Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Sinan N***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Sinan N***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. Mai 2018, GZ 64 Hv 18/18m-130, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten N***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Sinan N***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (A) und nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (B/II/b) sowie eines Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall, Abs 2 und Abs 3 SMG (B/III/1) schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** und an anderen Orten Österreichs als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig
(A) andere in drei Angriffen im Mai/Juni, im August und kurz vor dem 13. Dezember 2017 zur Aus- und Einfuhr von insgesamt 633,7 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt 72,8 %), sohin einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Quantität, von den Niederlanden über Deutschland nach Österreich bestimmt, indem er seine Kontaktmänner in den Niederlanden zur Lieferung aufforderte, welche sodann die unter einem rechtskräftig verurteilte Anita V***** mit den Schmuggelfahrten beauftragten;
(B) Suchtgift
II/b) in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Quantität in zahlreichen Angriffen durch gewinnbringenden Verkauf anderen überlassen „und verschafft“ (vgl dazu US 26), und zwar
1) von Juni bis zum 13. Dezember 2017 dem abgesondert verfolgten Ondrej Z***** 120 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt 72,8 %);
2) von September/Oktober bis Dezember 2017 dem abgesondert verfolgten Hannes M***** 20 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt 72,8 %);
...
4) von Mai bis zum 13. Dezember 2017 dem nicht ausgeforschten Hersteller des Suchtgifts zumindest 3.500 Gramm Speed (Wirkstoffgehalt 4,97 % Amphetamin) und
5) von September bis zum 30. Oktober 2017 dem abgesondert verfolgten Umaru D***** 3.000 Gramm Cannabiskraut (Wirkstoffgehalt 0,72 % Delta-9-THC und 9,5 % THCA);
III/1) im einverständlichen Zusammenwirken mit der unter einem rechtskräftig verurteilten Sanja T***** am 14. Dezember 2017 in einer das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Quantität mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar 426,1 Gramm Speed (Wirkstoffgehalt 4,97 % Amphetamin) und 433,7 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt 72,8 %), indem sie es in einem Zimmer in der Garage der Zweitgenannten versteckten.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten N***** kommt keine Berechtigung zu.
Die Mängelrüge wendet sich zunächst nominell gegen die Subsumtion (auch) nach § 28a Abs 2 Z 2 und § 28 Abs 3 SMG, kritisiert aber nur einzelne Sachverhaltsannahmen, die zudem teilweise gar nicht zur Fundierung der insoweit entscheidenden Feststellungen herangezogen wurden, als (offenbar) unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall). Sie verfehlt solcherart die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit der Erwägungen der Tatrichter (vgl RIS-Justiz RS0119370). Weshalb deren Schluss auf ein Agieren des Beschwerdeführers als Mitglied einer kriminellen Vereinigung aus dem – mängelfrei auf die Angaben der Mitangeklagten, die insoweit großteils geständige Verantwortung des Rechtsmittelwerbers und eine Reihe weiterer Verfahrensergebnisse gestützten (US 15 ff) – objektiven Verhalten „der Komplizen“, dem hohen Organisationsgrad des „Drogenhandels“, der internationalen Beziehungen und dem arbeitsteiligen Vorgehen im Verein mit allgemeiner Lebenserfahrung (US 17 f, 19, US 20 f, 26) gegen die Kriterien logischen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze verstoßen sollte (vgl RIS-Justiz RS0118317), sagt die Beschwerde nicht. Indem sie eigene urteilsfremde Thesen aufstellt und beklagt, dass sich anhand der Argumentation des Erstgerichts „nicht wirklich erkennen“ lasse, aus welchem Grund es dennoch zu anderslautenden Annahmen gelangte, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
Die leugnende Einlassung des Angeklagten zur ihm vorgeworfenen Weitergabe von 3.000 Gramm Cannabiskraut an den abgesondert verfolgten Umaru D***** (B/II/b/5) wurde dem Beschwerdestandpunkt (nominell Z 5 erster Fall, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider im Urteil erörtert und – unmissverständlich – als unglaubwürdig verworfen (US 18 f, 23 f).
Die Motive des Beschwerdeführers für die Verlegung seines gewöhnlichen Aufenthalts von den Niederlanden nach Österreich sind nicht entscheidend, diesbezügliche Feststellungen daher einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (vgl RIS-Justiz RS0117499).
Dass der Angeklagte an Suchtmittel gewöhnt sei und sein „Vorgehen“ „alleine“ der Beschaffung von Suchtmitteln für seinen persönlichen Gebrauch oder der Mittel zu deren Erwerb diente, wird erneut ohne Auseinandersetzung mit den gegenteiligen (logisch und empirisch einwandfrei begründeten) Urteilsannahmen (US 15, 22) behauptet. Ein Begründungsmangel iSd Z 5 wird damit nicht angesprochen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet zunächst die Strafbarkeit der vom Schuldspruch B/II/b/4 umfassten Rückgabe von 3.500 Gramm Speed (mit einem Wirkstoffgehalt von 4,97 % Amphetamin) an dessen Hersteller, erklärt aber nicht,
weshalb Letzterer trotz der getroffenen Feststellungen, nach denen der Beschwerdeführer zuvor 4.000 Gramm dieser Substanz von ihm erworben und (nach Übergabe) in einer Garage der Angeklagten T***** eingelagert hatte (US 13), im Zeitpunkt der Retournierung einer Teilmenge von 3.500 Gramm einen aufrechten (Mit- oder Über-)Gewahrsam (vgl RIS-Justiz RS0088010, RS0115882) gehabt haben soll. Damit wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht prozessförmig zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0099810, RS0116565).
Dies gilt auch für die auf dieselbe Argumentation und die Behauptung, das Suchtgift sei „unbrauchbar und wertlos“ gewesen, gestützte Forderung eines Freispruchs vom Vorwurf des – mit auf Inverkehrsetzung gerichtetem Vorsatz erfolgten – Besitzes der Restmenge von 426,1 Gramm (B/III/1), mit dem die Beschwerde zudem die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Speeds sowie die – die vorgenommene Subsumtion schon für sich tragenden – Urteilsannahmen zur gleichfalls mit Weitergabevorsatz erfolgten tateinheitlichen Verwahrung von 433,7 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt 72,8 %) vernachlässigt (US 14).
Die zum Schuldspruch B/II/b/4 aufgestellte These, mit der konstatierten Übergabe von 3.000 Gramm Cannabiskraut an den Beschwerdeführer durch Ondrej Z***** zwecks Weitergabe an den Abnehmer D***** sei kein „Besitzerwerb“ verbunden gewesen, der „Übergang des Sach- und Rechtsbesitzes“ vielmehr „im Rahmen einer Gefälligkeitstätigkeit“ des Angeklagten direkt von Z***** an D***** erfolgt, weshalb dem Rechtsmittelwerber gewinnbringender Verkauf dieses Suchtgifts nicht vorgeworfen werden könne, leitet die Rüge (Z 9 lit a) ein weiteres Mal nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab.
Die – den Wegfall der Qualifikationen nach § 28a Abs 2 Z 2 und § 28 Abs 3 SMG anstrebende – Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) nennt zunächst zutreffend die Voraussetzungen für die Annahme des Vorliegens einer kriminellen Vereinigung, macht aber einen diesbezüglichen Rechtsfehler mangels Feststellungen nicht deutlich und bestimmt geltend. Indem sie behauptet, dass „anhand der Verfahrensergebnisse“ nicht „von einer ernsthaften Einigung für gewisse Dauer zwecks künftiger verbrecherischer Tätigkeit“ zwischen dem Beschwerdeführer und dessen „Freunden und den anderen Angeklagten“ ausgegangen werden könne, es sich vielmehr „lediglich um kriminelle Einzelaktionen handle, die bei sachgerechter Einstufung eine Verdichtung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nicht aufwiesen“, orientiert sie sich einmal mehr nicht an den anderslautenden Feststellungen (US 8 f, 11, 13 f, 15, 19), womit sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt und sich erneut in bloßer Beweiswürdigungskritik erschöpft.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E122699European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00084.18M.0911.000Im RIS seit
02.10.2018Zuletzt aktualisiert am
02.10.2018