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50/01 GewerbeordnungNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von – an Gewerbetreibende gerichteten – Bestimmungen der GewO 1994 betreffend die Prüfung der Zuverlässigkeit von Arbeitnehmern des Gewerbes der Berufsdetektive und des Überwachungsgewerbes mangels unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre des antragstellenden BerufsdetektivsSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litc B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter, der Verfassungsgerichtshof möge die Wortfolge "Zuverlässigkeit und" in §130 Abs8 GewO 1994, in eventu §130 Abs8 GewO 1994, §130 Abs9 GewO 1994, §130 Abs10 GewO 1994, die Wortfolge "oder 130 Abs 8" in §367 Z50 GewO 1994 in eventu §367 Z50 GewO 1994, die Wortfolge "oder 130 Abs9" in §367 Z51 GewO 1994, in eventu §367 Z51 GewO 1994 und §336a Abs2 GewO 1994 als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
§130 und §336a Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl 194/1994 idF BGBl I 50/2012 lauten auszugweise wie folgt:
"§130. …
(8) Die zur Ausübung des Gewerbes der Berufsdetektive sowie die zur Ausübung des Bewachungsgewerbes berechtigten Gewerbetreibenden dürfen zur Ausübung der ihren Gewerben vorbehaltenen Tätigkeiten (§129 Abs1 bzw. Abs4) nur Arbeitnehmer verwenden, die eigenberechtigt sind und die für diese Verwendung erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung besitzen.
(9) Die im Abs8 genannten Gewerbetreibenden sind verpflichtet, der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, der Landespolizeidirektion, als Sicherheitsbehörde ein Verzeichnis aller Personen, die für eine der im §129 Abs1 bzw. Abs4 genannten Tätigkeiten herangezogen werden, spätestens zwei Wochen vor dem Beginn ihrer Verwendung vorzulegen; jede Änderung hinsichtlich der für die im §129 Abs1 bzw. Abs4 genannten Tätigkeiten herangezogenen Personen ist dieser Behörde binnen zwei Wochen anzuzeigen. Das Verzeichnis oder die Anzeigen von Änderungen dieses Verzeichnisses haben neben dem Vor- und Familiennamen der betreffenden Person auch deren Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Unterkunft (Wohnung) zu enthalten.
(10) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen die Zuverlässigkeit einer gemäß Abs9 bekannt gegebenen Person nicht gegeben, so hat die Sicherheitsbehörde dem Gewerbetreibenden ohne unnötigen Aufschub schriftlich mitzuteilen, dass der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt."
"§336a. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörden, in Gebieten von Gemeinden, für die Landespolizeidirektionen zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz sind, diese, haben als Sicherheitsbehörden bei den im §95 angeführten Gewerben bei der in dieser Bestimmung vorgeschriebenen Überprüfung der Zuverlässigkeit mitzuwirken. In Fällen, in denen dieses Bundesgesetz eine Mitwirkung des Bundesministers für Inneres oder der Landespolizeidirektion im Verfahren zur Erlangung einer Gewerbeberechtigung vorsieht (§§107 Abs5, 132 Abs1, 141 Abs1 und 148), obliegt diesen Behörden auch die Mitwirkung an der Feststellung der erforderlichen Zuverlässigkeit
(2) Die Behörden gemäß Abs1, die auf Grund dieses Bundesgesetzes die Zuverlässigkeit einer Person sicherheitspolizeilich zu überprüfen haben, sind ermächtigt, die personenbezogenen Daten, die sie bei der Vollziehung von Bundes- oder Landesgesetzen über diese Person ermittelt haben, zu verarbeiten und Daten, die Bedenken an der Zuverlässigkeit des Betroffenen begründen, in den Fällen des Abs1 der Gewerbebehörde mitzuteilen."
§367 GewO 1994 idF BGBl I 155/2015 lautet auszugweise wie folgt:
"Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe […] zu bestrafen ist, begeht, wer
[…]
50. Arbeitnehmer beschäftigt, die nicht die gemäß den §§106 Abs4, 116 Abs5 oder 130 Abs8 erforderliche Zuverlässigkeit besitzen;
51. der Verpflichtung gemäß §106 Abs5, §116 Abs6 oder §130 Abs9 zur Vorlage des Personalverzeichnisses oder zur Anzeige von Änderungen dieses Verzeichnisses nicht rechtzeitig nachgekommen ist; […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Antragsteller hat seinem Vorbringen nach den Universitätslehrgang "Security and Safety Management (MSc)" an der Donau-Universität Krems mit dem akademischen Grad Master of Science (Security and Safety Management) abgeschlossen und ist seit Mai 2015 als Berufsdetektiv tätig. Ein von ihm angestrebter Arbeitsvertrag und die Bestellung zum Prokuristen eines Unternehmens, das die Tätigkeit des Sicherheitsgewerbes ausübt, kamen wegen der negativen Beurteilung der Zuverlässigkeit des Antragstellers durch die Landespolizeidirektion Salzburg nicht zu stande.
2. Zur Zulässigkeit seines Antrages bringt der Einschreiter zusammengefasst vor, dass §130 Abs8 GewO 1994 den zur Ausübung des Gewerbes der Berufsdetektive sowie den zur Ausübung des Bewachungsgewerbes berechtigten Gewerbetreibenden bei ihren Gewerben vorbehaltenen Tätigkeiten die Beschäftigung von Arbeitnehmern untersage, denen die für diese Verwendung erforderliche Zuverlässigkeit fehle. Ein Verstoß gegen dieses Verbot werde mit Strafe bedroht. Die Zuverlässigkeit einer Person im Sinne des §130 Abs8 GewO 1994 habe die Sicherheitsbehörde – in einer den Gewerbetreibenden bindenden Weise – zu beurteilen. Die Mitteilung der Sicherheitsbehörde gemäß §130 Abs10 GewO 1994 bewirke ein mit Strafe bedrohtes Verbot, den Betroffenen zu beschäftigen.
Der Verfassungsgerichtshof habe in der Entscheidung VfSlg 15.305/1998 zu einem an einen Arbeitgeber gerichteten Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern festgestellt, dass dieses Verbot sich durch seinen Zweck und Inhalt auch auf die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen derart auswirke, dass damit nicht nur ihre wirtschaftliche Lage, sondern auch ihre Rechtssphäre unmittelbar gestaltet werde.
Die Mitteilung der Landespolizeidirektion Salzburg habe zur Folge, dass es seinem potentiellen Arbeitgeber gemäß §130 Abs8 GewO 1994 verboten sei, den Antragsteller bei Tätigkeiten des Sicherheitsgewerbes zu beschäftigen. Dadurch werde auch in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen. Dieser Eingriff sei ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für den Antragsteller wirksam. Der Antragsteller sei daher durch die Verfassungswidrigkeit der Abs8 und 10 des §130 GewO 1994 unmittelbar betroffen.
3. Wegen des untrennbaren Zusammenhangs würden auch die §§130 Abs9, 367 Z50 und Z51 sowie 336a Abs2 GewO 1994 angefochten.
4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge den Antrag als unzulässig zurückweisen, in eventu abweisen. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art140 Abs5 B-VG eine Frist von einem Jahr für das Außerkrafttreten bestimmen.
IV. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist nicht zulässig.
2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 Z1 litc B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).
3. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.
4. Nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
5. Die angegriffenen §§130 Abs8, 9 und 10 sowie 367 Z50 und 51 GewO 1994 sind ausschließlich an Gewerbetreibende, die zur Ausübung des Gewerbes der Berufsdetektive sowie des Überwachungsgewerbes berechtigt sind, adressiert. Sie regeln einerseits deren Rechte und Pflichten und sanktionieren andererseits Verstöße gegen diese Pflichten.
§336a Abs2 GewO 1994 ermächtigt die Sicherheitsbehörden, die auf Grund der GewO die Zuverlässigkeit einer Person sicherheitspolizeilich überprüfen, personenbezogene Daten, die sie bei der Vollziehung von Bundes- oder Landesgesetzen ermittelt haben, zu verarbeiten und Daten, die Bedenken an der Zuverlässigkeit des Betroffenen begründen, der Gewerbehörde mitzuteilen.
6. Der Umstand, dass dem Antragsteller auf Grund dieser Bestimmungen die Möglichkeit, einen Arbeitsvertrag abzuschließen, genommen wird, ist lediglich eine faktische (wirtschaftliche) Reflexwirkung dieser Norm, weshalb allenfalls der Arbeitgeber des Antragstellers, nicht aber dieser selbst zur Anfechtung der Norm berechtigt wäre (vgl. VfSlg 12.858/1991, 14.984/1997, 15.184/1998, 15.530/1999, 16.969/2003, 18.512/2008 uva.).
7. Der Antragsteller verweist zur Zulässigkeit seines Antrages auf die Entscheidung VfSlg 15.305/1998. Aus diesem Erkenntnis ist für den Antragsteller deshalb nichts zu gewinnen, weil die damals bekämpften Bestimmungen des Arbeitsruhegesetzes – im Gegensatz zur Rechtslage im vorliegenden Fall – nicht nur Rechte und Pflichten des Arbeitgebers, sondern auch Rechte und Pflichten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in einem schon bestehenden Arbeitsverhältnis gestalteten.
Im vorliegenden Fall ist es aber ausgeschlossen, dass die angefochtenen Bestimmungen eine solche Wirkung entfalten können.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, GewerberechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:G128.2017Zuletzt aktualisiert am
26.09.2018