umstand alleine genüge nicht für die Annahme einer Beziehungsintensität iSd Art 8 EMRK. Der BF lebe in Österreich von der Grundversorgung, eine finanzielle Abhängigkeit zwischen ihm und seinen Familienangehörigen bestehe nicht. Auch eine sonstige Abhängigkeit zwischen ihnen sei nicht hervorgekommen. Der BF lebe in derselben Unterkunft wie seine Tanten, Cousinen und Cousins, weil sie im Rahmen der Grundversorgung diesem Quartier zugewiesen wurden. Auch sei zu beachten, dass der BF für die Dauer seines Asylverfahrens in Österreich stets nur vorläufig aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Ihm habe sein während seines Asylverfahrens bestehender ungewisser Aufenthaltsstatus bekannt sein müssen. Er habe von vornherein damit rechnen müssen, dass es im Falle einer negativen Entscheidung über seinen Asylantrag zu einer Beendigung seines Aufenthalts kommen würde. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sei das Gewicht eines in diesem Zeitraum entstandenen Privat- und Familienlebens bereits dadurch gemindert, dass sich der Beschwerdeführer nicht darauf verlassen konnte, dieses auch nach Beendigung des Asylverfahrens im Aufnahmestaat fortführen zu können. Das Familienleben des BF zu seinen in Österreich lebenden Verwandten sei zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines ungewissen Aufenthaltsstatus bewusst war und sei somit bereits dadurch gemindert. Überdies gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem BF und seiner in Oberösterreich lebenden Tante bestehe. Ein solches Verhältnis habe der BF auch nicht zu seinem in St. Pölten lebenden Cousin väterlicherseits vorgebracht. Der BF habe eine über die Verwandtschaft hinausgehende engere Bindung zu seinen Angehörigen, die die von der Judikatur geforderte besondere Intensität aufweisen würde, nicht glaubhaft gemacht. Daher bedeute ein Eingriff in die genannten verwandtschaftlichen Beziehungen keine Verletzung des Rechtes auf Familienleben iSd. Art. 8 EMRK. Eine iSd. Art. 8 EMRK schützenswerte familiäre Bande bestehe mit den im Bundesgebiet aufhältigen Verwandten nicht. Im gegenständlichen Fall sei ein Eingriff in das Familienleben iSd. Art. 8 EMRK zu verneinen. Der BF habe sich etwas mehr als zweieinhalb Jahre in Österreich aufgehalten, somit nicht so lange, als dass man nach vorhin angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs von einem schützenswerten Privatleben des BF in Österreich ausgehen könnte. Selbst wenn man vom Vorliegen eines schützenswerten Privatlebens ausginge, wäre der Eingriff in dieses Recht durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht unverhältnismäßig: Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF vermöge weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF könne somit jedenfalls die Interessensabwägung nicht zu seinen Gunsten beeinflussen.
Der BF sei illegal nach Österreich eingereist und halte sich erst seit zwei Jahren und sieben Monaten in Österreich auf. Die Dauer des Verfahrens habe nicht das Maß dessen überschritten, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen sei. Es liege somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthalts im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben würden, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen. Der BF lebe in Österreich von der Grundversorgung. Er sei in Österreich nie einer Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit nachgegangen und somit nicht selbsterhaltungsfähig. Er habe bereits Deutschkurse für das Sprachniveau A1 absolviert und besuche derzeit einen Deutschkurs für das Sprachniveau A2. Ferner nehme er wöchentlich an einem Programm teil, bei dem er mehr über Österreich erfahre. In seiner Freizeit nehme der BF an Fußballspielen teil. Im Sommer leiste er freiwillige Aufräumarbeiten für die Gemeinde. Diese sozialen Kontakte und sein gemeinnütziges Engagement würden zwar für eine Integrationsbemühung des BF sprechen. Dies genüge insbesondere vor dem Hintergrund seiner erst kurzzeitigen Aufenthaltsdauer in Österreich jedoch nicht, um eine nachhaltige Integration des BF in Österreich annehmen zu können. Damit zusammenhängend sei auch zu beachten, dass dem BF sein während seines Asylverfahrens bestehender ungewisser Aufenthaltsstatus bekannt sein habe müssen und er von vornherein damit habe rechnen müssen, dass es im Falle einer negativen Entscheidung über seinen Asylantrag zu einer Beendigung seines Aufenthalts kommen würde.
Den schwach ausgeprägten privaten Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüberstehen. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes komme den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu.
Der BF verfüge nicht zuletzt über Bindungen zum Herkunftsstaat:
Seine zwei Tanten und sein Onkel mütterlicherseits sowie seine Tante väterlicherseits würden sich dort aufhalten. Ein Kontakt zu ihnen sei herstellbar. Seine Eltern, seine drei Brüder und seine zwei Schwestern würden im Iran leben. Der BF könne sich in einer der Landessprachen verständigen und habe bis zu seiner Ausreise aus dem Iran mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in einem Haushalt gelebt. Auch seine Tante väterlicherseits habe mit ihrer Familie in der Nähe des BF gewohnt. Der BF sei somit innerhalb eines afghanischen bzw. hazarischen Kulturkreises aufgewachsen, weshalb er mit den kulturellen Gepflogenheiten auch seines Herkunftslandes vertraut sei. Es sei davon auszugehen, dass er sich in die Gesellschaft seines Herkunftsstaates eingliedern können würde. Bei einer Zusammenschau all dieser Umstände würden im vorliegenden Fall jene Umstände überwiegen, die für eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat sprechen, wobei der nicht hinreichend ausgeprägten Integration besonderes Gewicht zukomme. In Gesamtbetrachtung würden nach vorgenommener Interessensabwägung aufgrund der vorliegenden Umstände somit die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des BF überwiegen. Dass im gegenständlichen Fall durch eine Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig in das Privatleben des BF iSv Art. 8 Abs. 2 EMKR eingegriffen würde, könne nicht erkannt werden. Auch sonst seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Die Frist für die freiwillige Ausreise sei zu Recht mit zwei Wochen festgelegt worden. Die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides sei abzuweisen.
Das genannte Erkenntnis wurde formell rechtskräftig.
Am 16.07.2018 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
Am 07.08.2018 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und gab an, er könne nicht in sein Heimatland zurückkehren. Er habe hier ein Mädchen kennen gelernt und wolle dieses heiraten. Er fühle sich auch keiner Religion zugehörig. Zwar würde er an Gott glauben, aber an keine bestimmte Religion. Der christliche Glauben würde ihm gefallen. In seiner Heimat würde es Extremisten geben.
Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, Erstaufnahmestelle Ost, vom 14.08.2018 gab der BF an, er sei vor etwa drei Monaten vom Islam ausgetreten. Er habe weiters in Österreich eine Freundin - der BF nannte ihren Namen und ihr Alter - sie besuche das Gymnasium. Der BF beabsichtige, sie zu heiraten. Der BF habe in Österreich freiwillig bei der Gemeinde gearbeitet und mit den Leuten hier Kontakt gepflegt. Eine entgeltliche Arbeit anzunehmen sei ihm nicht erlaubt gewesen. Die ihm angebotenen Möglichkeiten, Deutsch zu lernen habe er angenommen, sei beim Deutschlernen aber nur mäßig erfolgreich gewesen. Vier Tanten väterlicherseits des BF würden mit ihren Familien in Österreich leben. Zu einer Tante bestehe eine enge mentale Bindung. Der BF fühle sich in deren Familie, wie in seiner eigenen Familie. Finanziell sei er nicht von ihr abhängig gewesen. Seine Tante väterlicherseits in Afghanistan habe er noch nie gesehen und wisse auch nicht genau, ob diese aktuell tatsächlich dort lebe. Zu seiner im Iran lebenden Familie habe er aktuell wenig Kontakt. Er wisse aber, dass es ihnen gut gehe.
Mit mündlich verkündetem Bescheid Zl. 1089840209-180746546 vom 14.08.2018 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gem. § 12 AsylG 2005 idgF gem. § 12a Abs 2 AsylG auf und führte zur Begründung aus, es habe unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden können, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es könne unter Beachtung sämtlicher bekannter Tatsachen kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art 3 und Art 8 EMRK erkannt werden. Der BF habe zwar Familienbezug in Österreich, allerdings bestehe kein Abhängigkeitsverhältnis zu dieser Familie. Während seines Aufenthaltes in Österreich sei der BF auf die staatliche Unterstützung angewiesen gewesen. Die Lage im Herkunftsstaat sei seit der Entscheidung über den vorherigen Antrag des BF auf internationalen Schutz bzw. seit der Erlassung der Rückkehrentscheidung im Wesentlichen unverändert. Es würden keine Hinweise auf eine schwere körperliche oder psychische oder ansteckende Krankheit vorliegen. Der BF sei jung, gesund und arbeitsfähig. Er spreche kaum Deutsch und sei nicht integriert. Betreffend die in Österreich lebende Freundin des BF habe das BFA mit dem vom BF genannten Namen eine Person ausfindig machen können, die selbst Asylwerberin sei, deren Aufenthaltsstatus in Österreich also unsicher sei. Für sein Vorbringen bezüglich seines Austrittes aus dem Islam habe der BF keine Beweise vorgelegt. Dem BF wäre es als junger, gesunder Mann möglich, in Afghanistan/Kabul eine Arbeit zu finden. Er beherrsche die dortige Sprache und könne den notwendigen Lebensunterhalt verdienen. Dem BF drohe im Fall seiner Rückkehr keine unmenschliche Behandlung. Ihm drohe keine Verletzung wie in § 12a Abs 2 Z 3 AsylG beschrieben. Der BF sei in Österreich für niemanden sorgepflichtig. Er sei in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. Ihm hätte bereits bei Antragstellung klar sein müssen, dass sein weiterer Aufenthalt nicht gesichert sei.
Die gegen den BF ausgesprochene Rückkehrentscheidung bzw. Ausweisung sei aufrecht. Der BF habe zwischenzeitlich das Bundesgebiet nicht verlassen. Er verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da er keinen neuen Sachverhalt vorgebracht habe und sich auf seine schon behandelten Fluchtgründe bezogen habe. Ein Heimreisezertifikat sei ausgestellt worden. Die allgemeine Lage im Herkunftsland habe sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass dem BF bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität drohe. Da sich weder die allgemeine Lage, noch die persönlichen Verhältnisse und auch nicht der körperliche Zustand des BF seit der letzten Entscheidung entscheidungswesentlich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in den Herkunftsstaat des BF für diesen zu keiner Bedrohung der angeführten Menschenrechte führen würde. Selbige gelte für seine persönlichen Verhältnisse. Auch bezüglich dieser sei keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei nach wie vor nicht anzuzweifeln. Es seien alle Voraussetzungen für die Aufhebung des Abschiebeschutzes gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob der BF mündlich Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , er wurde im Jahr XXXX in Afghanistan geboren, ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und wuchs mit seiner Familie im Iran auf. Das vom Beschwerdeführer veranlasste Asylverfahren wurde mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom W148 2133447-1/16E vom 19.04.2018 formell rechtskräftig abgeschlossen: Der Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen, subsidiärer Schutz wurde in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 nicht eingeräumt; dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel gewährt und es wurde eine formell rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen.
Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und befindet sich aktuell in Schubhaft.
Der Beschwerdeführer stellte am 07.08.2018 den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz und begründete diesen damit, dass er sich vom Islam abgewendet hätte und in Österreich eine Freundin habe, die er zu heiraten beabsichtige.
Gemäß den Vorbringen des BF ereignete sich seine Abkehr islamischen Glauben zeitlich gesehen nach der Erlassung des Erkenntnisses W148 2133447-1/16E vom 19.04.2018. Das BFA hat das diesbezügliche Vorbringen des BF mangels Vorlage von Beweisen als nicht glaubwürdig beurteilt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Die Entscheidung hat aufgrund der Aktenlage zu erfolgen. Eine mündliche Verhandlung ist zufolge § 22 BFA-Verfahrensgesetz nicht durchzuführen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Weder das AsylG 2005 noch das FPG 2005 sehen eine Entscheidung durch Senate vor, sodass das Bundesverwaltungsgericht den gegenständlichen Beschwerdefall durch Einzelrichter zu entscheiden hat.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
§ 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 lauten:
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach
einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
§ 22. (10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
§ 22 BFA-Verfahrensgesetz lautet:
"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
Die zuletzt vom Bundesverwaltungsgericht erlassene Rückkehrentscheidung ist aufrecht.
Im Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG (dies ist hier der Fall) müssen sämtliche Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sein.
§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt gemäß seinem Wortlaut, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.
§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt eine Prognoseentscheidung über eine vorausssichtliche Antragszurückweisung; die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens (vgl. die in Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, S 284, angeführte Gesetzesmaterialie zu § 22BFA-VG).
Im vorliegenden Fall ist eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Ra 2017/18/0451 vom 19.12.2017 ausgeführt hat, genießt ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, gemäß § 12 AsylG 2005 grundsätzlich bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 nicht mehr zulässig ist, faktischen Abschiebeschutz; das bedeutet, dass er weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden darf. Durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, wurden für Folgeanträge auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 Sonderregelungen geschaffen, die in bestimmten Fällen Ausnahmen vom faktischen Abschiebeschutz vorsehen. Sie haben - nach den Gesetzesmaterialien (RV 330 BlgNR 24. GP 11) -
"unter Wahrung der notwendigen rechtsstaatlichen Garantien ... das
Ziel, jene Fälle, in denen ein berechtigtes Interesse an einem neuerlichen Asylverfahren besteht, möglichst früh von klar missbräuchlichen Antragstellungen zu unterscheiden und diese in weiterer Folge als Mittel zur Hintanhaltung fremdenpolizeilicher Maßnahmen unbrauchbar zu machen." Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern. Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Verfahrensrichtlinie - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte.
Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:
Der verfahrensgegenständliche Antrag vom 07.08.2018 bildet den ersten Folgeantrag des Beschwerdeführers. Darin wird sinngemäß vorgebracht, dass er sich von einer dem Islam verpflichteten Religiosität abgewendet hat. Dieses Vorbringen und die Behauptung, dass die genannte Abkehr von einer bis dahin dem Islam zugewendeten inneren Haltung erst nach der Entscheidung W148 2133447-1/16E vom 19.04.2018 erfolgte, lässt eine genauere Überprüfung notwendig erscheinen. Der Umstand allein, dass eine spätere Zurückweisung wegen entschiedener Sache gem. § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt aber nicht schon zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes. Vor dem Hintergrund, dass der BF (abgesehen von seinen ersten sechs Lebensmonaten) sein gesamtes bisheriges Leben außerhalb Afghanistans verbracht hat, sich also nach Erhalt des abweisenden Erkenntnisses des BVwG vom 19.04.2018 möglicherweise erstmals konkret damit auseinandergesetzt hat, dass er ab seiner Ausweisung nach Afghanistan eine ausschließlich dem Islam verpflichtete streng religiöse Lebensweise zu pflegen haben würde, da diese in seinem Herkunftsland weitgehend gesellschaftlich gefordert würde wobei überdies damit gerechnet werden müsse, dass Vertreter extremistische Gruppen Zeichen einer inneren Abkehr vom Islam mit Gewalt ahnden würden, ist sein diesbezügliches Vorbringen nicht schon von vornherein als unglaubwürdig zu werten. Im vorliegenden Gesamtzusammenhang und im Rahmen der hier vorzunehmenden Grobprüfung kann daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der BF angesichts der Konfrontation mit der ihm nun unmittelbar bevorstehenden Ausweisung nach Afghanistan und der konkreten Auseinandersetzung damit, welchen gesellschaftlichen Forderungen er nach seiner Ausweisung nach Afghanistan entsprechend werde müssen, sich von einer dem Islam verpflichteten inneren Haltung abgekehrt haben könnte. Auch der Umstand, dass der BF, wie er angibt, nach Erhalt der negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein in Österreich lebendes Mädchen kennen gelernt hat, dass er heiraten möchte, könnte dabei mitentscheidend gewesen sein. Dass die Antragstellung einzig zum Zweck, die Durchsetzung der gegen den BF ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.4.2018 zu verhindern erfolgte, kann im Rahmen der hier vorzunehmenden Grobprüfung daher nicht ohne weiteres als gegeben angenommen werden.
Das genannte Vorbringen des BF weist somit darauf hin, dass eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten sein könnte. Die belangte Behörde hat sich mit diesem konkreten Vorbringen nicht ausreichend auseinandergesetzt und sich darauf beschränkt, die vom BF behauptete aktuelle Abkehr vom Islam mangels Vorlage von Beweisen als unglaubwürdig zu beurteilen. Die belangte Behörde hat aber weder den BF selbst, noch die von ihm genannte Person (seine Freundin) zu diesem Vorbringen näher befragt. Die belangte Behörde hat dem BF auch nicht Gelegenheit gegeben, weitere ZeugInnen vorzuschlagen. Die von der belangten Behörde an den - bei seiner Vernehmung vom 14.08.2018 unvertretenen - BF gerichtete Frage, ob es bezüglich seiner Abkehr vom Islam Beweise gebe, erfüllt für sich allein bezogen auf den hier vorliegenden Sachverhalt nicht die Kriterien eines rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahrens ( § 37 AVG).
Im derzeitigen Verfahrensstadium und aufgrund der hier lediglich vorzunehmenden Grobprüfung kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Antrag vom 07.08.2018 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Somit ist jedenfalls eine der drei Voraussetzungen, unter denen der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Mit Aufhebung des vorliegenden Bescheides kommt dem BF faktischer Abschiebeschutz iSd § 12 Abs. 1 AsylG 2005 zu.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Apostasie, Behebung der Entscheidung, faktischer Abschiebeschutz -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W164.2133447.2.00Zuletzt aktualisiert am
02.10.2018