TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/6 L504 2162599-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2018
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Entscheidungsdatum

06.08.2018

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L504 2115774-1/24E

L504 2162599-1/12E

L504 2162595-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von

1. XXXX1982 geb., StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.09.2015, Zl. 1070583407-150551352,

2. XXXX1975 geb., StA. Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.05.2017, Zl. 1103925910-160152412,

3. XXXX.2009 geb., StA. Irak, vertreten durch die Mutter, XXXX diese vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.05.2017, Zl. 1103915402-160152395,

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.06.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG idgF als unbegründet

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei [bP1] stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 23.05.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger des Irak mit schiitischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Araber angehört und aus Bagdad stammt.

Bei der Erstbefragung brachte die bP1 vor, dass sie im Irak als Taxifahrer gearbeitet und nebenbei alkoholische Getränke verkauft habe. Sie sei deshalb von der "Asaeb al alhaq" (im Folgenden kurz als AAA bezeichnet) bedroht worden und befürchtete umgebracht zu werden.

Bei der folgenden niederschrifltichen Einvernahme gab die bP beim Bundesamt zur zentralen Fragestellung zum Fluchtgrund und Aufforderung zur detaillierten Schilderung der persönlichen ausreisekausalen Geschehnisse an:

"LA: Können sie nochmals schildern, was die ausschlaggebenden Gründe für Ihre jetzige Ausreise waren? Was ist in Ihrer Heimat passiert, dass Sie sich zur Flucht entschlossen haben? Schildern Sie die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge und so detailreich, dass sich ein Außenstehender ein Bild von Ihrer Situation machen kann.

VP: Ich wurde bedroht und das war der Grund dass ich den Irak verlassen habe. Das ist der einzige Fluchtgrund. Ich hatte Angst um mein Leben." [sic!]

Auf konkrete Nachfrage des Bundesamtes gab die bP an, dass sie nach Erhalt des Drohbriefes, in dem sie aufgefordert wurde den Verkauf von Alkohol einzustellen, ansonsten sie getötet würde, zu ihrer Schwester zog, die etwa 35 km entfernt wohnte. Sie habe den Verkauf eingestellt und es sei danach nichts passiert. Sie habe auch nie persönlich Kontakt mit den Bedrohern gehabt.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt mit Bescheid vom 15.09.2015 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Das Bundesamt erachtete es für glaubhaft, dass die bP Alkohol verkaufte und die Drohung erhielt. Jedoch sei dem Vorbringen zu entnehmen, dass die bP1 der Aufforderung Folge leistete und es danach auch keinerlei gegen sie gerichtete Repressalien mehr gegeben habe. Eine asylrelevante Verfolgungsgefahr liege somit nicht vor.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zugesprochen und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Das Bundesamt sah die Voraussetzungen dafür auf Grund einer "aktuellen instabilen Sicherheitslage im Irak", die sich aus den Länderberichten der Staatendokumentation ergebe, als gegeben.

Gegen die Nichtzuerkennung von Asyl wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Am 22.03.2017 wurde mit der bP eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt, bei der sie erstmals erwähnte, dass sich ihre Ehegattin und der Sohn seit über einem Jahr in Österreich im Asylverfahren befänden.

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren der bP1 wurde bis zur Entscheidung des Bundesamtes über die Verfahren der Ehegattin und des Sohnes faktisch ausgesetzt.

2. Am 30. Jänner 2016 stellte die bP2 (die Ehegattin der bP1) sowie ihr mitgereister Sohn (bP3) einen Antrag auf internationalen Schutz. Die bP2, ihren Angaben nach eine irakische Staatsangehörige, mit schiitischer Religionszugehörigkeit und aus Bagdad stammend, begründete ihr Verlassen des Herkunftsstaates folgendermaßen:

"Mein Mann hatte in Bagdad alkoholische Getränke verkauft. Daher wurde er durch Milizen bzw. Schiitin sehr bedroht. Er war in Gefahr. Daher flüchtete damals mein Mann. Ich möchte unbedingt zu meinem Mann. Er hatte zwar gemeint, es über Familienzusammenführung zu organisieren, aber ich wollte nicht warten."

Sie habe Angst um das Leben ihres Sohnes, da er auch keinen Vater mehr hatte.

Beim Bundesamt gab sie im Zuge der niederschriftlichen Einvernahmen auf Befragung an, dass sie bislang alle ihre Ausreisegründe nennen haben können. Die nachfolgende Befragung zum Ausreisemotiv gestaltete sich beim Bundesamt im Wesentlichen (auszugsweise dargestellt) wie folgt:

"Können sie nochmals schildern was die ausschlaggebenden Gründe für Ihre jetzige Ausreise waren? Was ist in ihrer Heimat passiert, dass Sie sich zur Flucht entschlossen haben? Schildern Sie die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge und so detailreich, dass sich ein Außenstehender ein Bild von ihrer Situation machen kann.

Ich suche Sicherheit und Asyl und ich bin bedroht. Ich war im Irak verwitwet. Mein Exmann ist ein Märtyrer. Das ist meine zweite Ehe. Für beide war es die zweite Ehe. Das sind meine Fluchtgründe, weitere habe ich nicht.

Von wem wurden sie bedroht?

Von meinem ältesten Sohn, A., 1993 geboren und seinen Onkeln.

Warum?

Weil ich noch einmal geheiratet habe.

Wann hat ihr Sohn Sie bedroht?

Die Drohungen haben 2010/2011 begonnen. Befragt bis wann, durchgehend.

Wie gestalteten sich die Drohungen?

Er ist nach Hause gekommen und hat zu mir gesagt, dass er mich töten würde, wenn ich mich nicht scheiden lassen. Er sagte, dass er meinen Sohn töten würde, wenn ich mich nicht scheiden lasse.

Warum reisten sie nicht bereits mit Ihrem Mann aus, wenn tatsächlich Gefahr für Sie und Ihren Sohn bestehen soll?

Wir haben nicht so schnell die Reisepässe bekommen.

Wie erklären Sie sich, dass ihr Sohn Sie sechs Jahre bedrohen sollte, ohne irgendwelche Taten? Wenn dieser tatsächlich Interesse hätte, Ihnen etwas anzutun, wie erklären Sie sich, dass er dies nicht getan hat?

Er hat mich bedroht. Er wollte, dass ich mich scheiden lasse.

Hinsichtlich ihres Sohnes gab sie an, dass dieser im Wesentlichen die gleichen Gründe habe wie sie.

Das Bundesamt hat folglich die Anträge der beiden beschwerdeführenden Parteien gemäß § 3 AsylG abgewiesen. Das Bundesamt erachtete die ersten Angaben der bP2 zu den fluchtbegründenden Angaben, wonach sie im Wesentlichen ausführte, dass sie nur deshalb nach Österreich reiste bzw. den Irak verließ, um mit ihr Mann wieder gemeinsam leben zu können und sie nicht eine legale Familienzusammenführung im Rahmen des Asylverfahrens abwarten wollte, als glaubhaft. Die später neu angeführte Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates erachtete das Bundesamt als gesteigertes und daher nicht glaubhaftes Vorbringen. Das Bundesamt erkannte den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu. Dies aufgrund der aktuellen allgemeinen instabilen Sicherheitslage im Irak. Eine befristete Aufenthaltsberechtigung wurde erteilt.

Gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberichtigten wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

3. Am 19.06.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP1-3 sowie im Beisein ihrer bevollmächtigten Vertreterin des VMÖ im verbundenen Verfahren eine Verhandlung durch. Das BFA blieb entschuldigt fern.

Mit der Ladung wurden die beschwerdeführenden Parteien auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert insbesondere ihre persönliche Ausreisemotivation und sonstigen Rückkehrbefürchtungen soweit als möglich durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine umfassende, jedoch demonstrative Aufzählung von grds. als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.

Zugleich mit der Ladung wurden der beschwerdeführenden Partei ergänzend Berichte zur aktuellen Lage im Irak (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 23.11.2017) übermittelt bzw. namhaft gemacht, welche das Verwaltungsgericht in die Entscheidung ergänzend miteinbezieht. Eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen wurde dazu eingeräumt. Eine solche schriftliche Stellungnahme wurde abgegeben.

Es wurde den bP am Ende der Verhandlung aufgetragen das BVwG unverzüglich zu verständigen, wenn sich entscheidungsrelevante Änderungen, die ihren Antrag auf internationalen Schutz betreffen, ergeben. Bis zu dieser Entscheidung langte keine solche Mitteilung ein, weshalb von unveränderter Sachlage ausgegangen wird.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat zentral durch den Inhalt der übermittelten Verwaltungsakte der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse der Beschwerdeverhandlungen Beweis erhoben.

Auf Grund des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges wurden die Verfahren der beschwerdeführenden Parteien gem § 39 Abs 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Parteien:

Die bP sind Staatsangehörige des Irak, gehören der Volksgruppe der Araber an und sind schiitischen Glaubens. Die bP1 und bP2 sind Ehegatten, die bP3 ist deren zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges Kind.

Sie kommen aus Bagdad, wo nach wie vor Familienangehörige bzw. Verwandte leben.

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP1 im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion Bagdad, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr von Leib und/oder Leben durch die von ihr genannte schiitische Miliz AAA oder anderweitige staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP2 und bP3 im Falle einer Rückkehr in die Region Bagdad durch ihren Sohn A. bzw. der schiitischen Miliz AAH oder anderweitige staatliche oder nichtstaatliche Akteure mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt wären.

1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Konkret zur Sicherheitslage in Bagdad ergibt sich aus der Anfragebeantwortung (https://www.ecoi.net/de/dokument/1434197.html) vom 08.03.2018 Folgendes:

Lifos, das Zentrum für Länderinformationen der schwedischen Einwanderungsbehörde (Migrationsverket), bemerkt in einem Bericht zur Sicherheitslage im Irak (Berichtszeitraum Juli 2016 bis November 2017) unter Berufung unter anderem auf Informationen des US-amerikanischen Institute for the Study of War (ISW), dass die Gruppe IS am 31. Dezember 2016 einen Selbstmordanschlag in Bagdad verübt habe, der mehr als 20 Todesopfer gefordert habe. Diesem Anschlag seien am 2. und 5. Jänner 2017 zwei weitere Attentate gefolgt, bei denen jeweils 35 und 14 Personen getötet worden seien. Die Attentate hätten verschiedenen schiitische Viertel der Stadt sowie Polizeikontrollpunkte ins Visier genommen. Danach sei die Gewalt zur Zeit der Mossul-Offensive wieder ein wenig abgeebbt und mit dem Sieg über den IS im Juli 2017 noch weiter gesunken. Es habe jedoch weiterhin sporadische Selbstmordanschläge gegeben, die sich vornehmlich auf schiitische Viertel (Beispielsweise Sadr City, Schula und Hay al Amel) und auf Polizeikontrollpunkte konzentriert hätten. In Bagdad sei die Anzahl der Anschläge von einer durchschnittlichen Anzahl von 11,6 Anschlägen pro Tag im Jänner 2016 auf 2,6 Angriffe pro Tag im Juni 2017 gesunken. Trotz der verbesserten Sicherheitslage habe der IS weiterhin von den ländlichen Gebieten im Norden und Süden der Stadt, dem "Bagdad-Gürtel", wo sich IS-Schläferzellen befinden würden, Angriffe auf die Stadt durchgeführt. Es komme gelegentlich zu Angriffen, von denen aber nur wenige erfolgreich seien.

Auf Musings on Iraq, einem Blog des US-Amerikanischen Irakanalysten Joel Wing, findet sich unter Bezug auf verschiedene Nachrichtenquellen eine Übersicht zu sicherheitsrelevanten Vorfällen im Irak in der Woche vom 1. bis zum 7. Februar. Laut dieser Übersicht habe es in Bagdad in diesem Zeitraum 26 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Todesopfern (davon 8 ZivilistInnen) und 44 Verletzten (davon 41 ZivilistInnen) gegeben. Die Gewalt sei in Bagdad angestiegen. Im Monat Jänner seien zwei Selbstmordanschläge verübt worden, ein weiterer Selbstmordattentäter sei Anfang Februar getötet worden. Der IS habe weiterhin improvisierte Spreng- und Brandvorrichtungen gelegt, die vor allem Geschäfte und Märkte ins Visier genommen hätten, um eine möglichst hohe Opferzahl zu erzielen.

Eine Übersicht auf Musings on Iraq für die Woche vom 8. bis 14. Februar 2018 vermerkt für die Provinz Bagdad 21 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 14 Todesopfern und 31 Verletzten. Eine vom IS gelegte Autobombe sei aufgefunden und entschärft worden. Eine Woche zuvor sei eine Selbstmordattentäterin in eine Schule in Tarmija (nördlich der Stadt Bagdad gelegen, Anm. ACCORD) gejagt worden, wo sie ihren Sprengsatz gezündet habe. Dies habe Ängste vor weiteren aufständischen Aktivitäten im Bagdad-Gürtel geschürt. Seit mehr als einem Jahr würden die meisten Angriffe vom Norden und Süden der Stadt ausgehen. Die Anzahl von Anschlägen mit unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen sei angestiegen. In der Woche vom 8. bis14. Februar sei es zu zwölf derartigen Vorfällen gekommen, neun davon hätten auf Geschäfte und Märkte abgezielt.

Ein weiterer Blogeintrag auf Musings on Iraq gibt eine Übersicht über sicherheitsrelevante Vorfälle im Irak für die Woche vom 15. bis 21. Februar. In Bagdad habe es 21 solche Vorfälle gegeben, bei denen sechs Personen getötet und 27 weitere verletzt worden seien. Landesweit sei die Provinz Bagdad von den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffen gewesen. Bei 13 der 21 Vorfälle habe es sich um Anschläge mit unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen gehandelt, von denen sich sieben auf Geschäfte und Märkte konzentriert hätten. Der 20. Februar sei einer der wenigen Tage gewesen, an dem es keinen Bericht über Gewalt in Bagdad gegeben habe:

Iraqi News, eine nach eigenen Angaben unabhängige englischsprachige Onlinezeitung für den Irak und den Nahen Osten, berichtet im Februar 2018, dass laut Angaben von Sicherheitskräften bei zwei Bombenexplosionen im Norden und im Südosten von Bagdad sieben Personen verletzt worden seien. Eine Bombe sei in der Nähe eines belebten Marktes im Hussainiya-Viertel im Norden der Stadt explodiert und habe drei Menschen verletzt. Der zweite Anschlag habe sich im Distrikt Mada'in im Südosten von Bagdad ereignet und habe vier Verletzte zur Folge gehabt:

Die irakische Zeitung The Baghdad Post schreibt im Februar 2018, dass das irakische Militär die Zugänge zum Distrikt Tarmija im Norden von Bagdad wieder geöffnet habe. Vier Tage zuvor sei eine Ausgangssperre verhängt worden, um nach Terroristen zu fahnden.

Der irakische Fernsehsender Al-Sumaria News veröffentlicht regelmäßig Meldungen zu den einzelnen Provinzen des Irak. Folgende Meldungen konnten zu sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad im Februar und März 2018 gefunden werden:

Am 8. Februar meldet Al Sumaria zwei bei der Explosion eines Sprengsatzes verletzte Personen in der Gegend Radhwanija [im Bagdad-Gürtel südwestlich der Stadt Bagdad, Anm. ACCORD] (Al Sumaria, 8. Februar 2018). Am 13. Februar meldet Al Sumaria, dass zwei Personen bei der Explosion eines Sprengsatzes im Stadtteil Raschidiya verletzt worden seien (Al Sumaria, 13. Februar 2018). Am 15. Februar meldet Al Sumaria zwei Verletzte bei einer Sprengstoffexplosion im Stadtteil Hay al-Furat im Südwesten von Bagdad (Al Sumaria, 15. Februar 2018).

Am 17. Februar wird berichtet, dass vier Zivilisten bei der Explosion eines Sprengsatzes in der Nähe von Geschäften in Yusufija [im Bagdad-Gürtel südwestlich der Stadt Bagdad, Anm. ACCORD] verletzt worden seien. Bagdad sei laut Angaben der Sicherheitskräfte derzeit relativ stabil. In den letzten Monaten seien Sprengstoffanschläge und bewaffnete Übergriffe zurückgegangen. Bisweilen würden in verschiedenen Teilen von Bagdad nicht identifizierte Leichen aufgefunden. (Al Sumaria, 17. Februar 2018)

Am 18. Februar wird berichtet, dass in der Nähe eines Geschäftes in Radhwanija [im Bagdad-Gürtel südwestlich der Stadt Bagdad, Anm. ACCORD] bei der Explosion eines Sprengsatzes eine Person verletzt worden sei. (Al Sumaria, 18. Februar 2018)

Am 21. Februar wird berichtet, dass bei der Explosion eines Sprengsatzes im Norden der Stadt Bagdad drei Personen verletzt worden seien. Der Sprengsatz sei in Shatt at-Tadschi [im Bagdad-Gürtel nördlich der Stadt Bagdad, Anm. ACCORD] gezündet worden. Eine Quelle aus Sicherheitskreisen habe erwähnt, dass Bagdad von Zeit zu Zeit von Anschlägen mit Autobomben, Sprengsätzen oder Sprengstoffgürteln betroffen sei, die auf ZivilistInnen oder Mitglieder der Sicherheitskräfte abzielen würden. (Al Sumaria, 21. Februar 2018)

Am 2. März wird berichtet, dass laut Angaben der Einheit der irakischen Sicherheitskräfte "Baghdad Operations Command" ein Sprengsatz, der neben einer Straße in er Gegend Kanatir im Norden von Bagdad platziert worden sei, entschärft worden sei. Bei Durchsuchungen im Süden von Bagdad seien Waffen, Sprengstoff und eine Raketenabschussrampe sichergestellt worden. Zudem habe man vor kurzem Mitglieder einer kriminellen Bande festgenommen, die Entführungen organisiert hätten. (Al Sumaria, 2. März 2018)

Am 3. März wird berichtet, dass laut Polizeiangaben bei der Explosion eines Sprengsatzes in der Nähe von Geschäften in Schati' at-Tadschi [im Bagdad-Gürtel nördlich der Stadt Bagdad, Anm. ACCORD] drei Zivilisten verletzt worden seien. (Al Sumaria, 3. März 2018a)

In einer weiteren Meldung vom 3. März wird berichtet, dass im Süden und im Osten von Bagdad jeweils eine nicht identifizierte Leiche aufgefunden worden sei. Eine Leiche sei in der Gegend Rustamija im Südosten von Bagdad neben der Straße aufgefunden worden und habe Einschusswunden im Brustbereich aufgewiesen. Die zweite Leiche habe man im Viertel al-Amin ath-Thanija im Osten der Stadt aufgefunden. Der Leichnam habe an verschiedenen Stellen Messerstiche aufgewiesen. (Al Sumaria, 3. März 2018b)

Am 4. März wird berichtet, dass laut Polizeiangaben bei der Explosion eines Sprengsatzes im Osten von Bagdad zwei Zivilisten verletzt worden seien. Die Explosion habe sich in der Nähe einer Fabrik im Stadtteil Kasra wa Atasch ereignet. (Al Sumaria, 4. März 2018)

BasNews, eine in Erbil angesiedelte Nachrichtenagentur, meldet im März 2018, dass bei einer Explosion eines Sprengsatzes im Distrikt at-Tadschi fünf Personen verletzt worden seien. (BasNews, 6. März 2018)

Zusammenfassend ist aus den im Verfahren herangezogenen und zu Gehör gebrachten Quellen festzustellen, dass in Bezug auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 23.11.2017 sich die Sicherheitslage in Bagdad verbessert hat, wenngleich es noch immer Berichte über Anschläge gibt. Diese gehen überwiegend von noch vorhandenen Zellen des IS aus und sind im Wesentlichen gegen Sicherheitskräfte oder öffentliche Plätze mit schiitischem Personenaufkommen gerichtet.

Die hier zitierten und in der Verhandlung zu Gehör gebrachten Berichte über Vorfälle verschiedenster Quellen, legen keine aktuelle Verfolgung von Schiiten nahe, die in der Vergangenheit Alkohol verkauften und diese Tätigkeit nach Aufforderung einstellten.

Die Wahrscheinlichkeit in Bagdad Opfer eines Verbrechens zu werden relativiert sich durch den Umstand, dass es sich bei Bagdad um eine Stadt mit rd. 5,5 Millionen Einwohner und einer Fläche von 204 Km2 handelt, und die Anschläge idR konkret zielgerichtet sind. Bagdad ist die Hauptstadt des Iraks und im Gouvernement Bagdad leben sogar rd 11,8 Millionen Einwohner. Es kann auf Grund der Berichtslage in Zusammenschau mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nach Würdigung nicht festgestellt werden, dass die bP konkret Ziel solcher Anschläge / Verbrechen wären.

2. Beweiswürdigung

Ad 1.1.1 Zur Person der beschwerdeführenden Partei

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt einheitlichen, im Wesentlichen widerspruchsfreien Angaben sowie ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens der bP vorgelegten Bescheinigungsmittel.

Ad 1.1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates

Vorweg ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP1 und bP2 iSd § 15 AVG vollen Beweis über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können. Gerade im Asylverfahren kommt der persönlichen Aussage des Antragstellers besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch im Wesentlichen behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse über die berichtet wird, die sich vielfach, insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen, weitgehend einer Überprüfbarkeit entziehen.

Die bP traten den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges nicht konkret an.

Die bP1 brachte im Wesentlichen eine Verfolgung durch die schiitische Miliz AAH vor, da sie unzulässigerweise Alkohol verkauft habe.

Zwar ergibt sich aus der Berichtslage, dass es derartige Vorfälle in der Vergangenheit vereinzelt gab, jedoch vermocht die bP1 für das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis nicht glaubhaft machen, dass sie tatsächlich wegen Alkoholverkauf bedroht wurde. Dies auf Grund verschiedener zentraler Widersprüche bzw. Unplausibilitäten rund um die als ausreisekausal dargestellten "Erlebnisse".

Die bP stellte ohne Bescheinigungsmittel zu ihrem Vorbringen und ihrer Identität den gegenständlichen Antrag. Gegenüber der Polizei nannte sie sich anlässlich einer Personenkontrolle "XXXX". Bei der Erstbefragung ab sie an, sie würde XXXX heißen. Bei der Einvernahme beim Bundesamt gab sie an, ihr Name laute auf XXXXum letztlich in dieser Einvernahme auch einen Reisepass vorzulegen welcher auf XXXX" lautet. Zum Nachweis der Bedrohung legte die bP dabei auch ein Schreiben der Bedroher vor. Dieses ist jedoch an eine Person namens XXXX gerichtet, was nicht nahelegt, dass damit die bP1 gemeint ist. Darauf in der Verhandlung hingewiesen, versuchte die bP1 diese erhebliche Diskrepanz damit zu erklären, dass "dies ihr eigentlicher Name sei".XXXX komme in ihren vorgelegten Dokumenten nicht vor. Dort wo sie wohne sei sie jedoch unter dem im Drohschreiben genannten Namen bekannt. XXXXhabe ihr Vater nicht gemocht, deshalb habe sich die bP1 dort XXXX genannt.

Diese Erklärung ist für das Gericht nicht plausibel, zumal sie diesen Namen bislang im Verfahren nicht erwähnte. Aus dem Verfahrensverlauf ergibt sich, dass die bP1 schon hinsichtlich ihrer Identitätsangaben äußerst situationselastisch und wenig geneigt ist in Österreich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Dies zeigt auf eine Persönlichkeitsstruktur hin, die bereitwillig ist in Österreich vor Behörden im Asylverfahren, trotz konkreter Aufforderung nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen, dessen ungeachtet ihr Ziel verfolgt, die Angaben so zu gestalten, um dadurch einen Aufenthaltstitel über das Asylverfahren zu erlangen, auch wenn diese Angaben nicht den Tatsachen entsprechen. Eine Motivationslage zu unwahren Aussagen ist somit objektiv nachvollziehbar. Aufgrund ihrer darliegenden unterschiedlichen Identitäten vermag dieses vorgelegte Bescheinigungsmittel somit keinen Nachweis zu erbringen, dass die bP1 diesen Drohbrief tatsächlich erhalten hat bzw. dieser als "echt" und an sie gerichtet einzustufen wäre. Dass die Tendenz bei irakischen Staatsangehörigen sehr hoch ist ge- bzw. verfälschte Bescheinigungsmittel vorzulegen, ergibt sich aus der amts- bzw. gerichtsbekannten, einhelliger Berichtslage aus unterschiedlichen Quellen.

So führt zB das Deutsche Auswärtige Amt im Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 17.01.2013 dazu Folgendes aus:

"Echtheit der Dokumente / Zugang zu gefälschten Dokumenten

Bei Dokumenten aus dem Irak sind häufig Zweifel angebracht. Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Auch gefälschte Überbeglaubigungsstempel des Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden. Es werden keine Legalisationen durch die Deutsche Botschaft Bagdad oder das Generalkonsulat Erbil vorgenommen. Inhaltliche Urkundenüberprüfungen sind durch die Botschaft nur sehr eingeschränkt möglich; die irakischen Behörden leisten kaum Amtshilfe. [...]."

Die Unbedenklichkeit noch einschränkender und eine Überprüfungsmöglichkeit im Irak nunmehr generell verneinend der aktuellste vorliegende Bericht vom 12.02.2018:

"1. Echtheit der Dokumente / Zugang zu gefälschten Dokumenten

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist

gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf, die der Deutschen Botschaft Bagdad durch das irakische Außenministerium

per Verbalnote zwecks Überprüfung zugesandt wurden. Auch gefälschte Überbeglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann

nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden. Es werden keine

Legalisationen durch die Deutsche Botschaft Bagdad oder das Generalkonsulat Erbil

vorgenommen. Inhaltliche Urkundenüberprüfungen durch die Botschaft oder GK Erbil sind

derzeitig nicht möglich; die irakischen Behörden leisten keine Amtshilfe. Die von der

Botschaft Bagdad durchgeführte Prüfung der formellen Echtheit durch Inaugenscheinnahme

irakischer Urkunden im Amtshilfeverfahren für deutsche Behörden wurde zu Februar 2013

eingestellt."

Auch Österreich bzw. das BVwG verfügt über keine verlässliche Überprüfungsmöglichkeit von im Asylverfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel vor Ort im Irak.

Auch aus ihren weiteren Angaben ergeben sich Anhaltspunkte, dass das als ausreisekausal geschilderte Vorbringen so nicht den Tatsachen entspricht und sie dieses vielmehr im Wesentlichen fern von tatsächlichen persönlich erlebten Realereignissen asylzweckbezogen flexibel darlegt.

So gibt sie im Verfahren etwa an, dass sie einerseits bis zum Zeitpunkt der Ausreise als Taxilenker gearbeitet habe, um dann später aber anzugeben, dass sie drei Monate vor der Ausreise damit aufgehört hatte, weil sie nach Erhalt des Drohbriefes bei ihrer Schwester an einem anderen Ort in Bagdad gelebt habe bzw. sich dort versteckt hätte.

Nennt sie hier selbst konkret einen Zeitraum von drei Monaten vor der Ausreise, gibt die Ehegattin im Verfahren dazu jedoch an, dass der Ehegatte "1 Woche oder 2 Monate" bei der Schwester gewohnt habe. Genau wisse sie dies nicht.

Die bP1 gab beim Bundesamt sowie beim BVwG zuerst auch an, dass sie bis zuletzt an der gemeinsamen Adresse mit Ehegattin, Sohn und der Mutter gelebt habe um dies dann später an die Fluchtgeschichte angepasst erst abzuändern.

Selbst wenn man hypothetisch davon ausginge, dass es sich hier tatsächlich um ein an die bP1 gerichtetes Drohschreiben der schiitischen Miliz handelt, so ergibt sich aus ihrem Vorbringen jedoch, dass sie die Forderungen der Miliz erfüllt hat. Wie sich aus der Übersetzung des Drohungsschreibens ergibt, wurde die bP1 zur Beendigung des Verkaufes aufgefordert und nur wenn sie weiterhin wiederholt Alkohol verkaufen würde, würde man ihr nach dem Leben trachten. Sie hat folglich jedenfalls die Forderung der Miliz erfüllt und den - zudem seit 2016 gesetzlich verbotenen - Verkauf alkoholische Getränke eingestellt und ergibt sich auch aus dem Vorbringen der Partei, dass diese wieder zuvor noch danach irgendwelchen Repressalien der Miliz ausgesetzt gewesen wäre.

Wenn die schiitische Miliz tatsächlich ein nachhaltiges Verfolgungsinteresse an der Partei gehabt hätte, so wären wohl der allgemeinen Lebenserfahrung nach Familienangehörige erste Anlaufstellen gewesen, um dort nach ihr zu suchen bzw. Erkundigungen einzuholen. Das dies gemacht worden wäre, wurde seitens der beschwerdeführenden Parteien nicht behauptet, insbesondere wurde nicht dargelegt, dass bei der Schwester derartige Nachforschungen getätigt worden wären.

Die bP1 trat auch nach der behaupteten Unterkunftnahme bei der Schwester durchaus öffentlichkeitswirksam auf, was sich schon dadurch ergibt, dass sie etwa das Taxi verkauft oder Behördengänge erledigte, um einen Reisepass ausgestellt zu erhalten. Dies weist nicht auf ein Verstecken oder nachvollziehbare, subjektive Angst vor dem Entdecktwerden hin.

Angesichts der gegebenen Verknüpfung schiitischer Milizen mit dem Staat erscheint sich auch durch die erfolgte, offenbar unproblematische Reisepassausstellung und dem Faktum der legalen Ausreise, naturgemäß unter Kontrolle staatlicher Organe, kein Argument für die Glaubhaftmachung eines Verfolgungsinteresses der schiitischen Miliz zum Zeitpunkt der Ausreise oder nunmehr im Falle einer gedachten Rückkehr zu ergeben.

Hinsichtlich der bP2 ist anzuführen, dass ihre ersten Angaben zum Ausreisemotiv nicht in einer subjektiven Furcht vor Verfolgung ihrer Person bzw. ihres Kindes lagen, sondern sie kundtat, dass sie "unbedingt zu ihrem Mann wollte". Ausdrücklich gab sie an, dass "er" in Gefahr gewesen sei. Sie habe nicht abwarten wollen bis sie über eine "Familienzusammenführen" legal zu ihrem Ehegatten nach Österreich reisen könne. Hier folgt das BVwG dem Bundesamt wenn die Behörde vermeint, dass das spätere Vorbringen, wonach das Ausreisemotiv in einer "Verfolgung" durch ihren erwachsenen Sohn aus erster Ehe gelegen sei, als gesteigertes und daher nicht glaubhaftes Vorbringen zu werten sei.

Es kam kein vernünftiger Grund hervor, weshalb die bP2 dies nicht schon bei der Erstbefragung, zumindest ansatzweise, angegeben hätte können, wenn es den Tatsachen entspräche. Konkrete, glaubhafte aussagehemmenden Faktoren die in ihrer Person oder anderweitig gegeben gewesen wären, wurden nicht bzw. nicht substantiiert dargetan.

Es wäre der allgemeinen Lebenserfahrung nach bei der Frage nach den eigenen Fluchtgründen bzw. Problemen eine eigene, konkrete Gefährdung anzugeben, noch dazu wenn sie der Ausreise zeitlich noch am nächsten liegt und daher besonders in Erinnerung sein müsste. Vielmehr gab die bP2 jedoch eine Bedrohung an, die nicht sie selbst, sondern nur den Ehegatten betraf.

Auch Plausibilitätserwägungen hält ihr spät vorgebrachtes Bedrohungsszenario durch den Sohn nicht statt. Nicht nur, dass der Beginn der Bedrohung von ihr im Zuge von Einvernahmen zeitlich gravierend unterschiedlich geschildert wurde - beim Bundesamt hätten diese 2010/2011 begonnen, beim BVwG gab sie persönlich an, dass diese seit 2008 andauern würde - ist das tatsächliche Bedrohungsbild auch deshalb nicht glaubhaft, weil weder ihr noch dem Kind seit Beginn der "stündigen Bedrohung" ansatzweise etwas passiert ist, obwohl sie der Aufforderung, sich vom derzeitigen Ehegatten scheiden zu lassen, nie Folge leistete.

Selbst wenn man davon ausginge, dass es diese Drohung gab, so lässt dies darauf schließen, dass es der Drohung an Ernstlichkeit fehlte und daher schon nicht geignet ist aus objektiver Sicht Furcht vor Verfolgung darzustellen. Auch aus subjektiver Sicht wäre auf Grund des noch jahrelangen, konsequenzlosen Verbleibes im Irak an der Glaubhaftmachung einer Furcht zu zweifeln.

Im Hinblick auf diese Erkenntnisse, ist aus diesem Vorbringen auch für die bP3 keine glaubhafte asylrelevante Verfolgungsgefahr zu erkennen.

Ad 1.1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die getroffenen Feststellungen zur hier maßgeblichen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, konkret in Bagdad, ergeben sich aus den angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, die von www.ecoi.net entstammen. Die bP sind diesen zu Gehör gebrachten Quellen nicht konkret und substantiiert entgegen getreten.

3. Rechtliche Beurteilung

Gegenständlich handelt es sich um ein Familienverfahren:

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

Zu Spruchpunkt I.

Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigte/r

1. § 3 AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlicher beschriebenen Weise - betroffen ist.

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Der Antrag war nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen.

Nach Ansicht des BVwG sind auch die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

Wie sich aus den Erwägungen ergibt, ist es den bP nicht gelungen eine solche aus ihrer dargelegten Fluchtgeschichte glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen und als fluchtkausal bezeichneten Angaben bzw. die daraus resultierenden Rückkehrbefürchtungen gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung somit gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Auch die allgemeine Lage ist im gesamten Herkunftsstaat, insbesondere im Raum Bagdad, nicht dergestalt, dass sich konkret für die beschwerdeführenden Parteien eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Familienverfahren, mangelnde Asylrelevanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L504.2162599.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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