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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ASVG §293 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kienesberger, über die Revision der Wiener Landesregierung gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21. November 2016, Zl. VGW-151/065/6984/2016-13, betreffend Staatsbürgerschaft (mitbeteiligte Partei: A A F A K, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses sicherte das Verwaltungsgericht Wien (VwG) im Säumnisweg dem Vater des minderjährigen Mitbeteiligten über Antrag vom 17. Oktober 2005 gemäß §§ 10 Abs. 1 und 20 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG) die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zu, dass er innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband (Arabische Republik Ägypten) nachweise. Mit Spruchpunkt II. und III. des genannten Erkenntnisses sicherte das VwG - ebenfalls im Säumnisweg - der Mutter des Mitbeteiligten und dessen drei Geschwistern die Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ebenfalls für den Fall zu, dass diese innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband nachwiesen. Eine Revision gegen diese Entscheidungen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG sei nicht zulässig (Spruchpunkt IV.). Diese Spruchpunkte (I. bis IV.) dieses Erkenntnisses sind nicht revisionsgegenständlich.
2 Mit Spruchpunkt V. des genannten Erkenntnisses sicherte das VwG dem Mitbeteiligten auf Antrag vom 23. September 2013, wiederum im Säumnisweg, gemäß §§ 17 Abs. 1 und 20 Abs. 1 StbG die Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zu, dass dieser seinerseits innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband nachweise.
3 Zu Spruchpunkt V. des Erkenntnisses sprach das VwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei (Spruchpunkt VI.).
4 Begründend führte das VwG auf das für den Revisionsfall Wesentliche zusammengefasst aus, der in Ägypten geborene Vater des Mitbeteiligten habe am 17. Oktober 2005 bei der Wiener Landesregierung den Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt. Gleichzeitig habe er die Erstreckung derselben auf seine Ehegattin und ihre drei Kinder beantragt; am 23. September 2013 hätten er und seine Ehefrau die Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf den am 11. Dezember 2012 geborenen Mitbeteiligten beantragt. Die am 1. Juni 2016 eingebrachten Säumnisbeschwerden seien zulässig. Dem Vater des Mitbeteiligten sei mit näherer Begründung die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Mutter des Mitbeteiligten und dessen drei Geschwistern sei die Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft jeweils für den Fall zuzusichern gewesen, dass diese innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband nachwiesen. Aufgrund der Aufhebung des § 10 Abs. 1 Z 7 StbG, BGBl. Nr. 311/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006, sowie des Abs. 5 leg. cit. in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. März 2013, G 106/12 ua., VfSlg. 19.732/2013, sei eine Prüfung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes unterblieben.
5 Bezüglich der Zusicherung der Erstreckung der Verleihung an den Mitbeteiligten in Spruchpunkt V. des Erkenntnisses führte das VwG zu § 10 Abs. 1 Z 7 StbG idF BGBl. Nr. 104/2014 aus, der Mitbeteiligte sei im Zeitpunkt der Antragstellung 9 Monate und 11 Tage alt gewesen. Eine Berechnung der Einkünfte in 36 Monaten aus den letzten 6 Jahren vor Antragstellung gemäß § 10 Abs. 5 StbG sei daher nicht möglich; Berechnungszeitraum könne nur jene Zeit sein, in welcher der Mitbeteiligte bereits am Leben gewesen sei. Heranzuziehen sei daher nur die Zeit zwischen dem Tag der Geburt des Mitbeteiligten und jenem der Antragstellung auf Erstreckung. Gemäß § 10 Abs. 5 StbG gelte, wenn in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes bezogen worden sei, in dem Zeitraum, in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen worden sei, der Lebensunterhalt gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 StbG jedenfalls als hinreichend gesichert. Diese Bestimmung lasse offen, ob der Lebensunterhalt nur für die sechs Monate unmittelbar vor der Antragstellung oder für den gesamten Zeitraum, in dem vor Antragstellung Kinderbetreuungsgeld bezogen worden sei, als gesichert gelte. Der Wortlaut des Gesetzes und eine teleologische Interpretation sprächen für die letztere Auslegung, weshalb "durch den Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch (die Mutter) während des gesamten Berechnungszeitraumes" der Lebensunterhalt des Mitbeteiligten jedenfalls als gesichert gelte. Die Revision sei in diesem Punkt zuzulassen gewesen, "insbesondere weil eine solche Rechtsprechung zu § 10 Abs. 5 letzter Satz StbG in der geltenden Fassung zur Lösung der Frage wie mit Erstreckungsanträgen von ‚nachgeborenen' Kindern umzugehen" sei, fehle.
6 Gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Erkenntnisses richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision, die zur Frage der Zulässigkeit der Revision zum einen auf den diesbezüglichen Ausspruch durch das Verwaltungsgericht verweist und zum anderen ausführt, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "zu der Frage, ob im Falle des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld der Lebensunterhalt lediglich für sechs Monate unmittelbar vor Antragstellung als gesichert anzusehen" sei, oder "darüber hinausgehend für den gesamten - auch vor den sechs Monaten liegenden - Zeitraum, in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde".
Die Revision ist unzulässig:
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
10 Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt vor, wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. etwa VwGH 8.10.2014, Ro 2014/10/0106, mwN).
11 Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 erster Satz, zweite Variante B-VG ("weil ... eine solche Rechtsprechung fehlt") ist das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer konkreten Rechtsfrage (vgl. etwa VwGH 9.6.2015, Ro 2014/08/0083, mwN).
12 Zweck der Begründungspflicht nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG ist bei einer ordentlichen Revision die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage (vgl. etwa VwGH 23.9.2014, Ro 2014/01/0033, mit Verweis auf Kleiser, Die neue Rolle des Verwaltungsgerichtshofes, ZVG 2014/1, 44).
13 Mit dem bloßen Hinweis in der Zulassungsentscheidung des VwG auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "zur Lösung der Frage, wie mit Erstreckungsanträgen von nachgeborenen Kindern umzugehen" sei, wird zum einen keine konkrete Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG formuliert, und zum anderen nicht auf den Revisionsfall bezogen dargelegt, dass und aus welchem Grund der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Revision die angesprochene Frage als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte, von welcher das Schicksal der Revision abhängt. Dies aus folgendem Grund:
14 Der Mitbeteiligte wurde am 11. Dezember 2012 geboren. Laut den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis lebt der Mitbeteiligte in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern und seinen Geschwistern.
15 Zur Vermeidung einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 5 StbG die Höhe der nachzuweisenden Einkünfte an die Richtsätze des § 293 ASVG angeknüpft. Es entspricht dem Gesetz, bei einem gemeinsamen Haushalt unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltseinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs. 1 ASVG erreicht (vgl. VwGH 16.12.2009, 2007/01/1276, 21.1.2010, 2007/01/0466, oder auch 15.3.2012, 2010/01/0028, jeweils mwN).
16 Im Fall von minderjährigen und gegenüber ihren Eltern unterhaltsberechtigten Verleihungswerbern ohne eigenes Einkommen ist für die Beurteilung des auch für Minderjährige geltenden Erfordernisses des gesicherten Lebensunterhaltes jener der unterhaltspflichtigen Eltern als Haushaltseinkommen heranzuziehen (vgl. etwa VwGH 28.10.2009, 2007/01/0944, mwN, oder auch 21.1.2010, 2007/01/1136).
17 Gemäß dem Wortlaut des § 10 Abs. 5 letzter Satz StbG gilt in dem Zeitraum, in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, der Lebensunterhalt jedenfalls als hinreichend gesichert, wenn in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes - KBGG, BGBl. I Nr. 103/2001, bezogen wird.
18 Im Revisionsfall betrifft die Zulassung der ordentlichen Revision durch das VwG nur Spruchpunkt V. des angefochtenen Erkenntnisses, welcher den minderjährigen Mitbeteiligten betrifft. Die Amtsrevision wendet sich in ihrer (ordentlichen) Revision ebenfalls nur gegen diesen Spruchpunkt. Eine rechtliche Begründung dafür, dass und gegebenenfalls aus welchem Grund das VwG bei der vorliegenden Fallkonstellation eine Prüfung des gesicherten Lebensunterhaltes im Sinne der § 10 Abs. 1 Z 7 iVm § 10 Abs. 5 StbG im Hinblick auf den minderjährigen Mitbeteiligten für sich genommen anzustellen und nicht im Sinne der oben genannten Rechtsprechung den gesicherten Lebensunterhalt der unterhaltspflichtigen Eltern als Haushaltseinkommen heranzuziehen hatte, ergibt sich weder aus der Zulassungsbegründung des VwG, noch aus den Zulassungsausführungen der Amtsrevision.
19 Im angefochtenen Erkenntnis ist das VwG davon ausgegangen, dass nach der Aufhebung des § 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 5 StbG durch den VfGH (mit VfSlg. 19.732/2013) der hinreichend gesicherte Lebensunterhalt für den Vater, die Mutter und die Geschwister des Mitbeteiligten nicht zu prüfen war. In dieser Fallkonstellation wird weder vom VwG noch von der Amtsrevision dargelegt, ob für die Prüfung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes des Mitbeteiligten das Haushaltseinkommen oder - nach der Wirkung von VfSlg. 19.732/2013 - ein "eigenes" Einkommen des Mitbeteiligten heranzuziehen ist. Somit bleibt auch unklar, inwieweit die angesprochene Auslegung des § 10 Abs. 5 letzter Satz StbG in der vorliegenden Fallkonstellation überhaupt von Relevanz ist. Dass die Entscheidung über die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt, wird daher fallbezogen nicht ausreichend dargelegt.
20 Die Revision war aus diesen Gründen gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 3. September 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017010004.J00Im RIS seit
02.10.2018Zuletzt aktualisiert am
11.12.2018