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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. April 1998, Zl. 202.701/1-VI/16/98, betreffend Asylgewährung (mitbeteiligte Partei: AS, geboren 1972, zuletzt wohnhaft gewesen in), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte, dessen Staatsangehörigkeit nicht bekannt ist, begründete seinen Asylantrag vom 9. März 1998 im Wesentlichen damit, dass er seit seiner Geburt als Palästinenser in einem Lager in Libanon gelebt habe. Er sei von dort deshalb geflüchtet, weil er sein Leben aufgrund der andauernden "im Lager zwischen den verschiedenen Palästinensergruppen stattfindenden Auseinandersetzungen bedroht" gesehen habe. Er sei selbst Mitglied zweier der vielen Parteien gewesen.
Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit seinem Bescheid vom 25. März 1998 ab, weil sich aus der Einvernahme des Mitbeteiligten ergeben habe, dass er über im Einzelnen dargestellte örtliche bzw. "allgemein bekannte Gegebenheiten, den Libanon betreffend" nicht Bescheid wisse. Das Vorbringen des Mitbeteiligten sei "in keinster Weise glaubwürdig", ihm werde "als Person die Glaubwürdigkeit vollständig aberkannt", er habe somit nicht glaubhaft gemacht, dass er "tatsächlich ein im Libanon geborener Palästinenser" sei und "dort bis Ende Februar 1998 gelebt" habe.
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung des Mitbeteiligten gegen diese Entscheidung des Bundesasylamtes vom 25. März 1998 gemäß § 32 Abs. 2 AsylG stattgegeben, den bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aus:
"Mit sich intensivierenden Ermittlungsschritten tritt grundsätzlich jedes Verfahren in ein Stadium, in welchem entnehmbar sein sollte, ob der dem Verfahren zugrundeliegende Antrag mehr oder weniger begründet oder gänzlich unbegründet ist. Zum Abschluss des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens sollte sohin eindeutig feststehen, ob der Antrag bzw. die tragenden Vorbringenselemente desselben jeder Grundlage entbehren - d.h. das Vorbringen des Asylwerbers mit an absoluter Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf wirkliche, der Tatsachenwelt entstammende, Umstände gestützt ist - oder nicht.
Unter Zugrundelegung des Zwecks und der verfahrensrechtlichen Einreihung des § 6 AsylG hat sich diese Tatsachenwidrigkeit auf das gesamte Vorbringen des Antragstellers zu beziehen, woraus sich e contrario erschließen lässt, dass bei Bestehen eines 'Vorbringensüberhangs', welcher sich auch nur ansatzweise auf den Tatsachen entsprechende Umstände stützt, die Anwendbarkeit des § 6 Z 3 leg. cit. bereits ausgeschlossen ist.
Dem Vorbringen des Antragstellers kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw. gar eindeutig entnommen werden, dass eine Verfolgungsgefahr ausgeschlossen werden kann. Insbesondere der Umstand, dass der Asylwerber im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 13.03.1998 ausdrücklich angeführt hat, den Libanon deswegen verlassen zu haben, da sein Leben aufgrund der ständig andauernden, in seinem Lager zwischen den verschiedenen Palästinensergruppen und Parteien stattfindenden Auseinandersetzungen bedroht sei und auch er selbst Mitglied zweier Parteien gewesen sei, lässt somit nicht völlig unzweifelhaft den Schluss zu, dass die Behauptung des Antragstellers, im Libanon Verfolgung befürchten zu müssen, eindeutig jeder Grundlage entbehrt bzw., dass der Antrag zweifellos auf einer vorsätzlichen Täuschung beruht oder einen Missbrauch des Asylverfahrens darstellt."
Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde vom 17. April 1998 richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Festzuhalten ist, dass die Beschwerde des Bundesministers für Inneres ursprünglich verfristet war, dem Antrag des beschwerdeführenden Bundesministers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber mit hg. Beschluss vom 24. Juni 1999 gemäß § 46 VwGG stattgegeben wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Richtig ist zwar, dass die Asylbehörden auf das gesamte Vorbringen des Asylwerbers Bedacht zu nehmen und insbesondere bei ihrer Entscheidung nach § 6 AsylG zu berücksichtigen haben, ob "sonstige Hinweise" auf das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr in dem zu beurteilenden Herkunftsstaat vorhanden sind (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, Zl. 98/20/0196). Im gegebenen Fall hat die belangte Behörde ihren Bescheid aber schon deshalb mit einer Rechtswidrigkeit belastet, weil sie ohne erkennbare Begründung entgegen der anders lautenden Feststellung des Bundesasylamtes davon ausging, die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Situation in einem Lager im Libanon, wo er wegen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Palästinensergruppen und Parteien bedroht gewesen sei, seien zumindest "ansatzweise auf den Tatsachen entsprechende Umstände" gestützt. Demgegenüber hat das Bundesasylamt mit näherer Begründung den Angaben des Beschwerdeführers "zur Gänze" die Glaubwürdigkeit versagt. Indem der beschwerdeführende Bundesminister die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde unter Hinweis auf die Feststellungen des Bundesasylamtes als unrichtig bekämpft, zeigt er auch die Relevanz des geltend gemachten Begründungsmangels auf.
Der Bescheid der belangten Behörde war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Für das fortgesetzte Verfahren ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1999, Zl. 98/20/0505, hinzuweisen, in dem ausgesprochen wurde, eine "Umwürdigung" der Angaben des Asylwerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einer den Parteien eingeräumten Gelegenheit zur Teilnahme könne das Verfahren des unabhängigen Bundesasylsenates mit einem wesentlichen Mangel belasten.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 25. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998200272.X00Im RIS seit
20.11.2000