TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/24 I414 2186273-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.08.2018
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Entscheidungsdatum

24.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

I414 2186273-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.01.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.08.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt III. wie folgt lautet:

"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 07.09.2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer gab an, dass der XXXX heiße und am XXXX geboren zu sein und aus Nigeria sei. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab er im Wesentlichen an, dass Anführer einer homosexuellen Gruppe in Nigeria gewesen sei. Innerhalb dieser Gruppe sei es zu Streitigkeiten gekommen, weil sie die Regeln des Beschwerdeführers nicht akzeptiert hätten. Deshalb habe der Beschwerdeführer die Gruppe verlassen. Die übrigen Mitglieder hätten sich gegen den Beschwerdeführer gestellt, weil sie es nicht erlaubt hätten, dass er die Gruppe zu verlassen. Die Gruppe habe versucht den Beschwerdeführer bei ihm zu Hause zu stellen und zu töten, da es der Gruppe jedoch nicht gelungen sei den Beschwerdeführer zu töten, habe man den Beschwerdeführer bei der Polizei wegen Vergewaltigung angezeigt. Da dem Beschwerdeführer aufgrund der behaupteten Vergewaltigung vierzehn Jahre Gefängnis drohe, habe er aus Angst vor der Polizei sowie aus Angst vor den übrigen Mitgliedern seine Heimat verlassen.

Am 23.11.2016 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen, wobei er, befragt zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen angab, dass er nachdem seine Eltern verstorben seien fünf Jahre lang bei einem Mann gelebt und gearbeitet habe. Mit diesem Mann habe er seine ersten homosexuellen Erfahrungen gemacht, obwohl er nie vorhatte homosexuell zu sein. Dieser Mann habe den Beschwerdeführer gezwungen homosexuelle Handlungen mit ihm zu vollziehen. Anschließend sei er zu seiner Tante nach Lagos gereist. In Lagos habe er eine homosexuelle Gruppe gegründet. Die Gruppe habe sich regelmäßig in Hotels getroffen. Seine Tante und sein Onkel würden jedoch von seiner Homosexualität nichts gewusst haben. Der Beschwerdeführer habe anschließend eine andere homosexuelle Gruppe kennengelernt und diese Gruppe habe es gefallen, wie die Gruppe miteinander gelebt habe, deshalb habe man sich öfters gegenseitig besucht und gemeinsam Zeit miteinander verbracht. Bei einem Treffen mit dieser Gruppe habe man vom Beschwerdeführer homosexuelle Handlungen verlangt, dies habe er jedoch abgelehnt, daher habe er versucht aus dieser Gemeinschaft auszutreten. Deshalb sei er angesprochen und attackiert worden und er sei zu sich nach Hause geflüchtet. Einige Tage später habe die Gruppe versucht ihn zu töten. Er sei auch von dieser Gruppe bei der Polizei angezeigt worden, dies habe ihn ein Freund kurz nach der Ankunft in Österreich mitgeteilt. Dies sei der Grund warum er Nigeria verlassen habe.

Am 13.07.2017 wurde der Beschwerdeführer neuerlich von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen, wobei er, befragt zu seinem Fluchtgrund angab, dass sein bisheriges Vorbringen der Wahrheit entspreche. Er wolle nur noch über die Situation in seiner Heimat berichten. Die Situation in Nigeria habe sich verschlechtert und die islamistische Regierung versuche seine Landsleute umzubringen. Zudem habe er am 30.05.2016 in Wien an einer Demonstration für die Freiheit sowie für die Befreiung unseres Anführers teilgenommen. Auch habe er in Nigeria an geheimen Treffen der IPOB teilgenommen, die Regierungsarmee sowie die Polizei hätten bei einem Treffen Leute erschossen und es seien auch viele Verhaftet worden. Der Beschwerdeführer selbst habe jedoch immer flüchten können.

Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.01.2018, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.09.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen an Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 16.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, als Mitglied der ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/ 3. Stock, 1170 Wien, als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 12.02.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer stellt daher die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht wolle eine mündliche Verhandlung anberaumen, den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und ihm Asyl zuerkennen, in eventu ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria zuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt wird und ihm einen Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG erteilen, in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Bescheiderlassung an die belangte Behörde zurückverweisen.

Mit Schreiben vom 10.08.2018 legte die Rechtsberatung die erteilte Vollmacht zurück.

Am 17.08.2018 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der I(g)bo an.

Der Beschwerdeführer spricht I(g)bo und Englisch.

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und daher auch erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer hat in Nigeria fünf Jahre die Grundschule und anschließend vier Jahre die Mittelschule besucht und er war als Verkäufer in Nigeria tätig.

Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seinen zwei Brüdern, seiner Tante und seinen Onkel, lebt in Nigeria.

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 07.09.2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten. Er führt eine platonische Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin. Er lebt nicht mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer verfügt über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Der Beschwerdeführer geht außer dem Verkauf einer Straßenzeitung "Marie" keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Hinsichtlich seiner Integration hat der Beschwerdeführer mehrere Empfehlungsschreiben und eine Bestätigung über seine Tätigkeit als Verkäufer der Straßenzeitung "Marie" vorgelegt. Er hat keine Deutsch-Prüfung abgelegt, er hat an keinen beruflichen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen und ist derzeit kein Mitglied eines Vereines oder sonstigen integrationsbegründenden Institution. Der Beschwerdeführer spricht rudimentär Deutsch, sohin konnten folglich keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Nigeria einer persönlichen Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war.

Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine homosexuelle Orientierung des Beschwerdeführers ergeben und es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria wegen seiner homosexuellen Orientierung verfolgt wird. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen bzw. eine solche im Falle der Rückkehr zu befürchten hat.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Nicht festgestellt werden kann auch, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Dies insbesondere da dort noch seine Familie lebt, er über eine umfangreiche Schulausbildung verfügt und in Nigeria als Verkäufer gearbeitet hat.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 16.02.2018 die aktuellen Länderfeststellungen und die im Rahmen der Ladung übermittelte Analyse der Staatendokumentation zur Lage sexueller Minderheiten, insbesondere MSM (men who have sex with men), vom 30. 09.2016, erläutert und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt, wobei seitens der Rechtsvertretung auf den Beschwerdeschriftsatz verwiesen wurde und der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angab, dass die Länderberichte politisch motiviert seien und sie auf Lügen aufbauen würden.

Es kann daher zusammengefasst festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird, er selbst hat hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet und haben sich auch amtswegig keine Anhaltspunkte dafür ergeben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann, zumal er arbeitsfähig ist, in Nigeria die Schule besucht hat und bereits gearbeitet hat. Zudem kann er in Nigeria auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen. Aber auch wenn ihm kein privater Familienverband soziale Sicherheit bieten sollte, kann er seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten. Staatliche Repressionen im Falle der Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl können nicht festgestellt werden.

Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Nigeria unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria und die Analyse der Staatendokumentation "Zur Lage sexueller Minderheiten, insbesondere von MSM (men who have sex with men), unter Hinzunahme der Information der FFM Nigeria vom 15.-23.11.2015 vom 30.09.2016. Außerdem wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Zudem konnte im vorliegenden Beschwerdefall auf die Ermittlungsergebnisse im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgegriffen werden.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinem Familienstand, Volljährigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2018 (Niederschrift zur öffentlichen mündlichen Verhandlung, Seite 3 und 4).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer I(g)bo und Englisch spricht ergibt sich einerseits aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Niederschrift zur öffentlichen mündlichen Verhandlung, Seite 3) und anderseits aus dem Umstand, dass die Beschwerdeverhandlung in Englischer Sprache durchgeführt wurde.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments beziehungsweise sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit der Beschwerdeführer namentlich genannt wird, dient dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17.08.2018 ("RI: Leiden Sie an chronischen Krankheiten oder anderen Gebrechen? BF: Nein. RI: Befinden Sie sich derzeit in ärztlicher Behandlung? BF: Nein.").

Die Feststellungen zu seiner Schulausbildung und seiner beruflichen Erfahrung als Verkäufer in Nigeria, ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (AS 87 und AS 88) sowie aus den Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Niederschrift Seite 5).

Die Feststellung zur Familie des Beschwerdeführers in Nigeria, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (AS 87).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer spätestens am 07.09.2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet einreiste und am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ergibt sich aus den unbedenklichen Akteninhalt und aus seinen Angaben in der Erstbefragung (AS 5 ff.).

Die Feststellungen, dass keine Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich leben, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Einvernahme ("RI: Haben Sie in Österreich lebende Verwandte? BF: Nein."; Niederschrift Seite 13).

Die Feststellung hinsichtlich seiner platonischen Beziehung zu einer österreichischen Staatsangehörigen ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers sowie seiner Freundin im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Niederschrift Seite 4 und Seite 14). Dass der Beschwerdeführer über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus seinen und den Angaben seiner Freundin. ("RI: Sind Sie verheiratet oder leben Sie in einer Lebensgemeinschaft? BF: Ich bin nicht verheiratet. Ich habe eine Beziehung, aber keine Lebensgemeinschaft. Ich habe eine Beziehung mit einer Sexualpädagogin zur Orientierung. Davon lerne ich viel.

RI: Ist das eine sexuelle Beziehung? BF: Eigentlich nicht. RI: Was verstehen Sie unter eigentlich? BF: Gegenwärtig nicht. RI: Ist das mehr als nur eine Freundschaft? BF: Wir sind jetzt in einer guten

Freundschaft. RI: Fühlen Sie sich zu dieser Dame hingezogen? BF: Ja, aus ihrem Wissen und aus dem, was ich von ihr lerne, als

Sexualpädagogin. RI: Beabsichtigen Sie in Zukunft mit dieser Dame eine Beziehung einzugehen? BF: Ich kann das im Moment nicht genau sagen. Das nehme ich sehr wohl in Betracht. Es wäre möglich. Aber für den jetzigen Augenblick sind wir nur Freunde. RI: Haben Sie Kinder? BF: Nein. Beabsichtigen Sie Kinder zu haben? BF: In der Zukunft ja"). Die Freundin des Beschwerdeführers gab im Wesentlichen an, dass sie zu ihm ein sehr inniges Verhältnis habe. Da sich der Beschwerdeführer in seiner sexuellen Orientierung noch nicht verfestigt sei, habe sie die Beziehung nicht vertieft.

Dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht und als Verkäufer der Straßenzeitung "Marie" tätig ist, ergibt sich aus den Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung, aus den vorgelegten Bestätigungsschreiben sowie aus dem Grundversorgungs- Auszug (GVS).

Die Feststellungen bezüglich seiner Integration ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, aus den vorgelegten Empfehlungsschreiben sowie Bestätigungsschreiben (Straßenzeitung "Marie") und des persönlichen Eindrucks des erkennenden Richters im Rahmen der Verhandlung hinsichtlich seiner Deutsch-Kenntnisse. Der Beschwerdeführer hat keine Deutschprüfung abgelegt (Niederschrift Seite 13), es konnte jedoch im Rahmen der Verhandlung festgestellt werden, dass er rudimentär Deutsch spricht. Der Beschwerdeführer ist derzeit kein Mitglied eines Vereines oder sonstigen integrationsbegründenden Institution. Aus den vorgelegten Empfehlungsschreiben und seiner platonischen Beziehung zu einer Österreicherin ergeben sich durchaus Integrationsbemühungen, die jedoch insgesamt nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben im Sinne der EMRK entsprechen.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.3. Zu den Fluchtmotiven und der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Nigeria weder aufgrund seiner politischen oder religiösen Einstellung, noch aufgrund seiner sozialen Herkunft, seiner Rasse, seiner Nationalität oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wird, ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung seiner Aussagen im Administrativverfahren und vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus dem persönlichen Eindruck des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2018.

Im gegenständlichen Verfahren begründet der Beschwerdeführer seine Ausreise mit einem angeblichen Angriff und einer vermuteten Anzeige bei der Polizei aufgrund seiner Homosexualität. Nach dem seine Eltern verstorben seien, habe er ca. fünf Jahre bei einem Mann gelebt. Dieser Mann habe von ihm sexuelle Handlungen verlangt. Anschließend sei er zu seiner Tante nach Lagos gereist. Aufgrund seiner homosexuellen Erfahrungen habe er sich entschlossen eine homosexuelle Gruppierung in Lagos zu gründen. Diese Gruppe, bestehend aus ca. fünf Personen, habe sich regelmäßig in verschiedenen Hotels getroffen und ihre Homosexualität ausgelebt. Eine andere ebenfalls homosexuelle Gruppierung habe versucht mit ihm und den Mitgliedern seiner Gruppierung sexuelle Handlungen durchzuführen. Da der Beschwerdeführer sich jedoch geweigert habe sich penetrieren zu lassen, habe er versucht die Gruppe zu verlassen. Die andere Gruppe habe dies jedoch nicht akzeptiert und ihm bei sich zuhause bedroht. Mehrere Personen hätten mit Gewehren und Macheten versucht den Beschwerdeführer zu töten. Daraufhin sei der Beschwerdeführer durch die Hintertüre geflüchtet. Als er in Österreich war, habe er von einem ehemaligen Mitglied seiner Gruppierung erfahren, dass er von der anderen Gruppierung angezeigt worden wäre.

In der niederschriftlichen Einvernahme am 13.07.2017 brachte der Beschwerdeführer zudem vor, dass er an geheimen Treffen der Organisation Indigenous People of Biafra (IPOB) teilgenommen habe. Des Weiteren gab er an, dass die Regierungsarmee und die Polizei bei einem Treffen Teilnehmer erschossen und andere Teilnehmer verhaftet hätten. Dem Beschwerdeführer sei die Flucht gelungen. Am 30.05.2016 habe er in Wien bei einer Demonstration für die Befreiung des Anführers der Biafra Bewegung demonstriert. Der Beschwerdeführer gehe davon aus, dass die nigerianische Regierung über seine Teilnahme an dieser Demonstration bescheid wisse.

Die Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 die Glaubhaftmachung ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abs. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. dazu etwa den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. September 2015, Zl. Ra 2015/19/0143). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0279).

Widersprüchlich sind die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich des behaupteten Angriffs der homosexuellen Gruppe bei sich zu Hause. Er gab in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.11.2016 an, dass die homosexuelle Gruppierung das Haus des Beschwerdeführers von früheren Besuchen gekannt hätten und sogar gewusst hätten wo das Zimmer des Beschwerdeführers gelegen sei (AS 94). Im Gegensatz dazu gab er in der mündlichen Verhandlung an, er habe sich nicht vorstellen können, dass diese Gruppierung wisse wo er wohne (Niederschrift Seite 9).

Die Probleme des Beschwerdeführers hätten damit begonnen, dass die andere homosexuelle Gruppe versucht habe mit seiner homosexuellen Gruppe sexuelle Handlungen durchzuführen. (BF: "Das fing an, als eine zweite Gruppe in Lagos sich mit uns vereinen wollte. Diese zweite Gruppe sah, es geht uns gut, wir sind friedvoll und sie wollten sich mit uns zusammentun, damit wir eine große Gruppe sind. Aber sie hatten ein Gesetz, dass - wenn jemand Sex hatte mit einem Mann - dieser muss dann als Sexualpartner für einen Mann dienen. Das wollte ich nicht. Danach fingen die Probleme an."). Dabei ist nicht plausibel, weshalb der Beschwerdeführer als Anführer seiner Gruppe die andere Gruppe nicht ausgeschlossen hat. ("RI: Wieso haben Sie die andere Gruppe nicht ausgeschlossen? BF: Bei uns in der ursprünglichen Gruppe legten wir einen Eid ab. Diese neue Gruppe hat das auch gemacht. Als ich dann versuchte, diese zweite Gruppe wegzuschicken, weil wir sie ablehnten und dieses neue Gesetz nicht akzeptierten, sagten sie: Nein, wir haben einen Eid abgelegt, wir gehen nicht, wir gehören zusammen".). Ebenfalls erscheint es nicht plausibel, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen wäre, die andere Gruppierung aus dem Weg zu gehen ("BF: Ich habe versucht, meine Führungsrolle abzulegen. Sie haben mich bedroht und sagten, wenn ich das tue, bringen sie mich um. Ich habe das zuerst als Scherz betrachtet, weil ich noch niemanden verletzt habe und noch nie bedroht wurde. Aber sie versicherten mir, sie meinen es sehr wohl ernst, sie würden mich töten."). Als unglaubwürdig wird erachtet, dass der Beschwerdeführer nur ein Hotel nennen konnte, obwohl er behauptete Anführung der homosexuellen Gruppe gewesen zu sein und für die Reservierungen der Hotels zuständig gewesen wäre. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer den vollständigen Namen des Mannes nennen konnte, obwohl er behauptete, bei diesem fünf Jahre gelebt zu haben und mit diesem eine sexuelle Beziehung geführt habe. Auch konnte der Beschwerdeführer, bis auf den Vornamen des Anführers, die Namen der anderen homosexuellen Gruppe nicht nennen.

In der niederschriftlichen Einvernahme am 13.07.2017 gab er an, dass er an geheime Treffen der IPOB (Indigenous People of Biafra) teilgenommen habe und Teilnehmer von der Regierungsarmee und der Polizei erschossen und Teilnehmer verhaftet worden seien. Zudem habe er in Österreich am 30.05.2016 an einer Demonstration für die Befreiung Nnamdi Kalu teilgenommen habe. Befragt dazu gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass dies nicht sein Fluchtgrund gewesen sei. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die vom Beschwerdeführer behaupteten Geschehnisse hinsichtlich der IPOB kein Grund für die Ausreise aus Nigeria sein sollten ("RI: Bei der Einvernahme am 13.07.2017 haben sie angegeben, dass Sie am 30.05.2016 in Wien an einer Demonstration für de "Freiheit Biafra" teilnahmen. Was sagen Sie dazu? BF: Bis zum Tod meines Vaters hat er mir vom Bürgerkrieg Nigeria Biafra geredet, er hat in diesem Krieg drei Jahre gekämpft und wurde schwer verwundet. Er hatte eine Bleikugel im Magenbereich, was auch zu seinem Tod führte. Er hat mir immer davon erzählt, deswegen war es mir ein Anliegen. RI: Dies ist nicht Ihr Fluchtgrund? BF: Nein, das war nicht der Grund. Es war mir wichtig, weil so viele Menschen starben. Aber es war nicht mein Fluchtgrund.

RI: Aufgrund der Teilnahme an der Demonstration fühlen Sie sich nicht von der nigerianischen Regierung verfolgt? BF: Sie verfolgen mich nicht, sehr wohl die einheimische Gruppe, die für Biafra kämpfen. Dazu gehöre ich, aber ich glaube niemand weiß davon.").

Zu seiner Homosexualität gab der Beschwerdeführer an, dass er die homosexuellen Beziehungen nicht aus persönlicher Neigung gehabt habe, sondern weil es die Umstände verlangt hätten. ("BF: Ich habe homosexuelle Beziehungen in meinem Heimatland nicht aus persönlicher Neigung gehabt, sondern weil die Umstände es verlangten. Wenn ich zurückdenke, war das ein Trauma. Jetzt mit meiner Freundin lerne ich sehr viel über Orientierung, Training und Übung und ich brauch Zeit, um meinen künftigen Weg zu sehen."). Welche Umstände dem Beschwerdeführer zu den homosexuellen Beziehungen geführt haben, obwohl er diese ohne persönlicher Neigung zu haben eingegangen sei und er sogar in Lagos eine homosexuelle Gruppe gegründet hätte, blieben offen. Es ist auch nicht nachvollziehbar warum der Beschwerdeführer nach dem Tode seiner Eltern fünf Jahre bei einem Mann gelebt habe und nicht schon früher zu seiner Tante nach Lagos gereist ist.

Insgesamt ist daher auszuführen, dass der behauptete Fluchtgrund nicht glaubhaft gemacht werden konnte, da der Beschwerdeführer, wie aus den obigen Ausführungen und den Einvernahmen zu entnehmen ist, in wesentlichen Punkten lückenhafte und unplausible Angaben machte. Diese Überlegung stützt sich auf die vagen und unsubstantiierten Schilderungen des Beschwerdeführers zu den Geschehnissen, welche ihn letztlich dazu veranlasst haben, sein Heimatland zu verlassen.

Diese Ausführungen lassen in ihrer Gesamtbetrachtung die Fluchtgeschichte als reine gedankliche Konstruktion erscheinen. Ihnen fehlt jegliche Stringenz hinsichtlich einer Verfolgung wegen Homosexualität, sodass die Angaben zu seiner behaupteten Homosexualität jede Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit vermissen lassen. Es ist somit davon auszugehen, dass die Geschichte nur zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels vorgebracht wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt.

Des Weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer, der über eine mehrjährige Schulbildung verfügt und in seinem Heimatstaat als Verkäufer gearbeitet hat, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Bezug auf existentielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde, selbst wenn es an staatlichen Sozialleistungen und familiärer Unterstützung mangeln würde, wobei er in Nigeria immer noch familiäre Anknüpfungspunkte hat.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation: Nigeria,

3. Quartal 2016: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), 8. November 2016, herangezogen, als auch die Analyse der Staatendokumentation zur Lage von sexuellen Minderheiten in Nigeria vom 30.09.2016 herangezogen.

Im Länderbericht ergibt die geschilderte allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr, die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land, sodass sich Bürger in jedem Teil des Landes niederlassen können. Es besteht daher für jeden grundsätzlich die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen.

Zur wirtschaftlichen Lage ist allgemein auszuführen, dass Nigeria seit 2014 als die größte Volkswirtschaft Afrikas gilt, im Jahr 2014 wurde sogar das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika übertroffen (GIZ 7.2017c), neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 21.11.2016). Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung (GIZ 7.2017c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde - durch Einwirken der Regierung - kräftig ausgeweitet. Die unterentwickelte Landwirtschaft ist nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 4.2017c). Eine Lebensmittelknappheit war in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent, in vereinzelten Gebieten im äußersten Norden Nigerias (Grenzraum zur Republik Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen aber auch aufgrund der Flüchtlingsbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten nicht mehr aus (ÖBA 9.2016)

Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016).

Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit (BS 2016). Die überwiegende Mehrheit der Nigerianer ist im informellen Arbeitsmarkt tätig und bekommt somit keine Pension (TE 25.10.2014). Jedoch wurde das Pension Reform Act novelliert, um die Kosten und Nutzen für die Mitarbeiter von öffentlichen und privaten Sektor zu harmonisieren (BS 2016). Bis März 2016 waren es etwa 7,01 Millionen Arbeitnehmer die beim Contributory Pension Scheme registriert sind und dazu beitragen. Dies repräsentiert etwa 7,45 Prozent der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung und 3,95 Prozent der gesamten Bevölkerung. 26 von 36 Bundesstaaten haben das Contributory Pension Scheme übernommen (TD 2.5.2016).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 7.2017c). Geldtransfers und Investitionen der im Ausland lebenden Nigerianer tragen wesentlich zur Unterstützung der Wirtschaft bei (AA 3.12.2015).

Hinsichtlich der Homosexualität ist auszuführen, dass es seit der Unabhängigkeit Nigerias nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch gab, die Zahl ist einstellig. Mit der zunehmenden Öffentlichkeit im Zuge der Diskussion um den SSMPA hat sich zwar die Zahl der Verhaftungen gesteigert (knapp dreistellig). Es kam aber zu keinen Verurteilungen (HL1 16.11.2015). Überhaupt gibt es keine systematische Verfolgung Homosexueller (DS4 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität - weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA (LLM 16.11.2015). Überhaupt gab es seit der Unabhängigkeit Nigerias nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig. Eine generelle "staatliche Verfolgung" ist allerdings derzeit nicht gegeben. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist - wie auch in vielen Staaten dieser Welt - vorhanden (ÖBA 7.2014).

Laut bereits bestehenden Gesetzen wird "Geschlechtsverkehr, der gegen die Ordnung der Natur geht" mit einer Haft von 14 Jahren bestraft. In den 12 nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, werden homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tode durch Steinigung bestraft. Aktivisten sind jedoch keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Die Polizei verhaftete 12 Männer im Jänner 2015 in Kano und 21 Männer in Oyo im Mai 2015, da ihnen homosexuelle Handlungen vorgeworfen wurden. Alle wurden nach wenigen Stunden wieder entlassen (HRW 27.1.2016). Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen. Das gilt auch für die seit 1999 regierende PDP, die seit den letzten Wahlen im März 2015 nun zum ersten Mal in der Opposition ist (AA 21.11.2016). Die Verfassung und die Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien (USDOS 3.3.2017).

Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt zu verzeichnen. Dies betrifft vor allem Gruppen mit sezessionistischen Zielen. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor (AA 21.11.2016).

Im Süden und Südosten Nigerias kommt es zu Demonstrationen, bei denen ein unabhängiger Staat Biafra gefordert wird (AI 24.2.2016). Gegen die Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB), deren Mitglieder der Ethnie der Igbo angehören und die größere Selbständigkeit für den Südosten des Landes reklamiert, gingen die Sicherheits-organe in der Vergangenheit teilweise massiv vor (AA 21.11.2016). Weiters gibt es auch die separatistische Biafra-Bewegung Indigenous People of Biafra (IPOB), die im Jahr 2012 gegründet wurde (NZZ 30.5.2017).

Seit dem Regierungswechsel 2015 und der zwischenzeitlichen Verhaftung eines der Führer der Biafra-Bewegung, dem Direktor des in London ansässigen und inzwischen in Nigeria verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" Nnamdi Kanu im Oktober 2015, kommt es verstärkt zu politischen Demonstrationen von Anhängern der Biafra-Bewegung, denen die Regierung gewaltsam begegnet sein soll (AA 4.2017a).

Amnesty International berichtet, dass nigerianische Sicherheitskräfte mindestens 150 Menschen töteten (AI 24.11.2016) und Hunderte willkürlich verhafteten (USDOS 3.3.2017), die im Südosten des Landes zwischen August 2015 und August 2016 für die Unabhängigkeit Biafras von Nigeria demonstrierten. Eingeschlossen ist die Zahl von Biafra-Aktivisten, die am 30.5.2016, dem Biafra-Gedenktag, getötet wurden. An dem Tag trafen sich in Onitsha im Bundesstaat Anambra rund 1.000 Unterstützer der IPOB. Sicherheitskräfte erschossen an mehreren Orten willkürlich Menschen. In der Nacht vor der Versammlung stürmten Sicherheitskräfte Häuser und eine Kirche, in denen IPOB-Mitglieder übernachteten. Amnesty International geht davon aus, dass an den beiden Tagen insgesamt mindestens 60 Menschen getötet, 79 verletzt (AI 24.11.2016). Mit Stand Dezember 2016 wurden diese Vorfälle von der Regierung noch nicht untersucht (USDOS 3.3.2017).

Am 30.5.2017 jährte sich die Erklärung einer unabhängigen Republik Biafra im Südosten Nigerias, die den nigerianischen Bürgerkrieg ausgelöst hatte, zum fünfzigsten Mal. Gemäß AFP blieben Läden, Schulen und Geschäfte im Südosten Nigerias geschlossen, und die staatlichen Sicherheitskräfte waren sichtbar präsent. Der Anführer der Bewegung IPOB, Nnamdi Kanu, erklärte, es ginge ihm um zivilen Ungehorsam, um ein Referendum über die Selbstbestimmung der Region herbeizuführen. Die nigerianische Polizei hatte angekündigt, bei einem Bruch des Friedens oder unrechtmäßigen Protesten entschieden zu handeln. Gemäß einem von AFP zitierten Sprecher der Armee seien die Sicherheitsvorkehrungen im Südosten an tatsächlichen oder möglichen Krisenherden verstärkt worden. Laut Amnesty International wurden mehr als 100 Mitglieder zweier Pro-Biafra-Gruppen, des MASSOB und des Biafra Independent Movement (BIM), in den Staaten Enugu, Ebonyi und Cross Rivers am 22.5.2017 während Feiern im Vorfeld des Jahrestages festgenommen (SFH 22.6.2017).

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014). Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten.

Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist je nach Region um 35-80 Euro zu erhalten. Saison- und regionalmäßig werden auch gebratene Maiskolben zusätzlich angeboten. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "Minifarming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare über Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Schnecken und "grass-cutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖBA 9.2016).

Da ein Meldewesen nicht vorhanden (AA 21.11.2016; vgl. ÖBA 9.2016) ist und auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem nicht existiert, ist es damit in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 9.2016).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 21.11.2016). Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des Department of State Service (DSS), das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. Die Polizei, das DSS und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 3.3.2017). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖBA 9.2016). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 21.11.2016). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee (USDOS 3.3.2017). Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016b). Zum Rechtsschutz ist auszuführen, dass das Institut der Pflichtverteidigung erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt wurde. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen (AA 21.11.2016). Rechtsberatungen und Rechtsbeistand bieten u.a. die folgenden Organisationen: Legal Aid Council; die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC); Legal Defence and Assistance Project (LEDAP) (IOM 8.2013). Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 21.11.2016).

Es besteht auch wie im Länderbericht ausgeführt, keine Gefahr dahingehend, dass der ob eines abgelehnten Asylantrages rückgeführte Asylwerber bei seiner Rückkehr nach Nigeria mit staatlichen Repressionen zu rechnen habe.

Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt außerdem darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 9.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

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BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 12.6.2017

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/336585/479262_de.html, Zugriff 12.6.2017

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UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (24.7.2017): Foreign Travel Advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 24.7.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017b): Nigeria - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 2.8.2017

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HL1 - Human Rights Lawyer 1 (16.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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