TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/13 L504 2184980-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.08.2018
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Entscheidungsdatum

13.08.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

L504 2184980-1/29E

L504 2184980-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX XXXX.1979 alias XXXX1981 alias XXXX1980 alias XXXX1979 geb., StA. Libanon alias Syrien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.01.2018, Zl. XXXX und 16.04.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 57, AsylG 2005 idgF, §§ 52, 55, 46 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Der Beschwerde gegen das Einreiseverbot gem. § 53 Abs 3 Z 1 FPG

wird insoweit stattgegeben als der Spruch zu lauten hat: Gem. § 53 Abs 2 FPG idgF wird gegen Sie ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 23.10.2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen ersten Angaben nach Staatsangehöriger von Syrien mit muslimischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Araber angehört und aus Lexer stammt.

Anlässlich der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die beschwerdeführende Partei als Ausreisemotiv an, dass sie als syrischer Staatsangehöriger wegen des Krieges nicht mehr in Syrien leben könne.

Nach Vorhalt von Ungereimtheiten durch das erstbefragende Organ, gestand die bP ein, dass sie in Wirklichkeit eine andere Identität habe und Staatsangehöriger des Libanon sei. Als Fluchtgrund den Libanon betreffend gab sie nunmehr an:

"Ich habe meine Frau geheiratet ohne die Eltern von ihr zu fragen. Außerdem habe ich auch mit ihr Probleme. Ich hätte familiäre Probleme, was die Familie meiner Frau mit mir machen würde, weiß ich nicht."

Im Falle einer Rückkehr befürchte die bP unmenschliche Behandlung durch die Familie der Ehegattin.

Aus einer Konsultation des BFA mit Ungarn ergab sich, dass die bP dort am 16.09.2011 unter einer anderen Identität und ebenfalls unter der Vorgabe syrischer Staatsangehöriger zu sein, einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, sich aber danach dem Verfahren entzog.

Beim Bundesamt gab sie im Folgenden im Wesentlichen an, sie habe 2008 im Libanon standesamtlich geheiratet. Sie könne keine Bescheinigungsmittel über ihre Identität und die Eheschließung vorlegen. Ihre Ehegattin und das gemeinsame Kind würden in Deutschland leben. Die bP habe bereits in Deutschland gelebt und sei dort vorbestraft und auch von dort schon in den Libanon abgeschoben worden.

Beim BFA zum Fluchtgrund befragt gab sie an:

"Ich bin aus dem Libanon abgehauen, weil ich meine Frau geheiratet habe ohne das Wissen ihrer Brüder und ihre Brüder sind alle bei der Hisbollah, einer Terrormiliz. Ich bin deshalb geflohen, weil sie nicht einverstanden waren. Sie haben mich dort auch gesucht. Die Hisbollah kontrolliert den ganzen Libanon und auch große Teile von Syrien."

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon nicht zugesprochen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.

2. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

3. Mit Bescheid vom 16.04.2018 hat das Bundesamt zu obigen offenen Beschwerdeverfahren ein Einreiseverbot nachgereicht. Die Behörde habe nach Erlassung des asylrechtlichen Bescheides von Verurteilungen der bP erfahren.

Gem. § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde gegen die bP ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Begründet wurde dies mit rechtskräftigen Verurteilungen durch deutsche Gerichte im Zeitraum 2000 bis 2017.

Dagegen hat die bP ebenfalls innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

4. Am 25.04.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP sowie im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters eine Verhandlung durch, in der beide Verfahren verbunden wurden. Das BFA blieb entschuldigt fern. Seine nunmehrige Lebensgefährtin wurde als Zeugin einvernommen.

Mit der Ladung wurde die beschwerdeführende Partei auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert insbesondere ihre persönliche Ausreisemotivation und sonstigen Rückkehrbefürchtungen soweit als möglich durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine umfassende, jedoch demonstrative Aufzählung von grds. als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.

Am 17.07.2018 teilte das Bundesamt mit, dass die bP seit 12.07.2018 nicht mehr aufrecht gemeldet ist.

Am 23.07.2018 wurde von der Polizei mitgeteilt, dass die bP als Beschuldigte wegen Diebstahles von Kupferkabeln geführt wird und sie unsteten Aufenthaltes ist.

Weiters teilte die Polizei mit, dass eine kriminalpolizeiliche Überprüfung ergeben habe, dass die wahre Identität der Bp auf XXXX, XXXX.1979 geb., StA. Libanon, lautet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat zentral durch den Inhalt deR übermittelten Verwaltungsakte der belangten Behörde, einschließlich der BeschwerdeN sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Identität steht auf Grund der Überprüfung durch die Polizei fest.

Die bP ist Staatsangehörige des Libanon. Sie ist dort aufgewachsen und wurde dort sozialisiert. Sie hat ungefähr ab dem Jahr 2000 auch mehrere Jahre in Deutschland gelebt, wobei die genauen Zeiträume nicht nachweisbar sind, und wurde dort wiederholt straffällig. Ihren nicht belegbaren Angaben nach kehrte sie 2006 wieder freiwillig in den Libanon wo sie 2008 ihre nun in Deutschland lebende Ehegattin geheiratet hat. 2011 hat sie zuletzt den Libanon verlassen.

Sie stellte nachweislich am 16.09.2011 in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz. Dort gab sie an, dass sie syrischer Staatsangehöriger sei. Sie entzog sich dem Verfahren.

Am 24.10.2011 stellte sie nachweislich in der Bundesrepublik Deutschland als libanesischer Staatsangehöriger einen Antrag auf internationalen Schutz, der am 04.06.2013 negativ entschieden wurde. Ihren Angaben nach wurde sie von Deutschland aus 2014 in den Libanon abgeschoben, wo sie 4 Monate in einer von ihr gemieteten Wohnung gelebt hat.

Sie verfügt im Herkunftsstaat insbesondere noch über eine Tante, die im eigenen Haus lebt. Zu dieser hat die bP Kontakt. Die bP ist in der Lage am Erwerbsleben teilzunehmen und dadurch das zum Leben Notwendige zu erlangen. Sie wird von einer in Deutschland lebenden Schwester finanziell unterstützt.

Durch Befunde nachgewiesene, behandlungsbedürftige Krankheiten wurden nicht festgestellt. Sie behauptet an einer Psychose zu leiden, die mit Medikamente behandelt wird. Deshalb war sie bereits im Libanon in Behandlung. Die bP brachte nicht vor, dass sie diesbezüglich nicht auch im Herkunftsstaat Behandlung erlangen könnte.

Sie ist zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Österreich auf staatliche Zuwendungen angewiesen. Sie verfügt über gute Deutschkenntnisse. Sie wird der Täterschaft von Diebstahl verdächtigt und ist seit 12.07.2018 unbekannten Aufenthaltes. Sie hat weder dem Bundesamt noch dem BVwG seither ihren Aufenthaltsort und konkrete Wohnanschrift mitgeteilt, somit ihre Mitwirkungsverpflichtung verletzt.

Die bP hat im Juni/Juli 2017 in Österreich die libanesische Staatsangehörige Sahar AL JADOUH, geb. 22.04.1985, kennen gelernt, sich mit dieser am 18.11.2017 verlobt und am XXXX2018 nach islamischem, traditionellen Ritus geheiratet. Eine standesamtliche Eheschließung liegt nicht vor. Auf Grund zuvor langjähriger Aufenthalte in Deutschland verfügt sie - neben arabische Sprachkenntnissen - über sehr gute Deutschkenntnisse. Wegen der Wohnsitzbeschränkung während des Asylverfahrens wohnte die bP zeitlich beschränkt bei ihr. Mit Bescheid vom 16.01.2018 wurde dieser vom Bundesamt der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Im Europäischen Strafregister-Informationssystem ECRIS scheinen bei der Bp in der Bundesrepublik folgende strafrechtliche Verurteilungen auf:

1. Betrug, Geldstrafe in der Höhe von 20 Tagessätzen, letzte Tathandlung 29. Mai 2000

2. Betrug bei öffentlichen Leistungen sowie bei Sozial-oder Familienleistungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Geldstrafe zu 60 Tagessätzen, letzte Tathandlung 25. November 2000

3. Beleidigung, versuchte Nötigung, Geldstrafe zu 50 Tagessätzen, letzte Tathandlung 22. November 2000

4. Beförderungserschleichung, Geldstrafe zu 25 Tagessätzen, letzte Tathandlung 3. August 2000

5. Erschleichung von Leistungen, ein Monat Freiheitsstrafe, Datum der letzten Tathandlung 20. November 2001

6. Schwerer Raub, Datum der letzten Tathandlung 26. November 2001, Freiheitsstrafe drei Jahre 14 Tage, teilweise zur Bewährung ausgesetzte Strafe, Ende 24. März 2007

7. Gefährliche Körperverletzung, Freiheitsstrafe acht Monate zur Bewährung ausgesetzte Strafe, Ende 23. November 2008

8. Beleidigung in zwei Fällen, in einem Fall tateinheitlich mit Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, tateinheitlich mit versuchter Körperverletzung, Freiheitsstrafe zehn Monate, letzte Tathandlung 02.02.2006

9. Unerlaubte Einreise in Tateinheit mit unerlaubten Aufenthalt, § 52 StGB, § 4 AufenthG, Geldstrafe 90 Tagessätze, letzte Tathandlung 4. April 2016

10. Unerlaubte Einreise nach Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt ohne Pass, § 52 StGB, §§3ff AufenthG, Freiheitsstrafe 4 Monate, letzte Tathandlung 18.05.2016, Vollzugsende 16.09.2016

11. Unerlaubte Einreise nach Abschiebung in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt nach Abschiebung und erl. Aufenthalt ohne Pass, Freiheitsstrafe 6 Monate, letzte Tathandlung 04.11.2016, Vollzugsende 03.05.2017

In Österreich scheinen im Zeitraum von November 2017 bis Jänner 2018 14 rechtskräftige, verwaltungsstrafrechtliche Bestrafungen als Lenker bzw. Zulassungsbesitzer eines Kfz. wegen Verkehrsdelikte nach der StVO und dem KFG auf: dabei insbesondere

§ 20 Abs 2 StVO, Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit

§ 52 lit a Z 10a StVO, Nichtbeachtung einer durch Beschilderung

kundgemachten Geschwindigkeitsbeschränkung

§ 102 Abs 1 KFG iVm 14 Abs 4 KFG, Inbetriebnahme eines Kfz. ohne vorschriftgemäße Beleuchtung sowie weitere 10 Bestrafungen wegen Inbetriebnahme eines nicht den Vorschriften entsprechenden Kfz.

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Es ist nicht glaubhaft, dass die bP im Falle einer Rückkehr durch Familienangehörige der vormaligen Ehegattin entscheidungsrelevante Repressalien zu erwarten hätte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Libanon mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Das BVwG hat ergänzend nachfolgende Quellen im Verfahren herangezogen und zu Gehör gebracht: Konrad-Adenauer Stiftung, Informationen zur Lage syrischer Flüchtlinge im Libanon, 09.10.2017; AI-Amnesty Intanational Report 2017/2018; USDOS- Country Report on Human Rights Practices 2017-Lebanon; Australian Government, Department of Foreign Affairs and Trade, DFAT Country Information Report Lebanon, 23.10.2017.

Zusammengefasst ergibt sich aus den Berichten, dass insbesondere auf Grund der zahlreichen syrischen Flüchtlinge, die das Land aufgenommen hat, es zu einer wirtschaftlich angespannten Lage kommt. Die Grundversorgung der Bevölkerung ist jedoch gewährleistet. Wenngleich es Mängel im Sicherheitssystem gibt, ist Sicherheitslage im Libanon grundsätzlich stabil. Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP auf Grund ihres Persönlichkeitsprofiles sicherheitsrelevanten Problemlagen ausgesetzt wäre. Es konnte nicht glaubhaft gemacht werden, dass die beschwerdeführende Partei in den Blickpunkt der Hisbollah geraten ist. Abgeschobenen libanesische Staatsangehöriger werden wie alle Einreisenden überprüft. Es kann nicht festgestellt werden, dass diese deshalb entscheidungsrelevante Repressalien zu erwarten hätten.

2. Beweiswürdigung

Ad 1.1.1 Zur Person der beschwerdeführenden Partei

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus den unstreitigen Ermittlungsergebnissen, die überwiegend auf Grund der persönlichen Aussagen beruhen bzw. auf Grundlage von als unbedenklich zu erachtenden behördlichen Auskünften aus Deutschland oder der österreichischen Polizei.

Ad 1.1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates

Vorweg ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP sowie der Zeugin iSd § 15 AVG vollen Beweis über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können. Gerade im Asylverfahren kommt der persönlichen Aussage des Antragstellers besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch im Wesentlichen behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse über die berichtet wird, die sich vielfach, insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen, weitgehend einer Überprüfbarkeit entziehen.

Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des darin bezeugten Vorganges wurde nicht angetreten.

Die bP vermochte für das BVwG ihre dargelegte Fluchtgeschichte, nämlich eine Furcht vor drohender Verfolgung durch Familienangehörige der vormaligen Gattin bzw. durch die "Hizbollah", weil sie ohne Zustimmung deren Familie geheiratet habe, nicht glaubhaft machen.

Zentrales Argument für die Nichtglaubhaftmachung ist für das Gericht der Umstand, dass die bP anlässlich der Asylantragstellung in Österreich zuerst angab syrischer Staatsangehöriger zu sein und in Syrien einer entscheidungsrelevanten Gefährdung zu unterliegen. Dies zudem unter Angabe einer falschen Identität.

Hätte die bP tatsächlich im Libanon eine Gefährdung zu erwarten, so wäre der allgemeinen Lebenserfahrung nach zu erwarten, dass sie diese auch angibt und sich nicht auf vage Angaben zur Verfolgung in einem falschen Herkunftsstaat stützt, über den sie de facto kaum etwas weiß.

Dass sie das Vorbringen zuerst auf eine andere Staatsangehörigkeit bzw. einen anderen Herkunftsstaat stützt, legt nahe, dass sie im Libanon nicht wirklich Furcht vor Verfolgung bzw. entscheidungsrelevanter Gefährdung befürchtet, ansonsten sie diese vorgebracht hätte.

Die Erklärung für ihre falschen Angaben, nämlich, dass sie "Angst" gehabt habe die Wahrheit zu sagen ist nicht plausibel und erscheint als reine Schutzbehauptung. Gefragt, was ihr denn im Zuge der Einvernahme dann später plötzlich die Angst genommen habe, gab sie an, dass man sie über Syrien befragt hätte und sie aber nichts über Syrien wisse.

Bereits im Jahr 2011 hat sich die bP schon in Ungarn fälschlich als syrischer Staatsangehöriger ausgegeben, was zudem auch generell auf eine Persönlichkeit hinweist, die keine Scheu hat vor Behörden, trotz Aufforderung nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen, für die Erlangung eines Aufenthaltstitels über das Asylverfahren wesentliche Angaben tatsachenwidrig darzustellen. Aus ihrem Lebenslauf ergibt sich zudem, dass sie schon äußerst routiniert im Umgang mit europäischen Gerichten und Behörden ist und sich daher durchaus der Belehrung, nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen, besonders bewusst sein muss.

Das BVwG gelangt nach Durchführung der Verhandlung zweifelsfrei zum Ergebnis, dass die bP den Antrag auf internationalen Schutz nur deshalb stellte, weil sie einen Aufenthaltstitel über das Asylverfahren erlangen wollte und nicht weil sie Schutz vor Verfolgung im Libanon benötigt. Ein Aufenthaltstitel, den sie mangels persönlicher Erfüllbarkeit der Kriterien gem. dem NAG kaum erlangen kann und sie daher rechtsmissbräuchlich auf das AsylG, unter Zugrundelegung falscher Angaben, ausweicht.

Ihren Aussagen nach hat die bP die in Österreich dargelegte Gefährdung durch Familienangehörige der ehemaligen Gattin auch im deutschen Asylverfahren dargelegt und kam das BAMF demnach ebenfalls zum Ergebnis, dass daraus resultierend keine glaubhafte Gefährdung gegeben ist und die bP folglich in den Libanon abgeschoben.

Auf Grund der allgemeinen Lage im Libanon ergibt sich ebenfalls kein mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohendes bzw. reales Szenario, wonach Leib und/oder Leben der bP in hier entscheidungsrelevanter Weise mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bzw. real gefährdet wäre.

Ad 1.1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die bP ist diesen im Rahmen des gewahrten Parteiengehörs nicht konkret und substantiiert entgegen getreten.

3. Rechtliche Beurteilung

Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigter

1. § 3 AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).

Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlicher beschriebenen Weise - betroffen ist.

Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Der Antrag war nicht bereits gemäß §§4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen.

Nach Ansicht des BVwG sind auch die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

Wie sich aus den Erwägungen ergibt, ist es der bP nicht gelungen eine solche aus ihrer dargelegten Fluchtgeschichte glaubhaft zu machen, weshalb diese vorgetragenen und als fluchtkausal bezeichneten Angaben bzw. die daraus resultierenden Rückkehrbefürchtungen gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung somit gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Auch die allgemeine Lage ist im gesamten Herkunftsstaat nicht dergestalt, dass sich konkret für die beschwerdeführende Partei eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Nichtzuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter

1. § 8 AsylG

(1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK [Recht auf Leben], Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Rückkehrentscheidung zu verfügen, wenn diese gemäß § 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG nicht unzulässig ist.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird.

Art. 2 EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt: a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen; b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern; c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Art. 3 EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Rückkehrentscheidung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Rückkehrentscheidung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005).

2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Im gegenständlichen Fall ist es der beschwerdeführenden Partei nicht gelungen ihre vorgebrachte individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

Die beschwerdeführende Partei hat im Verfahren keine relevante Erkrankungen nachgewiesen, weshalb sich daraus kein Rückkehrhindernis ergibt.

Soweit man ihre nicht belegte Behauptung, sie würde an einer Psychose leiden und dagegen ein namentlich genanntes Medikament einnehmen, so hat sie dabei aber nicht behauptet, dass sie diese Behandlung nicht auch im Falle einer Rückkehr im Herkunftstaat erlangen könnte und wurde auch nicht behauptet, dass dieser Gesundheitszustand im Falle einer Flugreise in den Libanon eine reale Gefährdung herbeiführen könnte. Dies kann auch amtswegig nicht festgestellt werden.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation der beschwerdeführenden Partei ist festzuhalten, dass hinsichtlich der Lebensbedingungen in ihrem Herkunftsstaat von einer lebensbedrohenden Notlage, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des BVwG nicht gesprochen werden kann.

Bei der bP handelt es sich um einen gesunden, erwerbsfähigen Mann, der im Libanon aufgewachsen ist und dort auch über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfügt. Sie wird auch durch eine Schwester in Deutschland finanziell unterstützt. Die bP hat im Verfahren auch gar nicht vorgebracht, dass sie im Falle einer Rückkehr nicht in der Lage sein würde ihre Existenz zu sichern.

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung der beschwerdeführenden Partei in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückverbringung in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren.

Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen / Rückkehrentscheidung

1. § 10 AsylG Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

Gem. Abs 1 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn gem. Z 3 der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden (Abs 2).

1.1. Gegenständlich wurde der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

1.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Ein Sachverhalt, wonach der bP gem. § 57 Abs 1 Z 1-3 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen wäre, liegt hier nicht vor.

Da somit der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen und gem. § 57 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vom Bundesamt zu recht nicht zu erteilen war, ist gegenständlich eine Rückkehrentscheidung zu prüfen.

2. Da sich die bP nach Abschluss des Verfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG [Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung] fällt und ihr auch amtswegig kein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG zu erteilen war, ist diese Entscheidung gem. § 10 Abs 2 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung gem. dem 8. Hauptstück des FPG [Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Fremde] zu verbinden.

Dem zur Folge hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs 1 FPG [Rückkehrentscheidung] gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z2).

Gemäß Abs. 2 leg cit hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z2) und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die bP ist Staatsangehörige des Libanon und keine begünstigte Drittstaatsangehörige. Es kommt ihr auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher ist gegenständlich gem. § 52 Abs 2 FPG grds. die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu prüfen.

3. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

Für die Beurteilung ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:

Privatleben

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).

Familienleben

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben;

das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: zB Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgans (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).

Kinder werden erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).

Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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