Entscheidungsdatum
22.08.2018Norm
AlVG §20Spruch
I419 2187344-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Vorsitzenden sowie die fachkundige Laienrichterin Dagmar Rudigier und den fachkundigen Laienrichter Stefan Frieß als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS Kufstein vom 20.12.2017, Zl. XXXX, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
A) Der angefochtene Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stand von 16.01.2017 bis 05.09.2017 in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis und beantragte am 06.09.2017 Arbeitslosengeld bei der belangten Behörde.
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass dem Beschwerdeführer ab dem 27.09.2017 Arbeitslosengeld von €
38,68 täglich gebühre. Dieser erfülle aufgrund seines Dienstverhältnisses im Jahr 2017 die Anwartschaft. Als Berechnungsbasis diene die Jahresbeitragsgrundlage 2016. Diese setzte sich aus einer Urlaubsersatzleistung für 01. bis 03.01.2016 und einem Beschäftigungsverhältnis von 21. bis 23.12.2016 zusammen. Im Beschäftigungsverhältnis habe der Beschwerdeführer ein arbeitslosenpflichtiges Entgelt in der Höhe von € 586,-- einschließlich Sonderzulagen erhalten, woraus sich ein monatliches Entgelt von € 5.859,99 ergäbe, welches jedoch "nicht verwertbar" sei.
Dieser Verdienst sei nämlich "für eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter" nicht in realistischen "Einklang" mit dem kollektivvertraglich gebührendem Entgelt "zu bringen". Es sei daher statt dessen der kollektivvertragliche Anspruch von € 2.701,-- brutto monatlich als Ausgangsbasis der Berechnung heranzuziehen. Insgesamt ergebe sich daher eine Gesamtbeitragsgrundlage 2016 von EUR 2.933,43 monatlich für die Berechnung des Höhe des Arbeitslosengeldes.
In der Beschwerde dagegen führt der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass von vornherein klar gewesen sei, dass er drei Tage lang zum Zwecke der Erstellung des Jahresabschlusses arbeiten und pro Arbeitstag ein Bruttogehalt von € 200,-- erhalten werde. Dies ergebe sich aus dem Abmeldegrund "Zeitablauf" und dem Dienstzettel. Außerdem sei es legitim, dass eine entsprechend qualifizierte Person für die erbrachte Tätigkeit ein Gehalt in der ausbezahlten Höhe lukriere. Es sei nicht das kollektivvertragliche Entgelt sondern das tatsächlich erhaltene Gehalt zur Berechnung der Beitragsgrundlage heranzuziehen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer hat für seine dreitägige Tätigkeit ein Bruttogehalt von € 600,-- zuzüglich € 100,-- Sonderzahlungen erhalten. Davon hat der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge von € 73,48 (aufgrund der Höchstbemessungsgrundlage 2016 berechnet von € 486,--) und € 14,12 für die Sonderzahlungen abgeführt.
Wegen der Höchstbemessungsgrundlage betrug das arbeitslosenversicherungspflichtige Entgelt aus dem Dienstverhältnis im Zeitraum von 21.12. bis 23.12.2016 inklusive Sonderzahlungen €
586,--.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie dem Gerichtsakt und ist unbestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A):
Strittig ist im vorliegenden Fall lediglich, ob das tatsächliche für drei Tage dauernde Dienstverhältnis erhaltene Entgelt auf ein Monatsentgelt hochgerechnet und zur Berechnung der Beitragsgrundlage herangezogen werden muss, oder ob das kollektivvertragliche Entgelt heranzuziehen ist.
Die relevanten Bestimmungen des AlVG lauten:
"§ 20 (1) Das Arbeitslosengeld besteht aus dem Grundbetrag und den Familienzuschlägen sowie einem allfälligen Ergänzungsbetrag.
(2) [...]
§ 21 (1) Für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen die nach den vorstehenden Sätzen heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so sind jeweils die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres heranzuziehen. Durch Teilung des Entgelts der maßgeblichen Jahresbeitragsgrundlagen durch zwölf ergibt sich das monatliche Bruttoeinkommen. Zeiten, in denen der Arbeitslose infolge Erkrankung (Schwangerschaft) nicht das volle Entgelt oder wegen Beschäftigungslosigkeit kein Entgelt bezogen hat, sowie Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung, wenn es für den Arbeitslosen günstiger ist, bleiben bei der Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht. In diesem Fall ist das Entgelt durch die Zahl der Versicherungstage zu teilen und mit 30 zu vervielfachen. [...]
Nach dem Wortlaut des oben zitiertem § 21 Abs. 1 AlVG ist für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes das arbeitslosenversicherungspflichtige Entgelt heranzuziehen. Zeiten, in denen wegen Beschäftigungslosigkeit kein Entgelt bezogen wurde, bleiben außer Betracht. Das Entgelt ist dann durch die Zahl der Versicherungstage zu teilen und mit 30 zu vervielfachen. Es ist im Gesetz kein Hinweis darauf zu finden, dass unter "Entgelt" statt des tatsächlichen ein fiktives zu verstehen wäre, etwa nur das kollektivvertragliche.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem das Heranziehen einer Jahresbeitragsgrundlage auf Grund einer nur kurzfristigen Beschäftigung - konkret vom 20.08. bis 09.09. - als gesetzmäßig erkannt, da dem Gesetz "nicht entnommen werden [könne], dass Jahresbeitragsgrundlagen nur aufgrund ‚regelmäßiger, über einen längeren Zeitraum erhaltener Entgeltzahlungen' zu ermitteln wären". (VwGH 26.04.2002, 99/02/0103).
Die Rechtsansicht des AMS, wonach - einfach ausgedrückt - ein Entgelt, welches für kurze Zeit bezahlt wird, nicht als Grundlage herangezogen werden dürfe, wenn sich umgerechnet auf 30 Tage deutlich mehr ergibt, als kollektivvertraglich garantiert, lässt sich demnach nicht mit AlVG und Rechtsprechung vereinbaren. Sie kann sich auch nicht auf die im Bescheid zitierte Entscheidung (99/02/0190) stützen, nach der bei Erkennen eines allfälligen Fehlers in der heranzuziehenden Berechnungsgrundlage diese richtig zu stellen und das Arbeitslosengeld auf der Grundlage der berichtigten Daten zu ermitteln ist.
Unstrittig hat der Beschwerdeführer das festgestellte Entgelt bezogen, wie es auch vereinbart war. Daran ändert die zusätzliche Anführung einer kollektivvertraglichen Zuordnung der Tätigkeit und des dafür festgesetzten Mindestgehalts nichts. Von einem "Fehler" kann somit nicht die Rede sein. Die Einbeziehung ungewöhnlich hoher Bezüge wird dagegen durch die gesetzliche Limitierung des arbeitslosenversicherungspflichtigen Entgelts unterbunden, soweit der Gesetzgeber sie verhindern wollte.
Insofern ist auch auf die Argumentation des Beschwerdeführers zu verweisen, dass es nicht angehe, ein- und dasselbe Gehalt zwar für die Berechnung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung als Basis zu nehmen, jedenfalls bis zur Höchstbemessungsgrundlage, jedoch für die anschließende Anspruchsberechnung nur mehr mit dem kollektivvertraglich garantierten Teil. Dies erschiene jedenfalls auch unter Sachlichkeitsaspekten verfassungsrechtlich bedenklich.
Aus diesem Grund wird die belangte Behörde die Jahresbeitragsgrundlage neu zu ermitteln und basierend darauf auch die Höhe des Arbeitslosengeldes neu zu berechnen haben. Der angefochtene Bescheid war dazu aufzuheben.
Zurückverweisung zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde:
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z. 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z. 2).
Nach § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Beschwerdevorlage unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Im vorliegenden Fall hat es die belangte Behörde unterlassen, die bestehende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in ihre Entscheidung miteinzubeziehen und in der Folge ein fiktives Einkommen herangezogen, was zur unrichtigen Berechnung des Anspruchs des Beschwerdeführers führte.
Da nun für das Dienstverhältnis vom 21.12. bis 23.12.2016 die monatliche Bemessungsgrundlage neu zu ermitteln und basierend darauf mit den Sonderzahlungen auch die Jahresbeitragsgrundlage neu zu berechnen ist, und erst daraus die Höhe des dem Beschwerdeführer zustehende Arbeitslosengeldes errechnet werden kann, war die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Es ist im Interesser der Raschheit und Kostenersparnis gelegen, dass die belangte Behörde diese Berechnungen anstellt, zumal diese über die Berechnungslogistik des Bundesrechenzentrums verfügt. Eine solche IT-Unterstützung steht dem Gericht nicht zur Verfügung, zumal der im Internet angebotene "Arbeitslosengeld-Rechner" des AMS nur Berechnungen für aktuelle Sachverhalte ermöglicht.
Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Antrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Dem Bundesverwaltungsgericht liegt ein umfassender Verwaltungsakt mit einem ausreichenden Ermittlungsverfahren und entsprechenden Ermittlungsergebnissen vor.
Eine mündliche Erörterung und die Einvernahme der Parteien hätte daher keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen. Der Sachverhalt war entscheidungsreif im Sinne des eben angeführten § 24 Abs. 4 VwGVG. Es liegt eine reine Rechtsfrage vor. Der Beschwerdeführer hat keine Verhandlung beantragt, die belangte Behörde verzichtete ausdrücklich auf diese. Daher konnte von einer Verhandlung abgesehen werden.
Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu kurzen Beschäftigungszeiten. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich anzusehen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Arbeitslosengeld, Bemessungsgrundlage, Berechnung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I419.2187344.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.09.2018