TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/29 G303 2169663-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.06.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.06.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G303 2169663-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 17.05.2017, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 42 Abs. 1 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) in der geltenden Fassung sowie § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen in der geltenden Fassung stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 15.11.2016 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Dieser Antrag gilt entsprechend dem Antragsformular der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass. Dem Antrag waren die Kopie der Meldebestätigung des BF, eine Kopie des am 07.09.1999 ausgestellten Ausweises nach § 29b StVO, ein Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt betreffend die Leistungshöhe der Invaliditätspension und des Pflegegeldes vom Jänner 2016 sowie ein Schreiben des Landeskrankenhauses - Universitätsklinikum Graz vom 10.08.2016 angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde von der Pensionsversicherungsanstalt das Pflegegeldgutachten vom 13.12.2010 eingeholt, welches mit Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom 03.01.2017 übermittelt wurde. Des Weiteren wurde Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, mit der medizinischen Begutachtung des BF und Erstellung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens beauftragt.

2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 07.03.2017, wurde, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 01.03.2017, zusammengefasst im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer bzw. des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Schlaganfall 1991 Eine Stufe über dem unteren Rahmensatzwert entsprechend der mittel- bis höhergradigen Lähmung der rechten oberen und unteren Extremität.

04.01.02

60

2

Niere, Z.n. Nierentransplantation 1996 bei Folgeschaden nach arteriellem Hypertonus, miterfasst ist der arterielle Hypertonus mit Kombinationstherapie Fixierter Rahmensatzwert entsprechend der guten Funktion der Transplantatniere und Beschwerdefreiheit.

05.04.02

50

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.

 

 

 

Zum Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass sich dieser führend aus der Gesundheitsschädigung (GS) 1 ergebe und durch die GS 2 nicht weiter angehoben werde, da keine wesentliche wechselseitige Leidensbeeinträchtigung vorliege.

2.2. Hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" wurde ausgeführt, dass sich beim BF ein Zustand nach einem Schlaganfall 1991 mit einer Schwäche im Bereich des rechten Armes und des rechten Beines finde. Das Gangbild sei zwar hinkend, jedoch ausreichend sicher möglich. Eine Wegstrecke ohne Stock könne zwischen 200 und 300 Meter, mit Stock zwischen 500 und 1000 Meter zurückgelegt werden. Das Stiegensteigen sei zwar beschwerlich, jedoch möglich. Die Funktionstüchtigkeit im Bereich des linken Armes und linken Beines sei gegeben, sodass das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel und das Ein- und Aussteigen zumutbar sei. Des Weiteren liege der Zustand nach Nierentransplantation 1996 bei arteriellem Hypertonus vor und könne dem mitgebrachten Befund eine gute Nierenfunktion entnommen werden. Bezüglich des Bluthochdruckes finde sich eine Kombinationstherapie. Es sei das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Es liege auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16.05.2017 wurde dem BF der Behindertenpass im Scheckkartenformat übermittelt.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17.05.2017 wurde der Antrag vom 15.11.2016 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.

Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das oben angeführte ärztliche Sachverständigengutachten von XXXX. Dieses sei als schlüssig erkannt und der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt worden. Danach liegen die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vor.

5. Gegen den oben genannten Bescheid brachte der BF mit E-Mai vom 19.06.2017 binnen offener Frist Beschwerde ein. Begründend führte der BF dazu aus, dass die Ausstellung des "Behindertenpasses nach § 29b StVO" im Jahr 1999 nach einer eingehenden Untersuchung und Beurteilung der Behinderung des BF durch den damals zuständigen Amtsarzt im Bezirk XXXX passiert sei. Der Gesundheitszustand des BF habe sich seit 1999 noch verschlechtert und nicht verbessert. Es sei dem BF unmöglich z.B. die XXXX im Klinikum XXXX zu regelmäßigen Untersuchungen ohne Nutzung des naheliegenden Behindertenparkplatzes zu erreichen. Der BF könne in keinen Bus steigen und mache es ihm die Nutzung des "Behindertenausweises § 29b" möglich, die täglichen Herausforderungen des Lebens zumindest weitgehend zu bewältigen. Der Beschwerde wurde eine handschriftlich geschriebene Bestätigung des Hausarztes des BF, Dr. XXXX, vom 19.06.2017 beigefügt.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 04.09.2017 vorgelegt.

7. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichts ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.

7.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 31.01.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 22.01.2018, im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Beim BF liegen nachstehende körperliche, geistige oder sinnesbedingte Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, vor:

-

Zustand nach Schlaganfall 1991 mit armbetonter bleibender spastischer Halbseitensymptomatik rechts

-

Zustand nach Nierentransplantation 1996 bei Bluthochdruck

7.2. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass infolge der ausgeprägten spastischen Lähmung der rechten Halbseite eine deutliche Beeinträchtigung beim Gehen bestehe. Das rechte Bein werde nachgezogen, die Gehstrecke sei erheblich verkürzt (unter 200 m). Es bestehe eine Fallneigung. Auch der rechte Arm sei gelähmt, eine Beweglichkeit der Finger sei kaum gegeben, der BF beziehe daher auch Pflegegeld. Der BF könne sich durch die Einschränkung in der rechten Hand auch nicht mehr ausreichend festhalten. Eine Besserung des Gesundheitszustandes sei auch zukünftig nicht zu erwarten.

Es bestehe keine schwere Erkrankung des Immunsystems, jedoch eine Immunsupression nach einer Nierentransplantation.

8. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 22.02.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

8.1. Die Parteien erstatteten dazu keine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist am XXXX geboren und im Besitz eines Behindertenpasses.

Der BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:

-

Zustand nach Schlaganfall im Jahr 1991 mit armbetonter bleibender spastischer Halbseitensymptomatik rechts

-

Zustand nach Nierentransplantation im Jahr 1996 bei Bluthochdruck

Der BF leidet an einer ausgeprägten spastischen Lähmung der rechten Körperhälfte. Es besteht eine deutliche Beeinträchtigung beim Gehen. Das rechte Bein wird seitens des BF nachgezogen. Der BF ist nicht in der Lage eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300-400 Metern zurückzulegen.

Der rechte Arm des BF ist gelähmt und ist eine Beweglichkeit der Finger kaum gegeben. Es ist ihm daher nicht möglich, sich mit dieser Hand ausreichend festzuhalten.

Zudem liegt beim BF eine erhöhte Fallneigung vor.

Der sichere Transport des BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist unter den üblichen Transportbedingungen nicht gewährleistet.

Dem BF ist die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Im seitens des erkennenden Gerichts eingeholten fachärztlichen Sachverständigengutachten von XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 31.01.2018, welches auf einer persönlichen Untersuchung des BF basiert, wurde auf die Art der Leiden des BF und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Feststellungen diesbezüglich gründen sich darauf.

Der Inhalt dieses ärztlichen Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder vom BF noch von der belangten Behörde erstattet.

Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.

Aus dem vorliegenden Gutachten ergibt sich eindeutig, dass der BF durch die ausgeprägte spastische Lähmung der rechten Körperhälfte unter einer deutlichen Beeinträchtigung beim Gehen, einer erhöhten Fallneigung und einer Einschränkung der Fähigkeit sich fest- bzw. anzuhalten leidet. Aus der gutachterlichen Ausführung im Sachverständigengutachten, dass die Gehstrecke des BF erheblich verkürzt sei (unter 200m), ist ableitbar, dass der BF nicht in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300-400 Meter zurückzulegen.

Insgesamt ergibt sich aus dem vorliegenden Sachverständigengutachten von XXXX, den vorliegenden medizinischen Beweismittel und dem Beschwerdevorbringen, dass beim BF ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen nicht gewährleistet und damit die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung der BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; VwGH 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Der BF leidet in Folge seines erlittenen Schlaganfalles an einer ausgeprägten spastischen Lähmung der rechten Körperhälfte. Es bestehen dadurch Beeinträchtigungen sowohl bei der oberen als auch bei der unteren rechten Extremität.

Da es zu deutlichen Beeinträchtigungen beim Gehen kommt, der BF auch das rechte Bein nachziehen muss und zudem eine erhöhte Fallneigung besteht, liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren rechten Extremität im Sinne des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen vor. Auch der sichere Transport des BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist keineswegs gewährleistet.

Da der BF zudem Inhaber eines Behindertenpasses ist, liegen die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass jedenfalls vor.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Die belangte Behörde wird auf der Grundlage dieses Erkenntnisses über den noch offenen Antrag des BF auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 zu entscheiden haben.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G303.2169663.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten