TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/23 W133 2183494-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W133 2183494-1/5E

W133 2184526-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen

1.) den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 04.12.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie

2.) den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 06.12.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO,

zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG in beiden Fällen

nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 08.08.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO und legte medizinische Unterlagen vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 30.11.2017 ein. In diesem wurden nach einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Wirbelgleiten und Spinalkanalstenose im Lendenwirbelsäulensegment, Bandscheibenschädigung unterer Rahmensatz, da keine maßgeblichen motorischen Defizite fassbar und keine dauernde analgetische Therapie erforderlich.

02.01.02

30

2

leichter Bluthochdruck fixer Rahmensatz

05.01.01

10

3

Zustand nach Basaliomentfernung am Nasenrücken 2015 unterer Rahmensatz, da im Gesunden entfernt und kein Therapieerfordernis besteht

13.01.01

10

4

Zustand nach Halluxoperation links, fixer Rahmensatz

02.05.38

10

5

Abnützungserscheinungen am rechten Kniegelenk unterer Rahmensatz, da zwar morphologische Veränderungen beschrieben, jedoch keine signifikante Funktionsstörung ermittelt werden konnte

02.05.18

10

zugeordnet und

nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 von Hundert (v.H.) medizinisch eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, dass das führende Leiden unter Nr. 1) durch die Gesundheitsschädigung unter Nrn. 2) bis 5) nicht erhöht werde, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken bestehe. Die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wurde aus medizinischer Sicht als zumutbar erachtet.

Mit dem nunmehr erstangefochtenen Bescheid vom 04.12.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40 und 45 BBG ab und stellte einen Grad der Behinderung von 30% fest.

Mit dem nunmehr ebenfalls angefochtenen Bescheid vom 06.12.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO ab.

Die belangte Behörde stützte den erstangefochtenen Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Als Beilage wurde der Beschwerdeführerin das Sachverständigengutachten vom 30.11.2017 übermittelt. Den zweitangefochtenen Bescheid begründete die Behörde mit dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin nicht Inhaberin eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ist.

Mit Schreiben vom 04.01.2018, eingelangt am 05.01.2018, erhob die Beschwerdeführerin gegen beide Bescheide fristgerecht die nunmehr zu beurteilende Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin bringt die Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, ihr Wohnsitz sei für einen gesunden Menschen ca. 20 Minuten von den öffentlichen Verkehrsmitteln entfernt und ein "ULF" fahre auch nicht immer. Sie ersuche, ihren Antrag positiv zu erledigen. Der Beschwerde legte sie einen Reha-Befund vom 09.10.2017 bei.

Am 19.01.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Sie stellte am 08.08.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Ausstellung eines Parkausweises für Menschen mit Behinderung nach § 29b StVO.

Die eingebrachte Beschwerde vom 04.01.2018 richtet sich gegen die Abweisung dieser beiden Anträge mit Bescheiden der belangten Behörde vom 04.12.2017 und 06.12.2017.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose und deren Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen medizinischen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 30.11.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.) degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Wirbelgleiten und Spinalkanalstenose im Lendenwirbelsäulensegment, Bandscheibenschädigung, wobei keine maßgeblichen motorischen Defizite fassbar und keine dauernde analgetische Therapie erforderlich sind;

2.) leichter Bluthochdruck;

3.) Zustand nach Basaliomentfernung am Nasenrücken 2015, wobei dieses im Gesunden entfernt wurde und kein Therapieerfordernis besteht;

4.) Zustand nach Halluxoperation links;

5.) Abnützungserscheinungen am rechten Kniegelenk ohne signifikante Funktionsstörung.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt zum Entscheidungszeitpunkt 30%. Das führende Leiden Nr. 1) wird durch die Gesundheitsschädigungen unter Nrn. 2) bis 5) nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht. Eine Unverträglichkeitsreaktion auf Anwendung von ACE-Hemmern, Penicillin und Cortison kann durch eine Expositionsprophylaxe vermieden werden und erreicht ohne klinisches Erscheinungsbild keinen Grad der Behinderung.

Es liegt kein objektiver Befund vor, welche die in der Diagnoseliste des orthopädischen Spitals XXXX geführte Histaminintoleranz dokumentieren würde, weshalb dieses Leiden nicht festgestellt werden kann.

Die Beschwerdeführerin begründet ihre Beschwerde im Wesentlichen mit dem Vorbringen, ihr Wohnsitz sei für einen gesunden Menschen ca. 20 Minuten von den öffentlichen Verkehrsmitteln entfernt und ein "ULF" (Anmerkung: Niederflurwagon) fahre auch nicht immer. Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Auch der mit der Beschwerde vorgelegte Befund einer Rehabilitationsklinik vom 09.10.2017, der zeitlich vor der gutachterlichen Untersuchung datiert, belegt keine höheren Funktionseinschränkungen als im Gutachten bereits berücksichtigt.

Die erhobenen Einwendungen vermögen somit vor dem Hintergrund des vorliegenden Gutachtens vom 30.11.2017, welches auch dieser Entscheidung zu Grunde gelegt wird, und der medizinischen Befunde der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen; diesbezüglich wird auch auf die noch folgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen über das Datum der Einbringung der gegenständlichen Anträge basieren, ebenso wie die Feststellungen zum Beschwerdegegenstand, auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und Funktionseinschränkungen gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 30.11.2017.

Führendes Leiden der Beschwerdeführerin ist die degenerative Veränderung der Wirbelsäule mit Wirbelgleiten und Spinalkanalstenose im Lendenwirbelsäulensegment mit Bandscheibenschädigung. Da keine maßgeblichen motorischen Defizite fassbar sind und keine dauernde analgetische Therapie erforderlich ist, erfolgte die Zuordnung zum unteren Rahmensatz der Positionsnummer 02.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung und eine Einschätzung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 30% nachvollziehbar und richtig. Auch aus dem von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerde vorgelegten Reha-Befund vom 09.10.2017 ergibt sich, dass Analgetika nur für den Bedarfsfall verordnet wurden.

Aus diesem Befund ergibt sich weiters, dass die Beschwerdeführerin am Ende des Rehabilitationsaufenthaltes mit einer Unterarmstützkrücke selbständig mobil war und auch die Stiegen mit Hilfe dieser einen Unterarmstützkrücke mit Beistellschritten bewältigen konnte. Auch die Kraft der unteren Extremitäten sowie die Beweglichkeit der Wirbelsäule und die Rumpfstabilität konnten gesteigert werden.

Der Befund widerspricht somit nicht dem vorliegenden Sachverständigengutachten vom 30.11.2017.

Auch die weiteren Leiden Nrn. 2 bis 5 wurden im Gutachten nach dem Ausmaß ihrer vorliegenden Funktionseinschränkungen nachvollziehbar und korrekt nach den Bestimmungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet und eingeschätzt.

Aufgrund des geringen Ausmaßes dieser Leiden Nrn. 2 bis 5 konnten diese den Gesamtgrad der Behinderung jedoch nicht erhöhen, was vom Gutachter auch richtig festgehalten wurde.

Eine höhere Einstufung erweist sich vor dem Hintergrund der vorliegenden Befunde und des Untersuchungsergebnisses bei der Begutachtung als nicht möglich.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, das vorliegende medizinische Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 30.11.2017. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die beiden zu beurteilenden Verfahren werden gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) BGBl. Nr. 283/1990, idF des BGBl. I Nr. 32/2018, lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 29b StVO lautet:

"§ 29b. (1) Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, ist als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten vom 30.11.2017 zu Grunde gelegt, wonach zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Gesamtgrad der Behinderung von 30% vorliegt.

Weder bestehen entscheidungserhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen im Sinne der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen. Auch liegt keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor sowie auch keine anhaltende Erkrankung des Immunsystems.

Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden von der Beschwerdeführerin keine Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, das Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften.

Da somit festzustellen war, dass der Gesamtgrad der Behinderung 30% beträgt, und die Beschwerdeführerin somit keine Inhaberin eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ist, war die Beschwerde gegen beide angefochtenen Bescheide spruchgemäß abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin wird der Vollständigkeit halber betreffend ihr Beschwerdevorbringen, dass das nächste öffentliche Verkehrsmittel weit von ihrem Wohnort entfernt sei, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entscheidend auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ankommt, nicht aber auf andere Umstände wie die Entfernung zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH vom 19.12.2017, Ra 2017/11/0288, mwV).

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren objektivierten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung des Grades der Behinderung bzw der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W133.2183494.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten