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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ASchG 1994 §130 Abs1 Z6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 22. Mai 2018, Zl. LVwG-S-2068/001-2017, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha; mitbeteiligte Partei: Z in W, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Vienna Twin Tower, Turm B, Wienerbergstraße 11, 1100 Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 26. Juli 2017 hat die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht über den Mitbeteiligten wegen folgender Übertretung eine Geldstrafe von EUR 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 144 Stunden) verhängt:
"Zeit: 15.06.20 (Überprüfung durch Arbeitsinspektorat)
Ort: M, W-Straße (Betriebsstätte)
Tatbeschreibung:
Sie haben als verantwortlicher Beauftragter der Firma G GmbH mit dem Sitz in M, W-Straße, zu verantworten, dass am 15.06.2016 am oben genannten Standort nachstehender Punkt des Arbeitnehmerinnenschutzgesetzes nicht eingehalten worden ist.
Am 15.06.2016 waren Herr B und Herr S mit Arbeiten an den Stützfüßen eines abgestellten WAB-Containers im Auftrag der Fa. L GmbH, beschäftigt. Es sollte die rechte vordere Stütze ausgetauscht werden und zu diesem Zweck wurde mittels Winde der WAB-Container rechts vorne angehoben. Herr B befand sich gerade unter dem WAB-Container, der leer war, aber immer noch ein Gewicht von ca. 2,5 Tonnen aufwies, als dieser ins Rutschen kam und nach vorne kippte. Dabei wurde Herr B unter dem WAB-Container begraben. Der WAB-Container wurde mittels Stapler hochgehoben und der darunter gelegene Herr B tot geborgen.
Es konnte durch die Polizei festgestellt werden, dass beim gegenständlichen WAB-Container die rechte vordere Sicherung der Stütze nicht montiert war, da diese Stütze ausgetauscht werden sollte. Die Sicherung der linken vorderen Stütze war eingeklappt und daher nicht montiert.
Die rechte hintere Sicherung der Stütze war montiert und wurde durch das Gewicht des Containers verbogen bzw. ausgerissen. An der linken hinteren Stütze fehlte die Sicherungsstrebe komplett.
Dadurch wurde § 4 Abs. 4 ASchG übertreten, wonach die Ermittlung und Beurteilung der Gefahren erforderlichenfalls zu überprüfen und sich ändernden Gegebenheiten anzupassen ist. Die festgelegten Maßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen, dabei ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen anzustreben.
Sie haben daher zu verantworten, dass hinsichtlich der Sicherheitsunterweisung für Arbeiten von Fremdfirmen, wonach unter dem Punkt ‚Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln'
u. a. vorgeschrieben ist:
‚Vor Beginn der Arbeiten sind die Gefahren zu ermitteln und die erforderlichen Maßnahmen festzulegen. Der Arbeitsauftrag muss erklärt und mit den betrieblichen Verhältnissen abgestimmt werden',
nicht eingehalten worden ist, da dieser Punkt nicht vor dem gegenständlichen Arbeitsbeginn auf seine Wirksamkeit hin überprüft worden ist, wodurch in weiterer Folge der WAB-Container umgekippt ist."
2 Der Mitbeteiligte habe dadurch § 4 Abs. 4 iVm § 130 Abs. 1 Z 6 ASchG verletzt.
3 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht mit dem nun angefochtenen Erkenntnis Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Die Revision erklärte es als nicht zulässig.
4 Nach der wesentlichen Begründung finde sich im Spruch des Straferkenntnisses kein Hinweis, in welchem Verhältnis die G GmbH zu B und S stehe. Eine Tatanlastung, dass das Unternehmen Arbeitgeber der beiden Personen sei, finde sich im Straferkenntnis nicht. Ob die beiden Arbeitnehmer einer Fremdfirma gewesen sei bzw. in welcher Eigenschaft sie an dem WAB-Container gearbeitet hätten, sei aus dem Spruch des Straferkenntnisses nicht zu entnehmen. Aus der Tatanlastung, dass bei Arbeiten am WAB-Container eine Person tödlich verunglückt sei, gehe keine Beschreibung des Verhältnisses zwischen der G GmbH und den beiden am WAB-Container tätigen Personen hervor. Innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist sei keine vollständige, verständliche und richtige Tatanlastung erfolgt. Deshalb sei wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung der Beschwerde Folge zu geben und das Straferkenntnis aufzuheben gewesen. Eine Spruchkorrektur sei dem Verwaltungsgericht verwehrt.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit der wesentlichen Begründung, das Verwaltungsgericht sei von der Entscheidung VwGH 19.4.2017, Ra 2017/02/0039, abgewichen. Dort sei der Verwaltungsgerichtshof in einem vergleichbaren Fall zum Ergebnis gelangt, dass die dort angelasteten Tatbestände, die in der Unterlassung bestimmter gebotener Maßnahmen bestünden, zu ihrer Erfüllung gerade keinen Erfolg der Tathandlung forderten, sondern das Unterlassen näher beschriebener geeigneter Maßnahmen pönalisierten und die Verletzung eines Arbeitnehmers nicht tatbildlich sei, weswegen es nicht erforderlich gewesen sei, ihn im Spruch des Straferkenntnisses ausdrücklich als Arbeitnehmer des dort Beschuldigten zu bezeichnen. Hätte das Verwaltungsgericht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung berücksichtigt, dass der Spruch des Straferkenntnisses und auch vorangegangene Verfolgungshandlungen nur die für das verwirklichte Ungehorsamsdelikt relevanten Tatbestandsmerkmale zu enthalten hätten, wozu nach Auffassung der Revisionswerberin Angaben zum Verhältnis der verunfallten Person zur G GmbH nicht gehörten, hätte es nach Ansicht der Revisionswerberin zu einem anderen Ergebnis gelangen müssen und das Strafverfahren nicht einstellen dürfen.
6 Gemäß § 4 Abs. 4 ASchG ist die Ermittlung und Beurteilung der Gefahren erforderlichenfalls zu überprüfen und sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Die festgelegten Maßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen, dabei ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen anzustreben.
7 Nach § 130 Abs. 1 Z 6 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von EUR 166,-- bis EUR 8.324,-- zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die durchzuführenden Schutzmaßnahmen nicht festlegt oder nicht für deren Einhaltung sorgt.
8 Ein mit dem zitierten Erkenntnis vom 19. April 2017 vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor, weshalb das Verwaltungsgericht von der dort zum Ausdruck gebrachten Rechtsprechung nicht abweichen konnte.
9 Bei ihrer Argumentation verkennt die Revisionswerberin nämlich, dass die von der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht als übertreten angesehenen "Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln" (oben im Spruch des Straferkenntnisses wiedergegeben) einen Arbeitsauftrag voraussetzen, der weder nach den Feststellungen, noch nach dem Akteninhalt und auch nicht nach den Ausführungen in der Revision von der G GmbH, dessen verantwortlicher Beauftragter der Mitbeteiligte ist, erteilt wurde. Allein die Durchführung der Reparaturarbeiten im Auftrag Dritter auf dem Betriebsgelände der W GmbH begründet keine Verpflichtung des Mitbeteiligten gemäß § 4 Abs. 4 ASchG.
10 In Anbetracht des gegebenen Sachverhaltes ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.
11 Mangels Vorliegens einer grundsätzlichen Rechtsfrage war die Revision daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen. Wien, am 3. September 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020226.L00Im RIS seit
21.09.2018Zuletzt aktualisiert am
28.09.2018