Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des E P in Salzburg, vertreten durch DDr. Rainer Lukits LL.M., Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2018, Zl. W192 2176780-1/6E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 30. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte der Revisionswerber zusammengefasst vor, dass ihm in Afghanistan aufgrund der Tätigkeit seines Bruders für die afghanische Nationalarmee eine Verfolgung durch die Taliban drohe.
2 Mit Bescheid vom 17. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und sprach aus, dass eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise bestehe.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 17. Mai 2018 ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, es sei - aus näher dargestellten Gründen - nicht glaubhaft, dass die Taliban den Revisionswerber in seiner Heimatprovinz Ghazni aufgrund der Tätigkeit seines Bruders für die afghanische Nationalarmee in einem Militärcamp in Herat verfolgen würden. Darüber hinaus bestehe für den Revisionswerber - einen jungen und gesunden Mann, der über eine achtjährige Schulbildung sowie Berufserfahrungen in der Landwirtschaft verfüge und der in Afghanistan aufgewachsen sei - insbesondere in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative.
5 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der insbesondere vorgebracht wird, dass das BVwG entgegen den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Kriterien von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen habe. Zudem stützt sich die Revision darauf, dass dem angefochtenen Erkenntnis veraltete Länderberichte zugrunde gelegt worden seien und verweist auf aktuelle Berichte zur Sicherheitslage in Kabul. Darüber hinaus sei die Beweiswürdigung des BVwG als unschlüssig anzusehen.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Soweit die Revision einen Verstoß des BVwG gegen die Verhandlungspflicht geltend macht, ist zunächst festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt ist, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).
11 Die Revision vermag mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen, dass das BVwG von diesen Leitlinien abgewichen wäre. So brachte der Revisionswerber in der von ihm erhobenen Beschwerde gegen die Annahme des BFA, ihm stehe unter anderem in Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, im Wesentlichen vor, dass er sich in Afghanistan noch nie außerhalb seines Geburtsortes aufgehalten habe, er nicht über die notwendigen Kenntnisse über Kabul verfüge und er dort auch nicht auf ein soziales Netzwerk zurückgreifen könne. Vor dem Hintergrund der insoweit einheitlichen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes gelang es dem Revisionswerber damit jedoch nicht, der Einschätzung des BFA, der sich auch das BVwG anschloss, der Revisionswerber als arbeitsfähiger, junger Mann mit achtjähriger Schulbildung und Berufserfahrung finde aufgrund der aufgezeigten Umstände des Einzelfalles in Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative, substantiiert entgegenzutreten (vgl. VfGH 12.12.2017, E 2068/2017; VwGH 23.1.2018; Ra 2018/18/0001). Damit war der Sachverhalt jedoch in einem bereits für sich tragenden Punkt im Sinne der hg. Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht nicht als ungeklärt zu betrachten, weshalb das BVwG letztlich von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen durfte (vgl. VwGH 7.5.2018, Ra 2018/18/0088).
12 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt gleichsam für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das BVwG hatte daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht jedoch nicht aus, wie im Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision lediglich die Heranziehung veralteter Länderberichte zu behaupten, ohne die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels darzulegen (vgl. VwGH 6.6.2018, Ra 2018/01/0239).
13 Die Revision zeigt nicht auf, inwiefern sich die allgemeine Sicherheitslage insbesondere in Kabul im Vergleich zu den vom BVwG herangezogenen Länderberichten in maßgeblicher Weise verändert habe. Somit gelingt es ihr nicht, die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels aufzuzeigen.
14 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt schließlich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 30.5.2018, Ra 2018/18/0228, mwN).
15 Entgegen den Revisionsausführungen kann die Beweiswürdigung des BVwG, wonach der Revisionswerber nicht persönlich ins Visier der Taliban geraten sei und ihm daher im Fall einer Rückkehr keine Verfolgung durch die Taliban drohen würde, nicht als unvertretbar im Sinn der dargestellten Judikatur erkannt werden.
16 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. August 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180390.L00Im RIS seit
24.09.2018Zuletzt aktualisiert am
25.09.2018