TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/25 99/15/0136

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Veröffentlicht am 25.11.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §273 Abs2;
BAO §276 Abs1;
BAO §276;
BAO §284 Abs1;
BAO §93 Abs3 lita;
BAO §97;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der G + F Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Josef Broinger, Dr. Johannes Hochleitner und Mag. Bernd Thiele, Rechtsanwälte in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 26. Februar 1999, RV 97/1-10/98, betreffend Zurückweisung von Vorlageanträgen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH. Das Finanzamt erließ Bescheide betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1991 bis 1994 mit Ausfertigungsdatum 5. Juni 1997 und führte zur Begründung an, von den Abgabenerklärungen sei abgewichen worden, weil ein Eigenheim, welches eine GmbH errichte und von vornherein den Gesellschaftern kostenlos zur Nutzung überlassen werden solle, nicht zum steuerlichen Betriebsvermögen der GmbH gehöre (Hinweis auf Bauer/Quantschnigg, KStG 1988, § 8 Tz 40). Für ein solches Eigenheim sei keine betriebliche Veranlassung gegeben.

Die Beschwerdeführerin brachte gegen die genannten Bescheide die Berufung vom 8. Juli 1997 ein, in der sie sich dagegen wandte, dass ihr Gebäude nicht als Betriebsvermögen angesehen und der entsprechende Vorsteuerabzug nicht anerkannt werde. Zur Begründung verwies sie u.a. darauf, das Gebäude sei nur zeitweise für private Wohnzwecke verwendet worden.

Das Finanzamt entschied über die Berufung durch die automationsunterstützte Erlassung von Berufungsvorentscheidungen. Weil bei dem Finanzamt bei der Eingabe in die EDV Fehler unterlaufen waren, die zunächst berichtigt werden mussten, ergingen die Berufungsvorentscheidungen erst mit Ausfertigungsdatum 28. Oktober 1998. In den Bescheiden ist darauf verwiesen, dass die Begründung gesondert zugehe. Bereits am 30. September 1998 waren der Beschwerdeführerin Bescheide vom 28. September 1998 zugestellt worden, mit welchen ihr (als Haftende) Kapitalertragsteuer für verdeckte Gewinnausschüttungen vorgeschrieben wurde; in diesen Bescheiden wird auf die Begründung zu den Berufungsvorentscheidungen verwiesen. Diese vom Finanzamt händisch erstellte Begründung zu den Berufungsvorentscheidungen ist mit 17. September 1998 unterfertigt und wurde der Beschwerdeführerin am 30. September 1998 zugestellt. In dieser umfangreichen, acht Seiten umfassenden Begründung wird darauf hingewiesen, dass durch das Bundesrechenzentrum Berufungsvorentscheidungen abgefertigt worden seien. Sodann wird u.a. ausgeführt, dass ein den Gesellschafterinteressen dienendes Wirtschaftsgut nicht zum Betriebsvermögen, sondern zum steuerneutralen Vermögen einer GmbH gehöre. Das durch Gesellschafter privat genutzte Gebäude einer GmbH gehöre zu ihrem notwendigen Privatvermögen. Weil aber ein Raum des Gebäudes möglicherweise auch betrieblich genutzt werde, werde ein Teil der Gebäudeaufwendungen (16%) und ein Teil der Vorsteuern anerkannt. Im Übrigen sei, weil das Gebäude nicht zum steuerlichen Betriebsvermögen gehöre, die private Nutzung durch die Gesellschafter nicht mehr als Sachbezug anzusetzen. Die Begründung enthält - neben weiteren Ausführungen zu anderen Änderungen des steuerlichen Gewinnes und der Umsätze bzw. Vorsteuern (etwa betreffend Rückstellungen, Rechnungsabgrenzungen, Bewirtungsspesen und Reisekosten) - auch eine Begründung zur Vorschreibung der Kapitalertragsteuer wegen der Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen.

Die Beschwerdeführerin reichte am 23. Oktober 1998 die mit 21. Oktober 1998 datierte und mit Vorlageantrag bezeichnete Eingabe ein, mit welcher beantragt wird, die Berufung gegen die Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide 1991 bis 1994 sowie gegen die Kapitalertragsteuer- Haftungsbescheide der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen. Es wird begehrt, die angefochtenen Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide hinsichtlich der Punkte Gebäude, Rückstellungen, Bewirtungsspesen und Reisekosten und auch die Haftungsbescheide zu revidieren, und hiezu eine umfangreiche Begründung ausgeführt.

Mit Eingabe vom 4. November 1998, beim Finanzamt eingegangen am 5. November 1998, brachte die Beschwerdeführerin vor, der Vorlageantrag vom 21. Oktober 1998 sei hinsichtlich der Haftungsbescheide für Kapitalertragsteuer als Berufung anzusehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. Februar 1999 wies die belangte Behörde den Antrag vom 21. Oktober 1998 auf Vorlage der Berufung vom 8. Juli 1997 gegen die Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuerbescheide 1991 bis 1994 gemäß § 273 Abs. 1 lit. a iVm § 279 Abs. 1 und § 282 BAO zurück. Solange eine Berufungsvorentscheidung nicht ergangen sei, bestehe keine Möglichkeit zur Einbringung eines Vorlageantrages. Dies treffe im gegenständlichen Fall hinsichtlich der Haftungsbescheide zu. Aber auch in jenen Fällen, in denen Berufungsvorentscheidungen erlassen seien, sei die Einbringung eines Vorlageantrages vor Beginn des Laufes der Vorlagefrist unzulässig. Eine derartige Konstellation liege hinsichtlich Umsatz- und Körperschaftsteuer vor. Wenn nun hinsichtlich Kapitalertragsteuer keine und hinsichtlich Umsatz- und Körperschaftsteuer erst am 28. Oktober 1998 Berufungsvorentscheidungen ergangen seien, der Vorlageantrag aber bereits am 23. Oktober 1998 eingebracht worden sei, so bleibe dieser ohne rechtliche Wirkung. § 276 BAO enthalte nämlich keine dem § 273 Abs. 2 BAO entsprechende Bestimmung. Der Antrag sei daher zurückzugeweisen gewesen. Die Zurückweisung sei von der Abgabenbehörde zweiter Instanz auszusprechen, weil nicht der Fall eines verspäteten Antrages gegeben sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, aufgrund eines von ihr im Betriebsprüfungsverfahren gestellten Antrages wäre eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen gewesen. Dabei übersieht sie, dass ein Rechtsanspruch auf mündliche Verhandlung nur besteht, wenn eine solche in der Berufung oder im Vorlageantrag beantragt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1996, 94/13/0017). Außerdem sieht das Gesetz eine mündliche Verhandlung nicht vor, wenn gemäß § 282 Abs. 1 BAO eine Entscheidung vom Vorsitzenden des Berufungssenates getroffen wird.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, ihre Eingabe vom 4. November 1998 könnte als nach Ergehen der Berufungsvorentscheidung eingebrachter Vorlageantrag betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer gewertet werden, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Erklärungsinhalt dieser Eingabe nur die Kapitalertragsteuer betrifft und verdeutlichen soll, dass die als Vorlageantrag bezeichnete Eingabe, soweit sie Kapitalertragsteuer betrifft, als Berufung zu werten sei.

Da nicht die Bezeichnung, sondern der Inhalt einer Eingabe maßgebend ist, war die Eingabe vom 21. Oktober 1998, soweit sie Kapitalertragsteuer betrifft, unzweifelhaft als Berufung zu werten (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 273 Tz 24). Die belangte Behörde hat dies verkannt. Soweit der angefochtene Bescheid Kapitalertragsteuer betrifft, ist er daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 26. Juni 1990, 89/14/0122, ausgesprochen hat, entfaltet die Einbringung eines Vorlageantrages vor Bekanntgabe der Berufungsvorentscheidung keine rechtliche Wirkung, zumal § 276 BAO keine dem § 273 Abs. 2 BAO entsprechende Bestimmung enthält. Der Verwaltungsgerichtshof hält an dieser Auffassung fest. Mit einer derartigen gesetzlichen Regelung, nach der einem vorzeitigen Vorlageantrag keine Wirkung beigemessen wird, soll offenkundig bewirkt werden, dass die Befugnis des Finanzamtes zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung nicht beeinträchtigt wird. Der teleologische Hintergrund der Regelung ist weiters darin zu erblicken, dass sich die Partei, bevor sie einen Vorlageantrag stellt, mit der Berufungsvorentscheidung auseinander setzen soll. Aus diesem Zweck der Regelung ergibt sich aber für den Beschwerdefall Folgendes:

Im Beschwerdefall enthalten die Bescheide vom 28. Oktober 1998 (Berufungsvorentscheidungen) die Ankündigung, dass eine gesonderte Bescheidbegründung ergehe. Diese gesonderte Bescheidbegründung vom 17. September 1998 ist der Beschwerdeführerin (lange) vor den Berufungsentscheidungen bekannt gegeben worden. Nach dieser Bekanntgabe der Begründung - in dieser wird im Übrigen einleitend ausgeführt, die Berufungsentscheidungen seien bereits an die Beschwerdeführerin abgefertigt worden -, aber vor der tatsächlichen Bekanntgabe der Berufungsvorentscheidungen hat die Beschwerdeführerin den Vorlageantrag gestellt.

Mit der Zustellung der Bescheidbegründung ist der Bescheid zwar noch nicht erlassen. Aus der Bescheidbegründung ersieht die Partei aber bereits, dass das Finanzamt von seiner im Ermessen liegenden Befugnis auf Erlassung einer Berufungsvorentscheidung Gebrauch macht und in welcher Weise es die Entscheidung trifft. Ein nach Zustellung der Begründung zur Berufungsvorentscheidung gestellter Vorlageantrag beeinträchtigt nicht die Entscheidungsbefugnis des Finanzamtes und verhindert auch nicht, dass sich der Berufungswerber mit dem - in der Begründung erläuterten - Inhalt der Entscheidung auseinander setzt.

Im Hinblick auf den Zweck der Regelung gelangt der Verwaltungsgerichtshof daher zu der Auffassung, dass ein nach Bekanntgabe der gesonderten Begründung zur Berufungsvorentscheidung eingebrachter Vorlageantrag nicht unwirksam ist.

Ein derartiger Fall der Bekanntgabe der Begründung vor Erlassung des Spruches lag dem hg. Erkenntnis 89/14/0122 nicht zugrunde.

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. November 1999

Schlagworte

Ermessen Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999150136.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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