TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/18 G312 2005171-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.07.2018
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Entscheidungsdatum

18.07.2018

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G312 2005171-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, XXXX, vertreten durch KAPP & PARTNER, Rae XXXX, gegen den Bescheid der XXXX Gebietskrankenkasse vom 26.07.2011, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der XXXX Gebietskrankenkasse (im Folgenden: belangten Behörde) vom 26.07.2011, Zl. XXXX, hat diese festgestellt, dass XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz BF) als Geschäftsführer der (mittlerweile aufgelösten XXXX (im Folgenden: Primärschuldnerin) der belangten Behörde gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 59 Abs. 5 und § 83 ASVG für aushaftende Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR XXXX zuzüglich Verzugszinsen schulde, und verpflichtet sei, diese Schuld binnen 15 Tagen ab Zustellung des Bescheides zu bezahlen.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Primärschuldnerin in ihrer Eigenschaft als Dienstgeberin aufgrund zur Sozialversicherung angemeldeter Dienstnehmer der belangten Behörde die Sozialversicherungsbeiträge und Nebengebühren für den Zeitraum November bis Dezember 2010 und Jänner bis Februar 2011 in der Höhe von insgesamt Euro XXXX einschließlich Verzugszinsen schulde. Laut Auszug aus dem Firmenbuch des LGZ XXXX sei XXXX im bezeichneten Zeitraum Geschäftsführer der Primärschuldnerin und als solcher für die Abfuhr der vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich. Die Beitragsschuld habe trotz Betreibung bei der Primärschuldnerin nicht eingebracht werden können. Über deren Vermögen sei mit 25.02.2011 in Insolvenzverfahren eröffnet worden und mit Beschluss vom 04.07.2011 ein Sanierungsplan mit einer Gesamtquote von 20 % beschlossen worden. Die darüberhinausgehenden Forderungen der belangten Behörde seien somit uneinbringlich. Auf das Schreiben der belangten Behörde vom 22.06.2011 habe der BF nicht reagiert, wodurch die belangte Behörde gemäß der Rechtsprechung des VwGH annehmen dürfe, dass der BF seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen sei, weshalb gemäß § 67 Abs. 10 ASVG die Haftung auszusprechen gewesen sei.

2. Mit Schriftsatz vom 23.08.2011 brachte der BF den nunmehr als Beschwerde zu bezeichnenden Einspruch gegen den oben angeführten Bescheid ein und führte im Wesentlichen zusammen gefasst aus, dass es sich bei § 67 Abs. 10 ASVG um eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung handle, die daran anknüpfe, dass die gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt wurden. Zum Zeitpunkt der jeweiligen Fälligkeit hätten keine Mittel zur einer (zumindest) anteiligen Befriedigung der mitbeteiligten belangten Behörde bestanden. Zudem sei die Höhe falsch berechnet worden, da der Betrag auch Beitragszuschläge und Zinsen enthalte, wofür der BF jedoch nicht hafte.

3. Am 21.10.2011 ging der mit 13.10.2011 datierte Vorlagebericht der belangten Behörde samt Akt beim Landeshauptmann der XXXX als zuständige Rechtsmittelbehörde ein. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF trotz Aufforderung der Kasse keine Beweisangebote erstattet habe und erst nun entsprechende Unterlagen vorlege und die Frage der Gleichbehandlungspflicht nicht bloß in Relation zur Bedienung der Dienstnehmerforderungen, sondern anhand der Gesamtsumme aller fällig gewesenen Forderungen an das Unternehmen und der hierauf geleisteten Zahlungen zu beurteilen sei. Zur unrichtigen Höhe sei ausführen, dass sich die Verpflichtung des Vertreters der juristischen Person zur Zahlung von Verzugszinsen und Beitragszuschlägen seit 01.08.2010 direkt aus § 58 Abs. 5 ASAVG ergebe.

4. Der Vorlagebericht wurde dem BF mit 15.11.2011 zur Abgabe einer Stellungnahme binnen 4 Wochen weitergeleitet.

5. Die Stellungnahme des BF zum Vorlagebericht langte am 13.12.2011 beim Landeshauptmann der XXXX ein und wurde darin wiederholt, dass der BF seiner Mitwirkungspflicht als Geschäftsführer nachgekommen sei. Das Schreiben der belangten Behörde vom 22.06.2011 sei ihm nicht zugestellt worden, da aufgrund der Insolvenzeröffnung eine Postsperre bestanden habe. Zudem habe er die belangte Behörde gegenüber den anderen Gläubigern nicht benachteiligt, dieser sogar sechs Monate vor Konkurseröffnung einen Betrag von XXXX überwiesen.

6. Die Stellungnahme des BF wurde der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und ihr binnen 4 Wochen die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

7. In der Stellungahme vom 23.03.2012 führte die belangte Behörde zum Vorwurf, dem BF sei das Schreiben vom 22.06.2011 nicht zugegangen, aus, dass dieses an die Privatadresse des BF zugestellt worden sei. Der BF sei seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.

8. Dazu nahm der BF mit Schriftsatz vom 27.04.2012 dahingehend Stellung, dass ein Aktenvermerk - Zustellung trotz Postsperre - kein Garant für eine tatsächliche Zustellung sei. Zudem treffe dem BF keinen Vorsatz und könne die Darlegungspflicht zu keiner umgekehrten Beweislast führen, dass nur jenes Vorbringen der Partei haftungsbefreiend wirken könne, welches geeignet sei, die volle, jeden Zweifel ausschließende Überzeugung vom Zutreffen der Behauptungen der Partei herzustellen.

9. Mit Stellungnahme vom 08.10.2013 wies die belangte Behörde nochmals daraufhin, dass der BF das Schreiben vom 22.06.2011 persönlich an seine private Adresse zugestellt bekommen habe, er nicht reagiert habe und seiner Mitwirkungspflicht entsprechend der Rechtsprechung nicht nachgekommen sei. Zum Vorwurf, die Unterlagen seien beim Insolvenzverwalter einzuholen gewesen, sei zu entgegnen, dass diese allein nicht ausgereicht hätten. Zum Fehlen des Vorsatzes sei zu entgegnen, dass leichte Fahrlässigkeit ausreiche.

10. Der gegenständliche Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht vom Landeshauptmann der XXXX am 16.12.2013 vorgelegt und wurden am 18.03.2014 der Gerichtsabteilung G312 zugewiesen.

11. Mit Beschluss vom 25.02.2015 hob das BVwG den bekämpften Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurück.

12. Dagegen erhob die belangte Behörde eine außerordentliche Revision, welcher vom VwGH mit Erkenntnis vom 11.04.2018 Ra 2015/08/0038-6 stattgegeben wurde und der angefochtene Beschluss behoben wurde.

13. Die Entscheidung des VwGH samt maßgeblichen Verwaltungsakt ging am 26.04.2018 beim BVwG zur neuerlichen Behandlung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF war laut Firmenbuch, XXXX, Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

Über das Vermögen der Primärschuldnerin wurde am 25.02.2011 vor dem LG für ZRS XXXX zu XXXX das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet, welches mit einer Quote von 20 % mit Beschluss vom 17.08.2011 aufgehoben wurde. Die über diese Quote hinausgehende Forderung der XXXX Gebietskrankenkasse ist somit uneinbringlich.

Mit Schreiben der XXXX Gebietskrankenkasse vom 22.06.2011 wurde der BF über die Eröffnung des Haftungsprüfungsverfahrens gemäß § 67 Abs. 10 ASVG informiert und aufgefordert, einen rechnerischen Entlastungsbeweis oder Einwände, die gegen seine persönliche Haftung sprechen, darzulegen. Es erfolgte keine Reaktion.

Auf dem Beitragskonto der XXXX (Primärschuldnerin) bestand aufgrund zur Sozialversicherung angemeldeter Dienstnehmer am 22.06.2011 für die Beitragsmonate 11/2010 bis 02/2011 ein Rückstand in der Höhe von XXXX samt gesetzlichen Verzugszinsen in der Höhe von 8,38% p. a.

Mit Schriftsatz vom 22.06.2011 der belangten Behörde wurde der BF über seine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für aushaftende Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von XXXX zuzüglich Verzugszinsen informiert und er aufgefordert, fristgerecht darzulegen, weshalb ihm kein Verschulden anzulasten wäre. Gleichzeitig wurde dem BF eine Rückstandsaufstellung gemäß § 64 ASVG der Primärschuldnerin übermittelt. Seitens der BF wurden keine Unterlagen vorgelegt.

Die offenen Beiträge betragen für die Zeiträume November 2010 bis Feber 2011 XXXX zuzüglich Verzugszinsen, abzüglich 20 % Quote ergibt dies einen haftungsbetrag von XXXX.

Nachdem der BF keine geeigneten Nachweise zur Überprüfung der Gleichbehandlung vorgelegt hat, hat keine weitere Haftungsberechnung zu erfolgen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben dargestellte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte.

Die Feststellungen über die Geschäftsführertätigkeit des BF bei der Primärschuldnerin stützen sich auf den im Akt befindlichen Firmenbuchauszug zu XXXX.

Die Feststellungen über das Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin (Landesgericht für ZRS XXXX zu XXXX) gründen auf dem Auszug aus dem österreichischen Firmenbuch.

Das offene Debetsaldo der Primärschuldnerin gründet sich auf das bei der belangten Behörde geführte Beitragskonto mit der Nummer XXXX sowie aus der sich daraus ergebenden Rückstandsaufstellung.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das bisherige Ermittlungsverfahren als hinreichend, um den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Aus den angeführten Gründen konnte der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Akteninhalt des gegenständlichen Erkenntnisses im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A): Abweisung der Beschwerde:

3.1. Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den, durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträgen insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Voraussetzung für die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach, schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit.

Für den Eintritt der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist also Voraussetzung, dass die rückständigen Beiträge beim Dienstgeber uneinbringlich und der Höhe nach bestimmt sind.

Voraussetzung für die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Primärschuldnerin auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach, schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit.

Für den Eintritt der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist also Voraussetzung, dass die rückständigen Beiträge beim Dienstgeber uneinbringlich und der Höhe nach bestimmt sind. Uneinbringlichkeit ist in der Regel bei einem abgeschlossenen Insolvenzverfahren gegeben. Den angefochtenen Haftungsbescheiden ist jeweils ein Rückstandsausweis beigefügt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass ein Tatbestandsmerkmal des § 67 Abs. 10 ASVG und primäre Haftungsvoraussetzung die Uneinbringlichkeit der Forderung beim Primärschuldner ist bzw. der Haftungspflichtige jedenfalls solange nicht in Anspruch genommen werden kann, als ein Ausfall beim Beitragsschuldner als Primärschuldner noch nicht angenommen werden kann. Wesentliche und primäre sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters ist die objektive gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der Forderung beim Primärschuldner. Erst wenn diese feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (VwGH vom 13.08.2003, Zl. 2002/08/0088, vom 22.09.2004, Zl. 2001/08/0141, vom 22.09.2004 zu Zl. 2001/08/0211).

3.2. Nach § 58 Abs. 5 ASVG in der Fassung nach der Novelle BGBl I 2010/62 haben die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Die Novellierung dieser Gesetzesbestimmung führte zu einer Reaktivierung der Vertreterhaftung des § 67 Abs. 10 ASVG unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung. Damit ist zur bisherigen Haftung für nicht abgeführte Dienstnehmerbeiträge und Meldeverstöße (gleichrangig) eine neue Haftung wegen Ungleichbehandlung (von Gläubigern) hinzugetreten (Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG8 (2017) § 67 Rz 77a).

Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin ist in der Regel nach Abschluss eines Sanierungsplans anzunehmen, ist doch - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - davon auszugehen, dass der in der Quote nicht mehr Deckung findende Teil der Beitragsforderung uneinbringlich sein wird. (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038)

Verfahrensgegenständlich kann die Beitragseinbringung als uneinbringlich qualifiziert werden, weil über das Vermögen der Beitragsschuldnerin am 04.07.2011 der Sanierungsplan mit einer Quote von 20 % angenommen und das Verfahren mit 17.08.2011 rechtskräftig bestätigt und aufgehoben wurde.

Die grundsätzliche Haftung des BF ist aufgrund seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Primärschuldnerin gegeben.

Was das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung betrifft, trifft den BF die ab 01.08.2010 gültige Gleichbehandlungspflicht und ist daher auch das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung nach der Rechtslage SRÄG 2010 zu beurteilen. Danach ist den angeführten Vertretern von ua juristischen Personen die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen der von ihnen Vertretenen übertragen wurde. Eine Verletzung der diesbezüglichen Pflichten ist daher nunmehr Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG. (VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0001)

Eine solche die Haftung begründende Pflichtverletzung kann insbesondere darin bestehen, dass der Vertreter die fälligen Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, indem er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trägt. (VwGH 07.10.2015, Ra 2015/08/0040)

In subjektiver Hinsicht reicht für die Haftung nach § 67 bs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit aus. (VwGH vom 12.10.2017, Ra 2017/08/00070)

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, trifft ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht den Vertreter die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. Stellt er dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen auf, so ist er zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern, wenn auf Grund dessen - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung des Bestehens einer Haftung möglich ist. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht entsprochen hat (vgl. VwGH 26.5.2004, 2001/08/0043; 26.1.2005, 2002/08/0213; 25.5.2011, 2008/08/0169). Der Vertreter haftet dann für die Beitragsschulden zur Gänze, weil ohne entsprechende Mitwirkung auch der durch sein schuldhaftes Verhalten uneinbringlich gewordene Anteil nicht festgestellt werden kann (VwGH 21.9.1999, 99/08/0065).

Der VWGH hat in seiner Entscheidung vom 11.04.2018, Ra 2015/08/0038, dargelegt, dass der BF - ausgehend von den oben angeführten Grundsätzen - nicht nur allgemein dartun hätte müssen, dass er dem Benachteiligungsverbot Rechnung getragen hat. Vielmehr hätte er in Hinblick darauf, dass er die Einstellung aller Zahlungen nicht behauptet hat, insbesondere die im Beurteilungszeitraum fälligen unberichtigten Beitragsschulden und die fälligen offenen Gesamtverbindlichkeiten sowie die darauf jeweils geleisteten Zahlungen darlegen müssen (VwGH 2002/08/0213; Ra 2015/08/0040). Der anwaltlich vertretene BF machte jedoch - obwohl er dazu im Verfahren vor dem Landeshauptmann wiederholt aufgefordert wurde, indem ihm die Stellungnahmen der Revisionswerberin vom 13. Oktober 2011 und 22. März 2012 (in denen jeweils auf die Notwendigkeit eines solchen Vorbringens hingewiesen wurde) zur Gegenäußerung zugestellt wurden - keinerlei diesbezügliche Angaben. Auf das Schreiben der Revisionswerberin vom 30. Juni 2010 und dessen strittige Zustellung kam es im Hinblick auf die durch den Landeshauptmann erfolgten Aufforderungen nicht mehr an (VwGH 21.5.1996, 93/08/0221).

Davon ausgehend ist der BF seiner besonderen Mitwirkungspflicht im Verfahren trotz Aufforderung nicht nachgekommen. Im Hinblick darauf kann nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung ohne weitere Ermittlungen eine schuldhafte (fahrlässige) Pflichtverletzung angenommen werden.

Die Haftung des Mitbeteiligten erstreckt sich nach dem oben Gesagten auf die Beitragsschulden zur Gänze. Sie umfasst im Hinblick auf die §§ 58 Abs. 5, 83 ASVG auch die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 59 Abs. 1 ASVG. Beitragszuschläge wurden nicht angelastet. Eine Ratenvereinbarung wurde weder konkret behauptet noch nachgewiesen.

Es bedarf - wie der VwGH in seiner Entscheidung vom 11.04.2018 ausgeführt hat - auch keiner weiteren Klarstellung, wie sich der Haftungsbetrag im Einzelnen zusammensetzt. Die im Bescheid enthaltene Aufgliederung in Teilbeträge für bestimmte Zeiträume zuzüglich Verzugszinsen ist für das gegenständliche Verfahren hinreichend.

Nach § 68 Abs. 1 ASVG verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen drei (allenfalls fünf) Jahren vom Tag der Fälligkeit an. Vorliegend geht es um Beiträge, die ab dem Jahr 2010 fällig geworden sind, sodass bis zur Erlassung des Bescheids vom 26. Juli 2011 Verjährung allein schon mangels Fristablaufs keinesfalls eingetreten sein kann. Spätestens durch diesen Bescheid wurde die Verjährungsfrist unterbrochen und konnte während des gesamten weiteren der Feststellung der Beitragsschulden dienenden Verfahrens einschließlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht neuerlich zu laufen beginnen (vgl. VwGH 10.4.2013, 2012/08/0093).

Gemäß § 68 Abs. 2 ASVG verjährt das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden binnen zwei Jahren nach der Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Von gegenüber dem Haftungspflichtigen festgestellten Beitragsschulden kann allerdings so lange nicht gesprochen werden, als noch ein Streit über die Haftungsverpflichtung selbst nach § 68 Abs. 1 ASVG besteht (vgl. VwGH 26.5.2004, 2001/08/0209).

Die Kausalität der dem Mitbeteiligten anzulastenden Pflichtverletzungen für die Uneinbringlichkeit und der Rechtswidrigkeitszusammenhang sind mangels eines stichhaltigen Bestreitungsvorbringens bzw. gegenteiliger Anhaltspunkte ebenso zu bejahen.

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde abzuweisen und der Bescheid zu bestätigen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß Abs 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080).

Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt mit dem BF näher zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH zum Beitragsschuldner, der Fälligkeit und Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen, zum Wesen der Verzugszinsen für Beitragsrückstände sowie den Voraussetzungen für deren Verrechnung, auch im Zusammenhang mit Beitragszuschlägen und Nebengebühren, der Beitreibung von aushaftenden Beiträgen, der Insolvenz der Primärschuldnerin sowie zur Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 iVm. § 58 Abs. 5 und § 83 ASVG vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Zudem wurde eine mündliche Verhandlung vom BF nicht beantragt.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Geschäftsführer, Gleichbehandlung, Haftung, Nachweismangel,
Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G312.2005171.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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