TE OGH 2018/9/11 14Os81/18w

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Veröffentlicht am 11.09.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Kurt N***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. März 2018, GZ 21 Hv 36/17s-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

         Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt N***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1./) und der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er von 2007 bis 7. Juli 2013 in W***** dadurch, dass er mit seiner am 8. Juli 1999 geborenen Tochter Julia-Astrid N***** mehrfach den vaginalen und oralen Geschlechtsverkehr vornahm und sie veranlasste, ihm ihre Hand sowie Gegenstände anal einzuführen,

1./ mit einer unmündigen Person den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen;

2./ eine Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.

Kein innerer Widerspruch (Z 5 dritter Fall) liegt darin begründet, dass das Schöffengericht in seiner Beweiswürdigung einzelne „unwesentliche Details“ der Angaben der – für glaubwürdig erachteten – Zeugin Julia-Astrid N***** als vage und widersprüchlich bezeichnete, die Schilderung (erkennbar gemeint: anderer) „unwesentlicher Details“ durch die Zeugin hingegen zur Untermauerung der Authentiziät ihrer Schilderungen heranzog (US 7).

Das Erstgericht stützte die Feststellungen „zum objektiven Tathergang“ auf die „überaus glaubwürdigen und in den wesentlichen Punkten jeweils gleichlautenden Angaben der Zeugin Julia-Astrid N*****“ (US 7). Der Beschwerdeführer erblickt einen Begründungsmangel (Z 5 vierter Fall) darin, dass die Tatrichter die Glaubhaftigkeit dieser Aussage unter anderem durch verschiedene, als (gerichts-)„notorisch“ bezeichnete Umstände (dass „Kindesmissbrauch auch bei beengten räumlichen Verhältnissen und regelmäßigem Kontakt oftmals über lange Zeit unbemerkt bleibt“ und „das Jugendamt in wiederholten Fällen stattgefundenen sexuellen Missbrauch nicht als solchen erkennt und auch eindeutige Anzeichen nicht richtig interpretiert“ [US 8 f]) bestätigt sahen, ohne diese in der Hauptverhandlung zu erörtern (vgl im Übrigen aber ON 35 S 44). Das solcherart angesprochene Überraschungsverbot findet jedoch in Bezug auf beweiswürdigende Erwägungen des Gerichts – hier in Zusammenhang mit der Bejahung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers – unter dem Aspekt der hier in Anspruch genommenen Z 5 keine Anwendung (RIS-Justiz RS0120025 [T1]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 492).

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt, wohingegen der Vorwurf an die Tatrichter, aus der Urkunde oder Aussage statt der vertretbarerweise gezogenen Schlüsse nicht andere abgeleitet zu haben, bloß unzulässige Kritik an deren Beweiswürdigung darstellt (RIS-Justiz RS0099431 [T2]).

Genau dies unternimmt die Beschwerde mit ihrer Kritik an der aus einer Aussagepassage abgeleiteten Schlussfolgerung, dass das Opfer dem Angeklagten verzeihen wollte.

Die weitere Mängelrüge verweist lediglich auf die Argumente der Tatsachenrüge und verkennt damit, dass die Nichtigkeitsgründe wesensmäßig verschieden sind und daher getrennt ausgeführt werden müssen (RIS-Justiz RS0115902).

Der Tatsachenrüge ist vorauszuschicken, dass Z 5a des § 281 Abs 1 StPO nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern will. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Soweit der Beschwerdeführer mit breit angelegter Argumentation die seiner Tochter attestierte Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen sucht, indem er deren Depositionen zu Nebenumständen (Beginn ihres Erinnerungsvermögens, Mitwisserschaft ihrer Mutter, Zeitpunkt der Einträge in ihrem Tagebuch, Todesangst vor dem Vater, Aufenthalt im Internat, Art und Ausmaß der Gewaltausübung durch den Angeklagten) kritisiert, Unsicherheiten der Zeugin in Bezug auf die Häufigkeit, den Beginn und den genauen Ablauf der
sexuellen Übergriffe hervorkehrt, und auf (keinen Gegenstand des Sachverständigenbeweises darstellenden) Wahrscheinlichkeitsüberlegungen der psychiatrischen Sachverständigen zur Frage rekurriert, inwieweit derartige Übergriffe auffallen hätten müssen, weckt er keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Der Einwand, dass sich bei mehreren psychologischen Untersuchungen keine Hinweise für eine psychosexuelle Fehlentwicklung des Opfers ergeben hätten, erschöpft sich ebenso in unbeachtlicher Beweiswürdigungskritik wie die Behauptung von Verhaltensauffälligkeiten des Großvaters des Opfers.

Gleiches gilt für das Vorbringen zu Beobachtungen von Zeugen zum unbeschwerten Umgang des Opfers mit dem Angeklagten und zur Üblichkeit von gegenseitigen Anzeigen innerhalb der Familie N*****.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E122739

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00081.18W.0911.000

Im RIS seit

04.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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