TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/26 96/21/0966

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Veröffentlicht am 26.11.1999
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der E in Attnang-Puchheim, geboren am 4. November 1980, vertreten durch Dr. Alois Nussbaumer und Dr. Stefan Hoffmann, Rechtsanwälte in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. März 1996, Zl. St 127/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 1 iVm § 19 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Diese Maßnahme begründete sie wie folgt: Die Beschwerdeführerin sei nach einem vorherigen Einreiseversuch am 18. Oktober 1995 vermutlich am 6. Dezember 1995 "illegal" in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. Ihr Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz sei in erster Instanz mit Bescheid vom 13. Februar 1996 abgewiesen worden. Sie halte sich seit ihrer illegalen Einreise unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, weil ihr weder ein Sichtvermerk noch eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden sei. Ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina komme ihr nicht zu, weil sie sich zumindest in Laibach bereits in Sicherheit befunden habe und im Übrigen ihren Heimatstaat nicht auf Grund der bewaffneten Konflikte habe verlassen müssen.

In Österreich befinde sich die Mutter der Beschwerdeführerin. Im Hinblick auf die Kürze des unrechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin in Österreich werde nicht in relevanter Weise in ihr Privat- und Familienleben eingegriffen. Auch unter der Annahme eines solchen Eingriffs sei die Ausweisung der Beschwerdeführerin dringend geboten, weil bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt, vor allem aber auch das weitere Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet nach und trotz rechtskräftiger Abweisung eines Sichtvermerksantrags die öffentliche Ordnung in hohem Maß gefährde. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Es könne nicht geduldet werden, dass Fremde ohne entsprechende Bewilligung in das Bundesgebiet einreisten und hier die Behörden vor vollendete Tatsachen stellten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, sah

jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zugrunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die genannten Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die auf diesen Feststellungen aufbauende Ansicht der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhalte und demgemäß der Tatbestand des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG erfüllt sei, keine Bedenken.

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sieht die Beschwerdeführerin in einer unrichtigen Anwendung des § 19 FrG durch die belangte Behörde. Gemäß dieser Bestimmung ist, würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Diesbezüglich bringt die Beschwerdeführerin vor, ihre Mutter lebe seit 1991 in Österreich und sei sowohl im Arbeitsleben als auch im "gesellschaftlichen Sozialgefüge" integriert. Sie verfüge über ausreichende Wohnfläche und finanzielle Mittel, um die Beschwerdeführerin zu versorgen. Nachdem die Beschwerdeführerin der Gesetzeslage entsprechend im Ausland (Laibach) den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt habe, habe sie dort diese Entscheidung abwarten wollen. Nach etwa zwei Monaten sei jedoch ihre Lebenssituation (auf Grund der extrem angespannten finanziellen und durch Kriegswirren bedingten Nahrungs- und medizinischen Versorgungssituation) so dramatisch geworden, dass sich die Mutter der Beschwerdeführerin dazu entschlossen habe, diese aus Laibach nach Österreich zu holen. Sie seien sich sicher gewesen, durch die Antragstellung im Ausland das Erfordernis des § 6 Abs. 2 AufG erfüllt zu haben. Durch die Ausweisung werde in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführerin eingegriffen. Die Übertretung der fremdenpolizeilichen Vorschriften stelle nur einen äußerst geringen Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar, weil die Beschwerdeführerin bloß die unmittelbar bevorstehende Entscheidung nicht im Ausland abgewartet habe. Nach erfolgter Ausweisung wäre die Beschwerdeführerin als "minderjähriges Kind" in einem Land ohne jegliche Bindung völlig auf sich allein gestellt.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Unter Berücksichtigung des Aufenthalts bei ihrer Mutter im Inland ist zwar mit der Ausweisung ein relevanter Eingriff in ihr Familienleben verbunden. Diesem daraus erfließenden Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet steht jedoch das öffentliche Interesse an der Ausweisung der Beschwerdeführerin gegenüber, das aus dem hohen Stellenwert abzuleiten ist, der den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 95/21/1153). Angesichts der Kürze des - zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides erst ca. dreimonatigen - Aufenthalts der Beschwerdeführerin in Österreich kann von einer Integration im Inland keine Rede sein. Soweit die Beschwerdeführerin darauf verweist, auf die Nähe ihrer Mutter angewiesen zu sein, ist ihr zu entgegnen, dass sich - nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid - die Mutter seit vier Jahren in Österreich befindet und überdies zwei Schwestern der Beschwerdeführerin im Elternhaus zurückgeblieben sind. Es liegt somit die Annahme nahe, dass die Pflege und Erziehung der bereits über 15 Jahre alten Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise nach Österreich in ihrem Heimatstaat möglich gewesen ist. Dass diesbezüglich eine Änderung der Verhältnisse eingetreten wäre, wird von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt. Es wurde auch nicht vorgebracht, der Mutter der Beschwerdeführerin sei es unzumutbar, mit ihr gemeinsam ein Familienleben im Ausland zu führen. Dem der Ausweisung gegenüberstehenden privaten Interesse der Beschwerdeführerin kommt somit nicht ein solches Gewicht zu, dass das genannte öffentliche Interesse an der Erlassung der Ausweisung in den Hintergrund treten müsste. Es kann somit die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung dringend geboten und somit im Grund des § 19 FrG zulässig sei, nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996210966.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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