TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/30 95/18/1323

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Veröffentlicht am 30.11.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs3;
AVG §13a;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des am 25. April 1957 geborenen D B in Wien, vertreten durch Dr. Robert Wallentin, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 6-8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. August 1995, Zl. SD 931/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. August 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei im Juli 1992 nach Österreich gekommen und habe in der Folge nach Vorlage einer Verpflichtungserklärung zweimal einen befristeten Sichtvermerk und zuletzt eine Aufenthaltsbewilligung bis 11. Mai 1994 erhalten. Ein zu spät gestellter Verlängerungsantrag sei abgewiesen und die dagegen verspätet eingebrachte Berufung zurückgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei somit seit Ablauf seiner Aufenthaltsbewilligung nicht mehr zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstehe.

Die Bestimmung des § 19 leg. cit. stehe einem (mit einem Aufenthaltsverbot oder) mit einer Ausweisung verbundenen Entzug der Aufenthaltsberechtigung dann nicht entgegen, wenn dadurch in das Privat- und Familienleben eines Fremden nicht eingegriffen werde. Anderenfalls sei der Eingriff nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei. Da sich die Ehegattin des Beschwerdeführers, möge er mit ihr auch in Scheidung leben, und seine beiden Kinder in seiner Heimat befänden und er hier nur eine Lebensgefährtin habe, die nicht in den Schutzbereich des § 19 FrG falle, und da sich der Beschwerdeführer bisher erst kaum drei Jahre im Bundesgebiet aufhalte, bisher keiner Beschäftigung nachgegangen sei und sein Unterhalt, soweit er diesen nicht durch illegale Gelegenheitsarbeiten verdiene, von seiner Lebensgefährtin finanziert werde, könne von einem Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 19 FrG nicht gesprochen werden, sodass § 19 leg. cit. der Ausweisung nicht entgegenstehe. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass ein Bruder und eine Schwester des Beschwerdeführers im Bundesgebiet lebten, die sich um ihn "aufopfernd" kümmerten. Eine Ermessensentscheidung sei im vorliegenden Fall nicht vorgesehen. Selbst wenn man in der Situation des Beschwerdeführers einen Eingriff im Sinn des § 19 leg. cit. erblicken könnte, wäre dieser Eingriff zur Verteidigung der Ordnung, d.h. eines geordneten Fremdenwesens, somit also zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten. Einem geordneten Fremdenwesen komme nämlich ein sehr hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführer sei nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und habe daher den illegalen Aufenthalt zu beenden und das Bundesgebiet zu verlassen. Die Ausweisung verfolge lediglich den Zweck, den Beschwerdeführer dazu zu veranlassen. Wenn und sobald er die für seinen Aufenthalt oder einen Wohnsitz erforderliche Aufenthaltsbewilligung erhalte, stehe einem Aufenthalt und einer Wohnsitznahme durch den Beschwerdeführer nichts entgegen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zu Grunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt im vorliegenden Beschwerdefall daher nicht zum Tragen. Dass der Beschwerdeführer, dessen Aufenthaltsbewilligung unbestritten am 11. Mai 1994 geendet hatte, einen Antrag auf Verlängerung derselben gestellt hat und dieser rechtskräftig abgewiesen wurde, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, weil der Antrag (unbestritten) verspätet gestellt wurde. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmässig in Österreich aufgehalten haben, und die aus welchem Grund auch immer über keine Aufenthaltsberechtigung (mehr) verfügen, im Fall relativ geringfügiger Versäumung der Frist zur Antragstellung dennoch als rechtzeitig gestellte Anträge auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (die vom Inland aus gestellt werden können) zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 1997, Zl. 95/18/1118, mwH). Diese Rechtsprechung versagt aber im vorliegenden Fall, treffen doch auf den Beschwerdeführer die dargestellten sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen deswegen nicht zu, weil sein rechtmäßiger Aufenthalt nach den unbestrittenen maßgeblichen Feststellungen lediglich knapp zwei Jahren gedauert hatte.

2. Die Beschwerde lässt die maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen, dass die Gültigkeit der dem Beschwerdeführer zuletzt erteilten Aufenthaltsberechtigung am 11. Mai 1994 geendet habe und sein (verspätet gestellter) Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abgewiesen und die dagegen verspätet eingebrachte Berufung zurückgewiesen worden sei, unbestritten.

Die Beschwerde bringt dazu vor, dass ungeachtet dessen der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet rechtmäßig sei, weil die - im Einzelnen näher dargelegten - materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vorgelegen seien. Der Beschwerdeführer habe aus einem Rechtsirrtum heraus seinen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung verspätet gestellt, was durch eine Wiedereinsetzung zu beheben gewesen wäre, worauf aber die bisher in der Rechtssache beteiligten Behörden nicht hingewiesen hätten.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass für die Frage der Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes nicht maßgeblich ist, aus welchem Grund dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht stattgegeben wurde. Die Frist des § 6 Abs. 3 AufG (in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995; vgl. den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. März 1995, Bl. 9 des Verwaltungsaktes) ist eine nicht restituierbare materiell-rechtliche Frist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/18/0525), sodass es auf die Umstände der Fristversäumnis nicht ankommt. Das Beschwerdevorbringen betreffend die Verletzung der Anleitungspflicht nach § 13a AVG geht somit ins Leere.

Wenn die belangte Behörde daher zur Auffassung gelangt ist, dass sich der Beschwerdeführer seit Ablauf seiner bis 11. Mai 1994 gültigen Aufenthaltsbewilligung nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, hegt der Verwaltungsgerichtshof dagegen keinen Einwand. Demnach hatte die Behörde - vorbehaltlich der Zulässigkeit gemäß § 19 FrG - im Grunde des § 17 Abs. 1 leg. cit. die Ausweisung zu verfügen.

3. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid wegen unrichtiger Anwendung des § 19 FrG für rechtswidrig. Der Beschwerdeführer befinde sich seit drei Jahren in Österreich und habe sich hier sozial integriert. Er lebe mit seinen Geschwistern und seiner Lebensgefährtin, die er in Kürze zu heiraten gedenke. Seine Geschwister kümmerten sich "opfernd" um ihn und lebe zuletzt ein Geschwisterteil mit ihm im gemeinsamen Haushalt.

Wenn auch die Auffassung der belangten Behörde, eine Lebensgemeinschaft falle nicht in den Schutzbereich des § 19 FrG vom Verwaltungsgerichtshof in dieser Form nicht geteilt werden kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1997, Zl. 96/18/0135, mwN), verhilft das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Die solcherart geltend gemachten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich sind angesichts seines noch nicht langen Aufenthaltes in der Dauer von knapp drei Jahren (davon zuletzt rund ein Jahr und drei Monate unrechtmäßig) nicht so stark ausgeprägt, dass sie schwerer zu gewichten wären als das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 2. März 1999, Zl. 97/18/0383). Der Beschwerdeführer hat dieses öffentliche Interesse durch sein Fehlverhalten (unrechtmäßiger Aufenthalt in der Dauer von etwa einem Jahr und drei Monaten, Verbleiben in Österreich auch nach rechtskräftiger Abweisung seines Antrages auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung) gravierend verletzt. Das Vorbringen, "zuletzt" lebe ein Geschwisterteil mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt, kann an diesem Ergebnis schon deshalb nichts ändern, weil es sich hiebei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beachtliche Neuerung handelt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG); davon abgesehen wäre das Gewicht des Zusammenlebens mit einem "Geschwisterteil" dadurch relativiert, dass der Beschwerdeführer bereits erwachsen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 97/18/0117).

4. Mit seinem Vorbringen, er sei Flüchtling aus dem jugoslawischen Kriegsgebiet und könne in seine Heimat nicht mehr zurückkehren, verkennt der Beschwerdeführer, dass mit der Ausweisung lediglich die Verpflichtung des Fremden begründet wird, das Bundesgebiet zu verlassen (siehe § 22 Abs. 1 FrG), nicht aber (auch) ausgesprochen wird, dass er in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder dass er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1997, Zl. 95/18/0451).

5. Auf dem Boden des Gesagten ist auch die Verfahrensrüge, die Behörde hätte in Ansehung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers den Sachverhalt näher zu ermitteln gehabt, nicht zielführend.

6. Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. November 1999

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1995181323.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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