TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/26 96/21/0849

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Veröffentlicht am 26.11.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §7 Abs3;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des H in Wien, geboren am 22. November 1969, vertreten durch Dr. Christian Tassul, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stadiongasse 6-8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 20. Juni 1996, Zl. Fr-270/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes (FrG) ausgewiesen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 11. Mai 1996 gegen 02.40 Uhr unter Umgehung der Grenzkontrolle von Ungarn kommend illegal nach Österreich eingereist, wo er im Gemeindegebiet von Schattendorf von einer österreichischen Bundesheerpatrouille ohne Dokumente und mit bloß geringfügigen Barmitteln betreten worden sei.

Die Hintanhaltung der illegalen Einreise von Fremden, die nicht im Besitz von Reisedokumenten und im Besitz bloß geringfügiger Barmittel seien, liege im öffentlichen Interesse. Der Beschwerdeführer habe somit die in § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG normierten Tatbestände verwirklicht. Der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stelle eine grobe Beeinträchtigung der maßgeblichen öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen dar, sodass eine Ausweisung dringend geboten sei.

Ein ausführliches Eingehen auf die Berufungsausführungen im Zusammenhang mit dem anhängigen Asylverfahren des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung erübrige sich nach Ansicht der belangten Behörde, weil dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz nur bei direkter Einreise zugekommen wäre. Eine solche liege im gegenständlichen Fall jedoch nicht vor, weil der Beschwerdeführer, wie er selbst in seinen niederschriftlichen Angaben vor der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg und dem Bundesasylamt ausgeführt habe, nicht direkt aus dem Irak, sondern aus Ungarn kommend illegal nach Österreich eingereist sei.

Auch der Umstand, dass in Ungarn prinzipiell kein staatliches Asylverfahren für außereuropäische Asylwerber vorgesehen sei, stehe der Annahme von Verfolgungssicherheit grundsätzlich nicht entgegen. Denn wie es nicht allein darauf ankomme, ob ein Staat die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet habe oder nicht, sondern darauf, ob etwaige in Kraft befindliche Bestimmungen zum Schutz von Asylwerbern auch tatsächlich angewendet würden, lasse umgekehrt die Tatsache, dass ein Staat die Genfer Flüchtlingskonvention nicht vollinhaltlich, sondern nur auf in Europa stattfindende Ereignisse vorbehalten ratifiziert habe, nicht zwingend den Schluss zu, dieser Staat werde gegenüber anderen Flüchtlingen keinen Schutz vor Verfolgung gewähren. Dafür aber, dass der Beschwerdeführer das in Ungarn mögliche "UNHCR-Verfahren" samt dem damit verbundenen de-facto-Schutz vor Verfolgung nicht hätte in Anspruch nehmen können, bestehe, nach dem der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Sachverhalt kein Anhaltspunkt. Aus objektiver Sicht müsse daher festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Ungarn die Möglichkeit offen gestanden wäre, sich dort an das Büro des UNHCR zu wenden, wodurch er die de-facto-Sicherheit vor Verfolgung erlangen hätte können. Der Vollständigkeit halber werde bemerkt, dass das neue, bereits mit 1. Mai 1994 in Kraft getretene ungarische Ausländerrecht in seinem Art. 32 das "Refoulement-Verbot" des Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention übernommen habe, weshalb das Bundesasylamt auch diesbezüglich zum Schluss komme, dass dem Beschwerdeführer der erforderliche Schutz im Fall eines begründeten und glaubhaften Vorbringens zukomme bzw. zugekommen wäre.

Der vom Beschwerdeführer in der Berufung vorgebrachten Befürchtung, ihm drohe in seiner Heimat ernsthafte Verfolgung, sei entgegenzuhalten, dass diesbezüglich die Möglichkeit bestehe, einen Antrag auf Feststellung gemäß § 54 FrG zu stellen. Darüber hinaus habe die gegenständliche Ausweisung lediglich ein Ausreisegebot aus Österreich zum Inhalt und nicht eine Rückkehrverpflichtung in den Irak.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 2 FrG in der hier maßgeblichen Fassung vor der FrG-Novelle 1996 können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie (Z. 4) innerhalb eines Monats nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen oder (Z. 6) unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Teiles oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen einem Monat betreten werden.

Der Beschwerdeführer räumt in seiner Beschwerde ein, am 11. Mai 1996 von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Er hält den angefochtenen Bescheid unter Hinweis darauf, bereits am 14. Mai 1996 einen Asylantrag gestellt zu haben, aber insofern für rechtswidrig, als die belangte Behörde im Hinblick auf ein asylrechtliches vorläufiges Aufenthaltsrecht von der Erlassung des Ausweisungsbescheides vor Beendigung des Asylverfahrens hätte Abstand nehmen müssen. Es hätte berücksichtigt werden müssen, dass der Beschwerdeführer nicht selbstständig nach eigener Planung, sondern mit der Hilfe eines Fluchthelfers, dem er hinsichtlich der Reiseroute vollkommen ausgeliefert gewesen sei, nach Österreich gelangt sei. Die von ihm durchreisten Länder Türkei und Ungarn seien der Genfer Flüchtlingskonvention hinsichtlich außereuropäischer Länder nicht beigetreten. In einem solchen Fall sei im Hinblick auf das Prinzip großzügiger Schutzgewährung § 6 des Asylgesetzes 1991 dahingehend zu erweitern, dass ein vorläufiges Aufenthaltsrecht auch solchen Asylwerbern zuzuerkennen sei, die einen Schutz vor Rückschiebung in den Verfolgerstaat nicht in gleichem Ausmaß wie Österreich gewährten. Die belangte Behörde hätte die Ausweisung des Beschwerdeführers nicht vor einer Mitteilung der Asylbehörde gemäß § 7 Abs. 3 Asylgesetz 1991 verfügen dürfen. In Ungarn bestehe kein förmliches Verfahren hinsichtlich der Einhaltung des Refoulement-Verbotes. Es komme darauf an, ob etwaige in Kraft befindliche Bestimmungen zum Schutz von Asylwerbern im Drittstaat auch tatsächlich angewendet würden.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer, der im Verwaltungsverfahren keine Hinweise darauf gemacht hat, dass er in Ungarn im Sinn des § 37 Abs. 1 der 2 FrG bedroht oder zumindest vor einer Rückabschiebung nicht sicher gewesen wäre, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat sich vielmehr ausreichend mit der Situation von Asylwerbern in Ungarn auseinander gesetzt, und auch der Vorwurf, sie habe dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser ihrer Einschätzung gegeben, ist schon deshalb nicht zielführend, weil in der Beschwerde ihre Unrichtigkeit gar nicht behauptet wird. Der fristgerechte Asylantrag konnte daher dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1997, Zl. 96/21/0390).

Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass § 17 Abs. 2 FrG der belangten Behörde Ermessen einräumt; die Behörde hat sich bei ihrer Ermessensübung davon leiten zu lassen, von welchem Gewicht die Störung der öffentlichen Ordnung ist. Im Hinblick darauf, dass den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten ein hoher Stellenwert zukommt, handelt es sich bei der unrechtmäßigen Einreise des Beschwerdeführers nicht um eine bloß geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung, weshalb die Ausweisung auch insofern nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig zu erkennen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 95/21/0978).

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, im Irak drohe ihm Folter und Willkür, vermag der Beschwerde zu keinem Erfolg zu verhelfen. Der Beschwerdeführer verkennt hiebei nämlich, dass im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung von der Behörde nicht auf eine allfällige Gefährdungs- oder Bedrohungssituation des Fremden in seinem Heimatstaat Bedacht zu nehmen ist. Zur Prüfung der Frage, ob eine derartige Situation vorliegt, steht vielmehr ein eigenes Verfahren zur Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat zur Verfügung. Mit der Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 FrG ist nämlich ausschließlich die Verpflichtung des Fremden verbunden, unverzüglich auszureisen; es wird damit jedoch nicht (auch) ausgesprochen, in welchen Staat er auszureisen hat oder dass er allenfalls abgeschoben wird.

Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996210849.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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