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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des M D, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 27. Jänner 2017, E 018/07/2015.036/008, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Burgenland), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Burgenland vom 30. Juli 2015 wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 zweites Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt, da er in einem näher bezeichneten Lokal als Organisator zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen mit vier näher bezeichneten Glücksspielgeräten organisiert habe. Er sei am Organisieren des Glücksspiels beteiligt gewesen, indem er "die 4 Glücksspielgeräte im besagten Lokal veranlasst" habe, die Geräte nach der Sperrstunde ausgeschaltet habe, beim Öffnen des Lokals wieder eingeschaltet habe, die Geldkassette mit dem Wechselgeld hinter der Bar aufbewahrt habe, bei eventuellen Störungen den Aufsteller bzw. Betreiber verständigt habe, einen roten Steckschlüssel vom Aufsteller erhalten habe und den Mietvertrag für den Raum, in dem sich die Glücksspielgeräte befunden hätten, zusammen mit dem Aufsteller bzw. Betreiber der Glücksspielgeräte unterzeichnet habe.
2 In der zuvor übermittelten Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11. Mai 2015 wurde dem Revisionswerber ebenfalls vorgehalten, er habe verbotene Ausspielungen organisiert und habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 Z 1 zweites Tatbild GSpG begangen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Landesverwaltungsgericht Burgenland (LVwG) das angefochtene Straferkenntnis ua. mit der Maßgabe, dass es die Tatumschreibung im Spruch dahingehend abänderte, dass der Revisionswerber als Betreiber des näher bezeichneten Lokals verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht habe, indem er gegen ein monatliches Entgelt die Aufstellung und den Betrieb von vier näher bezeichneten Glücksspielgeräten in der Räumlichkeit des Lokals nicht nur geduldet, sondern diese Geräte auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und spielbereit gehalten habe. Weiters sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das LVwG nach Darstellung des Verfahrensgangs im Wesentlichen aus, angesichts des festgestellten und unbestrittenen Sachverhaltes sei der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt. Eine mündliche Verhandlung wurde - aufgrund eines Verzichts sämtlicher Verfahrensparteien - nicht durchgeführt.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag auf Aufhebung des Erkenntnisses wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, und/oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die Revision ist im Sinne des Zulässigkeitsvorbringens, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der Präzisierung des Tatvorwurfes durch das Verwaltungsgericht, zulässig. Sie ist auch begründet.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) zulässig, wenn es nicht zu einem "Austausch der Tat" durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. etwa VwGH 27.2.2015, 2011/17/0131, oder auch 15.5.2017, Ra 2017/17/0214).
8 Schon nach der Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat - unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius gezogenen Grenzen - einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen. Es kann auch im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden, für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten (VwGH 15.5.2017, Ra 2017/17/0214, mwN).
9 Im Revisionsfall kam es durch das angefochtene Erkenntnis allerdings insofern zu einem - unzulässigen - Austausch der Tat, als dem Revisionswerber erstmals in diesem Erkenntnis vorgeworfen wurde, er sei der Betreiber des näher bezeichneten Lokals. Außerdem wurde ihm erstmals vorgeworfen, er habe gegen ein monatliches Entgelt verbotene Ausspielungen nicht nur geduldet, sondern auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und spielbereit gehalten. Der Revisionswerber hatte auch keine Gelegenheit, sich zu diesem geänderten Tatvorwurf zu äußern, da vor dem Verwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung stattfand.
10 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
11 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 6. September 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170730.L00Im RIS seit
27.09.2018Zuletzt aktualisiert am
13.11.2018