Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj S***** M*****, geboren am *****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, MA 11, 1220 Wien, Simone-de-Beauvoir-Platz 6, über den Revisionsrekurs des Dr. Herbert Orlich, Rechtsanwalt in Wien, als Abwesenheitskurator des Vaters C***** S*****, unbekannten Aufenthalts, wegen Kuratorbestellung und einstweiliger Verfügung gemäß § 382a EO, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Juni 2018, GZ 43 R 250/18k, 43 R 251/18g-28, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen der § 62 Abs 1 AußStrG, §§ 402 Abs 1 und 4, 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der vom Kinder- und Jugendhilfeträger vertretene mj Antragsteller beantragte am 16. 3. 2018, seinen Vater und Antragsgegner zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 150 EUR zu verpflichten. Unter einem beantragte er vorläufigen Unterhalt gemäß § 382a EO in Höhe von monatlich 114 EUR. Er brachte vor, der Vater wäre in der Lage, als Hilfsarbeiter zumindest 1.250 EUR netto monatlich zu verdienen. Er sei für zwei weitere, 2013 geborene Kinder sorgepflichtig. Der Vater sei unbekannten Aufenthalts.
Das Erstgericht bestellte nach umfangreichen Erhebungen (Meldeabfrage, Sozialversicherungsabfrage, Auskunft des AMS, Ausforschung und Befragung von Verwandten), die allesamt keinen Anhaltspunkt für den gegenwärtigen Aufenthalt des Vaters ergeben hatten, den Revisionsrekurswerber zum Kurator für das Pflegschaftsverfahren über den Unterhalt. Weiters verpflichtete es unter einem mit einstweiliger Verfügung gemäß § 382a EO den Vater zur Leistung eines vorläufigen monatlichen Unterhalts von 114 EUR.
Das Rekursgericht gab den vom Kurator (als „Einschreiter“ im eigenen Namen) gegen seine Bestellung sowie gegen die Festsetzung eines vorläufigen Unterhalts eingebrachten Rekursen keine Folge und erklärte einen ordentlichen Revisionsrekurs für jeweils unzulässig.
Nach dem Ergebnis der umfangreichen Erhebungen des Erstgerichts sei die Kuratorbestellung rechtskonform erfolgt. Im Provisorialverfahren nach § 382a EO sei unverzüglich zu entscheiden und das Antragsvorbringen ohne weitere Erhebungen und ohne Anhörung des Antragsgegners als bescheinigt anzusehen, soweit sich – wie hier – nicht aus den betreffenden Pflegschaftsakten etwas anderes ergebe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Kurators ist mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG bzw der §§ 402 Abs 1 und 2, 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO unzulässig.
1. Kuratorbestellung
Welche amtswegigen Erhebungen nach § 5 Abs 2 Z 1 lit b AußStrG zur Feststellung des Aufenthalts einer Person erforderlich sind, ist jeweils von den konkreten Umständen und Verhältnissen des Einzelfalls abhängig und begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (1 Ob 244/05x; Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2 § 116 ZPO Rz 13, 15). Angesichts der aktenkundig durchgeführten umfangreichen Erhebungen ist die angefochtene Entscheidung keinesfalls unvertretbar.
Behauptete Verfahrensmängel in erster Instanz, die vom Rekursgericht überprüft und verneint wurden, bilden hier keinen zulässigen Revisionsrekursgrund. Bei den durchgeführten Erhebungsschritten handelt es sich um Verfahrenshandlungen und nicht, wie der Rechtsmittelwerber vermeint, um Tatsachen, die einer Feststellung bedurft hätten.
2. Einstweilige Verfügung
2.1. Der bestellte Kurator bezeichnet sich in seinem Revisionsrekurs selbst als „Einschreiter“ und verwendet durchgehend die Ich-Form. Soweit daraus abzuleiten sein könnte, dass der Kurator im eigenen Namen Revisionsrekurs gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung erheben wollte, wäre dieser schon mangels Rekurslegitimation des Rechtsmittelwerbers zurückzuweisen.
2.2. Wenn im Zweifel zu Gunsten des vom Kurator vertretenen Vaters aufgrund des Zusammenhangs angenommen wird, dass der Revisionsrekurs in seinem Namen erhoben wurde, ist er dennoch mangels darin aufgezeigter erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.
Im Unterhaltsverfahren gilt ganz allgemein, dass der Unterhaltsberechtigte die Abstammung, das Wissen des Unterhaltspflichtigen von seiner Unterhaltsverpflichtung und seinen Unterhaltsbedarf, der Unterhaltspflichtige hingegen seine Unfähigkeit zur Leistung der vollen gesetzlichen Verpflichtung trotz Anspannung seiner Kräfte zu beweisen hat (RIS-Justiz RS0006325 [T1]).
In § 382a EO wird noch eine besondere Erleichterung für den Antragsteller dadurch geschaffen, dass sein Vorbringen ohne weiters für glaubhaft zu halten ist, soweit sich nicht aus den Pflegschaftsakten dessen Unrichtigkeit ergibt. Der unterhaltspflichtige Elternteil ist nicht anzuhören und hat auch kein Recht auf Widerspruch (§ 382a Abs 4 letzter Satz EO), es wird ihm nur die Erwirkung von Einschränkungen und Aufhebungen der einstweiligen Verfügung erleichtert (§§ 399a und 399b EO). Über den Sicherungsantrag ist somit nur aufgrund der Aktenlage unverzüglich zu entscheiden (Kodek in Angst/Oberhammer, EO3 § 382a EO [Stand 1. 7. 2015, rdb.at] Rz 4 und 5).
Mit diesen Grundsätzen stehen die Entscheidungen der Vorinstanzen im Einklang. Das Beweisverfahren über die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Vaters ist dem Verfahren über die Unterhaltsfestsetzung vorbehalten.
Textnummer
E122734European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00108.18T.0828.000Im RIS seit
03.10.2018Zuletzt aktualisiert am
16.01.2019