TE Vfgh Beschluss 2018/6/27 G287/2017 ua

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Veröffentlicht am 27.06.2018
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Index

82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
ÄrzteG 1998 §27, §117c, §125

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags des Bundesverwaltungsgerichts auf Aufhebung von Bestimmungen des ÄrzteG 1998 betreffend die Zuständigkeit des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer zur Entscheidung über die Erfüllung der Erfordernisse zur Eintragung in die Ärzteliste als zu eng gefasst

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.       Anträge

Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Anträgen zu G204/2017 und G205/2017 begehrt das Bundesverwaltungsgericht, die Wortfolge "hat der Präsident der Österreichischen Ärztekammer" in §27 Abs10, die in §27 Abs10 zitierte Wort- und Zeichenfolge "im Rahmen des Verfahrens gemäß §117c Abs1 Z6" sowie die Wort- und Zeichenfolgen "§4 Abs2 oder" und "Eintragung in die oder" in §117c Abs1 Z6 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I 169/1998, jeweils idF BGBl I 56/2015 (im Folgenden: ÄrzteG 1998) als verfassungswidrig aufzuheben. Mit dem vorliegenden Antrag zu G287/2017 begehrt das Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung des §27 Abs10 zur Gänze, der Wort- und Zeichenfolgen "§4 Abs2 oder" und "Eintragung in die oder" in §117c Abs1 Z6 sowie "10 und" in §125 Abs4 ÄrzteG 1998, jeweils idF BGBl I 56/2015.

II.      Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl I 169/1998, idF BGBl I 56/2015 lauten wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Erfordernisse zur Berufsausübung

       §4. (1) Zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als approbierter Arzt, als Arzt für Allgemeinmedizin oder als Facharzt bedarf es, unbeschadet der §§34 bis 37, des Nachweises der Erfüllung der nachfolgend angeführten allgemeinen und besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste.

       (2) Allgemeine Erfordernisse im Sinne des Abs1 sind

       1. die Eigenberechtigung

       2. die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche Vertrauenswürdigkeit,

       3. die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung,

       4. ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, sowie

       5. ein rechtmäßiger Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet, mit dem das Recht auf Ausübung einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit verbunden ist.

       (3) Besondere Erfordernisse im Sinne des Abs1 sind

       1. hinsichtlich der Grundausbildung:

       a) ein an einer Universität in der Republik Österreich erworbenes Doktorat der gesamten Heilkunde oder ein gleichwertiger, im Ausland erworbener und in Österreich als Doktorat der gesamten Heilkunde nostrifizierter akademischer Grad oder

       b) zusätzlich zu lita ein Qualifikationsnachweis zur Ausübung des zahnärztlichen Berufes nach den Bestimmungen des Zahnärztegesetzes (ZÄG), BGBl I Nr 126/2005, im Fall einer angestrebten Berufsberechtigung als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie;

       2. hinsichtlich der Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt ein von der Österreichischen Ärztekammer gemäß §15 Abs1 ausgestelltes Diplom über die besondere Ausbildung in der Allgemeinmedizin oder ein Facharztdiplom, wobei im Fall einer angestrebten Berufsberechtigung als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie das Erfordernis gemäß Z1 litb längstens zum Zeitpunkt des Antritts der Facharztprüfung erfüllt sein muss;

       3. anstelle der entsprechenden Nachweise gemäß Z1 und 2 eine entsprechende Berufsqualifikation gemäß §5 oder §5a.

       (3a) – (6) […]

[...]

Ärzteliste und Eintragungsverfahren

       §27. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern in den Bundesländern die Anmeldungen für die Ausübung des ärztlichen Berufes entgegenzunehmen und eine Liste der zur Berufsausübung berechtigten Ärzte und Gruppenpraxen (Ärzteliste) jedenfalls mit folgenden Daten zu führen:

       1. Eintragungsnummer,

       2. Vorname(-n) und Zuname, gegebenenfalls Geburtsname,

       3. Datum und Ort der Geburt,

       4. Staatsangehörigkeit,

       5. akademische Grade,

       6. Hauptwohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt,

       7. Zustelladresse,

       8. Berufssitze und Dienstorte,

       9. bei Ärzten gemäß §47 der Wohnsitz oder Ort sowie die Art der beabsichtigten Tätigkeit,

       10. Berufsbezeichnungen samt allfälligen amtlich verliehenen Titeln und Zusätzen gemäß §43 Abs4,

       11. Diplome der Österreichischen Ärztekammer oder der Ärztekammern in den Bundesländern,

       12. Ausbildungsbezeichnungen gemäß §44 Abs2,

       13. Hinweis auf Verträge mit Sozialversicherungsträgern und Krankenfürsorgeanstalten,

       14. Hinweise auf Aufnahme und Ende einer Tätigkeit gemäß §45 Abs3,

       15. Hinweise auf Einstellung, Verzicht, Wiederaufnahme, Untersagung und Erlöschen der Berufsausübung,

       16. Hinweise auf Eröffnung, Erweiterung und Schließung von Ordinationen, Ordinations- und Apparategemeinschaften sowie Hinweise auf Beginn und Ende der Beteiligung an einer solchen sowie

       17. Hinweise auf Eröffnung, Erweiterung und Schließung von Gruppenpraxen sowie Beginn und Ende der Beteiligung an einer solchen.

Die Liste ist hinsichtlich der Daten gemäß Z1, 2, 5 und 8 bis 13 öffentlich, wobei in Ärzteverzeichnissen und bei Auskünften aus der Ärzteliste von den Ärzten bekannt gegebene medizinische Tätigkeitsbereiche sowie über die Ordinationstelefonnummer hinausgehende Kommunikationseinrichtungen ebenfalls veröffentlicht werden dürfen. Die Einsichtnahme in den öffentlichen Teil der Ärzteliste sowie die Anfertigung von Abschriften ist jedermann gestattet; für Kopien ist ein von der Österreichischen Ärztekammer festzusetzender Kostenersatz zu leisten.

       (2) Personen, die den ärztlichen Beruf als Arzt für Allgemeinmedizin, approbierter Arzt, Facharzt oder Turnusarzt auszuüben beabsichtigen, haben sich vor Aufnahme ihrer ärztlichen Tätigkeit bei der Österreichischen Ärztekammer im Wege der Ärztekammern in den Bundesländern zur Eintragung in die Ärzteliste anzumelden und die erforderlichen Unterlagen (Personal- und Ausbildungsnachweise sowie sonstige Urkunden) zum Nachweis der entsprechenden allgemeinen und besonderen Erfordernisse für die selbständige oder unselbständige Ausübung des ärztlichen Berufes gemäß §4 vorzulegen. Erforderlichenfalls haben Personen auf Verlangen der Österreichischen Ärztekammer den Ausbildungsnachweisen eine Bescheinigung der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates vorzulegen, aus der hervorgeht, dass die vorgelegten Ausbildungsnachweise den in der Richtlinie 2005/36/EG vorgeschriebenen Nachweisen entsprechen. Die für die Eintragung in die Ärzteliste erforderlichen Unterlagen sind im Original oder in beglaubigter Abschrift und fremdsprachige Urkunden erforderlichenfalls in beglaubigter Übersetzung vorzulegen. Im Übrigen ist die Anmeldung zur Eintragung in die Ärzteliste in deutscher Sprache einzubringen. Vor Aufnahme einer unselbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes ist vom Dienstgeber auf dieses Erfordernis hinzuweisen.

       (3), (4) […]

       (5) Der Nachweis der Vertrauenswürdigkeit ist vom Eintragungswerber durch

       1. eine Strafregisterbescheinigung oder einen vergleichbaren Nachweis des Heimat- oder Herkunftsstaates und

       2. sofern dies die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Heimat- oder Herkunftsstaates vorsehen, durch eine Disziplinarstrafregisterbescheinigung oder einen vergleichbaren Nachweis

zu erbringen. In der Bescheinigung (den Bescheinigungen) darf keine Verurteilung enthalten sein, die eine verlässliche Berufsausübung nicht erwarten lässt. Die Bescheinigung (Bescheinigungen) darf (dürfen) zum Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung nicht älter als drei Monate sein.

       (6) – (8) […]

       (9) Erfüllt der Eintragungswerber die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse, so hat ihn die Österreichische Ärztekammer in die Ärzteliste einzutragen und ihm einen mit seinem Lichtbild versehenen Ausweis (Ärzteausweis) auszustellen. Wenn die Erfüllung der ausländerbeschäftigungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Beschäftigung zeitlich befristet ist, hat auch die Eintragung in die Ärzteliste entsprechend zeitlich befristet zu erfolgen. Dies ist der Person anlässlich der Eintragung in die Ärzteliste unter dem Hinweis, dass ihre ärztliche Berufsberechtigung nach Fristablauf von Gesetzes wegen erlischt, schriftlich mitzuteilen. In diesem Fall kann von der Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß §59 Abs3 abgesehen werden.

       (10) Erfüllt der Eintragungswerber die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse nicht, so hat der Präsident der Österreichischen Ärztekammer dies im Rahmen des Verfahrens gemäß §117c Abs1 Z6 mit Bescheid festzustellen.

       (11) […]

       (12) Die Österreichische Ärztekammer hat jede Eintragung in die Ärzteliste ohne Verzug der nach dem gewählten Berufssitz oder Dienstort oder nach dem Wohnsitz (§47) zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde sowie dem Landeshauptmann mitzuteilen.

       (13) […]

[...]

Österreichische Ärztekammer

Einrichtung

       §117. (1) Zur Vertretung der gemeinsamen Interessen aller in Österreich tätigen Ärzte, die Angehörige einer Ärztekammer sind (§68 Abs1, 2 und 5), ist die "Österreichische Ärztekammer" am Sitz der Bundesregierung eingerichtet.

       (2) Die Österreichische Ärztekammer ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts.

       (3), (4) […]

Wirkungskreis

       §117a. (1) Die Österreichische Ärztekammer ist berufen,

       1. alle Angelegenheiten, die die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Kammerangehörigen von zwei oder mehr Ärztekammern berühren, zu besorgen,

       2. über den Wirkungsbereich der Ärztekammern in den Bundesländern hinausgehende gesetzlich vorgesehene Rechtsakte für Kammerangehörige der Ärztekammern in den Bundesländern zu setzen und

       3. für die Wahrung des ärztlichen Berufs- und Standesansehens und der ärztlichen Berufs- und Standespflichten zu sorgen.

       (2) Der Wirkungskreis gemäß Abs1 gliedert sich in einen eigenen und einen übertragenen Wirkungsbereich.

Eigener Wirkungsbereich

§117b. (1) Die Österreichische Ärztekammer ist berufen, im eigenen Wirkungsbereich insbesondere folgende Aufgaben wahrzunehmen:

[…]

(2) […]

Übertragener Wirkungsbereich

       §117c. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat im übertragenen Wirkungsbereich folgende Aufgaben wahrzunehmen:

       1. Durchführung von Verfahren betreffend ärztliche Ausbildungsstätten und Lehrambulatorien gemäß §§6a Abs3 Z2, 9, 10, 13 und 13a,

       2. Durchführung von Verfahren gemäß §35 einschließlich der Verfahren zur Eintragung in die und Austragung aus der Ärzteliste, der diesbezüglichen Führung der Ärzteliste und der sonstigen damit im Zusammenhang stehenden Besorgung von Verwaltungsangelegenheiten,

       3. Besorgung von Verwaltungsangelegenheiten im Zusammenhang mit der Erbringung ärztlicher Dienstleistungen gemäß §37 samt Eintragung in die Ärzteliste und Austragung aus der Ärzteliste gemäß §37 Abs9,

       4. Qualitätssicherung der ärztlichen Berufsausübung ausgenommen im Bereich der Fortbildung, im Hinblick auf überwiegende Interessen der Allgemeinheit durch

       a) Erarbeitung und Durchführung qualitätssichernder Maßnahmen zur Hebung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität, insbesondere zur Wahrnehmung der Ergebnisqualitätsmessung und -sicherung im niedergelassenen Bereich gemäß §7 Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz (G-ZG), BGBl I Nr 81/2013,

       b) Qualitätsevaluierung mit Ausnahme der Selbstevaluierung gemäß §49 Abs2a,

       c) Qualitätskontrolle sowie

       d) Führung eines Qualitätsregisters.

       Bei der Aufgabenerfüllung kann sich die Österreichische Ärztekammer hilfsweise der ÖQMed bedienen;

       5. Durchführung von Verfahren gemäß §4 Abs3 Z3 ÄsthOpG,

       6. Durchführung von Verfahren zur Prüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Erfordernisse gemäß §4 Abs2 oder §59 Abs1 Z1 und 2 für die damit verbundene Eintragung in die oder Austragung aus der Ärzteliste,

       7. Organisation und Durchführung der Deutschprüfung gemäß §4 Abs3a.

       (2) Im übertragenen Wirkungsbereich obliegt der Österreichischen Ärztekammer die Erlassung nachfolgender Verordnungen:

       […]

[…]

Präsident und Vizepräsidenten

       §125. (1) Der Präsident vertritt die Österreichische Ärztekammer nach außen. Er hat die Einheit des Standes, insbesondere durch Koordinierung der Bundeskurien, zu wahren. Ihm obliegt, unbeschadet der Zuständigkeit der Bundeskurien, die Durchführung der Beschlüsse der Organe der Österreichischen Ärztekammer.

       (2), (3) […]

       (4) Der Präsident leitet die Geschäfte und fertigt die Geschäftsstücke. Er entscheidet mit Bescheid in den Verfahren gemäß §15 Abs6, §27 Abs10 und 11 und §59 Abs3 sowie gemäß §4 Abs3 Z3 ÄsthOpG. Die Vertretung der Österreichischen Ärztekammer in Gesellschaften und sonstigen Einrichtungen, an denen diese beteiligt ist, erfolgt durch den Präsidenten auf Grundlage der Beschlüsse der zuständigen Organe, wobei der Finanzreferent beratend beizuziehen ist. Sofern der Präsident und der Finanzreferent derselben Kurie angehören, muss zusätzlich zu diesen ein Mitglied der anderen Kurie beratend beigezogen werden.

       (5) – (14) […]

[…]

Weisungsrecht gegenüber der Österreichischen Ärztekammer

       §195f. (1) Die Österreichische Ärztekammer sowie Dritte, derer sich die Österreichische Ärztekammer zur Aufgabenerfüllung bedient, sind im übertragenen Wirkungsbereich bei der Vollziehung der Angelegenheiten einschließlich der Erlassung von Verordnungen an die Weisungen des Bundesministers für Gesundheit gebunden.

       (2) Die Aufhebung weisungswidriger Beschlüsse obliegt dem Bundesminister für Gesundheit."

III.    Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Den Anträgen zu G204/2017, G205/2017 und G287/2017 liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer stellte mit Bescheiden vom 2. November 2016, 11. Jänner 2017 und 24. Juli 2017 fest, dass die vor dem Bundesverwaltungsgericht beschwerdeführenden Parteien jeweils nicht die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse erfüllen würden und eine Eintragung in die Ärzteliste daher nicht erfolgen könne. Dagegen erhoben die vor dem Bundesverwaltungsgericht beschwerdeführenden Parteien – entsprechend den Hinweisen in den Rechtsmittelbelehrungen – Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Aus Anlass der Erledigung dieser Beschwerden entstanden beim Bundesverwaltungsgericht Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der die Zuständigkeit des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer regelnden Bestimmungen des ÄrzteG 1998 über die Eintragung in die Ärzteliste. Dabei nahm es auf die zu G177/2017, G200/2017, G239/2017 und G246/2017 protokollierten Anträge des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes Bezug, bestimmte Wort- und Zeichenfolgen hinsichtlich der Streichung aus der Ärzteliste als verfassungswidrig aufzuheben.

2.       Das Bundesverwaltungsgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung bestimmt haben, zu G204/2017 (die Bedenken zu G205/2017 und G287/2017 sind im Wesentlichen gleichlautend) wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"IV. 1. Aus dem Umstand, dass der Bundesgesetzgeber nach Maßgabe des Art120b Abs2 B-VG Organe eines nichtgemeindlichen Selbstverwaltungskörpers in dessen übertragenem Wirkungsbereich zur Vollziehung von Bundesgesetzen berufen darf, folgt nicht, dass er dabei nicht die durch Art102 B-VG gezogenen Grenzen zu beachten hätte.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Judikatur zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 zum Ausdruck gebracht, dass bei Betrauung eines Selbstverwaltungskörpers im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes mit der Erlassung von Bescheiden die durch Art102 Abs1 B-VG umschriebene Stellung des Landeshauptmanns als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung nur gewahrt ist, wenn dieser gegen die Entscheidungen von Organen der genannten Selbstverwaltungskörper als Rechtsmittelinstanz vorgesehen ist und ihm jenen gegenüber eine Weisungsbefugnis zukommt (vgl. die Erkenntnisse VfSlg 2500/1953, 2978/1956 und 8478/1979). Da seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 eine Zuständigkeit des Landeshauptmanns als Rechtsmittelinstanz nicht mehr in Betracht kommt, ist nach Auffassung der einschreitenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes davon auszugehen, dass den Anforderungen des Art102 B-VG bei Betrauung von Organen eines Selbstverwaltungskörpers im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes mit Angelegenheiten der Bundesvollziehung nur entsprochen wird, wenn dem Landeshauptmann eine ausreichende Weisungs- bzw. Steuerungsbefugnis gegenüber den Selbstverwaltungsorganen zukommt.

Die Betrauung von Organen eines Selbstverwaltungskörpers im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes mit der Erlassung von Bescheiden in einer Angelegenheit der Bundesvollziehung unter Ausschluss einer Weisungs- bzw. Steuerungsbefugnis des Landeshauptmanns, mithin ohne Einbindung des Landeshauptmanns in die Vollziehung dieser Angelegenheit, – woraus sich nach den bisherigen Ausführungen eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über Beschwerden gegen solche Bescheide ergibt – dürfte folglich nur dann zulässig sein, wenn die Angelegenheit der Bundesvollziehung nach Art102 Abs2 B-VG oder einer anderen bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmung unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden darf oder die Länder der Besorgung unmittelbar durch Bundesbehörden nach Art102 Abs4 B-VG zugestimmt haben (vgl. zum Erfordernis einer solchen Zustimmung bei sonstiger Verfassungswidrigkeit z.B. die Erkenntnisse VfSlg 8466/1978 zu den Befugnissen der Lebensmitteluntersuchungsanstalten des Bundes und VfSlg 19.123/2010 zum Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz in Bezug auf die Betrauung eines als eigene Bundesbehörde qualifizierten Arbeitsausschusses für externe Qualitätsprüfungen).

Es wird nun nicht übersehen, dass eine implizite Ermächtigung für eine Betrauung von Organen eines Selbstverwaltungskörpers im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes in der durch die B-VG-Novelle 2008, BGBl I Nr 2, eingefügten Bestimmung des Art120b Abs2 B-VG erblickt werden könnte. Diese Bestimmung scheint zumindest lege non distinguente schlechthin eine Übertragung von Aufgaben staatlicher Verwaltung an Selbstverwaltungskörper zu erlauben, sie enthält keinen Bezug auf Art102 B-VG. Auch den […] Materialien ist ein Bezug auf Art102 B-VG nicht zu entnehmen. Es lässt sich daher die Auffassung vertreten, der Verfassungsgesetzgeber habe mit Art120b Abs2 B-VG eine Ermächtigung für eine weitere Form unmittelbarer Bundesverwaltung abseits des Art102 Abs2 B-VG geschaffen, unabhängig davon, ob es sich um eine in Art102 Abs2 B-VG (oder allenfalls einer anderen Verfassungsbestimmung) angeführte Angelegenheit handelt (so auch in der Literatur Höllbacher, Unmittelbare Bundesverwaltung [2013] 66f, der Art120b Abs2 B-VG als lex specialis zu Art102 B-VG deutet.).

Die einschreitende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hält diese mögliche Auslegung des Art120b Abs2 B-VG als lex specialis zu Art102 B-VG allerdings nicht für überzeugend. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Judikatur unmissverständlich die Bedeutung der mittelbaren Bundesverwaltung und die ihr immanente Stellung des Landeshauptmanns in der Bundesvollziehung zum Ausdruck gebracht. Das gilt nicht nur für die ältere Judikatur (vgl. z.B. VfSlg 2264/1952, 2500/1953 und 2978/1956), sondern auch für die Judikatur nach der B-VG-Novelle 1974, BGBl Nr 444, die mit der Neufassung des Art102 Abs1 B-VG eine noch stärkere Absicherung der Position des Landeshauptmanns und der ihm unterstellten Behörden bewirkt hat, bedarf doch seit dieser Novelle auch die Einbindung von Bundesbehörden in Unterordnung unter den Landeshauptmann, sofern nicht eine Angelegenheit des Art102 Abs2 B-VG vorliegt, einer Zustimmung der Länder. So hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 11.403/1987 (zur rechtlichen Konstruktion der Weinaufsicht) hervorgehoben, dass es das Prinzip der mittelbaren Bundesverwaltung verbiete, Vollzugskonstruktionen zu erfinden, die den Landeshauptmann schlechthin um-gehen. Für die Annahme, der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 2008 habe eine derartige Einschränkung des Prinzips der mittelbaren Bundesverwaltung herbeiführen wollen, wie es die von der einschreitenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes abgelehnte Auffassung impliziert, gibt es insbesondere in den Materialien keinen Anhaltspunkt.

Die von der einschreitenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes abgelehnte Auffassung trägt in sich die Annahme, der einfache Bundesgesetzgeber könne ohne erkennbare Einschränkungen, abgesehen von einem 'Übermaßverbot', in jeder der Materien, in denen unmittelbare Bundesverwaltung mangels Aufzählung in Art102 Abs2 B-VG (oder einer anderen Verfassungsbestimmung) nicht in Betracht kommt, anstelle einer Besorgung in mittelbarer Bundesverwaltung – und damit unter Einbindung des Landeshauptmanns – durch unmittelbar dem zuständigen Bundesminister unterstellte Selbstverwaltungskörper in deren übertragenem Wirkungsbereich die Vollziehung des Bundes besorgen lassen. Es bestünde danach kein Hindernis, etwa die Vollziehung der Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie (Art10 Abs1 Z8 B-VG) weitgehend den Wirtschaftskammern zu übertragen, obwohl Art102 B-VG eine Besorgung in mittelbarer Bundesverwaltung verlangt. Selbstverwaltungskörper im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes könnten dann in beträchtlichem Ausmaß an die Stelle des Landeshauptmanns und der ihm unterstellten Behörden treten, ohne dass es einer Zustimmung der Länder bedürfte. Dass der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 2008 eine solche Konsequenz gleichsam stillschweigend herbeiführen wollte oder zumindest in Kauf genommen hätte, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht im Geringsten plausibel.

Im Übrigen dürfte auch der Verfassungsgerichtshof, der in seiner neueren Judikatur zu den Grenzen der Zulässigkeit von Ausgliederung der Hoheitsverwaltung des Bundes an ausgegliederte Rechtsträger zumindest hinsichtlich des Erfordernisses der ausdrücklichen einfachgesetzlichen Bindung dieser Ausgegliederten an Weisungen staatlicher Behörden diese Selbstverwaltungskörpern gleichstellt (vgl. das Erkenntnis VfSlg 17.023/2003 zum Hauptverband der Sozialversicherungsträger), im Falle der Besorgung der Bundesvollziehung durch Organe solcher Rechtsträger die Auffassung vertreten, dass die Zulässigkeit einer derartigen Betrauung von der Einhaltung der Schranken des Art102 B-VG abhängt. So hat er im Erkenntnis VfSlg 19.721/2012 hervorgehoben, dass die Heranziehung der E-Control zu einem Übergang der Vollziehung des Bundes von der mittelbaren Bundesverwaltung zur unmittelbaren Bundesverwaltung führt und hiefür, hätte nicht eine sog. Kompetenzdeckungsklausel bestanden, die Zustimmung der Länder nach Art102 Abs4 B-VG erforderlich gewesen wäre.

Auch diese Judikatur des Verfassungsgerichtshofes scheint dafür zu sprechen, dass bei Heranziehung von Organen einer Nicht-Gebietskörperschaft, mag es sich bei letzterer um einen ausgegliederten Rechtsträger oder wie im vorliegenden Fall um einen nichtgemeindlichen Selbstverwaltungskörper handeln, in unmittelbarer Unterordnung unter den zuständigen Bundesminister die Sperrwirkungen des Art102 B-VG zu wahren sind.

IV. 2. Für den Beschwerdefall ergibt sich daraus Folgendes:

Das ÄrzteG 1998 stützt sich, soweit es die in Rede stehenden Verfahren zur Eintragung in die Ärzteliste bzw. zur Streichung aus dieser betrifft, auf den Kompetenztatbestand 'Gesundheitswesen ...' in Art10 Abs1 Z12 B-VG (vgl. VfSlg 4413/1963). Für diese Angelegenheiten ergibt sich weder aus Art102 Abs2 B-VG noch aus einer anderen bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmung die Zulässigkeit einer Besorgung unmittelbar durch Bundesbehörden. Eine Zustimmung der Länder liegt […] nach Auskunft des BKA-VD nicht vor. Die vorliegende Angelegenheit wäre demnach in mittelbarer Bundesverwaltung zu besorgen.

Es ergeben sich daher zusammenfassend Bedenken dahin, dass die von §27 Abs10, §117c Abs1 Z6 und §195f Abs1 ÄrzteG 1998 bewirkte einfachgesetzliche Rechtslage einen verfassungswidrigen Verstoß gegen das Gebot der Besorgung der in Rede stehenden Angelegenheiten der Vollziehung des ÄrzteG 1998 in mittelbarer Bundesverwaltung bewirkt.

IV. 3. Dagegen kann nach Auffassung der einschreitenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes aus folgenden Erwägungen nicht eingewendet werden, die in Rede stehenden Bestimmungen ließen eine verfassungskonforme Auslegung zu:

IV. 3.1. Man könnte verleitet sein, den verfassungsrechtlichen Bedenken dadurch zu begegnen, dass man die Österreichische Ärztekammer, soweit sie nach dem ÄrzteG 1998 Angelegenheiten der Bundesvollziehung im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen hat (vgl. die Aufzählung dieser Angelegenheiten in §117c), der Weisungs- und Steuerungsbefugnis nicht nur des Bundesministers, sondern auch – in Unterordnung unter diesen (Art103 Abs1 B-VG) – des zuständigen Landeshauptmanns unterworfen deutet. Die Bestimmung des §195f Abs1 ÄrzteG 1998 bringt nicht unzweifelhaft zum Ausdruck, dass der Weisungszusammenhang von den Organen der Österreichischen Ärztekammer unmittelbar und unter Ausschluss des Landeshauptmanns zum Bundesminister führt. Die damit angedeutete verfassungskonforme Auslegung liefe im Ergebnis darauf hinaus, die in Rede stehenden Bestimmungen des ÄrzteG 1998 so zu verstehen, dass unausgesprochen eine Zuständigkeit des Landeshauptmanns als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, der eine Weisungs- und Steuerungsbefugnis gegenüber der Österreichischen Ärztekammer zukommt, in Überordnung über diese vorauszusetzen ist, wodurch eine Besorgung in mittelbarer Bundesverwaltung gewährleistet wäre.

IV. 3.2.1. Dieser 'Rettungsversuch', der sich möglicherweise auf ältere Judikatur des Verfassungsgerichtshofes stützen könnte, in der – soweit ersichtlich – eine Weisungsgebundenheit von Selbstverwaltungskörpern im übertragenen Wirkungsbereich schon ex constitutione angenommen wurde (vgl. z.B. VfSlg 2500/1953), dürfte jedoch angesichts der neueren Judikatur des Verfassungsgerichtshofes scheitern. Im Erkenntnis VfSlg 17.023/2003 hat der Verfassungsgerichtshof nämlich zum Ausdruck gebracht, dass es zwar nicht ausgeschlossen sei, auch Selbstverwaltungskörper (nicht anders als andere aus der Staatsverwaltung ausgegliederte Rechtsträger öffentlichen oder privaten Rechts) mit auf 'Außenstehende' bezogenen Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung zu betrauen, die Betrauung eines Selbstverwaltungskörpers mit hoheitlichen Aufgaben gegenüber 'Außenstehenden' setze aber jedenfalls voraus, dass der Selbstverwaltungskörper hiebei – ausdrücklich – an Weisungen des zuständigen obersten Organs der Vollziehung gebunden sei. Im Verhältnis zur Österreichischen Ärztekammer, deren Angehörige nur die Ärztekammern in den Ländern selbst sind (§119 ÄrzteG 1998), sind Ärzte, denen die Eintragung in die Ärzteliste versagt werden soll, 'Außenstehende'. Mangels ausdrücklicher Anordnung einer Weisungs- und Steuerungsbefugnis des Landeshauptmanns gegenüber den Organen der Österreichischen Ärztekammer bei Besorgung von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs kann, folgt man der in VfSlg 17.023/2003 vertretenen Rechtsanschauung, eine unausgesprochene Zuständigkeit des Landeshauptmanns, die im Ergebnis eine Besorgung von Aufgaben der Bundesvollziehung in Unterordnung unter diesen und damit in mittelbarer Bundesverwaltung bewirken würde, nicht angenommen werden.

IV. 3.2.2. Selbst wenn man aber die Auffassung vertreten wollte, die wiedergegebenen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 17.023/2003 würden eine durch das ÄrzteG 1998 herbei geführte Konstellation nicht erfassen und es bestünde vielmehr eine unausgesprochene Zuständigkeit des Landeshauptmanns als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gegenüber der Österreichischen Ärztekammer, mit anderen Worten diese sei dem Landeshauptmann unterstellt, dürfte dies keine verfassungskonforme Rechtslage bewirken.

Bis zur B-VG-Novelle 1974, BGBl Nr 444, war es – innerhalb bestimmter, vom Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur gezogenen Grenzen (vgl. die Erkenntnisse VfSlg 2264/1952, 3685/1960) – zulässig, wenn der Bundesgesetzgeber die Besorgung einzelner Angelegenheiten der Bundesvollziehung Organen von nichtgemeindlichen Selbstverwaltungskörpern übertrug, soweit diese dem Landeshauptmann – im Weisungszusammenhang wie auch im Instanzenzug – unterstellt waren. Durch die B-VG-Novelle 1974, BGBl Nr 444, wurde Art102 Abs1 letzter Satz B-VG dahin geändert, dass auch eine Betrauung von Bundesbehörden in Unterordnung unter den Landeshauptmann einer Zustimmung der Länder bedarf, soweit es sich nicht um eine in Art102 Abs2 B-VG genannte Angelegenheit handelt (oder anderweitig eine ausdrückliche verfassungsgesetzliche Ermächtigung für eine derartige Betrauung besteht). Überträgt man den Grundgedanken des Erkenntnisses VfSlg 19.953/2015 […] auf die Besorgung von Angelegenheiten in Unterordnung unter den Landeshauptmann (Art102 Abs1 B-VG), so folgt nach Auffassung der einschreitenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes, dass auch die Heranziehung von Organen von Selbstverwaltungskörpern, die im Vollzugsbereich des Bundes eingerichtet sind, zu Aufgaben der Hoheitsverwaltung des Bundes einer Zustimmung der Länder bedarf, soweit es sich nicht um eine in Art102 Abs2 B-VG genannte Angelegenheit handelt (oder anderweitig eine ausdrückliche verfassungsgesetzliche Ermächtigung für eine derartige Betrauung besteht).

Es wird nicht übersehen, dass – wie die Materialien zur B-VG-Novelle 1974, BGBl Nr 444 (RV 182 Blg NR 13. GP, 22) zeigen – die Neufassung des Art102 Abs1 B-VG auf Betrauungen von Bundesbehörden, die schon zum Zeitpunkt der Erlassung der Novelle bestanden hatten, keinen Einfluss hatte, diese also nicht zurückwirkte. Auf die fehlende Rückwirkung der B-VG-Novelle 1974, BGBl Nr 444, könnte man sich nur dann berufen, wenn man die Auffassung verträte, dass einerseits sämtliche vorgefundenen Betrauungen von Bundesbehörden in Unterordnung unter den Landeshauptmann verfassungskonform bleiben und andererseits auch sämtliche später vorgesehenen Betrauungen verfassungskonform sind, sofern sie wenigstens der Art nach solchen gleichen, die bereits bei Erlassung der B-VG-Novelle 1974 bestanden hatten. Soweit ersichtlich, gibt es zu dieser Frage keine Judikatur des Verfassungsgerichtshofes.

Aus der Sicht der einschreitenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen zumindest erhebliche Bedenken dagegen, §27 Abs10 ÄrzteG 1998, zu dem eine Zustimmung der Länder fehlt […], selbst wenn er im Zusammenhang mit §195f Abs1 ÄrzteG 1998 eine Unterstellung der Österreichischen Ärztekammer unter den Landeshauptmann bewirkte, trotz fehlender Zustimmung der Länder noch als 'vorgefunden' und damit verfassungskonform anzusehen.

IV. 3.2.3. Zusammenfassend ist die einschreitende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes der Auffassung, dass eine verfassungskonforme Auslegung der in Rede stehenden Bestimmungen des ÄrzteG 1998 nicht möglich ist."

3.       Die Österreichische Ärztekammer hat eine Äußerung erstattet, in der sie der Zulässigkeit sowie den in den Anträgen dargelegten Bedenken entgegentritt und beantragt, die Anträge zurück- bzw. abzuweisen.

4.       Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie der Zulässigkeit sowie den in den Anträgen erhobenen Bedenken entgegentritt und beantragt, die Anträge zurück- bzw. abzuweisen.

5.       Der Verfassungsgerichtshof hat die Länder eingeladen eine Äußerung zu erstatten; davon haben Niederösterreich, Salzburg, die Steiermark, Tirol und Vorarlberg Gebrauch gemacht. In der Sache haben sie sich den Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes angeschlossen.

IV.      Zulässigkeit

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1.       Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl. VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua.; vgl. auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua.). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua.).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua.).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl. zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

2.       Die Anträge sind im Ergebnis unzulässig:

2.1.    Das Bundesverwaltungsgericht behauptet die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Heranziehung des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer zur Vollziehung der Aufgabe

mit Bescheid festzustellen, dass der Eintragungswerber die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse nicht erfüllt, in einer Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung – und gemäß §195f Abs1 ÄrzteG 1998 – in Unterordnung unter den Bundesminister für Gesundheit (jetzt: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz) nur mit Zustimmung der Länder gemäß Art102 Abs1 bzw. Abs4 B-VG hätte erfolgen dürfen.

2.2.    Wie der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Beschluss vom 27. Juni 2018, G177/2017 ua., dargetan hat, der die Streichung aus der Ärzteliste durch den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer zum Gegenstand hatte, kann im Lichte der vorgebrachten Bedenken die behauptete Verfassungswidrigkeit der fehlenden Zustimmung der Länder nicht ohne Einbeziehung der den Weisungs- und Organisationszusammenhang normierenden Bestimmung des §195f Abs1 ÄrzteG 1998 beurteilt werden. Da die vorgebrachten Bedenken im vorliegenden Fall – betreffend die Eintragung in die Ärzteliste durch den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer – gleichgelagert sind, hätte das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund seiner Bedenken auch §195f Abs1 ÄrzteG 1998 anzufechten gehabt, um den Verfassungsgerichtshof im Falle des Zutreffens der Bedenken in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann (vgl. VfGH 10.3.2015, G201/2014).

3.       Die unter G204/2017 und G205/2017 jeweils gestellten Anträge, die Wortfolge "hat der Präsident der Österreichischen Ärztekammer" in §27 Abs10, die in §27 Abs10 zitierte Wort- und Zeichenfolge "im Rahmen des Verfahrens gemäß §117c Abs1 Z6" und die Wort- und Zeichenfolgen "§4 Abs2 oder" und "Eintragung in die oder" in §117c Abs1 Z6 ÄrzteG 1998 idF BGBl I 56/2015 und der unter G287/2017 gestellte Antrag, §27 Abs10 zur Gänze, die Wort- und Zeichenfolgen "§4 Abs2 oder" und "Eintragung in die oder" in §117c Abs1 Z6 sowie "10 und" in §125 Abs4 ÄrzteG 1998 idF BGBl I 56/2015 als verfassungswidrig aufzuheben, erweisen sich daher als zu eng und sind daher schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

V.       Ergebnis

1.       Die Anträge waren daher insgesamt zurückzuweisen.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Ärzte, Ärztekammer, Selbstverwaltung, Bundesverwaltung mittelbare, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:G287.2017

Zuletzt aktualisiert am

25.09.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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