Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision des H in H, vertreten durch die Niedermayr Rechtsanwalt GmbH in 4400 Steyr, Stadtplatz 46, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 11. Juni 2018, Zl. LVwG-602441/7/JS/FE, betreffend Übertretungen der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde des Revisionswerbers gegen das von der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land gegen ihn wegen Übertretungen der §§ 52 lit. a Z 10 und 20 Abs. 2 StVO erlassene Straferkenntnis u.a. mit der Begründung ab, dass die akut auftretenden Krankheitssymptome seiner Hauskatze keine unmittelbare Bedrohung der Lebensmöglichkeit des Revisionswerbers darstellten (Hinweis auf Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 6 Rz 6, mwN aus der hg. Rechtsprechung). Dem geretteten Rechtsgut, nämlich der Gesundheit (allenfalls dem Leben) des Tieres fehle die Höherwertigkeit gegenüber dem geopferten Rechtsgut, also der Verkehrssicherheit, der Gesundheit (allenfalls dem Leben) des Revisionswerbers selbst sowie der anderen Verkehrsteilnehmer. Dem Revisionswerber hätte der erkennbar nur geringfügige Zeitgewinn von wenigen Minuten bei Inkaufnahme massiver Geschwindigkeitsüberschreitungen bewusst sein müssen (Hinweis auf VwGH 15.11.2000, 2000/03/0264) und es sei ihm zumutbar gewesen, die erlaubten Höchstgeschwindigkeiten einzuhalten. Das Gericht sprach unter Hinweis auf die in seiner rechtlichen Beurteilung zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 In der Revision wird zur Frage deren Zulässigkeit - auf das Wesentliche zusammengefasst - vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Notstand abgewichen, weil die enormen Leidenszustände der Katze nicht auf eine andere Art und Weise hätten abgemildert werden können als sie so rasch wie möglich zum Tierarzt zu bringen (Hinweis auf SSt 61/110). Ein anderes Verhalten sei von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen "im konkreten geradezu dramatischen und herzzerreißenden Anwendungsfall" nicht zu erwarten gewesen. Ex ante betrachtet habe er zur Abwehr der Notstandsituation das denkbar schonendste Verhalten gesetzt, weil "eine ethische Alternative (Töten der Katze? Nichtbehandlung?) wäre unseres Kulturkreises nicht würdig und ist daher rechtlich undenkbar."
6 Die Beurteilung, ob eine die Strafbarkeit ausschließende Notstandssituation gemäß § 6 VStG vorliegt, hat sich am festgestellten Sachverhalt zu orientieren und bildet damit keine über den jeweiligen Fall hinausgehende, grundsätzliche Rechtsfrage (vgl. VwGH 9.2.2016, Ra 2016/02/0014).
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat im geltenden Revisionsmodell damit bereits die rechtliche Einordnung sachverhaltsbezogener Fragen im Zusammenhang mit der Annahme einer Notstandssituation gemäß § 6 VStG der jeweiligen einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht zugeordnet.
8 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung könnte in diesem Zusammenhang nur vorliegen, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 24.10.2016, Ra 2015/02/0243).
9 Dass dem Verwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - ein derartiger Fehler unterlaufen wäre und es sich nicht an der bisher zu § 6 VStG ergangenen Rechtsprechung orientiert hätte, zeigt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf; dies ist nach Lage des Falles auch nicht ersichtlich. Der vom Revisionswerber zitierten Entscheidung OGH 24.9.1992, 15 Os 106/92, SSt 61/110, liegt mit einer Nötigung zur Mitwirkung an einem Raub ein gänzlich anders gelagerter Sachverhalt zu Grunde und der dort geforderten Zugrundelegung der Modellfigur eines rechtstreuen Menschen entsprach das Verwaltungsgericht ohnedies indem es darauf abstellte, welches Verhalten in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen zu erwarten ist (vgl. VwGH 28.3.2000, 98/05/0228), nämlich das Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten.
10 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 7. September 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020247.L00Im RIS seit
28.09.2018Zuletzt aktualisiert am
01.10.2018