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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision des N in G, vertreten durch Mag. Thomas Mayer, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 7/63, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 20. Juli 2018, Zl. LVwG-S-832/001-2018, betreffend Übertretung tierschutzrechtlicher Bestimmungen (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber als Halter eines Wüstenbussards schuldig erachtet, er habe diesen Vogel am 20. September 2016 am Sprenkel gehalten, 1. ohne dass ihm ein Witterungsschutz zur Verfügung gestanden sei, obwohl gemäß
2. Tierhaltungsverordnung Anlage 2 Punkt 11.2.1. Abs. 2 Schutz vor Witterungseinflüssen, insbesondere vor Niederschlag und starker Sonneneinstrahlung bei jeder Haltung gegeben sein müsse und
2. ohne dass dem Vogel Wasser zur Verfügung gestanden sei, obwohl gemäß 2. Tierhaltungsverordnung Anlage 2 Punkt 11.2.1. Abs. 6 den Tieren jederzeit einwandfreies Wasser in einem flachen Gefäß zum Trinken und Baden zur Verfügung stehen müsse. Dadurch habe der Revisionswerber zu 1. die 2. Tierhaltungsverordnung Anlage 2 Punkt 11.2.1. Abs. 2 und zu 2. die 2. Tierhaltungsverordnung Anlage 2 Punkt 11.2.1. Abs. 6 jeweils in Verbindung mit § 38 Abs. 3 TSchG verletzt, wofür über den Revisionswerber Strafen von jeweils EUR 150,-- (jeweils 14 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurden.
5 Als zulässig erachtet der Revisionswerber die Revision zunächst zur Frage, ob die der Bestrafung zu Grunde gelegten Normen Ungehorsamsdelikte darstellen.
6 Nach Anlage 2 Punkt 11.2.1. Abs. 2 vorletzter Satz der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit über die Haltung von Wirbeltieren, die nicht unter die 1. Tierhaltungsverordnung fallen, über Wildtiere, die besondere Anforderungen an die Haltung stellen und über Wildtierarten, deren Haltung aus Gründen des Tierschutzes verboten ist (2. Tierhaltungsverordnung) muss bei jeder Haltung von Greifvögeln und Eulen Schutz vor Witterungseinflüssen, insbesondere vor Niederschlag und starker Sonneneinstrahlung gegeben sein.
7 Gemäß Abs. 6 leg. cit. muss den Tieren jederzeit einwandfreies Wasser in einem flachen Gefäß zum Trinken und Baden zur Verfügung stehen.
8 Nach § 38 Abs. 3 TSchG begeht, wer außer in den Fällen der Abs. 1 und 2 gegen §§ 5, 8a, 9, 11 bis 32, 36 Abs. 2 oder 39 oder gegen auf diese Bestimmungen gegründete Verwaltungsakte verstößt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu EUR 3.750,--, im Wiederholungsfall bis zu EUR 7.500,-- zu bestrafen.
9 Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit nach § 5 Abs. 1 VStG fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
10 Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei den zitierten Bestimmungen der 2. Tierhaltungsverordnung um sogenannte Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG, weil zum Tatbestand dieser Übertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt ist.
11 Bei Vorliegen eines Ungehorsamsdeliktes besteht von vornherein die Vermutung des Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters. Der Gesetzgeber präsumiert in einem solchen Fall die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteiles durch den Beschuldigten (VwGH 23.11.2001, 2001/02/0184).
12 Verweist der Revisionswerber zu Anlage 2 Punkt 11.2.1. Abs. 2 vorletzter Satz 2. Tierhaltungsverordnung auf das Fehlen von Feststellungen zu Niederschlag und Sonneneinstrahlung, ist er darauf zu verweisen, dass nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung der Schutz "bei jeder Haltung" gegeben sein muss, also die Möglichkeit für die Greifvögel, sich jederzeit bei Auftreten entsprechender Witterungsverhältnisse in die Schutzeinrichtungen zurückzuziehen. Auf die konkreten Wetterverhältnisse kommt es dabei nicht an, weshalb dazu Feststellungen entbehrlich waren.
13 Das Verwaltungsgericht ist daher der zitierten Rechtsprechung folgend zutreffend vom Vorliegen eines Ungehorsamsdeliktes ausgegangen, ohne dass es weiterer Feststellungen zur Erfüllung des konkreten Tatbestandes bedurfte.
14 Zudem vermeint der Revisionswerber zur Bestrafung wegen Übertretung von Anlage 2 Punkt 11.2.1. Abs. 6 2.
Tierhaltungsverordnung eine wesentliche Rechtsfrage darin zu erblicken, dass die Feststellung, die "Badebrente" sei "nahezu leer" gewesen, nicht den angeführten Tatbestand erfülle.
15 Diese Feststellung beruht auf der Aussage der Amtstierärztin vor dem Verwaltungsgericht, bei der sie angab, dass aus ihrer Sicht in der "Brente" eine "Miniwasserlacke" gestanden und diese zumindest nicht so gefüllt sei, dass ein Vogel dort ordnungsgemäß habe Wasser trinken könne.
16 Der Tatbestand von Anlage 2 Punkt 11.2.1. Abs. 6
2. Tierhaltungsverordnung ist aber nicht nur dann erfüllt, wenn überhaupt kein Wasser zur Verfügung steht, sondern auch dann, wenn zwar Wasser vorhanden ist, jedoch Trinken und Baden für den Vogel nicht möglich ist. Nachdem nach der Aussage der Amtstierärztin wegen des geringen Wasserstandes nicht einmal ordnungsgemäßes Trinken möglich gewesen war, war auch das mehr Wasser erfordernde Baden in der "Brente" ausgeschlossen. Durch die insofern nahezu leere "Badebrente" ist der angeführte Tatbestand daher als erfüllt anzusehen.
17 Zu der weiter vom Revisionswerber aufgeworfenen Frage der subjektiven Zurechenbarkeit der Taten ist er auf die zitierte Rechtsprechung zum Ungehorsamsdelikt zu verweisen, wonach in einem solchen Fall die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteiles durch den Beschuldigten anzunehmen ist. Der Revisionswerber hat seine Unschuld im Revisionsfall nicht glaubhaft gemacht.
18 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 5. September 2018
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020263.L00Im RIS seit
25.09.2018Zuletzt aktualisiert am
28.09.2018