TE Vwgh Beschluss 2018/9/3 Ra 2018/01/0370

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Veröffentlicht am 03.09.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §33;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kienesberger, über die Revision der N L-H in S, vertreten durch Mag. Wolfgang Doppelhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gluckgasse 2/6a, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 12. Juni 2018, Zl. LVwG-AV-464/002-2017, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist in einer Angelegenheit nach dem Sicherheitspolizeigesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadtgemeinde M), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 8. März 2017 wies der Bürgermeister der Stadtgemeinde M den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Ausfolgung der im Areal des Landesklinikums M von Mitarbeitern und Beschäftigten entdeckten näher beschriebenen Fundgegenstände gemäß § 14 Abs. 5 iVm § 4 Abs. 3 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) ab und stellte fest, dass die revisionswerbende Partei nicht Finderin dieser Fundgegenstände iSd § 42a Abs. 3 SPG iVm § 395 ABGB sei. Dieser Bescheid wurde am 9. März 2017 von einer Mitarbeiterin der revisionswerbenden Partei übernommen und ihr somit rechtswirksam zugestellt.

2 Nach Verspätungsvorhalt durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) beantragte die revisionswerbende Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen den Bescheid vom 8. März 2017 und begründete diesen Antrag im Wesentlichen dahin, dass ihre für die Entgegennahme der täglichen Postwurfsendungen zuständige, sehr erfahrene und äußerst zuverlässliche Mitarbeiterin versehentlich den am 9. März 2017 entgegengenommenen Bescheid mit dem Eingangsstempel des nächstfolgenden Werktages versehen habe und deshalb die Geschäftsführung der revisionswerbenden Partei vom 10. März 2017 als Datum des Einlangens ausgegangen sei.

3 Mit dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 12. Juni 2018 wies das LVwG die von der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid vom 8. März 2017 am 7. April 2017 eingebrachte Beschwerde als verspätet zurück.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das LVwG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das LVwG aus, es sei zwar glaubhaft, dass eine langjährige, qualifizierte und zuverlässliche Mitarbeiterin der revisionswerbenden Partei die Frist falsch vermerkt habe. Die revisionswerbende Partei habe jedoch durch entsprechende Kontrollen dafür zu sorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen seien. Da die revisionswerbende Partei im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt habe, ob und welche Kontrollmechanismen es bei ihr gebe, liege kein bloß minderer Grad des Versehens vor. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragten Wiedereinsetzung seien daher nicht erfüllt.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt in ihren allein maßgeblichen Zulässigkeitsausführungen bloß allgemein vor, dass die angefochtene Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche bzw. wesentliche Mängel aufweise, die mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere zu § 71 AVG nicht in Übereinklang zu bringen seien.

10 Mit diesem nicht näher konkretisierten Vorbringen wird keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt. In den gesonderten Zulässigkeitsgründen ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. zuletzt etwa VwGH 27.2.1018, Ra 2018/01/0052, mwN). Der bloße in der Zulassungsbegründung enthaltene Verweis auf detaillierte Ausführungen zu den Revisionsgründen genügt dem Erfordernis, gesondert die Gründe zu nennen, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen, nicht (vgl. VwGH 18.3.2016, Ra 2015/01/0255 mwN).

11 Die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens verneint hat, stellt keine Rechtsfrage dar, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 28.5.2018, Ra 2018/01/0237, mwN).

Solches wird vorliegend durch die Revision nicht dargetan (vgl. hiezu aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 29.10.2015, 2013/07/0102, wonach im Zusammenhalt mit der Einhaltung von Terminen und Fristen auch eine juristische Person Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation gewährleisten muss und diese Organisation, wenn sich das verantwortliche Organ der Unterstützung von Hilfskräften bedient, - im Rahmen der Zumutbarkeit - ein Kontrollsystem erfordert).

12 Da die Revision somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt, war sie gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 3. September 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010370.L00

Im RIS seit

02.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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