TE Vwgh Beschluss 2018/9/7 Ra 2017/11/0244

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2018
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
60/01 Arbeitsvertragsrecht
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §41a
AVRAG 1993 §7g Abs1
AVRAG 1993 §7g Abs2
AVRAG 1993 §7i Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des C P in L, vertreten durch Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg, Kärntnerstraße 518, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgeric htes Steiermark vom 10. Juli 2017, Zl. LVwG 33.12-1408/2017-18, betreffend Übertretung des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Voitsberg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 13. März 2017 wurde dem Revisionswerber angelastet, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher gemäß § 9 Abs. 1 VStG Verantwortlicher der H GmbH (im Folgenden: H) zu verantworten, dass Organe der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse (in Folge: StGKK) als zuständiger Krankenversicherungsträger zumindest bis zum 11. November 2016 an der Durchführung ihrer Kontrolltätigkeit behindert worden seien, da den Kontrollorganen die Übermittlung der für die Tätigkeit nach § 7g Abs. 1 AVRAG erforderlichen Unterlagen verweigert wurde, obwohl der Revisionswerber mit Schreiben vom 28. Oktober 2016 nachweislich zur Übermittlung der Arbeitsverträge, Dienstzettel und Arbeitszeitaufzeichnungen für sämtliche im Jahr 2015 bei der H beschäftigten (insgesamt 47) Dienstnehmer aufgefordert worden sei. Dieses Aufforderungsschreiben sei am 2. November 2016 von einem näher genannten Arbeitnehmer der H übernommen worden. Die Unterlagen hätten demnach bis spätestens 4. November 2016 übermittelt werden müssen, was jedoch nicht geschehen sei.

Über den Revisionswerber wurden deswegen gemäß § 7i Abs. 1 letzter Satz iVm § 7g Abs. 2 AVRAG Geldstrafen (im Fall der Uneinbringlichkeit: Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

2 1.2. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers wurde vom Landesverwaltungsgericht Steiermark mit nach Durchführung mündlicher Verhandlungen ergangenem Erkenntnis vom 10. Juli 2017 als unbegründet abgewiesen und der Revisionswerber zu einem Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens verpflichtet. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

Das Verwaltungsgericht stützte sein Erkenntnis dabei auf folgende Annahmen:

Der Revisionswerber sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der H, bei welcher ab Anfang Oktober 2015 eine Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA-Prüfung) durch die StGKK stattgefunden habe. Ursprünglich habe der Prüfzeitraum den Zeitraum 2012 bis 2014 umfasst, dieser sei im Juni 2016 jedoch auf den Zeitraum bis 2015 erweitert worden. Im November 2015 habe es ein Gespräch zwischen der zuständigen Prüferin der StGKK, dem Revisionswerber und seinem damaligen Steuerberater gegeben, in welchem der Revisionswerber aufgefordert worden sei, die Arbeitsaufzeichnungen vorzulegen.

Da sich die Erhebungen der zuständigen GPLA-Prüferin als sehr schwierig erwiesen hätten, habe die StGKK die H gemäß § 7g Abs. 2 iVm § 7i Abs. 1 AVRAG am 28. Oktober 2016 per Einschreiben ersucht, "Arbeitsverträge oder Dienstzettel" sowie die Arbeitsaufzeichnungen für das Jahr 2015 für sämtliche beschäftigten Dienstnehmer vorzulegen. Dieses Schreiben sei laut Übernahmebestätigung am 2. November 2016 von einem näher genannten Arbeitnehmer der H übernommen worden.

Die Prüferin der StGKK habe bereits zuvor am 6. Oktober 2016 den Revisionswerber in einem E-Mail aufgefordert, die Unterlagen bis 11. Oktober 2016 im Betrieb zur Verfügung zu stellen. Mit Antwortschreiben vom 7. Oktober 2016 sei dieser mitgeteilt worden, dass der Revisionswerber verhindert sei und sie sich an dessen neuen Steuerberater wenden solle. Am 10. Oktober 2016 habe die genannte Prüferin ein E-Mail an die Kanzlei des neuen Steuerberaters geschickt und gebeten, die Unterlagen bis 17. Oktober 2016 zur Verfügung zu stellen. Eine Übermittlung der Unterlagen durch diesen sei jedoch nicht erfolgt, weil dieser überhaupt nicht im Besitz der gegenständlichen Unterlagen gewesen sei. Bis heute seien weder Arbeitsverträge oder Dienstzettel noch Arbeitsaufzeichnungen ausgehändigt worden.

Unter Bezugnahme auf § 7g Abs. 2 und § 7i Abs. 1 AVRAG führte das Verwaltungsgericht weiter aus, es sei dem Revisionswerber nicht gelungen darzulegen, dass ihn an der Nichteinhaltung der Pflicht zur Übermittlung der geforderten Unterlagen kein oder auch nur ein geringes Verschulden treffe und er die 47 Übertretungen daher zumindest in der Schuldform der Fahrlässigkeit zu verantworten habe. Da sich die Prüfungstätigkeit auch auf die Einhaltung der Mindestlohnbestimmungen nach dem AVRAG (bzw. mittlerweile nach dem LSD-BG) bezogen habe, sei die Vorgehensweise der StGKK jedenfalls rechtskonform gewesen. Das Aufforderungsschreiben vom 28. Oktober 2016 entspreche jedenfalls den Anforderungen des § 7g Abs. 2 AVRAG, wonach auf Verlangen Arbeitgeberinnen die erforderlichen Unterlagen oder Ablichtungen zu übermitteln haben. Weshalb es im gegenständlichen Verfahren keine Aufforderung an den Arbeitgeber gegeben haben soll, wie vom Revisionswerber in der Beschwerde vorgebracht, könne nicht nachvollzogen werden.

3 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. aus vielen den Beschluss VwGH 20.2.2018, Ra 2018/11/0010 bis 0011, und die dort zitierte Vorjudikatur).

7 2.2.1. Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit zunächst aus, es fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob ein Verstoß gemäß § 7i Abs. 1 iVm § 7g Abs. 2 AVRAG auch dann vorliege, wenn der Revisionswerber "persönlich" eine Aufforderung zur Vorlage von Urkunden erhalten habe, ohne dass eine derartige Aufforderung an den eigentlichen Arbeitgeber ergangen sei.

8 Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die Revision die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes zu der der eigentlichen Aufforderung nach § 7g Abs. 1 AVRAG vorausgehenden Kommunikation zwischen der StGKK und dem Revisionswerber im Rahmen der laufenden Prüfung der H nicht bestreitet. Vor dem Hintergrund des vom Verwaltungsgericht festgestellten Gesprächs zwischen der zuständigen Prüferin der StGKK, dem Revisionswerber und seinem damaligen Steuerberater im November 2015 und dem ebenfalls festgestellten E-Mail der Prüferin der StGKK vom 6. Oktober 2016, in dem der Revisionswerber offensichtlich als Geschäftsführer der H aufgefordert worden sei, die Unterlagen bis 11. Oktober 2016 im Betrieb zur Verfügung zu stellen, gibt es keinen Zweifel, dass das in Rede stehende, auf § 7g Abs. 1 AVRAG gestützte Aufforderungsschreiben vom 28. Oktober 2016, das an "Herrn C P c/o H GmbH" gerichtet war, als Aufforderung an den Arbeitgeber, nämlich die H, gerichtet zu verstehen ist. Für die Annahme, dass der Revisionswerber selbst zur Vorlage von Unterlagen betreffend allfällige eigene Arbeitnehmer aufgefordert worden sein sollte, gibt es vorliegendenfalls nicht den geringsten Hinweis.

9 2.2.2. Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es fehle Judikatur zur Frage, ob das Nichtbefolgen einer Aufforderung zur Übersendung von Unterlagen nach einer Überprüfung gemäß § 41a ASVG mit den Strafbestimmungen des AVRAG sanktioniert werden könne und ob zusätzlich zu den vorhandenen Lohnunterlagen auch Arbeitsverträge oder Arbeitsaufzeichnungen angefordert werden dürfen, zeigt sie ebenfalls nicht auf, dass ihre Behandlung von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision entfernt sich nämlich vom festgestellten Sachverhalt. Da sich die Prüfungstätigkeit nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes, die sich auf die Angaben der zuständigen Kontrollorin der StGKK stützen, auch auf die Einhaltung der Mindestlohnbestimmungen nach dem AVRAG bezogen hat, ist nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht seine Einschätzung, die angeforderten Arbeitsverträge bzw. Arbeitsaufzeichnungen seien für die Kontrolle erforderlich gewesen, in unvertretbarer Weise getroffen hätte.

10 2.3. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am 7. September 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017110244.L00

Im RIS seit

29.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten