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L0350 Gemeindewahl, BürgermeisterwahlNorm
B-VG Art26, Art95, Art117Leitsatz
Keine Stattgabe der Anfechtung der Gemeinderatswahl der Landeshauptstadt Innsbruck; keine Verletzung des Grundsatzes der Freiheit der Wahl durch Fehler in der Ausfertigung der in der Wahlzelle anzuschlagenden oder aufzulegenden Kundmachung der Wahlvorschläge für das Amt des Bürgermeisters; keine Darlegung einer konkreten Rechtswidrigkeit betreffend die Feststellung der Anzahl der VorzugsstimmenRechtssatz
Zulässigkeit der Anfechtung der Wahl der Mitglieder des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 22.04.2018. §79 Abs5 Innsbrucker WahlordnungsG 2011 (im Folgenden: IWO 2011) sieht zwar ua für die Wahl der Mitglieder des Gemeinderates schriftliche Überprüfungsanträge an die Hauptwahlbehörde vor, doch nur gegen die ziffernmäßige Ermittlung des Wahlergebnisses. Zur Geltendmachung aller anderen Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim VfGH binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens offen. Die anfechtungswerbende Partei strebt in ihrer Anfechtungsschrift nicht die Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr ausschließlich sonstige Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens. Auch bei der "Feststellung der Anzahl der Vorzugsstimmen" handelt es sich nicht um eine im Überprüfungsverfahren nach §79 IWO 2011 hinsichtlich der "ziffernmäßigen Ermittlung des Wahlergebnisses" geltend zu machende Rechtswidrigkeit. Die begehrte Nachprüfung beschränkt sich nicht auf ein bloßes Nachzählen der Stimmzettel, sondern hat die Rechtmäßigkeit der Zuordnung dieser Stimmzettel zur jeweiligen Partei bzw der Vorzugsstimmen zum konkreten Wahlwerber zum Gegenstand.
Unzutreffende Bezeichnung der Anfechtungsgegnerin ("Stadt Innsbruck als ausführende Wahlbehörde" anstelle Hauptwahlbehörde) steht Zulässigkeit der Anfechtung nicht entgegen.
Bereits aus dem Aufbau und der Struktur der IWO 2011 geht hervor, dass es sich bei der Wahl des Gemeinderates und der Wahl des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck, die zwar gemäß §1 Abs4 IWO 2011 gemeinsam abzuhalten sind, ausdrücklich um zwei (eigenständige) Wahlen handelt.
Wie sich ua aus den vorgelegten Wahlakten ergibt, wurde für die Anfechtungswerberin - mangels Einbringung - kein Wahlvorschlag für die Wahl des Bürgermeisters veröffentlicht. Dass die Kundmachung an der Amtstafel rechtswidrig war, hat die Anfechtungswerberin auch nicht behauptet.
Auf einer nicht mehr feststellbaren Anzahl der gemäß §48 Abs1 IWO 2011 in den Wahlzellen anzuschlagenden oder aufzulegenden Ausfertigungen der Kundmachung der Wahlvorschläge iSd §46 IWO 2011 scheint jedoch unterhalb des Wahlvorschlages samt den Kandidaten der Anfechtungswerberin für die Gemeinderatswahl auch ein Kandidat für die Wahl des Bürgermeisters auf. Dabei handelt es sich um dieselbe Person, die in der Wahlwerberliste des Wahlvorschlages 11, "Bürgerforum Tirol - Liste Fritz ( FRITZ )", an der ersten Stelle gereiht war und als Wahlwerber dieser Wählergruppe für die Wahl zum Bürgermeister vorgeschlagen wurde.
Aus den vorgelegten Wahlakten geht hingegen eindeutig hervor, dass der Fehler lediglich die Ausfertigungen der Kundmachung nach §46 IWO 2011 betrifft und sich ausschließlich auf die Wahl des Bürgermeisters bezieht, nicht hingegen auf die Wahl des Gemeinderates. Ein solcher Fehler könnte daher allenfalls zur Rechtswidrigkeit der Wahl des Bürgermeisters führen, nicht jedoch zur Rechtswidrigkeit des Verfahrens über die Wahl des Gemeinderates. Der Fehler betreffend die Wahl des Bürgermeisters auf den in den Wahlzellen anzuschlagenden oder aufzulegenden Ausfertigungen nach §48 Abs1 IWO 2011 stellt daher keine Rechtswidrigkeit des Verfahrens der Wahl des Gemeinderates dar.
Obgleich es sich bei der Wahl des Gemeinderates und der Wahl des Bürgermeisters um zwei eigenständige Wahlen handelt, erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine behauptete Rechtswidrigkeit bei der Wahl des Bürgermeisters die "Freiheit der politischen Willensbildung und -betätigung" bei der Wahl des Gemeinderates beeinträchtigen kann: Einen Wahlvorschlag für die Wahl des Bürgermeisters darf nämlich nur eine solche Wählergruppe einbringen, die auch einen Wahlvorschlag für die Wahl des Gemeinderates einbringt; überdies darf gemäß §41 Abs2 IWO 2011 dabei nur der in der Wahlwerberliste ihres Wahlvorschlages für die Wahl des Gemeinderates an der ersten Stelle gereihte Wahlwerber als Wahlwerber für die Wahl des Bürgermeisters vorgeschlagen werden.
Die gesetzlich vorgesehene Kundmachung der Wahlvorschläge für die Wahl des Gemeinderates und des Bürgermeisters ist an der Amtstafel gemäß §46 IWO 2011 ohne einen (fälschlicherweise aufscheinenden) Wahlvorschlag der Anfechtungswerberin für die Wahl des Bürgermeisters und somit fehlerfrei erfolgt. Auch die im Zuge der Bestimmungen über die Ausstellung von Wahlkarten von der Hauptwahlbehörde ausgefolgte "Kundmachung der zugelassenen Wahlvorschläge für die Wahl des Gemeinderates und die Wahl des Bürgermeisters" stimmt mit der Kundmachung nach §46 IWO 2011 überein und enthält ausschließlich die veröffentlichten Wahlvorschläge für die Wahl des Gemeinderates und des Bürgermeisters. Allein die in der Wahlzelle anzuschlagende oder aufzulegende Ausfertigung der Kundmachung an der Amtstafel, weist zu Unrecht denselben Wahlwerber für die Wahl des Bürgermeisters für zwei Wahlvorschläge auf.
Vor allem im Hinblick darauf, dass sowohl der Wahlwerber für das Amt des Bürgermeisters als auch die ihn nominierende Wählergruppe auf dem Stimmzettel für die Wahl des Bürgermeisters angeführt sind, kommt der in der Wahlzelle anzuschlagenden oder aufzulegenden Ausfertigung der Wahlvorschläge für das Amt des Bürgermeisters keine solche Bedeutung zu, dass dadurch eine irrtümliche oder fehlerhafte Stimmabgabe bei der Gemeinderatswahl bewirkt werden könnte. Es liegt demnach keine mit VfSlg 11021/1986 vergleichbare Ausgangslage vor, weil dort dem Wähler überhaupt "kein Behelf zur Orientierung" über die Bezeichnung der Wahlvorschläge zur Verfügung stand.
Das Vorbringen der Mangelhaftigkeit der Stimmzettel (Vertauschung der Reihenfolge von Vor- und Familiennamen der Bürgermeisterkandidaten) betrifft ausschließlich die Wahl des Bürgermeisters, zu deren Anfechtung die Anfechtungswerberin mangels Einbringung eines Wahlvorschlages nicht legitimiert ist.
Gemäß stRsp des VfGH muss die von der Wählergruppe (Partei) behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens in der Anfechtungsschrift (selbst) hinreichend substantiiert werden. Die Behauptung der Anfechtungswerberin, dass dem Wahlwerber von zumindest sechs Wählern nach der Wahl mitgeteilt worden sei, dass sie ihm eine Vorzugsstimme gegeben hätten, jedoch gemäß dem Ergebnis der Wahlbehörde lediglich drei Stimmen zugunsten dieses Wahlwerbers zu entnehmen sei, entspricht diesem Erfordernis nicht. Es wird in keiner Weise dargelegt, welche Rechtswidrigkeit konkret vorliegen soll. Die bloße Behauptung, dass bei der Feststellung der Vorzugsstimmen ein Fehler passiert sei, ist zu abstrakt gehalten. Das Anfechtungsvorbringen entzieht sich daher in diesem Punkt einer Beurteilung durch den VfGH, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.
Schlagworte
Wahlen, Gemeinderat, Bürgermeister, Wahlrecht freies, Wahlergebnis, Kundmachung, VfGH / Wahlanfechtung, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:WI2.2018Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020