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21/03 GesmbH-Recht;Norm
BAO §184 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des K D in I, vertreten durch Dr. Hansjörg Mader und Dr. Christian Kurz, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 3. November 1994, Zl 50318-5/94, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Haftungsbescheid vom 11. Oktober 1993 wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer einer GmbH zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten dieser Gesellschaft betreffend die Jahre 1987 bis 1991 in Höhe von insgesamt S 280.167,-- herangezogen und aufgefordert, diesen Betrag zu entrichten.
In einer dagegen erhobenen Berufung wurde vorgebracht, dass das Abgabenkonto noch im April 1993 ausgeglichen gewesen sei. Im Mai 1993 hätten sich durch das Ergebnis einer abgabenbehördlichen Prüfung entsprechende Nachforderungen ergeben. Die GmbH habe seit 1991 keinerlei betriebliche Tätigkeit mehr entfaltet, keine Umsätze erzielt und sei daher im Jahr 1993 nicht mehr in der Lage gewesen, Steuernachzahlungen zu leisten. Die GmbH sei vermögenslos. Es könne daher dem Beschwerdeführer kein Vorwurf gemacht werden, für die Entrichtung der Abgaben nicht hinreichend gesorgt zu haben. Der Beschwerdeführer sei seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen immer hinreichend nachgekommen, er habe die von seinem Steuerberater vorbereiteten Erklärungen unterfertigt und - steuerrechtlich vertreten - sich darauf verlassen und darauf vertrauen können, dass ihm Steuernachforderungen bekannt gemacht würden. In seinem nach Erlassung einer Berufungsvorentscheidung gestellten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ergänzte er sein Vorbringen dahingehend, dass die Umsatzsteuerschuld der Jahre 1987 bis 1991 im Teilbetrag von S 40.000,-- aus für die Jahre 1987 bis 1990 festgesetzten Sicherheitszuschlägen auf Grund festgestellter Buchführungsmängel resultiere, auf welche "man sich anlässlich der Betriebsprüfung geeinigt" habe. Bei der darüber hinausgehenden Umsatzsteuerschuld im Betrag von S 149.647,-- (betreffend das Jahr 1991) handle es sich im Wesentlichen um Vorsteuerrückrechnungen aus einem stillen Ausgleich. Die Erfüllung dieser "stillen" Ausgleichsforderung sei nur möglich gewesen, weil die Hausbank zu einem Entgegenkommen bereit gewesen sei, sodass auch diese Ausgleichszahlungen nicht aus Einnahmen aus dem Betrieb, sondern aus "Bankgeld" finanziert worden seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise (und zwar insoweit, als der Umsatzsteuerrückstand des Jahres 1991 im Teilbetrag von S 88.458,55 auf Vorsteuerberichtigungen infolge des stillen Ausgleichs zurückzuführen war) Folge, im Übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab. Hinsichtlich der Abweisung der Berufung begründete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen damit, dass die Umsatzsteuernachforderung auf im Rahmen der Prüfung festgestellte schwerwiegende formelle und materielle Buchführungsmängel zurückzuführen sei, welche die Verhängung von Sicherheitszuschlägen zu den Besteuerungsgrundlagen der GmbH für sämtliche Prüfungsjahre (1987 bis 1990) hätten geboten erscheinen lassen. Die nicht ordnungsgemäße Führung des Kassabuches, die nachträgliche Erfassung von Warenentnahmen, Verkaufserlösen und Lieferungen zwischen der GmbH und ihr nahe stehenden Gesellschaften im Wege von Um- und Nachbuchungen im Zuge der Bilanzerstellung sowie die vom Prüfer festgestellten Differenzen bei Verrechnungskonten stellten Mängel dar, welche dem Beschwerdeführer unabhängig davon zur Last zu legen seien, ob die steuerlichen Agenden der GmbH von einem Steuerberater wahrgenommen worden seien oder nicht. Bei schwerwiegenden Verstößen gegen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten könne sich der Zeitpunkt, zu dem die diesen Feststellungen entsprechenden Abgabennachforderungen zu entrichten seien, aus haftungsrechtlicher Sicht nicht erst auf Grund der Bescheide ergeben, die diese Nachforderungen festsetzten. Vielmehr bestimme sich in einem solchen Fall der Zeitpunkt, zu dem zu beurteilen sei, ob die Gesellschaft über die zur Abgabenentrichtung notwendigen Mittel verfügte, danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Die von der GmbH selbst zu berechnende und abzuführende Umsatzsteuer wäre bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung an den jeweiligen Fälligkeitstagen der Vorauszahlungen zu entrichten gewesen. Dass die Abfuhr der Umsatzsteuer zu diesen Fälligkeitstagen aus nicht vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen unterblieben wäre, sei weder vom Beschwerdeführer behauptet worden, noch bestünden Anhaltspunkte hiefür. Die Kapitalertragsteuer wäre zu den gegenständlich in den Jahren 1987 bis 1990 liegenden Zuflusszeitpunkten der Kapitalerträge einzubehalten und fristgerecht an das Finanzamt abzuführen gewesen. Auch bezüglich der Körperschaft- und Gewerbesteuer richte sich der Zeitpunkt, zu welchem zu beurteilen sei, ob die Gesellschaft über die für die Entrichtung der Abgaben erforderlichen Mittel verfügte, nach den Zeitpunkten, zu denen die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären.
Gegenständlich sei dieser Zeitpunkt ins Jahr 1990 gefallen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene
Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer stellt seinen Beschwerdeausführungen
neben dem auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellten Umstand, dass die GmbH über die zur Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten erforderlichen Mittel im Jahr 1993 nicht verfügte, voran, dass - mit Ausnahme der Umsatzsteuer 1991 - sämtliche dem Beschwerdeführer zur persönlichen Haftung auferlegten Abgabenschuldigkeiten von aus Anlass einer Betriebsprüfung im Jahr 1993 festgesetzten Sicherheitszuschlägen für die Jahre 1987 bis 1990 herrührten. Die bei den steuerpflichtigen Umsätzen hinzugerechneten Sicherheitszuschläge von jeweils S 50.000,-- netto, seien als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt und dem Beschwerdeführer zugerechnet worden.
In der Folge vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, dass diese Schätzung eine gesonderte Betrachtung der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Pflichtverletzung rechtfertige, weil die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen besondere Kausalitäts- und Zurechnungsfragen aufwerfe. Erhöhe die Abgabenbehörde erklärte Besteuerungsgrundlagen durch Sicherheitszuschläge, so stehe vorerst nur einmal fest, dass sie bestimmte Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen habe können, insbesondere, wenn Aufzeichnungen formelle Mängel aufwiesen, die geeignet seien, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen. Das bedeute aber noch lange nicht, dass der von der Behörde geschätzte Umsatz den Tatsachen entspreche. Im Gegenteil, die festgesetzten Sicherheitszuschläge "kämen deswegen vor", um eine genaue und vollständige Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen "hintanzuhalten". Es könne deshalb nicht hinreichend genau gesagt werden, dass die aufgetretenen Buchführungsmängel ursächlich für die um die Sicherheitszuschläge "verkürzten Abgaben" seien. Anders gesagt, die Buchführungsmängel hätten zwar eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen geboten erscheinen lassen, es sei aber noch lange nicht gesagt, dass "der festgesetzte Sicherheitszuschlag zum erklärten Umsatz" (gemeint wohl, dass der erklärte Umsatz einschließlich des Sicherheitszuschlages) dem "richtigen" Umsatz entspreche. Der Beschwerdeführer müsse sich höchstens etwaige Buchführungsmängel zum Vorwurf machen lassen, für die Abgabenschulden der GmbH hafte er aber unter diesen Umständen nicht. Die für eine haftungsmäßige Verantwortlichkeit erforderliche Sicherheit sei insbesondere dann nicht anzunehmen, wenn die Abgabenbehörde die erklärten Besteuerungsgrundlagen durch Sicherheitszuschläge erhöht habe. Die bei jeder Schätzung bestehende Unsicherheit müsse nämlich zu Gunsten des Beschwerdeführers wirken. Solange also nicht genau nachgewiesen sei, dass die durch Sicherheitszuschläge erhöhten Besteuerungsgrundlagen den Tatsachen entsprächen, sei auch eine Inanspruchnahme des Beschwerdeführers nicht rechtens. Andererseits müsste dem Beschwerdeführer angelastet werden, was die Unterinstanzen ja nicht gemacht hätten, dass er Mängel in den Aufzeichnungen vorsätzlich oder fahrlässig bewirkt habe, um eine Offenlegung von Besteuerungsgrundlagen zu vermeiden. Es müsse dem Beschwerdeführer angelastet werden, dass er damit das Ziel verfolgt habe, eine Abgabenverkürzung zu bewirken, wenn auch nur mit dolus eventualis. Einen solchen Nachweis könnten die Unterinstanzen natürlich nicht führen. Darüber hinaus seien die hervorgekommenen Buchführungsmängel gar nicht so schwerwiegend, wie dies im angefochtenen Bescheid dargetan worden sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf. Der Beschwerdeführer verkennt zunächst das Wesen der Schätzung. Gemäß § 184 Abs 3 BAO hat die Abgabenbehörde die Besteuerungsgrundlagen insbesondere dann zu schätzen, wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen. Auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmung ergibt sich, dass schon formelle Buchführungsmängel, die einen Zweifel in die sachliche Richtigkeit der Bücher nach sich zu ziehen vermögen, die Schätzungsbefugnis der Behörde begründen, wobei es eines Nachweises der Behörde, dass die Aufzeichnungen tatsächlich unrichtig sind, nicht bedarf. Dem Abgabepflichtigen steht allerdings die Möglichkeit offen, die sachliche Richtigkeit seiner formell mangelhaften oder unrichtigen Aufzeichnungen zu beweisen (vgl das hg Erkenntnis vom 30. September 1998, 97/13/0033). Von dieser Möglichkeit hat der Beschwerdeführer aber keinen Gebrauch gemacht. Im Beschwerdefall wird zwar versucht, die von der Abgabenbehörde aufgezeigten Mängel als nicht so schwerwiegend darzustellen, der Beschwerdeführer bestreitet aber grundsätzlich nicht die Schätzungsberechtigung der Behörde. Berechtigen aber entsprechende Mängel zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, so steht der Abgabenbehörde die Wahl der Schätzungsmethode, wie etwa auch der Ansatz eines Sicherheitszuschlages, frei. In der Folge sind die (allenfalls ermittelten einschließlich der teilweise) geschätzten Bemessungsgrundlagen der Abgabenbemessung zu Grunde zu legen.
Der Beschwerdeführer verkennt aber auch insofern die Rechtslage, als er die Ansicht vertritt, dass für die "haftungsmäßige Verantwortlichkeit" ein höheres Ausmaß an Sicherheit als bei der Abgabenfestsetzung erforderlich sei. Gemäß § 9 BAO sind die Voraussetzungen für die Haftung eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (vgl das hg Erkenntnis vom 10. November 1993, 91/13/0181). Vor diesem Hintergrund sind die Beschwerdeausführungen - welche die Erfüllung dieser Voraussetzungen gar nicht in Frage stellen - nicht geeignet, die Beurteilung der belangten Behörde, dass diese Voraussetzungen im Beschwerdefall erfüllt sind, zu widerlegen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der "Kausalitätsfragen" beziehen sich nämlich nicht auf die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der - feststehenden - Abgabenforderung, sondern letztlich auf die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung in Bezug auf die Höhe der Abgabenforderung. Es mag nun zutreffen, dass die teilweise auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Abgabenforderungen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass jeder Schätzung eine gewisse Ungenauigkeit immanent ist, ohne die zur Schätzung Anlass gebenden Buchführungsmängel - hinsichtlich derer der Beschwerdeführer ausdrücklich einräumt, dass der Vorwurf solcher nicht ungerechtfertigt erfolgte - in anderem (geringerem oder aber auch größerem) Ausmaß entstanden wären. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenforderung können im Verfahren über die Heranziehung zur Haftung aber nicht mit Erfolg erhoben werden (vgl das hg Erkenntnis vom 22. Februar 1993, 91/15/0007).
Soweit der Beschwerdeführer behauptet, für die rechtmäßige Heranziehung zur Haftung müsste ihm angelastet werden, dass er die Buchführungsmängel mit dem Ziel einer Abgabenverkürzung bewirkt haben müsse, was die "Unterinstanzen" aber nicht getan hätten, ist, abgesehen davon, dass Handlungen oder Unterlassungen der Unterinstanz für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht von Bedeutung sind, darauf hinzuweisen, dass die Annahme eines derartigen Erfordernisses in der oben aufgezeigten Rechtslage keine Deckung findet.
Auch das Beschwerdevorbringen, betreffend die Haftung für Umsatzsteuer 1991 hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auch hinsichtlich der über die Vorsteuerberichtigungen (diesbezüglich war der Berufung Folge gegeben worden) hinausgehenden Umsatzsteuer "exkulpieren können", zeigt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf, weil damit in keiner Weise dargetan wird, aus welchen Gründen nur diese "Möglichkeit" dem Gesetz entsprochen hätte.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 30. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1994140173.X00Im RIS seit
20.11.2000