Entscheidungsdatum
26.07.2018Norm
AVG §68Spruch
L516 2141814-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA Pakistan, vertreten durch den Verein ZEIGE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2018, Zahl XXXX, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer stellte am 06.08.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 26.03.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; des Weiteren wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Mangels Erhebung einer Beschwerde erwuchs jene Entscheidung mit Ablauf des 20.05.2016 in Rechtskraft.
2. Der Beschwerdeführer brachte am 03.10.2016 den dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden Antrag auf internationalen Schutz ein. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 23.11.2016 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein seines gewillkürten Vertreters niederschriftlich einvernommen.
3. Das Verfahren des Beschwerdeführers wurde zunächst nicht zugelassen.
4. Ein erster Bescheid des BFA vom 23.11.2016, mit welchem der verfahrensgegenständliche zweite Antrag gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen sowie eine Rückkehrentscheidung erlassen worden war, wurde in Stattgabe einer dagegen erhobenen Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht mit Entscheidung vom 01.03.2018 gem § 21 Abs 3 BFA-VG behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.
5. Ab diesem Zeitpunkt war das Verfahren des Beschwerdeführers zugelassen (§21 Abs 3 BFA-VG).
6. Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerdeführer vom BFA am 05.04.2018 - im zeitweiligen Beisein seines ausgewiesenen Vertreters - niederschriftlich einvernommen.
7. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag gemäß § 68 Abs 1 AVG hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten erneut wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I und II des angefochtenen Bescheides). Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV), stellte fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V), und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1a FPG bestehe (Spruchpunkt VI). Gleichzeitig wurde vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.
8. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm persönlich am 14.06.2018 sowie seinem ausgewiesenen Vertreter am 15.06.2018 zugestellten Bescheid des BFA am 12.07.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben.
9. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 18.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhaltsfeststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 06.08.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom BFA mit Bescheid vom 26.03.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; des Weiteren wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Bescheid des BFA vom 23.06.2016). Jene Entscheidung wurde für den - zum damaligen Zeitpunkt unvertretenen (AS 101) - Beschwerdeführer nach einem Zustellversuch am 06.05.2016 bei der Zustellbasis mit Beginn der Abholfrist am selben Tag hinterlegt und erwuchs mangels Erhebung einer Beschwerde mit Ablauf des 20.05.2016 in Rechtskraft (AS 215).
1.2. Der Beschwerdeführer begründete seinen ersten Antrag zusammengefasst im Wesentlichen damit, dass er Schiit sei und es in seiner Heimat Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten gegeben habe. Das BFA erachtete dieses Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft und erkannte, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege (Niederschrift vom 07.08.2016, 26.03.2016, Bescheid des BFA vom 23.06.2016).
1.3. Zur Begründung des verfahrensgegenständlichen zweiten Antrages führte der Beschwerdeführer aus, dass er homosexuell sei und dies im ersten Verfahren nicht erwähnt habe, da er sich geschämt habe, er jedoch nun bereits einige Zeit in Österreich sei und mitbekommen habe, dass dies hier normal sei, weshalb er dies erwähnen wolle. Er habe in Pakistan bereits Sex mit seinem Freund gehabt und sei von dessen Angehörigen mit dem Tod und einer Anzeige bedroht worden, wobei er nicht wisse, ob tatsächlich bereits eine Anzeige erstattet worden sei. Seit ungefähr Februar 2017 habe er in Österreich eine sexuelle Beziehung zu einem ebenso pakistanischen Asylwerber. Er treffe sich mit jenem Mann seither ungefähr sechs Mal pro Monat zum Sex. Der Beschwerdeführer gab dem BFA auch die Identität jener Person an, die auch vom BFA identifiziert werden konnte (Niederschriften vom 03.10.2016, 23.11.2016 und 05.04.2018).
1.4. Das BFA traf im angefochtenen Bescheid zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz die Feststellung, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er Pakistan aufgrund seiner Homosexualität verlassen habe, keinen glaubhaften Kern aufweise, der Beschwerdeführer nicht homosexuell sei. Wörtlich führte das BFA dazu im Rahmen seiner Beweiswürdigung nach einer knappen Wiederholung des Vorbringens des Beschwerdeführers (Bescheid, S 94-95) und im Wesentlichen allgemein gehaltenen Ausführungen (Bescheid, S 95-97) zur individuellen Begründung dieser Feststellung Folgendes aus (Bescheid S 97 ff; Orthografie im Original):
"Ihre Schilderung betreffend den Fluchtgrund ist äußerst vage gehalten und ist aufgrund der unzureichend glaubwürdig und detaillosen und zeitgleich emotionslos daher gesprochenen
Schilderung unglaubwürdig.
Vielmehr geht die Behörde von einer Rahmengeschichte aus, die den Anschein erwecken sollte, dass Sie nun aufgrund einer angeblichen Homosexualität nicht mehr in Ihr Heimatland zurückkehren können, nachdem Ihr letztes Vorbringen ins Leere geflossen ist.
Sie haben von sich aus sehr wenig dazu beigetragen Ihr Vorbringen glaubwürdig erscheinen zu lassen.
Sofern man Ihren Ausführungen entnehmen konnte sind Sie seit dem 22. Oder 23. Lebensjahr homosexuell.
Über Ihre Beziehung in Pakistan haben Sie nichts angegeben. Lediglich das Sie nun von der Familie eines jungen Mannes verfolgt werden und diese Sie auch mit dem Tode bzw. einer Anzeige drohten.
Vor eineinhalb oder zwei Jahren-Zeitpunkt Einvernahme 05.04.2018- (genauere Zeitangabe nicht möglich) hätten Sie gemerkt das es für Homosexuelle in Österreich keine Probleme geben würde.
Sie hätten sich trotzdem geschämt über Ihren Fluchtgrund zu sprechen.
Über Ihren angeblichen Partner näher befragt- von einer Zeugenaussage konnte aufgrund Ihrer widersprüchlichen Angaben sowie aufgrund des frühzeitigen Verlassens Ihres Vertreters während der Einvernahme abgesehen werden.
Sie leben nach wie vor mit keiner männlichen Person in einem gemeinsamen Haushalt.
Von sich aus haben Sie keine Details dazu beigetragen der Behörde glaubwürdig Ihre Neigung darzustellen. Sie haben in den Einvernahmen nicht den Anschein erweckt eine Neigung zum anderen Geschlecht zu verspüren.
Aufgrund von Gestik, Mimik und Körperhaltung sowie Aussprache ist es für die erstinstanzliche Behörde sehr wohl augenscheinlich -wenn auch nur grob- beurteilbar ob an einem Vorbringen dahingehend etwas glaubhaft erscheint. Den Anschein eines Homosexuellen konnten Sie neuerlich nicht erwecken.
Sie wurden zu Ihrem Partner näher befragt.
Es konnte durch Ihre vagen Angaben nicht festgestellt werden, dass es sich tatsächlich um eine innige und intime Beziehung handle.
So konnten Sie weder gemeinsame Interessen oder sonstige Informationen der Behörde aufzeigen, die Ihre Behauptung Homosexuell zu sein untermauern würde.
Sie widersprachen Sie sich auch insofern, indem Sie der Behörde klar machen wollten die Beziehung würde zum Zeitpunkt der Einvernahme bereits seit Februar 2017 bestehen.
Sie bestätigten die Meldeadresse bzw. den letzten Aufenthaltsort Ihres Partners in Österreich und gaben anfänglich glaubwürdig an, sich regelmäßig im Ausmaß von ca. Sechs Mal im Monat zu treffen.
Wie Sie jetzt genau kennenlernten und wo, darauf haben Sie nicht geantwortet. Nicht einmal den genauen Tag konnten Sie definieren.
Leider musste festgestellt werden, dass Ihr Partner von 13.12.2016 bis 29.12.2017 nicht in Österreich gemeldet war (ZMR Auszug im Akt).
Inwiefern dann die Treffen zustande gekommen sind, ist für die Behörde nicht nachvollziehbar.
Sie behaupteten das Verfahren Ihres Partners würde noch im Laufen sein, wobei auch hierbei festgestellt werden musste, dass das Verfahren Ihres angeblichen Freundes mit 21.03.2016 eingestellt wurde.
Aber zumindest sollte Ihr Partner sich mittlerweile wieder in Österreich befinden, da sein Vertreter im Juni 2018 eine Bestätigung der Wiener Gebietskrankenkasse eingebracht hat.
Hervorzuheben ist auch noch, dass in der Einvernahme am 23.11.2016 angegeben haben seit dem 17. Oder 18. Lebensjahr über Ihre sexuelle Neigung zu wissen.
In der Einvernahme am 05.04.2018 behaupteten Sie seit dem 22. Oder
23. Lebensjahr zu wissen.
Auch sollte angemerkt werden, dass Sie seit Antragstellung 03.10.2016 keine Lokale, Treffpunkte oder anderwärtige Orte von Homosexuellen der Behörde nennen konnten.
Es fehlt dem Vorbringen des Asylwerbers somit in der behaupteten Sachverhaltsänderung ein "glaubhafter Kern", dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.
Unter der Mitwirkungspflicht fällt auch, dass Sie Ihr Fluchtvorbringen bzw. Begehren vor der Behörde wahrheitsgemäß, lückenlos sowie schlüssig nachvollziehbar schildern müssen.
Wie sich aus den Befragungen ergibt, haben Sie selbst wenig dazu beigetragen die neu vorgebrachte Fluchtgeschichte glaubwürdig darzulegen.
Sie haben in Österreich eine Beziehung zu einem gleichgeschlechtlichen Partner behauptet.
Nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren konnte festgestellt werden, dass Ihre Behauptung einen männlichen Partner in Österreich zu haben nicht der Wahrheit entspricht.
Ihre Glaubwürdigkeit wird zusätzlich erschüttert, nachdem Sie mehrmalig über die Wahrheitspflicht belehrt worden sind und trotz dessen-offensichtlich-nicht davor zurück scheuten vor dem einvernehmenden Referenten die Unwahrheit zu sagen bzw. dies mit Vorsatz verschwiegen haben.
Auch muss hervorgehoben werden, dass als Beweismittel die Erstbefragung Ihres angeblichen Lebensgefährten herangezogen wurde.
Sie konnten Ihre begründende Furcht abermals nicht glaubhaft darlegen, obwohl Ihnen im Laufe Ihres Asylverfahrens (nachweislich) mehrmalig die Möglichkeit geboten wurde Ihr Fluchtvorbringen
Ausreichend zu schildern. Des Weiteren wurden Sie auf die Wahrheitspflicht aufmerksam gemacht.
In weiterer Folge haben Sie keinerlei realen Fluchtgründe vorgebracht, sondern vielmehr wurde festgestellt, dass Sie zusammenfassend keine konkrete Verfolgung darzustellen vermochten.
Somit dient Ihr gesamtes Vorbringen im Wesentlichen dazu eine Besserstellung Ihres Verfahrens zu erwirken.
Ihr gesamtes Vorbringen in diesem Verfahren was Ihre ehemaligen Fluchtgründe für die Antragstellung betrifft wurde bereits in Ihrem Erstverfahren überprüft und als unglaubwürdig eingestuft.
Sie haben keinerlei neue und aussagekräftige Beweismittel in Ihr nunmehriges Verfahren eingebracht, die Ihre Glaubwürdigkeit bekräftigen würde.
Laut Ihren glaubwürdigen Angaben waren Sie auch niemals in Haft bzw. in einem Gefängnis untergebracht. Sie wurden weder von der Polizei, dem Militär und oder sonstigen Behörden verfolgt bzw. gar verletzt.
Sie wurden vom Staate Pakistan aufgrund der Homosexualität weder verfolgt noch sonstig diskriminiert.
Die Feststellung, dass Sie im gegenständlichen Verfahren keinen nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens neu entstandenen und asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht haben, ergibt sich aus Ihren Angaben im gesamten Verwaltungsverfahrensakt.
Es ist ganz offensichtlich, dass Sie gegenständlichen Asylantrag nur stellten, um einer Abschiebung zu entgehen bzw. um Ihren Aufenthalt in Österreich damit legalisieren zu können.
Mit Ihrem nunmehrigen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321).
Zusammengefasst ist festzuhalten, dass Sie im gegenständlichen Verfahren keinen nach Rechtskraft des Erstverfahrens neu entstandenen Sachverhalt vorgebracht haben und Ihr nunmehr erstattetes Vorbringen unglaubhaft ist, nachdem sich dieses als lediglich auf Behauptungen gestützt darstellt. Ihrem Vorbringen kommt im gegenständlichen Verfahren hinsichtlich der aktuell vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen auch kein glaubhafter Kern zu."
2. Beweiswürdigung
2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz und aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zum gegenwärtigen Beschwerdeverfahren, konkret aus den in den Akten befindlichen Niederschriften und aus dem angefochtenen Bescheid, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden konkreten Quellen bzw Aktenseiten (AS) angeführt sind.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
Stattgabe der Beschwerde gemäß § 28 Abs 3 BFA-VG und Behebung des bekämpften Bescheides
3.1. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Allgemein zur entschiedenen Sache gem § 68 Abs 1 AVG
3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Als Vergleichsentscheidung ist dabei jene heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).
3.3. Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
3.4. Zum gegenständlichen Verfahren
3.4.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat fallbezogen unter Beachtung der zuvor zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).
3.4.2. Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall somit der Bescheid des BFA vom 26.03.2016, welcher am 06.05.2016 zugestellt wurde und mangels Erhebung einer Beschwerde mit Ablauf des 20.05.2016 in Rechtskraft erwuchs.
3.4.3. Das BFA führte im Rahmen der Beweiswürdigung zur Begründung des fehlenden glaubhaften Kerns im Vorbringen des Beschwerdeführers aus, der Beschwerdeführer habe in den Einvernahmen "nicht den Anschein erweckt eine Neigung zum anderen (sic!) Geschlecht zu verspüren" (Bescheid, S 98) - was demzufolge wohl das Vorbringen des Beschwerdeführers stützen würde. Im Widerspruch dazu stehend folgerte das BFA unmittelbar anschließend, dass "[a]ufgrund von Gestik, Mimik und Körperhaltung sowie Aussprache" für die erstinstanzliche Behörde sehr wohl augenscheinlich sei, ob an einem Vorbringen "dahingehend" etwas glaubhaft erscheine und gelangte zu der Einsicht, der Beschwerdeführer habe bei der erstinstanzlichen Behörde den "Anschein eines Homosexuellen" (sic!) nicht erwecken können (Bescheid S 98).
Zum einen stehen, wie hier ersichtlich, diese beiden Ausführungen des BFA in Widerspruch zueinander. Zum anderen legt die Behörde nicht ihre Vorstellung davon offen, welche "Gestik, Mimik und Körperhaltung sowie Aussprache" - ihrer Ansicht nach - von einer Person zu erwarten sein müsste, damit diese bei der Behörde den "Anschein eines Homosexuellen" erweckt und worauf diese Vorstellung der Behörde fundiert; dieser unsachlichen Argumentation des BFA fehlt vielmehr jeglicher Begründungswert.
3.4.4. Das BFA führte des Weiteren aus, der Beschwerdeführer habe sich insofern widersprochen, indem er der Behörde habe klarmachen wollen, dass die Beziehung bereits seit Februar 2017 bestehen würde und "anfänglich auch glaubwürdig angegeben" habe, sich regelmäßig ungefähr sechs Mal im Monat zu treffen, es jedoch "leider" festzustellen gewesen sei, dass der Partner von 13.12.2016 bis 29.12. laut ZMR nicht in Österreich gemeldet gewesen sei. Inwiefern dann die Treffen zustande gekommen seien, sei für die Behörde nicht nachvollziehbar (Bescheid, S 98).
Dazu ist festzustellen, dass sich damit der Beschwerdeführer nicht selbst widersprochen hat, sondern das BFA nur einen Widerspruch zwischen den Angaben des Beschwerdeführers und dem ZMR-Auszug, annimmt. Auf die Nichtmeldung des angeblichen Partners im ZMR vom BFA angesprochen, gab der Beschwerdeführer hingegen an, dass er davon nichts wisse, sie sich getroffen hätten, aber nicht das ganze Jahr täglich (Niederschrift 05.04.2018, AS 298). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass aus einer Eintragung im ZMR nicht zwingend gefolgert werden kann, dass ein Mensch bereits deshalb an jener Adresse wohnhaft ist, an der er gemeldet ist (VwGH 05.05.2015, Ro 2014/22/0023). Umkehrt bedeutet dies, dass aus einer Nichtmeldung auch nicht zwingend gefolgert werden kann, dass ein Mensch nicht an einer bestimmten Adresse wohnhaft ist. Laut einer Auskunft des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, die das BFA leicht hätte einholen können, nachdem der Vertreter dem BFA eine Bestätigung der Wiener Gebietskrankenkasse vorgelegt hatte, war die vom Beschwerdeführer als Sexualpartner bezeichnete Person zumindest am 20.04.2017 bei einer österreichischen Gebietskrankenkasse angemeldet. Auch diese Eintragung muss nicht stimmen, sie stellt jedoch ihrerseits ein Indiz dar, welches für das Vorbringen des Beschwerdeführers sprechen kann.
3.4.5. Soweit das BFA ausführte, der Beschwerdeführer habe nicht darauf geantwortet, wie er seinen Partner genau kennengelernt habe und wo (Bescheid, S 98), war festzustellen, dass der Beschwerdeführer angegeben hat, er habe sich mit ihm getroffen und Kaffee getrunken, sodass es aktenwidrig ist, dass er nicht darauf geantwortet hätte. Die Frage wo er ihn getroffen hat, wurde nicht gestellt (vgl Niederschrift 05.04.2018, AS 289).
3.4.6. Soweit das BFA anmerkte, dass der Beschwerdeführer seit Antragstellung keine Lokale, Treffpunkte oder "anderwärtige Orte von Homosexuellen" der Behörde habe nennen können (Bescheid, S 99), ignoriert das BFA damit jedoch in aktenwidriger Weise das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er öfters im Prater gewesen sei (Niederschrift 05.04.2018, AS 297) und unterlässt zudem das BFA darzulegen, worauf es seine Erwartung und Annahme stützt, dass jede homosexuelle Person zwangsläufig entsprechende Orte kennen müsste.
3.4.7. Soweit das BFA hervorhob, dass als Beweismittel die Erstbefragung des herangezogen worden sei (Bescheid, S 99), war festzustellen, dass sich eine solche nicht von der Behörde vorgelegten Verwaltungsverfahrensakt befindet und zudem sich das BFA nicht dazu erklärt hat, aus welchen Gründen welche konkreten Schlussfolgerungen das BFA aus jenem Beweismittel ableitet.
3.4.8. Das BFA führte aus, dass unter anderem aufgrund des frühzeitigen Verlassens des Vertreters während der Einvernahme [am 05.04.2018] auf eine Zeugenbefragung des vom Beschwerdeführer angegebenen Partners abgesehen werden konnte (Bescheid, S 98). In welchem kausalen Zusammenhang verfahrensgegenständlich das Verlassen der Einvernahme durch den Vertreter und das Unterbleiben jenes möglichen Ermittlungsschrittes durch das BFA steht, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar. Im Übrigen erweist sich der betreffende Satz der Beweiswürdigung als unvollständiges Fragment (vgl "Über ihren angeblichen Partner befragt ...").
3.4.9. Soweit das BFA die Abstandnahme von einer Zeugenbefragung des vom Beschwerdeführer angegebenen Partners auch mit den "widersprüchlichen Angaben" des Beschwerdeführers begründete (Bescheid, S 98), zeigt sich letztlich, dass das BFA in der Folge in der Beweiswürdigung nur einen Widerspruch korrekt aufzeigte. Das BFA hob hervor, der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme am 23.11.2016 angegeben, seit dem 17. oder 18. Lebensjahr über seine sexuelle Neigung zu wissen, während er in der Einvernahme am 05.04.2018 behauptet habe, davon seit dem 22. oder 23. Lebensjahr zu wissen (Bescheid, S 99). Dies erweist sich als der einzig tatsächliche Widerspruch, der vom BFA in seiner Beweiswürdigung aufgegriffen wurde, der allein jedoch nicht geeignet ist, die Abstandnahme von einer Zeugenbefragung oder die vom BFA getroffene zurückweisende Entscheidung ausreichend tragfähig zu begründen.
3.4.10. Vor diesem Hintergrund wäre daher der Einvernahme des vom Beschwerdeführer benannten und dem BFA bekannten Partners als Zeugen zur Frage der sexuellen Orientierung des Beschwerdeführers bzw dessen vorgebrachten gleichgeschlechtlichen Beziehung, wie sie zuletzt auch in der Beschwerde beantragt wurde, Relevanz zugekommen und wird diese im fortgesetzten Verfahren vom BFA daher auch nunmehr vorzunehmen sein.
3.4.11. Das BFA führte schließlich aus, dass die Schilderung des Beschwerdeführers betreffend den Fluchtgrund äußerst vage gehalten sei und aufgrund der unzureichend glaubwürdig und detaillosen und zeitgleich emotionslos daher gesprochenen Schilderung unglaubwürdig sei (Bescheid, S 97), ohne dies anhand konkreter Beispiele nachvollziehbar darzulegen (zu diesem Erfordernis vgl VfGH 21.09.2017, E786/2017).
3.4.12. Im Ergebnis wurde eine - ordnungsgemäße - Prüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren auf das Vorliegen eines "glaubhaften Kerns" vom BFA - erneut - unterlassen und dem Bundesverwaltungsgericht ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht erlaubt, diesen Mangel selbst zu beheben (vgl VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).
3.4.13. Der Beschwerde war daher, da das Verfahren nach der ersten Behebung durch das Bundesverwaltungsgericht ex lege zugelassen ist, nunmehr gemäß § 28 Abs 3 VwGVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid war neuerlich aufzuheben.
3.4.14. Im fortgesetzten Verfahren wird das BFA eine Zeugenbefragung des vom Beschwerdeführer benannten und dem BFA bekannten Partners zur Frage der sexuellen Orientierung des Beschwerdeführers bzw dessen vorgebrachten gleichgeschlechtlichen Beziehung vorzunehmen haben. Das BFA wird danach und nach allfällig erforderlichen weiteren zweckmäßigen Ermittlungsschritten das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer - schlüssigen und individuellen - Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, wobei vom Beschwerdeführer dabei neu behauptete Geschehnisse - und auch seine Rechtfertigung für den Zeitpunkt seines Vorbringens - vom BFA individuell und schlüssig daraufhin zu überprüfen sein werden, ob diese einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht.
Entfall der mündlichen Verhandlung
3.5. Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Revision
3.6. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.
3.7. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Begründungspflicht, Beweisverfahren, Ermittlungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2141814.2.00Zuletzt aktualisiert am
26.09.2018