TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/1 W262 2186111-1

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Veröffentlicht am 01.08.2018
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Entscheidungsdatum

01.08.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W262 2186111-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 22.12.2017, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 BBG und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 31.10.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass Folge gegeben wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte, vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und das Burgenland (KOBV), am 31.10.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet), unter Vorlage diverser medizinischer Befunde einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO.

2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 06.12.2017 erstatteten - Gutachten vom selben Tag wurde auszugsweise Folgendes festgehalten:

"...

Gesamtmobilität - Gangbild:

Hinkend, hat Nordikwalkingstöcke dabei

...

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Adipositas bedingte Bewegungseinschränkung des Bewegungs- und Stützapparates Unterer Rahmensatz, da eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung in den großen Gelenken und der Wirbelsäule vorliegt

02.02.03

50

2

Diabetes mellitus Mittlerer Rahmensatz, da mittels oraler Medikation zufriedenstellende Blutzuckerwerte erzielt werden können

09.02.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Weil der führende GdB unter der Position 1 durch Leiden 2 nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Dauerzustand.

...

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegen keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule vor. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Das sichere Anhalten ist möglich. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich. Die behinderungsbedingte Notwendigkeit von zwei Nordikwalkingstöcken ist durch die objektivierbaren, relevanten Funktionseinschränkungen nicht begründet

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

..."

3. Am 15.12.2017 legte die Beschwerdeführerin einen Pflegegeldbescheid vom 07.12.2017 vor.

4. Der Beschwerdeführerin wurde am 20.12.2017 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und den Zusatzeintragungen "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996" und "Die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" ausgestellt.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22.12.2017 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Bescheid auf das Sachverständigengutachten vom 06.12.2017, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien.

Am Ende des Bescheides wurde angemerkt, dass über den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden.

Das Sachverständigengutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.

6. Mit Schreiben vom 01.02.2018 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde und führte aus, dass sie laut Pflegegutachten vom 29.11.2017 an Adipositas per magna, Diabetes mellitus Typ 2, Polyneuropathia diabetica sowie an einer Induration der Bauchdecke und an beiden Unterschenkeln leide. Ihr Gangbild sei kleinschrittig, schleifend und sie könne ihre Füße kaum heben. In der Wohnung verwende sie zwei Gehstöcke; es liege eine Dysbalance beim Gehen vor und das Sturzrisiko sei erhöht. Auch die oberen Extremitäten seien in der Geschicklichkeit beeinträchtigt. Der im Gutachten dokumentierte Finger-Bodenabstand widerspreche dem Pflegegutachten. Auch hinsichtlich des Gangbildes würden die beiden Gutachten voneinander abweichen. Aufgrund der gravierenden Widersprüche sei eine Überbegutachtung durch einen Facharzt für Innere Medizin notwendig.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und legte weitere medizinische Unterlagen vor.

7. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 15.02.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Gutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin ein. In diesem auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 17.04.2018 erstatteten Gutachten vom 18.04.2018 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (ergänzt um die Fragestellung des Bundesverwaltungsgerichtes):

"...

Untersuchungsbefund:

158 cm/135 kg (eigene Angabe), AZ gut, EZ massiv adipös

Kommt in Begleitung einer Taxilenkerin, betritt die Ordination selbst gehend, verwendet zwei Nordic Walkingstöcke, trägt normale Schuhe. Das Aufstehen aus dem Sessel im Warteraum ist wegen ihres dicken Bauches nicht ohne Hilfe möglich. Sie setzt sich dann in den Sessel im Untersuchungsraum und aus diesem kann sie nur aufstehen, wenn ich ihr helfe, wobei sie so schwer ist, dass sie mich, als sie kurz zurückfällt, sogar mit nach vorzieht. Das Gehen ohne Krücken ist dann mit und ohne Schuhe durch die allgemein herabgesetzte Wendigkeit wegen des massiven Übergewichtes gekennzeichnet. Eine Abrollstörung oder ein Hinken im eigentlichen Sinn besteht nicht, das Gangbild ist insgesamt tapsig, das liegt abgesehen vom Gewicht auch an ödematöser Schwellung und Stauung beider Beine und an der von ihr angegebenen Sensibilitätsminderung der Fußsohlen. Dazu kommt eine beidseitige Hüftinsuffizienz. Der Einbeinstand ist mit Festhalten möglich, wobei sie das rechte Bein nur schlecht heben kann, weil es ihr in der Kniekehle wehtut. Zehen- und Fersenstand sind nicht möglich. Eine Kniebeuge kann sie nicht durchführen, höchstens durch Festhalten, so, wie wenn sie sich in einen Sessel setzen würde.

...

II. BEANTWORTUNG DER GESTELLTEN FRAGEN

1. Die dauernden Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin sind als Diagnoseliste anzuführen:

* Massivstes Übergewicht mit allgemeiner Einschränkung der Beweglichkeit und

Wendigkeit

* Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat, das inkludiert das

rechte Knie und die Fingergelenke

* Chronische ödematöse Stauung beider unterer Extremitäten bei venöser Insuffizienz

* Diabetes mellitus mit suspekter diabetogener Nervenschädigung der Füße

2. Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Es liegen aus meiner Sicht keine erheblichen Einschränkungen der unteren Extremitäten seitens der Muskeln und Gelenke vor, allerdings ist durch die massive Fettleibigkeit schon dem natürlichen Bewegungsspielraum der Gelenke eine enge Grenze gesetzt. Der dicke Bauch verhindert die normale Beweglichkeit der Beingelenke, das gilt auch für die Fettschicht im Hüft- und Kniebereich.

3. Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Es sind keine internistischen Erkrankungen erhebbar, die eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bedeuten würden, die Einschränkung der Belastbarkeit liegt ausschließlich an der Fettleibigkeit.

4. Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?

Es sind keine psychologischen oder psychiatrischen Erkrankungen vorliegend, es besteht aber Verdacht auf eine Sensibilitätsstörung beider Fußsohlen durch Nervenfunktionsstörung wegen Diabetes.

5. Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Es liegt keine Erkrankung des Immunsystems vor.

6. Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Es besteht weder Sehbehinderung noch Blindheit oder Taubblindheit.

7. Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde (Abl. 35-37) erhobenen Einwendungen samt vorgelegten Gutachten der BVA zur Feststellung des Pflegebedarfs vom 29.11.2017 (Abl. 32-34). Insbesondere möge auf das Vorbringen eingegangen werden, das Gangbild der Beschwerdeführerin sei nachhaltig beeinträchtigt und es liege ein erhöhtes Sturzrisiko vor:

Bezüglich des Gangbildes der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass es tatsächlich beeinträchtigt ist, es ist kleinschrittig, tapsig und die Wendigkeit ist herabgesetzt. Das liegt in allererster Linie aber an der massiven Fettleibigkeit und der völligen Überforderung der Gelenke und des Bewegungsapparates durch dieses extreme Übergewicht. Die Gelenksfunktion selbst wäre nicht so schlecht, dass man sie extra anführen müsste. Der Bewegungsspielraum der Gelenke ist allein durch die Fettleibigkeit schon so erheblich eingeschränkt, dass eine geringe Knieabnützung gar nicht ins Gewicht fällt Es lässt sich also sowohl das Gutachten für das Pflegegeld als auch das des Sozialministeriumservice nachvollziehen, wenngleich aus einer anderen Sichtweise. Aus meiner Sicht ist das massive Übergewicht für die schlechte Gehfähigkeit verantwortlich, hätte sie das nicht, könnte sie wesentlich bessergehen.

8. Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Befunden (Abl. 4-12) und allfälligen zur Untersuchung mitgebrachten Befunden.

Diese unterstreichen das bereits Gesagte, weitere Erkenntnisse ergeben sich nicht.

9. Bitte um Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

In ihrem derzeitigen Zustand mit der massiven Fettleibigkeit kann sie nachvollziehbar keine größeren Entfernungen zurücklegen, ist auch, was das Ein- und Aussteigen und das Stiegensteigen sowie das Überwinden von Niveauunterschieden betrifft, schwer beeinträchtigt, denn Schwierigkeiten ergeben sich schon bei der Sitzplatzsuche, da sie nicht mit einem Sitz allein genug Platz hat. Die Schmerzen stehen bei diesen Einschränkungen eher im Hintergrund. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wäre aus medizinischer Sicht möglich, wenn sie nicht so übergewichtig wäre.

10. Stellungnahme zu einer allfälligen zum angefochtenen Gutachten vom 06.12.2017 abweichenden Beurteilung:

Das angefochtene Gutachten kann ich inhaltlich bestätigen, wenngleich ich es durch die Stauungszeichen an den unteren Extremitäten und die Gelenksabnützungen im Knie und in den Fingergelenken ergänzen würde.

11. Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist:

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

10. In der Folge holte das Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des befassten Sachverständigen im Hinblick auf die bestehenden therapeutischen Optionen zur Reduktion des Übergewichtes ein. In der Gutachtensergänzung des bereits befassten Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 09.05.2018 wurde Folgendes auszugsweise ausgeführt (ergänzt um die Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

"Aus den Erläuterungen zur Änderung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen ergibt sich eine Mitwirkungspflicht der Antragsteller; insbesondere müssen therapeutische Möglichkeiten berücksichtigt und eine Therapierefraktion (keine offenen therapeutischen Optionen) in geeigneter Form nachgewiesen werden.

Im Hinblick auf Ihr Gutachten vom 18.04.2018 ersucht das Bundesverwaltungsgericht um Ergänzung dahingehend, ob es der Beschwerdeführerin möglich und zumutbar ist, durch entsprechende therapeutische Maßnahmen (Ernährungsberatung, Bewegung, Physiotherapie, etc.) ihr Gewicht zu reduzieren und insofern eine verbesserte Mobilität zu erlangen.

Weiters möge dargelegt werden, ob bei Bestehen einer aktuellen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eine Befristung der Zusatzeintragung im Hinblick auf eine mögliche und zumutbare Gewichtsreduktion der Beschwerdeführerin in Betracht kommt.

Beantwortung dieser Fragen:

1. Physiologisch wäre es möglich, durch Reduktion der Kalorienzufuhr eine Reduktion der Körperfettmasse zu erreichen.

Eine Erhöhung des Kalorienverbrauchs durch vermehrte Bewegung ist aufgrund ihrer Körpermasse nur sehr eingeschränkt möglich.

Sie könnte sich das Übergewicht allenfalls ‚herunterhungern'. Das ist grundsätzlich möglich und dagegen spricht medizinisch auch nichts. Ob es ihr auch zumutbar ist, wäre eine Rechtsfrage. Aus medizinischer Sicht wäre es durch eine Reduktion des Körpergewichtes um zumindest 25-30 % auf jeden Fall möglich, ihre Mobilität zu verbessern und ihre Beschwerden zu lindern.

2. Die befristete Zusatzeintragung einer Unzumutbarkeit und die Nachuntersuchung im Hinblick auf eine Gewichtsreduktion ist eine Möglichkeit.

..."

11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.05.2018 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen drei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordere, werde das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung auf Basis der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erlassen.

12. In einer Stellungnahme vom 29.05.2019 führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei und ersuchte um Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 31.10.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO ein.

Der Beschwerdeführerin wurde am 20.12.2017 ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und den Zusatzeintragungen "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996" und "Die Inhaberin kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen" ausgestellt.

Bei der Beschwerdeführerin besteht folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich sechs Monate andauern werden:

1. Massivstes Übergewicht mit allgemeiner Einschränkung der Beweglichkeit und

Wendigkeit;

2. Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat, das inkludiert das

rechte Knie und die Fingergelenke;

3. Chronische ödematöse Stauung beider unterer Extremitäten bei venöser

Insuffizienz;

4. Diabetes mellitus mit suspekter diabetogener Nervenschädigung der Füße.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 18.04.2018 samt Gutachtensergänzung vom 09.05.2018 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen erhebliche adipositasbedingte Funktionseinschränkungen des Bewegungs- und Stützapparates. Das Gangbild ist bei herabgesetzter Wendigkeit in Folge des massiven Übergewichtes auch aufgrund ödematöser Schwellungen und Stauungen in beiden Beinen beeinträchtigt und es besteht ein erhöhtes Sturzrisiko. Die Beschwerdeführerin ist nicht in der Lage, eine Wegstrecke von 300 bis 400 Metern zurückzulegen und Niveauunterschiede zu überwinden. Sowohl das Ein- und Aussteigen wie auch die Sitzplatzsuche sind mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln unter üblichen Transportbedingungen ist nicht möglich.

Aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen kann der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht nicht zugemutet werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Antragstellung und zur Ausstellung eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zu den bestehenden Funktionseinschränkungen sowie zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung gründen sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 18.04.2018 samt Gutachtensergänzung vom 09.05.2018. Darin wurde auf die Art und Schwere der Leiden der Beschwerdeführerin sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten setzt sich ausführlich mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffenen medizinischen Beurteilungen basieren auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten und der Ergänzung verwiesen). Diese Beurteilung deckt sich auch mit dem vorliegenden Pflegegutachten vom 04.12.2017.

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten samt Ergänzung wurde der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin unter Einräumung einer Frist zur Äußerung übermittelt. Die belangte Behörde hat sich dazu nicht mehr geäußert. Die Beschwerdeführerin bekräftigte in ihrer Stellungnahme die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

2.3. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin vom 18.04.2018 samt Gutachtensergänzung vom 09.05.2018. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

3.3. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

"§ 1. ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

..."

3.4. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-

Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-

hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-

schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-

nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-

anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

-

schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-

fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-

selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

..."

3.5.1. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob die Antragstellerin dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021; VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; 27.01.2015, 2012/11/0186; 01.03.2016, Ro 2014/11/0024, je mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob die Antragstellerin dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts der Beschwerdeführerin vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

3.5.2. Diese (zur Rechtslage vor Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016 ergangene) Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zusatzeintragung nach § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen unverändert von Bedeutung. Dies folgt bereits daraus, dass die zitierte Verordnungsbestimmung jene rechtlich relevanten Gesichtspunkte der Benützung eines Verkehrsmittels, auf die die bisherige Rechtsprechung abstellt (Zugangsmöglichkeit, Ein- und Aussteigemöglichkeit, Stehen, Sitzplatzsuche etc.), nicht modifiziert oder beseitigt hat, sondern weiterhin auf den Begriff der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel abstellt und lediglich ergänzend regelt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen "insbesondere" als solche in Betracht kommen, die die Unzumutbarkeit nach sich ziehen können.

3.6. Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das - vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig erkannte und im Rahmen des Parteiengehörs unwidersprochen gebliebene - Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie und Arztes für Allgemeinmedizin samt Gutachtensergänzung zugrunde gelegt. Unter Berücksichtigung der gutachterlichen medizinischen Beurteilung ist der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt - angesichts der bei ihr festgestellten Funktionseinschränkungen - die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

Hinsichtlich einer allfälligen Nachuntersuchung ist anzumerken ist, dass der Sachverständige in seiner Gutachtensergänzung davon ausgeht, dass bei der Beschwerdeführerin eine Reduktion des Körpergewichtes um zumindest 25-30 % möglich wäre und dies sowohl eine Besserung der Mobilität, als auch der Beschwerden bewirken würde.

3.7. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid spruchgemäß abzuändern.

Die belangte Behörde hat folglich die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass der Beschwerdeführerin vorzunehmen und über den am 31.10.2017 gestellten, bisher offenbar unerledigt gebliebenen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO zu entscheiden.

3.8. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

3.8.1. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die Beschwerdeführerin die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Wurde kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 VwGVG normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.8.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten samt Ergänzung, dem die Parteien des Verfahrens nicht entgegengetreten sind. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung - trotz deren Beantragung - eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insb. auch Pkt II.3.5.) ab; die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016, sind - soweit für den Fall von Bedeutung - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifie

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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