TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/26 96/21/0934

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Veröffentlicht am 26.11.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991;
AVG §38;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des M, geboren am 4. November 1973, vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landhausgasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. September 1996, Zl. Fr 2780/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie aus: Der Beschwerdeführer halte sich seit Ablauf des von der österreichischen Botschaft in Istanbul am 28. November 1995 erteilten und mit einer Gültigkeitsdauer bis 27. Dezember 1995 versehenen Touristensichtvermerks unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er besitze keine Bewilligung nach dem Fremden- oder Aufenthaltsgesetz. Der von ihm am 15. Dezember 1995 gestellte Antrag auf Asylgewährung sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. Jänner 1996 abgewiesen worden. "Wie in diesem Bescheid festgestellt worden ist, kommt Ihnen nach § 7 Asylgesetz 1991 keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu und unterliegt Ihr Aufenthalt daher uneingeschränkt den fremdenpolizeilichen Bestimmungen." Im Hinblick auf die in § 19 FrG festgelegte Interessenabwägung seien keinerlei Beziehungen bekannt, die auf Grund ihrer Intensität, Dauer oder verwandtschaftlichen Nähe einen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers im Sinn des Art. 8 EMRK "darstellen würden". Sämtliche Familienangehörige des Beschwerdeführers befänden sich in seinem Heimatstaat. Sein Hinweis auf einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben gehe ins Leere, weil dies lediglich den Umstand betreffe, den Ausgang des Asylverfahrens im Bundesgebiet abwarten zu können. Die belangte Behörde erachte "daher" die Ausweisung in Bezug auf § 19 FrG als gerechtfertigt, weil diese im Interesse der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Ordnung, insbesondere eines geordneten Fremdenwesens, dringend geboten sei. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zugrundeliegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.

Die Beschwerde lässt unbestritten, dass der Beschwerdeführer weder über einen Sichtvermerk noch über eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz verfüge. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides versucht der Beschwerdeführer damit zu begründen, dass die belangte Behörde das Fehlen eines rechtskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens nicht beachtet habe. Entgegen seiner Ansicht besteht keine gesetzliche Verpflichtung der Fremdenbehörde, vor Erlassung einer Ausweisung den Ausgang des Asylverfahrens abzuwarten. Ebensowenig besteht die weiters vom Beschwerdeführer behauptete Verpflichtung der Fremdenbehörde, das Ergebnis des - nach seiner Ansicht - eine "Vorfrage im Verfahren über die Ausweisung" darstellenden Verfahrens über den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung abzuwarten. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, dass gemäß § 54 Abs. 4 erster Satz FrG ein Fremder bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen Antrag nach Abs. 1 in den behaupteten Verfolgerstaat nicht abgeschoben werden darf.

In der Frage des Bestehens einer asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung erachtete sich die belangte Behörde - wie dem vorhin wörtlich wiedergegebenen Begründungsteil zu entnehmen ist - offensichtlich an die Ansicht der Asylbehörde gebunden und meinte, dass dem Beschwerdeführer demnach keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Asylgesetz 1991 zukomme. Mit dieser Ansicht unterlag sie zwar einem Rechtsirrtum; dieser führt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Der Beschwerdeführer bringt nämlich selbst vor, er sei am 1. Dezember 1995 in Österreich eingereist und habe auf Grund eines "Informationsirrtumes" den schriftlichen Asylantrag erst am 14. Dezember 1995 gestellt, weshalb ihm - wie er zutreffend erkennt (vgl. § 7 Abs. 1 leg. cit. - eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt.

Im Zusammenhang mit der Überprüfung des angefochtenen Ausweisungsbescheides auf seine Rechtmäßigkeit ist der Hinweis des Beschwerdeführers nicht zielführend, die belangte Behörde hätte beachten müssen, dass die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 25. April 1996 wegen Übertretung des Fremdengesetzes nicht in Rechtskraft erwachsen sei, denn dieser Umstand vermag für sich allein keine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers zu begründen.

Zusammenfassend gelangte daher die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum zur Ansicht, der Ausweisungstatbestand des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG sei erfüllt. Die Ausweisung stellt sich somit - vorbehaltlich des § 19 FrG - nicht als rechtswidrig dar.

Gemäß der letztgenannten Bestimmung ist, würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Angesichts des unbestrittenen Fehlens von verwandtschaftlichen Beziehungen in Österreich und der Kürze des bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides dauernden Aufenthalts des Beschwerdeführers im Inland (nach dem Beschwerdevorbringen: seit 1. Dezember 1995) ist ein mit der Ausweisung verbundener relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben nicht zu sehen. Im Übrigen verwies die belangte Behörde zutreffend auf das öffentliche Interesse, das aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten zukommt (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 20. September 1999, Zl. 96/21/0351). Dieses öffentliche Interesse würde vorliegend unter der Annahme eines mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers sein daraus resultierendes Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegen, weshalb die Ausweisung auch unter dieser Annahme im Grund des § 19 FrG nicht als unzulässig anzusehen wäre. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers spielen bei der Interessenabwägung nach § 19 FrG die Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes und die behauptete Verfolgungssituation im Heimatland keine Rolle. Mit der Ausweisung wird nicht darüber abgesprochen, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er allenfalls abgeschoben werde. Seinem Schutz vor Abschiebung in den behaupteten Verfolgerstaat dient das Verfahren nach § 54 Abs. 1 FrG. Letztlich kommt bei der Erlassung einer Ausweisung auch der Frage, ob eine Abschiebung in einen anderen Staat als den Heimatstaat nicht möglich sei, keine Bedeutung zu; eine aus tatsächlichen Gründen gegebene Unmöglichkeit der Abschiebung stellt einen Grund für einen Abschiebungsaufschub gemäß § 36 Abs. 2 FrG (nunmehr: § 56 Abs. 2 Fremdengesetz 1997) dar.

Nach dem Gesagten haftet dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996210934.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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