TE Vwgh Erkenntnis 2018/9/6 Ra 2017/17/0456

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Veröffentlicht am 06.09.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
VStG §31 Abs2;
VStG §51 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §43 Abs1;
VwGVG 2014 §43;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der S A in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 14. April 2017, LVwG-2015/46/2472-3, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen die revisionswerbende Partei wegen Übertretung des Glücksspielgesetzes (Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 31. August 2015, SI-531-2015) gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG eingestellt wird.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 31. August 2015 wurden über die Revisionswerberin wegen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild iVm § 2 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) näher bezeichnete Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG), welche am 29. September 2015 (spätestens am 30. September 2015) bei der belangten Behörde einlangte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG, soweit für den Revisionsfall von Relevanz, der Beschwerde insofern Folge, als es Spruchpunkt 8 des bekämpften Straferkenntnisses behob und das Strafverfahren diesbezüglich einstellte. Im Übrigen wies es die Beschwerde unter Vornahme einer näher ausgeführten Spruchberichtigung ab, schrieb der Revisionswerberin die Bezahlung näher bezeichneter Kosten des Beschwerdeverfahrens vor und sprach aus, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. Dieses Erkenntnis wurde dem Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten zufolge der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht am 25. April 2017 und der Revisionswerberin am 2. Mai 2017 zugestellt.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren einen als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision erweist sich hinsichtlich des in der Zulässigkeitsbegründung vorgebrachten Verstoßes gegen § 43 Abs. 1 VwGVG als zulässig und berechtigt.

6 Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 15 Monate vergangen, tritt es gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen.

7 Für den Fall eines mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu bekämpfenden verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses hat der Gesetzgeber in § 43 VwGVG dieselbe 15-monatige Frist festgelegt, wie sie zuvor in § 51 Abs. 7 VStG normiert war. § 43 VwGVG ist daher dahin auszulegen, dass ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis außer Kraft tritt, wenn seit Einlangen der rechtzeitig und zulässig eingebrachten Beschwerde 15 Monate vergangen sind (z.B. VwGH 12.9.2016, Ra 2016/04/0081, mwN).

8 Entscheidet das Verwaltungsgericht über ein nach Ablauf der 15-monatigen Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG von Gesetzes wegen außer Kraft getretenes verwaltungsbehördliches Straferkenntnis, so belastet es dadurch sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. wiederum VwGH 12.9.2016, Ra 2016/04/0081, mwN).

9 Ein Bescheid ist als erlassen anzusehen, wenn dieser zumindest einer der am Verfahren beteiligten Person zugestellt worden ist (was sinngemäß für jede förmlich ergangene Entscheidung gilt; vgl. VwGH 25.11.2015, Ra 2015/09/0104). Im vorliegenden Fall endete die 15-monatige Frist des § 43 VwGVG gerechnet vom Datum der Beschwerdeeinbringung (ohne Einbeziehung einer etwaigen Hemmung) spätestens am 30. Dezember 2016 und war daher im Zeitpunkt der maßgeblichen Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses am 25. April 2017 bereits abgelaufen.

10 Auch unter Einrechnung einer (allfälligen) Fristhemmung durch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 2. Juli 2016, E 945/2016 ua., gemäß § 86a VfGG war die Frist im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses am 25. April 2017 bereits abgelaufen:

11 Der genannte Beschluss des VfGH wurde am 12. Juli 2016 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I Nr. 57/2016) kundgemacht; das diesbezügliche Erkenntnis des VfGH vom 15. Oktober 2016 wurde am 3. November 2016 im Bundesgesetzesblatt (BGBl. I Nr. 91/2016) kundgemacht. Die Wirkungen des § 86a VfGG treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Beschlusses ein und enden mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Erkenntnisses.

12 Durch die Hemmung wird die Verjährungsfrist um so viele Tage verlängert, als der die Hemmung bewirkende Zustand bestanden hat. Mit Ablauf des hemmenden Ereignisses läuft daher die Verjährungsfrist restlich weiter. Sie ist so zu berechnen, als ob sie um die Dauer des Hemmungszeitraumes verlängert worden wäre (VwGH 23.3.1983, 82/09/0160).

13 Unter Hinzurechnung des Hemmungszeitraumes von 114 Tagen endete die Frist daher am Samstag, dem 23. April 2017. Gemäß § 33 Abs. 2 AVG ist jedoch, wenn das Ende der Frist auf einen Samstag fällt, der nächste Tag, der kein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember ist, als letzter Tag der Frist anzusehen. Dies ist im vorliegenden Fall Montag, der 24. April 2017; das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 31. August 2015, SI-531-2015, war daher im Zeitpunkt der maßgeblichen Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses am 25. April 2017 bereits außer Kraft getreten.

14 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt (nochmals VwGH 12.9.2016, Ra 2016/04/0081, mwN). Dies trifft im vorliegenden Fall zu.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher dahingehend abzuändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Revisionswerberin gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG einzustellen ist, weil das verwaltungsbehördliche Straferkenntnis im Zeitpunkt der ersten Zustellung an die belangte Behörde am 25. April 2017 bereits außer Kraft getreten war.

16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 6. September 2018

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170456.L00

Im RIS seit

27.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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