TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/3 W139 2159886-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2018
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Entscheidungsdatum

03.08.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W139 2159886-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Caritas Burgenland, St. Rochus-Straße 15, 7000 Eisenstadt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken, reiste mit ihrer Familie illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Sie stellte am 19.11.2015 gemeinsam mit ihren Eltern (Zl. W139 2159877-1 und W139 2159869-1), mit ihrem damals minderjährigen Bruder (Zl. W139 2159888-1), einem weiteren Bruder (Zl. W139 2159882-1) und ihrer Schwester (Zl. W139 2159873-1) einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In ihrer Erstbefragung am 19.11.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie sei in Peshawar, Pakistan, geboren und habe mit ihrer Familie dort gelebt. Sie habe als Lehrerin gearbeitet. Sie habe keinen Bezug zu Afghanistan. Zum Fluchtgrund befragt gab die Beschwerdeführerin an, seit 2005 sei ihr Bruder vermisst und nicht mehr zurückgekommen. Sein Zwillingsbruder habe daraufhin auch die Familie verlassen. Vor einem Jahr habe man einen weiteren Bruder von ihr (Beschwerdeführer zu Zl. W139 2159888-1) entführen wollen. Da habe die Familie den Entschluss zur Ausreise gefasst. Sie habe Angst um ihr Leben und befürchte auch, dass ihre Eltern und Geschwister entführt und getötet werden.

3. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 13.04.2017 gab die Beschwerdeführerin an, sie sei in Pakistan geboren worden und noch nie in Afghanistan gewesen. Sie habe in Peshawar zwölf Jahre die Schule besucht und sei nach der Matura als Lehrerin in der Schule ihrer Mutter tätig gewesen. Sie habe Mathematik, Dari und Religion unterrichtet. Ihre Mutter habe in Pakistan eine Schule gegründet und diverse Kurse organisiert. Deshalb sei diese bedroht worden, sie sollte die Mädchen nicht bilden und keine Mädchenschule führen. Der Bruder der Beschwerdeführerin sei entführt worden. Die Beschwerdeführerin habe nach der Schule Medizin studieren wollen. Sie habe aber nicht, wie andere Jugendliche, sich mit anderen treffen oder in den Park gehen dürfen. Das habe ihre Mutter nicht erlaubt, aus Angst, die Beschwerdeführerin würde auch entführt, wie ihr Bruder. Die Familie sei immer zusammen gewesen und man habe versucht, einen weiteren Bruder zu entführen. Sie habe immer Angst gehabt, alleine irgendwohin zu gehen und das auch nicht gedurft. Gerade als Frau habe man dort keine Freiheiten mehr. Die Freiheit, die sie hier erlebe, habe sie in Pakistan nicht gehabt. Die Beschwerdeführerin legte Dokumente vor (u.a. Tazkira, Dienstausweis einer Schule, Schulzeugnisse, Zertifikate, Kursbestätigungen, Empfehlungsschreiben, Fotos).

4. Mit Schreiben vom 19.04.2017 erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen zu Afghanistan, worin ausgeführt wurde, die Mutter der Beschwerdeführerin habe sich als Lehrerin für das Recht von Mädchen auf Bildung eingesetzt und sei deswegen bedroht worden. Die Beschwerdeführerin, ihre Mutter und ihre Schwester seien nicht gewillt, sich an das traditionelle Rollenbild afghanischer Frauen zu halten und hätten sich eine westliche Lebensweise zu eigen gemacht. Zwar gebe es mittlerweile gesetzliche Grundlagen zum Schutz von Frauen, deren Umsetzung stoße jedoch auf Widerstand in der traditionell patriarchalischen afghanischen Gesellschaft. Die Beschwerdeführerin habe in Pakistan aus Gründen des Selbstschutzes in der Öffentlichkeit ein Kopftuch getragen, genieße aber nun in Österreich mit ausdrücklicher Unterstützung ihres Vaters und ihrer Brüder die Freiheit, sich nach eigenem Geschmack zu kleiden, die Haare offen zu tragen, allein unterwegs zu sein und alle anderen Möglichkeiten auszunützen, die für westlich orientierte Frauen selbstverständlich seien. Die gesamte Familie habe eine äußerst liberale Lebensweise und es sei Asyl bzw zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.05.2017 wies die belangte Behörde sowohl den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch jenen auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde führte begründend im Wesentlichen aus, auf die von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit Pakistan vorgebrachten Fluchtgründe sei nicht näher einzugehen, da es sich dabei nicht um den Herkunftsstaat handle. Soweit die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf internationalen Schutz damit begründe, dass ihr in Afghanistan dieselben Schwierigkeiten wie ihrer Mutter drohen würden, sei festzuhalten, dass das Vorbringen der Mutter als nicht glaubhaft erachtet worden sei, weshalb auch die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin als unglaubhaft einzustufen seien. Zweifelhaft sei, ob die Beschwerdeführerin wirklich ihr ganzes Leben in Pakistan verbracht habe. Das von ihr vorgelegte Zeugnis sei vom afghanischen Bildungsministerium bestätigt. Es sei unklar, warum der afghanische Staat einen Schulbesuch in Pakistan bestätigen sollte. Im Zeugnis stehe auch, die Beschwerdeführerin sei in Kabul geboren, was sich nicht mit ihren Angaben decke. Auch die vorgelegte Tazkira sei in Kabul besorgt worden. Schließlich wolle die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben in Österreich den Pflichtschulabschluss nachholen. Hätte sie in Pakistan tatsächlich die Matura gemacht und als Lehrerin gearbeitet, dann könnte sie in Österreich auch studieren. Diese Diskrepanz lasse am Wahrheitsgehalt ihrer Angaben zweifeln. Die Beschwerdeführerin habe familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan und da sie auch vor ihrer Ausreise gearbeitet habe, könnte sie im Fall einer Rückkehr ihren Lebensunterhalt bestreiten. Die Rückkehrentscheidung gemäß Spruchpunkt III. wurde mit einer zu Lasten der Beschwerdeführerin ausgehenden Interessenabwägung nach Art 8 Abs 2 EMRK begründet.

6. Mit Schreiben vom 26.05.2017 erhob die Beschwerdeführerin - fristgerecht - Beschwerde gegen den obgenannten Bescheid. Sie beantragte die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten, in eventu der subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Zurückverweisung. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei mit Willkür behaftet. So habe die Behörde etwa die eingebrachte Stellungnahme ignoriert und sich nicht mit der Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin, ihrer Mutter und ihrer Schwester zur sozialen Gruppe der westlich orientierten Frauen auseinandergesetzt. Die Beschwerdeführerin und ihre Mutter sowie ihre Schwester seien emanzipierte und gut ausgebildete Frauen, die sich die westliche Lebensweise nachdrücklich zu eigen gemacht hätten, wobei die Töchter von ihren Eltern bereits liberal erzogen worden seien. Dass das Zeugnis der Beschwerdeführerin vom afghanischen Bildungsministerium abgestempelt worden sei, spreche nicht dagegen, dass die Beschwerdeführerin in Pakistan gelebt habe. Afghanische Schulen für afghanische Flüchtlingskinder wie jene, die die Mutter der Beschwerdeführerin in Pakistan geleitet habe und wo auch die Beschwerdeführerin ausgebildet worden sei, würden nach afghanischem Lehrplan unterrichten und seien beim afghanischen Bildungsministerium registriert. Daher würden die Abschlusszeugnisse logischerweise auch das Amtssiegel dieser Behörde tragen, dies sei völlig normal. Die Behörde hätte entsprechende Ermittlungen anstellen müssen. Betreffend den mit Kabul angegebenen Geburtsort der Beschwerdeführerin auf ihrem Maturazeugnis sei festzuhalten, dass dies daher rühre, dass die Tazkiras für jene Kinder, die bereits in Pakistan geboren worden seien, vom afghanischen Konsulat in Peshawar ausgestellt worden seien. Dabei sei standardmäßig Kabul als Geburtsort eingetragen worden, da der Vater der Beschwerdeführerin ebenfalls in Kabul registriert worden sei. Daher sei sein Geburtsort auch als Geburtsort der Kinder angenommen worden. Diese Vorgehensweise sei üblich.

7. Mit Schreiben vom 30.01.2018, 13.04.2018 und 04.05.2018 wurden weitere Unterlagen betreffend die Integration der Familie vorgelegt (Kursteilnahmebestätigungen, Fotos). In einer Stellungnahme vom 05.06.2018 wurde ergänzend ausgeführt, die Tätigkeit der Mutter der Beschwerdeführerin als Schulleiterin für afghanische Flüchtlinge in Pakistan sei mit Unterstützung der bekannten Organisation RAWA (Revolutionäre Vereinigung der Frauen Afghanistans) erfolgt, die in Afghanistan bzw Pakistan wegen ihres Einsatzes für die Unterstützung von Frauen und die Verbreitung ihrer weltoffenen Philosophie von Taliban und anderen Gruppierungen gewaltsam verfolgt werde. Weiters habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert. Dazu wurden Unterlagen betreffend RAWA sowie weitere Unterlagen betreffend die Beschwerdeführerin und ihre Familie vorgelegt (u.a. Bestätigungen über freiwilliges Engagement, Kursteilnahmebestätigungen, Fotos, Empfehlungsschreiben).

8. Am 03.07.2018 (fortgesetzt am 05.07.2018) fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt, bei welcher die Beschwerdeführerin, ihre Eltern sowie ihre drei in Österreich befindlichen Geschwister einvernommen wurden. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern. In Ergänzung der bereits vorgelegten Unterlagen wurde ein Konvolut an weiteren Dokumenten vorgelegt (u.a. Kursteilnahmebestätigungen, Arztbefunde, Empfehlungsschreiben, Fotos).

Im Rahmen der Befragung bestätigte die Beschwerdeführerin zunächst die bisherigen Angaben zu ihrer Person und bekräftigte, bei den bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt zu haben. Die Beschwerdeführerin gab an, die Dolmetscher bei ihren bisherigen Einvernahmen gut verstanden zu haben und die Niederschriften seien ihr rückübersetzt worden.

Weiters gab die Beschwerdeführerin (BF) entscheidungswesentlich Folgendes an (RI = erkennende Richterin, D = Dolmetscherin) [evtl. Rechtschreib- oder Tippfehler vom Bundesverwaltungsgericht korrigiert]:

"[...]

Zur Identität und Herkunft sowie zu den persönlichen Lebensumständen:

[...]

RI: Wodurch genau hat Ihre Familie den Lebensunterhalt erwirtschaftet?

BF auf Deutsch: Ich habe auch gearbeitet, ich war Lehrerin für die Kinder. Meine Mutter war Schuldirektorin und mein Vater hat ebenfalls in der Schule mit uns gearbeitet. Wenn etwas kaputt war, hat mein Vater es repariert.

[...]

RI: Welche Schulbildung haben Sie?

BF: 12 Jahre Schule in Pakistan.

RI: Habe Sie in Pakistan gearbeitet?

BF auf Deutsch: Ja.

RI: Welche Fächer haben Sie unterrichtet?

BF: Mathematik und Dari.

RI: Religion auch?

BF: Ja, auch Religion. Die Lehrer von der ersten, zweiten und dritten Klasse mussten alle drei Fächer unterrichten.

RI: Wie alt waren die Schüler, die Sie unterrichtet haben?

BF: 7 oder 8 Jahre alt.

RI: Wie alt waren die ältesten Schüler der Schule?

BF: Wir hatten Schüler bis zur 12. Klasse, also auch Erwachsene.

RI: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

BF auf Deutsch: Dari, Pashtu, Urdu und ein bisschen Englisch und Deutsch.

[...]

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Sie wurden bereits im Verfahren vor dem BFA zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein.

Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht?

BF: Ja, ich bleibe dabei.

RI: Haben Sie das Gefühl, dass Sie bei den Einvernahmen alles sagen konnten?

BF: Ich wurde nicht viel befragt.

RI: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?

BF: Nein.

RI: Schildern Sie mir nun bitte mit eigenen Worten, was Sie konkret für sich im Falle einer eventuellen Rückkehr nach Afghanistan befürchten?

BF: Mein Bruder wurde entführt. Diese Gefahr bestand auch für mich. Im Falle einer Rückkehr würde ich nicht weiter lernen können in Afghanistan. Die Freiheit, die ich hier habe, würde ich dort nicht haben. Dort würde ich auch nicht arbeiten dürfen und hier kann ich mich frei, alleine bewegen. In Afghanistan wäre das nicht der Fall, außerdem kenne ich mich dort nicht aus, weil ich nie dort war.

RI: Ist Ihnen der Erbschaftsstreit, den Ihre Mutter in Afghanistan hat, bekannt?

BF: Nein.

RI: Sie wissen also nichts über einen Konflikt zwischen Ihrer Mutter und ihren Brüdern?

BF: Nein, das weiß ich nicht. Nach der Entführung meines Bruders ist meine Mutter eine Weile nach Afghanistan gegangen. Als sie zurückkam war ihre Hand (Oberarm) überall verbrannt, aber sie hat uns nichts Genaueres erzählt.

RI: Kennen Sie einen Grund dafür, warum Ihr Bruder entführt wurde?

BF: Meine Mutter war als Schuldirektorin tätig. Außerdem hat sie 10 Alphabetisierungskurse durchgeführt. Das alles wurde von RAWA finanziell unterstützt. Eines Tages ist dann mein Bruder einkaufen gegangen und kam nicht mehr zurück. Meine Mutter wurde dann angerufen und ihr wurde gesagt, dass mein Bruder von diesen Menschen entführt wurde. Meine Mutter hat dann viel geweint und wurde ohnmächtig. Meine Mutter wurde auch schriftlich bedroht, diese Drohungen hat meine Mutter nicht so ernst genommen. Dann wurde mein Bruder entführt. Nach der Entführung meines Bruders hat meine Mutter auch Drohbriefe bekommen. In diesem stand geschrieben, dass meine Mutter die Drohungen nicht ernst genommen hat und deshalb wurde ihr Sohn entführt. Wenn wir über diese Entführung die Polizei informieren, würden sie auch die anderen Kinder meiner Mutter entführen. Danach hat meine Mutter dann diese Kurse eingestellt. Wir haben dann auch unsere Wohnadresse gewechselt und auch die Adresse der Schule. Meine Mutter hat dann ein anderes Haus für die Schule wo anders angemietet. Sie hat dann auch die Buben und Mädchen voneinander getrennt.

RI: Wurden die Drohungen danach weiter fortgesetzt?

BF: Ja.

RI: Wissen Sie näheres inhaltlich über die Drohungen?

BF: Nein.

RI: Abgesehen von den Drohungen, die auch nach 2005 erfolgt sind. Gab es sonstige Verfolgungshandlungen gegen die Familie oder gegen Sie persönlich?

BF: Im Jahr 2014 hat man versucht, meinen anderen Bruder zu entführen. Bei diesem Versuch hat sich mein Bruder auch am Bein verletzt. Er hat laut geschrien und wurde von anderen Menschen gerettet.

RI: Weshalb meinen Sie, ist von 2005 bis 2014, abgesehen von den Drohbriefen, Ihnen und Ihrer Familie nichts "Ernsthaftes" zu gestoßen?

BF: Weil wir immer gemeinsam in die Schule unterwegs waren und auch zu Hause. Keiner von uns war alleine zu Hause, deshalb ist nichts passiert.

RI: Wie haben Sie das Haus verlassen, wie waren Sie gekleidet?

BF: Ich habe Punjabi-Kleidung getragen, das was die Frauen in Pakistan tragen, mit einem großen Kopftuch.

RI: Haben Sie diese Kleidung auch zu Hause getragen?

BF: Zu Hause haben wir auch eine Hose getragen, aber ohne Kopftuch.

RI: Sie haben auch vor der Behörde angeführt, dass Sie Medizin studieren wollten, dass Sie nicht wie alle anderen Jugendlichen in den Park gehen durften und dass Sie als Frau dort keine Freiheiten hatten. Können Sie mir das näher erklären, was meinen Sie damit genau, und weshalb durften Sie nicht in den Park gehen, Medizin studieren?

BF: Weil wir Angst hatten, deshalb konnte ich weder in den Park gehen, noch woanders arbeiten, noch studieren. Wir mussten immer alle gemeinsam unterwegs sein.

RI: Woraus leitet sich diese Angst her?

BF: Von unbekannten Personen. Ich weiß nicht, ob das jetzt die Taliban waren oder jemand anderer. Jedenfalls waren es wohl die Personen, die uns die Drohbriefe geschickt haben.

RI: Von dem Drohbriefen hatten Sie also schon Kenntnis?

BF: Nein, das wusste ich nicht.

RI: Wann haben Sie das dann erfahren?

BF: Nach der Entführung von meinem Bruder und nachdem wir bei UN den Antrag gestellt haben, hat meine Mutter uns davon erzählt.

RI: Welchen Bruder meinen Sie?

BF: Nach der versuchten Entführung meines Bruders XXXX .

RI: Haben Sie Ihre Eltern vorher nicht gefragt, warum Sie nur geschlossen das Haus verlassen konnten und nur gemeinsam zur Schule gegangen sind?

BF: Schon. Meine Mutter sagte immer, dass sie uns zu einem späteren Zeitpunkt davon erzählen würde.

RI: Sind Sie eher traditionell und religiös konservativ aufgewachsen und erzogen worden oder eher liberal?

BF: Eher modern. Unsere Eltern haben uns nie zum Fasten oder Beten gezwungen. Sie haben uns immer die Freiheit gegeben, über etwas selbst zu entscheiden. Wir haben hier viele österreichische Freunde, darunter sind auch Männer. Wir unterhalten uns mit ihnen ganz normal, meine Eltern haben nichts dagegen. Ich arbeite auch bei der Tafel. Meine Kollegen sind sowohl Männer als auch Frauen. Das ist für mich genau gleich.

RI: Sie haben angegeben, Religion unterrichtet zu haben. Was war Ihnen dabei wichtig, was wollten Sie Ihren Schülern und Schülerinnen vermitteln?

BF: Ich habe ihnen nur das Alphabet beigebracht in Religion. (Anm.

D: Der Koran ist auf Arabisch, die Schüler müssen daher zuerst das Alphabet lernen)

RI: Was bedeuten für Sie "westliche" Werte und ein "westliches" "Rollenbild der Frau und Gesellschaftsbild"? Was bedeutet für Sie Gleichberechtigung von Mann und Frau?

BF: Das, was ein Mann machen kann, kann auch eine Frau machen. Im Haushalt sollen sowohl die Frauen, als auch die Männer mithelfen und einander helfen. Bei uns ist das so, dass mein Vater und meine Brüder uns im Haushalt helfen. Ein Mann kann z.B. ein Arzt sein, das kann eine Frau auch.

RI: Schildern Sie mir bitte, was können Sie hier machen können, was Sie Ihrer Ansicht nach in Afghanistan nicht ungefährdet machen könnten?

BF: Hier kann ich mich fortbilden, in Afghanistan ist das nicht möglich. Hier kann ich mich frei bewegen und mich so kleiden wie heute. Das ist mir in Afghanistan nicht möglich.

RI: Können Sie sich vorstellen, mit einem Christen oder einem Angehörigen einer sonstigen Religion befreundet zu sein? Wie meinen Sie, würden Ihre Eltern reagieren?

BF: Meine Eltern würden dazu nichts sagen, auch ich habe damit kein Problem. Ich habe Respekt vor jeder Religion.

RI: Schildern mir Sie bitte Ihren Alltag hier in Österreich.

BF auf Deutsch: Ich stehe um 7 Uhr auf, dann gehe ich duschen und tue noch ein bisschen unser Zimmer putzen. Dann um halb 10 gehe ich zur Tafel und helfe dort bis 16.30 Uhr. Wenn ich nach Hause komme, koche ich mit meinen Eltern und Geschwistern, dann essen wir, dann schlafe ich ein wenig. Dann sprechen wir miteinander. Jeden Montag kommt dann meine Deutschlehrerin und wir gehen zusammen nach draußen, wir essen etwas und trinken etwas und lernen dabei. Wir lernen dort für 1 Stunde. Danach komme ich nach Hause und koche und wir essen dann gemeinsam. Wir schauen uns einen Film an. Manchmal gehen meine Schwester und ich Fahrrad fahren. Wir haben einen Garten. Manchmal gehen wir gemeinsam in den Garten und gießen das Gemüse. Dann kommen wir zusammen und gehen schlafen.

RI: Wie sieht es mit Kontakten zur österreichischen Bevölkerung aus? Haben Sie schon Kontakte herstellen können?

BF auf Deutsch: Wir haben viel Kontakt zu österreichischen Freunden. Wir haben zwei Omas, eine ist unsere Nachbarin. Wir haben eine Tante und einen Opa. Meine Lehrerin sagt auch, ich sei ihre Wahltochter.

RI: Besuchen Sie eine Schule oder sonstige Ausbildung?

BF: Ich besuchte drei Monate lang die Hauptschule. Da ich zuvor keinen Deutschkurs gemacht habe, habe ich die Schule dann verlassen und habe den A0 Sprachkurs gemacht. Demnächst beginne ich den A1 Kurs.

RI: Gehen Sie mit Freunden auch aus?

BF auf Deutsch: Wir gehen mit meinen Freunden auch schwimmen und in den Tanzclub und fahren dabei auch nach Wien und Wr. Neustadt.

RI: Glauben Sie, dass das Leben, wie Sie es hier führen, auch für Ihre Brüder akzeptabel ist?

BF auf Deutsch: Ja.

RI: Welche Vorstellungen haben Sie persönlich für sich selbst für Ihr weiteres Leben? Welche Pläne haben Sie?

BF: Ich möchte gerne Medizin studieren, aber, wenn ich die Aufnahmeprüfung nicht schaffe, möchte ich Bäckerin/Konditorin werden.

RI: Sie planen also gut Deutsch zu lernen und die Schule abzuschließen?

BF: Ja.

RI: Was machen Sie in der Tafel genau?

BF: Ich helfe beim Verkauf.

RI: Fasten und beten Sie?

BF: Nein, ich mache das nicht.

RI: Möchten Sie etwas Ergänzendes zu Ihrem Fluchtgrund vorbringen?

BF: Nein. Ich wünsche mir, dass Sie uns nicht zurück nach Afghanistan schicken. Die Freiheit, die ich hier genieße, hatte ich in Pakistan nicht. Dort war ich, wie ein Vogel im Käfig.

RI: Wovor hätten Sie Angst, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Ich kenne mich dort nicht aus, weil ich nicht dort war. Ich habe auch Angst, wie mein Bruder, entführt zu werden.

RI: Würden Sie den Lebensstil, den Sie jetzt führen, ohne Weiteres in Afghanistan wieder ablegen können? Was würde das für Sie bedeuten?

BF: Es würde mir sehr schwer fallen, wieder so zu leben, wie früher."

Das erkennende Gericht brachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin in das Verfahren ein (aktualisierte Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Stand 29.06.2018 und eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 u.a. zur Situation von Rückkehrern aus Europa) und verwies auf den Country Report on Human Rights Practices 2016 des US Department of State, auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 sowie auf die Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern Dezember 2016, und auf den Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Afghanistan, 22. Februar 2018.

9. Mit Schreiben vom 09.07.2018 übermittelte die Beschwerdeführerin eine ergänzende Stellungnahme.

10. Im Strafregisterauszug der Republik Österreich vom 01.08.2018 - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheint keine Verurteilung auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin und ihren Fluchtgründen:

Aufgrund des Asylantrags vom 19.11.2015, der Einvernahmen der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch die belangte Behörde, der Beschwerde vom 26.05.2017 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 11.05.2017, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumente sowie auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX . Sie ist Staatsangehörige von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Sie bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam, praktiziert ihren Glauben jedoch nicht. Ihre Muttersprache ist Dari. Weiters beherrscht sie Paschtu, Urdu, Englisch und Deutsch.

Die Beschwerdeführerin lebt mit ihren Eltern (Zl. W139 2159877-1 und W139 2159869-1) sowie drei ihrer Geschwister (zwei Brüder, Zl. W139 2159888-1 und W139 2159882-1, sowie eine Schwester, Zl. W139 2159873-1) in Österreich. Insgesamt hat sie sieben Geschwister. Eine Schwester lebt mit ihrem Mann (einem konservativen Paschtunen) in Jalalabad, Afghanistan, und eine weitere Schwester in Kanada. Ein Bruder der Beschwerdeführerin ist verschollen und sein Zwillingsbruder hat die Familie verlassen und ist unbekannten Aufenthalts. Die Beschwerdeführerin ist ledig.

Die Beschwerdeführerin wurde in Peshawar, Pakistan geboren und lebte dort mit ihrer Familie. Sie hat sich noch nie in Afghanistan aufgehalten. Sie hat nach einem zwölfjährigen Schulbesuch und nach der Matura als Lehrerin für Mathematik, Dari und Religion in der Schule ihrer Mutter gearbeitet. Ihre Mutter hat im Jahr 1994 eine Schule in Peshawar eröffnet und sich für die Alphabetisierung und Bildung von Frauen und Kindern eingesetzt. Dazu hat ihre Mutter von 2002 bis 2005 auch finanzielle Unterstützung von der Organisation RAWA (Revolutionary Association of the Women of Afghanistan, eine Frauenrechtsorganisation) erhalten. Aus diesen Gründen war ihre Mutter immer wieder Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt, auch seitens der Brüder ihrer Mutter, welche die liberale Lebenseinstellung der Mutter und deren Unterstützung durch RAWA ablehnten. Ihre Mutter war in Afghanistan als Lehrerin und in Pakistan als Direktorin einer Schule tätig, ihr Vater als Schulwart. Nach einem Vorfall im Jahr 2005, bei dem ein Bruder der Beschwerdeführerin entführt und ihre Mutter telefonisch bedroht wurde, hat ihre Mutter (offiziell) keine Unterstützung mehr von RAWA angenommen. Die Familie hat die Wohnadresse in Peshawar gewechselt und die Mutter der Beschwerdeführerin hat auch die Schule an einer anderen Adresse eröffnet. Die Drohungen setzten sich jedoch fort. Die Familie war aus Angst immer gemeinsam unterwegs und die Schwester und ein Bruder der Beschwerdeführerin haben aus Sicherheitsgründen auch in der Schule der Mutter als Lehrer gearbeitet. Die Beschwerdeführerin wollte Medizin studieren, dies war ihr jedoch ebenfalls aus Sicherheitsbedenken nicht möglich. Nach einem weiteren Vorfall im Jahr 2014, bei dem versucht wurde, einen anderen Bruder der Beschwerdeführerin (Beschwerdeführer zu zu Zl. W139 2159888-1) zu entführen, hat die Familie beschlossen, Pakistan zu verlassen.

Die Beschwerdeführerin wurde nicht konservativ-religiös erzogen, sondern die Familie hat im Gegenteil eine sehr liberale Einstellung, auch und besonders im Hinblick auf die Rechte von Frauen auf Bildung und Selbständigkeit. In Österreich schätzt die Beschwerdeführerin sehr die Möglichkeit, sich frei zu entfalten und nützt die Möglichkeit, das zu tun, was ihr bisher nicht möglich war, etwa ohne Begleitung das Haus zu verlassen. Sie kleidet sich so, wie sie möchte und trägt kein Kopftuch. Die Bildung von Frauen im Besonderen und die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Allgemeinen sind für die Beschwerdeführerin bedeutende Anliegen. Die Beschwerdeführerin selbst hat zunächst drei Monate lang die Hauptschule besucht, diese jedoch verlassen, da sie zuvor keinen Deutschkurs gemacht hat. Sie hat nun den A0 Sprachkurs gemacht und beginnt demnächst den Kurs A1. In der mündlichen Verhandlung hat sie mehrere Fragen auf Deutsch beantwortet. Sie hat den Wunsch, Medizin zu studieren. Falls sie die Aufnahmeprüfung nicht schaffen sollte, beabsichtigt sie, Bäckerin bzw Konditorin werden. Sie arbeitet mehrmals in der Woche mit ihrer Mutter ehrenamtlich für die XXXX . Weiters beteiligt sie sich an Workshops und Projekten. Manchmal geht sie schwimmen oder Fahrrad fahren, in den Tanzclub und macht Ausflüge. Die Eltern der Beschwerdeführerin unterstützen und fördern ihren Berufswunsch und ihre Selbständigkeit. Die Beschwerdeführerin begegnet anderen Religionen respektvoll. Es stellt weder für sie noch für ihre Eltern ein Problem dar, mit Menschen befreundet zu sein, die einer anderen Religion angehören. So sind die zahlreichen österreichischen Freunde und Bekannten der Familie Christen, weswegen die Familie auch bereits eine Kirche besucht und sich an Weihnachtsvorbereitungen beteiligt hat.

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich demnach um eine moderne und weltoffene junge Frau, deren persönliche Haltung über die Lebensverhältnisse und die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind, steht. Die Beschwerdeführerin war zwar noch nie in Afghanistan, weiß jedoch über die dortigen Verhältnisse Bescheid. Aufgewachsen in einem liberalen Umfeld ist für sie die Gleichberechtigung von Mann und Frau selbstverständlich und sind ihr Aus- und Fortbildung sehr wichtig. Die Lebensweise und Wertehaltung der Beschwerdeführerin sind als "westlich", sohin an einem auf ein selbstbestimmtes Leben ausgerichteten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert, zu bezeichnen. Die Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Afghanistan stünden mit jenen, welche sie sich aus freiem Willen zu gestalten wünscht bzw bereits gestaltet hat, ganz offenkundig in unüberwindbarem Gegensatz. Die Beschwerdeführerin kann sich nicht vorstellen, ein Leben nach der konservativ-afghanischen Tradition zu führen.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Gründe, nach denen ein Ausschluss der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

a. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018; Auszüge)

1. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Bild kann nicht dargestellt werden

(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).

Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

Bild kann nicht dargestellt werden

(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Bild kann nicht dargestellt werden

(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

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(Darstellung der Staatendokumentation)

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

* Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

* Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

* Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

* Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

* In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

* Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).

* Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018).

Zivilist/innen

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(UNAMA 2.2018)

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrie

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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