TE OGH 2018/8/30 9ObA55/18f

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Veröffentlicht am 30.08.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Mag. Hannes Schneller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. ***** A*****, vertreten durch Dr. Nina Ollinger, Rechtsanwältin in Purkersdorf, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Mag. Michael Kadlicz, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Feststellung (Revisionsinteresse: 149.305,36 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. März 2018, GZ 9 Ra 19/18g-18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach der Rechtsprechung bedingt das Klarstellungsinteresse des Dienstgebers am Bestand oder Nichtbestand des Dienstverhältnisses eine Aufgriffsobliegenheit des Dienstnehmers, sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses ohne Aufschub gegenüber dem Dienstgeber geltend zu machen. Zur Beurteilung der Unverzüglichkeit ist ein angemessener, zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv ausreichender Zeitraum heranzuziehen (RIS-Justiz RS0028233 [T6]). Es kommt nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern auch darauf an, ob der Kläger triftige Gründe für sein Zögern ins Treffen führen kann (RIS-Justiz RS0034648). Das Ausmaß kann – unter Abwägung des Klarstellungsinteresses des Dienstgebers und der Schwierigkeiten für den Dienstnehmer, seinen Anspruch geltend zu machen – aber nur nach den Umständen des Einzelfalls bemessen werden (9 ObA 102/02v; 9 ObA 12/13z; s auch RIS-Justiz RS0119727).

Diese Grundsätze gelten auch für Vertragsbedienstete (9 ObA 270/97i). Da eine Frist zur Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs im – hier maßgeblichen – Nö GVBG nicht normiert wird, ist die zeitliche Grenze unter Bedachtnahme auf § 863 ABGB danach zu bestimmen, ob das Verhalten des Dienstnehmers als stillschweigender Verzicht auf die Geltendmachung der behaupteten Unzulässigkeit der Beendigung zu werten ist (9 ObA 270/97i; 9 ObA 322/99i = RIS-Justiz RS0028233 [T5]). Die bloße Nichtgeltendmachung durch längere Zeit dokumentiert für sich allein in der Regel noch keinen Verzicht (9 ObA 322/99i ua). Anderes gilt, wenn besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall die spätere Geltendmachung als unzulässig erscheinen lassen (8 ObA 55/12i mwN).

Hier hat die Klägerin jeweils ihre Arbeitsbereitschaft und damit den Umstand bekundet, dass sie die Eventualkündigungen nicht gegen sich gelten lassen wolle. Das Berufungsgericht sah auch in der Mahnklage der Klägerin, mit der sie das Entgelt für Juli bis November 2016 einklagte, noch keinen (stillschweigenden) Verzicht der Klägerin auf eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses. Zu bedenken ist, dass die Klägerin mit der Einklagung des Entgelts für diesen Zeitraum – anders als für die uU streitanfälligeren Folgemonate – auch nur ihr Interesse am raschen Erwerb eines Zahlungstitels und einer alsbaldigen Zahlung zum Ausdruck gebracht haben kann. Wenn das Berufungsgericht in dieser Situation noch keine Verletzung der Aufgriffsobliegenheit der Klägerin sah, so ist dies nach den konkreten Umständen des Falls noch vertretbar.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten daher zurückzuweisen.

Textnummer

E122714

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00055.18F.0830.000

Im RIS seit

03.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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