Index
L8500 StraßenNorm
B-VG Art139 Abs1 Z3Leitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung betreffend die Erklärung von Grundstücken zur Gemeindestraße infolge Zumutbarkeit der Geltendmachung der Bedenken in einem EnteignungsverfahrenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Sachverhalt und Antrag
1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des in EZ 1590 vorgetragenen Grundstückes Nr 785/1, KG 92111 Klaus. Bestandteil dieses Grundstücks ist die Teilfläche 003.
2. Am 21. Dezember 2016 beschloss die Gemeindevertretung der Gemeinde Klaus gemäß §20 Abs1, 3 und 6 des Vbg. StraßenG, LGBl 79/2012, idF LGBl 54/2015, folgende Verordnung:
"Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Klaus über die Erklärung als Gemeindestraße (Gemeindevertretungsbeschluss vom 21.12.2016)
Gemäß §20 Abs1, 3 und 6 Straßengesetz, LGBl Nr 79/2012 idgF, wird die Teilfläche 001 mit ca. 22 m2, die Teilfläche 002 mit ca. 37 m2, die Teilfläche 003 mit ca. 28 m2, die Teilfläche 004 mit ca. 6 m2, die Teilfläche 005 mit ca. 10 m2, die Teilfläche 006 mit ca. 3 m2, die Teilfläche 007 mit ca. 5 m2, die Teilfläche 008 mit ca. 12 m2, die Teilfläche 009 mit ca. 9 m2, die Teilfläche 010 mit ca. 2 m2, die Teilfläche 011 mit ca. 5 m2, die Teilfläche 012 mit ca. 5 m2, die Teilfläche 013 mit ca. 29 m2, die Teilfläche 014 mit ca. 6 m2, die Teilfläche 015 mit ca. 8 m2, die Teilfläche 016 mit ca. 11 m2, die Teilfläche 017 mit ca. 15 m2, die Teilfläche 018 mit ca. 8 m2, die Teilfläche 019 mit ca. 12 m2 und die Teilfläche 020 mit ca. 9 m2 laut beiliegendem Lageplan vom 16.09.2015, Plan Nr 3273_Ip_Rev05.dwg, unter der aufschiebenden Bedingung als Gemeindestraße erklärt, dass die Gemeinde Klaus das Eigentum oder ein sonstiges entsprechendes Verfügungsrecht erwirbt und der Bürgermeister diesen Rechtserwerb kundmacht. Diese Teilstücke sind dann Bestandteil der Gemeindestraße 'Tschütsch' (Gst-Nr 1774/1). Das betreffende Teilstück der Gemeindestraße Tschütsch hat von Abzweigung Hnr. 11 bis Ende Gst. Nr 1774/1 eine Länge von ca. 280 m.
Die Verordnung tritt mit Beginn des auf die Kundmachung folgenden Tages in Kraft. Die bisher geltende Verordnung tritt damit außer Kraft."
3. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin die Aufhebung der Wortfolge "die Teilfläche 003 mit ca. 28 m2," der genannten Verordnung vom 21. Dezember 2016. In eventu wird beantragt, "der Verfassungsgerichtshof möge die 'Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Klaus über die Erklärung als Gemeindestraße (Gemeindevertretungsbeschluss vom 21.12.2016)' zur Gänze als verfassungswidrig (gesetzwidrig) aufheben."
4. Darüber hinaus regt die Antragstellerin an, der Verfassungsgerichtshof möge §20 Abs6 Vbg. StraßenG, LGBl 79/2012 idF LGBl 54/2015, gegebenenfalls auch §50 Abs1 lita Vbg. StraßenG (Wortfolge "oder nach §20 Abs6 bedingt zur Gemeindestraße"), auf ihre Verfassungskonformität hin überprüfen.
5. Im Hinblick auf ihre Antragslegitimation bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass sie durch die gegenständliche Verordnung unmittelbar in ihren Rechten betroffen sei, da mit der Verordnung die in ihrem Eigentum stehende Teilfläche 003 laut dem einen integralen Bestandteil der Verordnung bildenden Lageplan vom 16. September 2015 als Gemeindestraße erklärt werde. Diese Erklärung wirke sich unmittelbar nachteilig auf ihre Eigentümerstellung aus. Jede anderweitige Nutzung der betroffenen Teilflächen sei insofern ausgeschlossen, als bereits mit Inkrafttreten der Verordnung eine umfängliche Nutzungsbeschränkung verbunden sei. Art und Ausmaß des Eingriffes seien durch die Verordnung eindeutig bestimmt. Aus dem Sachverhalt ergebe sich des Weiteren, dass die Gemeinde Klaus die konkrete Absicht habe, unter anderem durch Einbindung von Teilflächen der Liegenschaft der Antragstellerin in das Straßenkonzept einen Zufahrtsweg zum Wohngebiet "Hintere Tschütsch" zu schaffen. Der Eingriff in die Rechtsphäre der Antragstellerin sei damit auch aktuell im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes. Schließlich sei der Antragstellerin ein Umweg nicht möglich und auch nicht zumutbar.
6. Die Antragstellerin behauptet eine Verletzung in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Schutz des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK.
II. Rechtslage
Die relevanten Bestimmungen des Vbg. StraßenG, LGBl 79/2012 idF LGBl 54/2015, lauten:
"§20
Begriff, Erklärung und Auflassung von Gemeindestraßen, Straßenerhalter
(1) Gemeindestraßen sind die von der Gemeindevertretung durch Verordnung als solche erklärten Straßen.
(2) Die Gemeindevertretung hat nach Maßgabe der finanziellen Mittel die vorwiegend für den Verkehr innerhalb des Gemeindegebietes notwendigen Straßen als Gemeindestraßen zu erklären. Eine Notwendigkeit liegt nicht vor, wenn von anderer Seite für eine solche Verkehrsverbindung Vorsorge getroffen wird. Ein Rechtsanspruch auf Erklärung einer Straße als Gemeindestraße besteht nicht.
(3) Die Gemeindevertretung kann darüber hinaus durch Verordnung folgende Straßen als Gemeindestraßen erklären:
[…]
(6) Wenn eine Erklärung nach den Abs1 bis 3 eine Straße betrifft, an der die Gemeinde nicht das Eigentum oder ein sonstiges entsprechendes Verfügungsrecht hat, hat die Erklärung unter der aufschiebenden Bedingung zu erfolgen, dass die Gemeinde das Eigentum oder ein sonstiges entsprechendes Verfügungsrecht erwirbt und der Bürgermeister diesen Rechtserwerb kundmacht. Die Kundmachung hat durch Anschlag an der Amtstafel in sinngemäßer Anwendung des §32 des Gemeindegesetzes zu erfolgen.
[…]"
"§50
Gegenstand und Umfang der Enteignung
(1) Das Eigentum an Grundstücken und andere dingliche Rechte können im Wege der Enteignung erworben, beschränkt oder aufgehoben werden, soweit dies notwendig ist
a) zum Zwecke des Erwerbs des Eigentums oder eines entsprechenden Verfügungsrechtes an Straßen, die nach §12 Abs6 bedingt zur Landesstraße oder nach §20 Abs6 bedingt zur Gemeindestraße erklärt wurden,
[…]"
III. Erwägungen
1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).
2. Der Antragstellerin steht ein zumutbarer anderer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung zur Verfügung: Gemäß §20 Abs6 Vbg. StraßenG hat die Erklärung als Gemeindestraße bei Straßen, an denen die Gemeinde nicht das Eigentum oder ein sonstiges entsprechendes Verfügungsrecht hat, unter der aufschiebenden Bedingung zu erfolgen, dass die Gemeinde das Eigentum oder ein sonstiges entsprechendes Verfügungsrecht erwirbt und der Bürgermeister diesen Rechtserwerb kundmacht. Sollte hierüber keine Einigung mit den betroffenen Grundstückseigentümern erzielt werden, kann ein Enteignungsverfahren nach §§50 ff. Vbg. StraßenG durchgeführt werden, welches gemäß §52 Abs1 leg.cit. mit einem Enteignungsbescheid abgeschlossen wird. Es steht der Antragstellerin frei, gegen einen allfälligen Enteignungsbescheid Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu führen, die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung geltend zu machen und auf diese Weise eine gegebenenfalls von Amts wegen zu veranlassende Überprüfung der Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit zu erwirken (vgl. VfSlg 19.238/2010 mwN [zum Vbg. StraßenG LGBl 8/1969 idF LGBl 36/2009]; zu vergleichbaren Fällen nach dem Tir. StraßenG siehe VfGH 22.9.2017, V17/2017; VfGH, jeweils 10.6.2016, V16/2016 und V144/2015). Besondere Umstände, die das Abwarten eines Enteignungsverfahrens unzumutbar machen würden (vgl. etwa VfSlg 9823/1983, 15.098/1998 und 16.031/2000), liegen nicht vor.
3. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, VfGH / Weg zumutbarer, Straßenverwaltung, Gemeindestraße, EnteignungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:V55.2018Zuletzt aktualisiert am
12.06.2020