TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/25 99/15/0194

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Veröffentlicht am 25.11.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §198;
BAO §207;
EStG 1988 §2 Abs5;
EStG 1988 §33 Abs1;
EStG 1988 §4 Abs1;
EStG 1988 §4 Abs2;
EStG 1988 §5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der H. KG in N, vertreten durch Mag. Alois Hutter, Rechtsanwalt in 5730 Mittersill, Zellerstraße 2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 5. August 1999, RV27/1-7/98, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine KG und erzielt auf Grund ihrer steuerberatenden Tätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Sie ermittelte den Gewinn seit Beginn ihrer Tätigkeit im Jahr 1987 nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr mit Bilanzstichtag 31. Jänner. Der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung nach § 188 BAO wurde stets - auch nach abgabenbehördlichen Prüfungen - der nach dem abweichenden Wirtschaftsjahr ermittelte Gewinn zugrundegelegt.

Erstmals bei Erlassung des Bescheides betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1995 (nach Wiederaufnahme des Verfahrens) ging das Finanzamt davon aus, dass steuerlich nicht der im abweichenden Wirtschaftsjahr, sondern der im Kalenderjahr 1995 erzielte Gewinn maßgeblich sei. Es schätzte den auf den Zeitraum 1. Februar 1995 bis 31. Dezember 1995 entfallenden Gewinn, rechnete diesem allerdings den für das Wirtschaftsjahr vom 1. Februar 1994 bis zum 31. Jänner 1995 ermittelten Gewinn (von ca. 5,8 Mio. S) hinzu und stellte das Ergebnis (ca. 10,5 Mio. S) als Gewinn für 1995 fest.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie führte zur Begründung aus, im Zuge der notwendigen Umstellung der steuerlichen Gewinnermittlung auf das Kalenderjahr 1995 sei der Gewinn des Kalenderjahres 1995 um den im Zeitraum von 1. Februar 1994 bis 31. Dezember 1994 erzielten Gewinn zu erhöhen. Ermittle der Steuerpflichtige den Gewinn nach einem für ihn unzulässigen abweichenden Wirtschaftsjahr, so sei stets im Schätzungsweg der Gewinn für das Kalenderjahr zu errechnen. Dies dürfe jedoch im gegenständlichen Fall nicht dazu führen, dass der auf den Zeitraum Februar 1994 bis Dezember 1994 entfallende Gewinn zur Gänze und für immer unversteuert bleibe, weil damit gegen den Grundsatz der Gesamtgewinnbesteuerung verstoßen würde. Nach diesem Grundsatz müssten alle Geschäfte von der Gründung bis zur Liquidation eines Unternehmens erfasst werden. Es erscheine der belangten Behörde aus Gründen der Steuergerechtigkeit als nicht wünschenswert, dass der Gewinn für einen bestimmten Zeitraum der Besteuerung entzogen werde. Im Falle eines unzulässig gewählten abweichenden Wirtschaftsjahres sei daher die Umstellung auf das Kalenderjahr in gleicher Weise vorzunehmen wie bei einem zulässigen Wechsel des Wirtschaftsjahres. Nach Ansicht der belangten Behörde müssten somit im Jahr 1995 zwei Wirtschaftsjahre (insgesamt also der Zeitraum von Februar 1994 bis Dezember 1995) erfasst werden. Nur so könnten Begünstigungen, die sich aus einer unzulässigen Heranziehung eines abweichenden Wirtschaftsjahres ergeben, hintangehalten werden.

Aufgrund einer nach § 35 Abs. 2 VwGG ergangenen Aufforderung übermittelte die belangte Behörde eine Stellungnahme. In dieser führt sie aus, der Fall eines unzulässig gewählten abweichenden Wirtschaftsjahres sei im Gesetz nicht geregelt. Es liege eines Gesetzeslücke vor, die unter Berücksichtigung der "natürlichen Rechtsgrundsätze" bzw. dem "von den logischen Denkgesetzen getragenen Rechtsbewusstsein des Volkes" geschlossen werden müsse. Daraus ergebe sich, dass, wenn schon bei einem zulässigen Wechsel des Gewinnermittlungszeitraumes ein Zeitraum von mehr als zwölf Monaten bei der Einkommensermittlung erfasst werde, dies umso mehr bei einer unzulässigen Vorgangsweise gelten müsse. Es widerspreche dem allgemeinen Rechtsempfinden, dass eine gesetzwidrige Verhaltensweise eine steuerliche Begünstigung (Unterbleiben der Besteuerung für einen bestimmten Gewinn) zur Folge habe. Es sei daher mit einer entsprechenden verfassungskonformen Interpretation vorzugehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 EStG 1988 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. § 2 Abs. 5 leg. cit. sieht für buchführende Land- und Forstwirte und protokollierte Gewerbetreibende (§ 5) vor, dass diese den Gewinn auch nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln dürfen; in diesem Fall ist der Gewinn bei Ermittlung des Einkommens für jenes Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem das Wirtschaftsjahr endet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 30. Oktober 1996, 94/13/0126, für den Fall eines selbständig tätigen Wirtschaftstreuhänders, der über viele Jahre zu Unrecht der Gewinnermittlung ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr zugrunde gelegt hat, ab einem bestimmten Jahr aber vom Finanzamt mit dem im Kalenderjahr erwirtschafteten Gewinn zur Einkommensteuer veranlagt worden ist, zur Frage des Gewinnes in eben diesem Jahr ausgeführt:

"War aber die Einkünfteermittlung nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr von vornherein unzulässig, kann sich die Frage der Notwendigkeit eines Überganges von einem abweichenden Wirtschaftsjahr auf ein Kalenderjahr nicht stellen." Es entspreche nicht dem Gesetz, über den im Kalenderjahr erwirtschafteten Gewinn hinaus den auf das steuerlich unzulässige "abweichende Wirtschaftsjahr" entfallenden Gewinn der Einkommensermittlung für das Kalenderjahr zugrunde zu legen.

Der Verwaltungsgerichtshof gelangt auch im gegenständlichen Fall zu keinem anderen Ergebnis:

Die Beschwerdeführerin erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die in § 2 Abs. 5 EStG 1988 normierten Voraussetzungen für ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr sind daher nicht erfüllt. Der steuerlich maßgebliche Gewinnermittlungszeitraum der Beschwerdeführerin ist das Kalenderjahr. Hat die Beschwerdeführerin den Gewinn nicht für diesen maßgeblichen Zeitraum ermittelt, ist die Abgabenbehörde verpflichtet, den Gewinn im Schätzungsweg zu berechnen.

Die genannte Verpflichtung hat die Abgabenbehörde zwar hinsichtlich vieler Veranlagungsjahre vernachlässigt, für das Streitjahr 1995 ist sie ihr hingegen nachgekommen. Dabei hat die belangte Behörde allerdings verkannt, dass der Zeitraum, für welchen der Gewinn zu schätzen ist, durch § 2 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG 1988 eindeutig mit dem Kalenderjahr festgelegt ist. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen über ein abweichendes Wirtschaftsjahr nicht erfüllt sind, bietet das Gesetz keine Handhabe, für ein Veranlagungsjahr steuerlich auch solche Gewinne zu erfassen, die im Vorjahr erzielt worden sind (und für das Vorjahr zu erfassen gewesen wären).

Nach der Stellungnahme der belangten Behörde sollten die Versäumnisse der Abgabenbehörde (bzw. die im Hinblick auf den herangezogenen Gewinnermittlungszeitraum bestehenden Unrichtigkeit in den Erklärungen der Beschwerdeführerin) durch die Erfassung eines zusätzlichen Gewinnanteiles im Jahr 1995 beseitigt werden. Die belangte Behörde beruft sich dabei insbesondere auf den Grundsatz der Gesamtgewinnbesteuerung sowie auf teleologische Interpretation und Analogie.

Mit diesen Ausführungen vermag die belangte Behörde schon deshalb nicht durchzudringen, weil sie die Systematik des Einkommensteuerrechts verkennt:

Insbesondere aus der Anordnung des § 4 Abs 2 zweiter Satz EStG 1988, wonach Unrichtigkeiten in der Bilanz bis zur Wurzel zu berichtigen sind, und zwar auch dann, wenn die Berichtigung für die abgelaufenen Jahren etwa wegen der Rechtskraft der Veranlagungsbescheide oder wegen eingetretener Bemessungsverjährung keine Änderung der Abgabenvorschreibung zur Folge hat (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 17. Februar 1993, 88/14/0097), sowie aus der von der Höhe des Jahreseinkommens abhängigen Progression des in § 33 Abs 1 EStG 1988 festgelegten Tarifes ergibt sich, dass das Gesetz der Richtigkeit der Periodenbesteuerung den Vorrang gegenüber dem Grundsatz der "Gesamtgewinnbesteuerung" einräumt. Vor dem Hintergrund dieser Wertungsentscheidung des Gesetzgebers erscheint es ausgeschlossen, dem Gesetz - im Wege von Interpretation oder Analogie - die Anordnung zu entnehmen, dass in einem bestimmten Veranlagungsjahr eine in der Vergangenheit (zu Unrecht) unterlassene Besteuerung nachzuholen sei.

Da sich sohin schon aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, dass die in der Beschwerde behauptete Rechtsverletzung vorliegt, war er gemäß § 35 Abs. 2 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Wien, am 25. November 1999

Schlagworte

Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999150194.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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