TE Bvwg Erkenntnis 2017/5/12 G305 2147864-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.05.2017
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Entscheidungsdatum

12.05.2017

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G305 2147864-1/7E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 11.05.2017 MÜNDLICH VERKÜNDETEN

ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Manuela WILD, sowie die fachkundige Laienrichterin Petra ILLICHMANN, als Beisitzerinnen, über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministerium Service, Landesstelle XXXX, XXXX, vom 18.01.2017, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid a u f g e h o b e n und f e s t g e s t e l l t, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass gegeben sind.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit am 31.10.2016 beim Sozialministerium Service, Landesstelle

XXXX (in der Folge: belangte Behörde) eingelangten Antrag begehrte

XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz BF) die Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass. Mit diesem Antrag verband er weiter den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Seinem Antrag schloss er medizinische Unterlagen sowie ein färbiges EU-Passbild und eine Kopie des deutschen Schwerbehindertenausweises bei.

2. Im Auftrag der belangten Behörde erstellte die ärztliche Sachverständige, Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie, ein zum 22.12.2016 datiertes medizinisches Sachverständigengutachten, worin sie im Wesentlichen kurz zusammengefasst ausführte, dass beim BF ein Zustand nach einer Kataraktoperation links, nach einer Bandscheibenoperation L4/5 ca. 1990, nach einer CTS-Operation rechts ca. 1990 und nach einem kleinen ischämischen Stammganglieninfarkt rechts am 27.07.2016 vorliege. Zur Gesamtmobilität und zum Gangbild führte die ärztliche Sachverständige aus, dass diese nach Romberg normal sei. Das Gangbild erscheine breitbeinig, leicht ataktisch (besonders rechts). Der Zehen- und der Fersenstand seien rechts eingeschränkt möglich.

Den Gesamtgrad der Behinderung des BF schätzte die Sachverständige wie folgt ein:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos. Nr.

GdB %

1

Stammganglieninfarkt rechts Unterer Rahmensatz bei leichter beinbetonter Hemiparese rechts und Dysarthrie

04.01.02

50

2

Lumbalsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 mit geringer Restsymptomatik im rechten Bein Unterer Rahmensatz bei radiologischen Veränderungen und klinischen Symptomen

02.01.03

50

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

60

Begründend führte sie aus, dass die Diagnose 1 führen sei und diese wegen der negativen Wechselwirkungen der Diagnose 2 um eine Stufe gesteigert werde.

Im Zusammenhang mit der Prüfung der Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel heißt es, dass auf Grund der Diagnosen 1 und 2 eine Einschränkung der Mobilität beim Antragsteller vorliege. Er sei jedoch in der Lage, eine kurze Wegstrecke, insbesondere unter Zuhilfenahme einer Gehhilfe, zurückzulegen. Das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport im Verkehrsmittel seien ohne Gefährdung der Gesundheit bei erhaltenen Schutzreflexen möglich. Eine schwere Erkrankung des Immunsystems sei nicht vorgelegen.

3. Mit Bescheid vom 18.01.2017, OB: XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab und führte begründend aus, dass nach dem im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. In der rechtlichen Beurteilung des Bescheides heißt es im Kern, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann nicht zumutbar sei, wenn das 36. Lebensjahr vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vorliegen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne, oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels in hohem Maße erschwere. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann unzumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirkt. Da das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen, sei sein Antrag abzuweisen gewesen.

4. Mit dem bei der belangten Behörde am 02.02.2017 eingelangten Schriftsatz erhob der BF Beschwerde gegen den oben näher bezeichneten Bescheid der belangten Behörde, in dem er im Wesentlichen kurz zusammengefasst begründend ausführte, dass das eingeholte Sachverständigengutachten nicht ganz den Tatsachen entspreche, zumal sich sein Gesundheitszustand nach der Entlassung aus der XXXX am XXXX2016 wesentlich verschlechtert habe. Zwar seien seine derzeitigen Beschwerden (Gangstörung und Koordinationsprobleme beim Stiegensteigen) angeführt, sie seien aber bei der Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht gewürdigt worden. Ein Aussteigen aus einem Bus oder Zug sei ihm nur rückwärts möglich. Beim Einsteigen bedürfe er einer Begleitperson, da er den Zug oder Bus ohne Zuhilfenahme beider Hände nicht benützen könne und die Verwendung des Gehstocks dann auch nicht möglich sei. Auch gerate er in öffentlichen Verkehrsmitteln in Panik. Weiter sei die belastungsabhängige Atemnot, nicht aber seine COPD erwähnt worden, die ihm in engen Räumen mit mehreren Personen zu schaffen mache. Er müsse seit 30 Jahren Antidepressiva einnehmen und meide Menschenansammlungen schon deshalb. Durch den Schlaganfall sei er in seiner Reaktionsfähigkeit verlangsamt und kämen auch größere Unsicherheiten hinzu. Auch könne er lediglich eine Gehstrecke unter Zuhilfenahme einer Gehhilfe mit Pausen zurücklegen. Seine Beschwerde verband er mit dem Begehren um nochmalige Überprüfung der beantragten Zusatzeintragung durch einen anderen Sachverständigen und um Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

5. Am 17.02.2017 legte die belangte Behörde die gegen den oberwähnten Bescheid gerichtete Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor. Hier wurde die Beschwerdesache der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

6. Im hg. Beschwerdeverfahren wurde überdies ein ärztliches Sachverständigengutachten der Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Dr. XXXX, eingeholt, in dem es zum Status und zum Gangbild des BF heißt, dass ihm beim An- und Ausziehen von der ihn begleitenden Gattin geholfen worden sei und das An- und Ausziehen der Beinkleider und der Schuhe nur im Sitzen erfolgen konnte. Das Gangbild sei kleinschrittig, steifbeinig mit gestörtem Abrollverhalten in den Sprunggelenken. Der Zehenspitzen- und Fersengang sei deutlich unsicher. Der Einbeinstand sei beidseits deutlich unsicher und nur wenige Sekunden möglich. Den aus einer multifaktoriellen Gangstörung mit einer deutlichen Einschränkung der Mobilität bei Zustand nach Stammganglieninfarkt, Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule und einem Zustand nach Operation L4/L5, Bluthochdruck, Arterienverkalkung und Atemnot gebildeten Gesamtgrad der Behinderung schätzte die ärztliche Sachverständige mit 70 v.H. ein. Im Hinblick auf die begehrte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" führte die ärztliche Sachverständige aus, dass auf Grund der Stand- und Gangunsicherheit ein sicherer Transport oder das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Transportmittel nicht möglich sei.

7. Am 11.05.2017 wurde vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und eines Arztes für Allgemeinmedizin bzw. Facharztes für Orthopädie eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und XXXX Jahre alt.

Er ist Pensionist und ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Der Gesamtgrad der Behinderung des BF im Ausmaß von 70 von Hundert setzt sich wie folgt zusammen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos. Nr.

GdB %

1

Multifaktorielle Gangstörung mit deutlicher Einschränkung der Mobilität bei Zustand nach Stammganglieninfarkt, Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule und Zustand nach Operation L4/L5, Bluthochdruck, Arterienverkalkung und Atemnot. Deutliche Gang- und Standunsicherheit, Vd. Claudicatio spinalis-Symptomatik

02.03.01

70

 

Gesamtgrad der Behinderung 90

 

 

Der Gesamtgrad der Behinderung wird aus der Gesundheitsstörung GS 1 gebildet, in der sämtliche Einschränkungen zusammengefasst sind. Die Hauptfaktoren sind der Zustand nach Hirnschlag und die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und die Atemnot.

Auf Grund der Stand- und Gangunsicherheit des BF sind ein sicherer Transport bzw. das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Transportmittel nicht möglich, was auf die neurologische Erkrankung mit beinbetonter Halbseitenschwäche nach Schlaganfall rechtsseitig und ein ausgeprägtes Lumbalsyndrom nach Bandscheibenoperation L4/5 mit Restsymptomatik ins rechte Bein mit klinischen Zeichen einer Claudicatio Spinalis (Schaufenstererkrankung bedingt durch eine Nervenkompression im Bereich der LWS) und eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) mit dadurch bedingter Belastungsminderung zurückzuführen ist. Durch die deutliche Stand- und Gangunsicherheit sind das Zurücklegen einer ausreichenden Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht gegeben.

Damit steht fest, dass die die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.

2. Beweiswürdigung:

Das Bundesverwaltungsgericht geht vom oben dargelegten unstrittigen Sachverhalt, der sich unmittelbar aus der Aktenlage ergibt, aus.

Beweis wurde erhoben durch die im Verfahren vor der belangten Behörde und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht von der Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Befunde und Arztberichte, weiters durch das von der belangten Behörde eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten, das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten der Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Dr. XXXX, vom 22.03.2017 und auf Grund der Stellungnahme des ärztlichen Sachverständigen und Arztes für Allgemeinmedizin, Dr. XXXX, in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung erstattete allgemeinmedizinische Stellungnahme des ärztlichen Sachverständigen Dr. XXXX, der im Wesentlichen damit beauftragt war, sämtliche von der BF vorgelegten Arztbefunde und die von der belangten Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten zusammen zu führen, erweist sich als vollständig, da er sämtliche, von der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, sowie die von der BF vorgelegten Arztbefunde seiner Einschätzung vollumfänglich zu Grunde legte.

Die gezogenen Schlussfolgerungen betreffend das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung erweisen sich darüber hinaus als nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchsfrei und konnten diese der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden. Die BF ist den Ausführungen des vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen ärztlichen Sachverständigen nicht entgegen getreten und hat auch nicht versucht, diese in Zweifel zu ziehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A)

3.1.1. Zuständigkeit und anwendbares Recht

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idF. BGBl. I Nr. 66/2014, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung durch den Senat.

Gegenständlich liegt Senatszuständigkeit vor.

Die Senatszusammensetzung ergibt sich aus § 45 Abs. 4 BBG. Demnach hat bei Senatsentscheidungen gemäß Abs. 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben die für die jeweiligen Agenden erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg. cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5, sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 leg. cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht, oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.1.2. Für das vorliegende Beschwerdeverfahren sind folgende Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. BGBl. Nr. 283/1990 idF. BGBl. I Nr. 66/2014 maßgeblich:

"§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

[...]"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(5) Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

(6) Reisekosten, die einem behinderten Menschen dadurch erwachsen, dass er im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses einer Ladung des Sozialministeriumservice Folge leistet, sind in dem im § 49 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 angeführten Umfang zu ersetzen. Der Ersatz der Reisekosten entfällt, wenn die Fahrstrecke (Straßenkilometer) zwischen dem Wohnort und dem Ort der Untersuchung 50 km (einfache Strecke) nicht übersteigt."

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist im Behindertenpass gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundeministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen, idF. BGBl. II Nr. 495/2013, jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar ist, wenn das 36. Lebensjahr vollendet ist und

• erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

• erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

• erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

• eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

• eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit, Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Ausgehend von den bisherigen, durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbständige Fortbewegung im öffentlichen Raum, sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

Gegenständlich hat der BF am 31.10.2016 einen Antrag 1) auf Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass und

2) auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" bei der belangten Behörde eingebracht. Den auf die Vornahme der Zusatzeintragung gerichteten Antrag des BF wies die belangte Behörde gestützt auf das ärztliche Sachverständigengutachten der Fachärztin für Neurologie, Dr. XXXX, mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 18.01.2017, OB: XXXX, dass die Voraussetzungen für eine Zusatzeintragung nicht vorliegen, ab.

3.1.3. Zur Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel"

Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, die am 23.12.2013 kundgemacht wurde und gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. am 01.01.2014 in Kraft getreten ist, enthält nähere Regelungen über die Zusatzeintragungen in den Behindertenpass:

§ 1 Abs. 2 Z 3 der zitierten Verordnung lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1 [...]

(2) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

[...]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwer anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(3) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Voraussetzungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(4) Die im Abs. 2 angeführten Eintragungen sind mittels Stempelaufdruckes oder in einer anderen technisch geeigneten Weise im Behindertenpass vorzunehmen."

Nach der noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. Nr. 86/1991, ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Behörde zur Beurteilung der Frage, ob die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" vorgenommen werden kann, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt.

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden.

Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (siehe dazu VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; vom 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078; vom 01.06.2005, Zl. 2003/10/0108; vom 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; vom 17.11.2009, Zl. 2006/11/0178; vom 23.02.2011, Zl. 2007/11/0142; vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128; vom 17.06.2013, Zl. 2010/11/0021).

Ein solches Sachverständigengutachten hat sich mit der Frage zu befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (siehe dazu VwGH vom 20.03.2001, Zl. 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der dabei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Ein- und Aussteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (siehe dazu VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; vom 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnortes des BF vom nächstgelegenen Bahnhof (VwGH vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Die angeführte, zur Rechtslage vor Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013 ergangene Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zusatzeintragung nach § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, unverändert von Bedeutung, dies schon deshalb, da die zitierte Verordnungsbestimmung jene rechtlich relevanten Gesichtspunkte der Benützung eines Verkehrsmittels, auf die bisherige Rechtsprechung abstellt (Zugangsmöglichkeit, Möglichkeit des Ein- und Aussteigens, Stehen, Sitzplatzsuche etc.) nicht modifiziert oder beseitigt hat, sondern weiterhin auf den Begriff der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel abstellt und ergänzend regelt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen "insbesondere" als solche in Betracht kommen, die die Unzumutbarkeit nach sich ziehen können.

Die dem Beschwerdeverfahren beigezogenen ärztlichen Sachverständigen für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Dr. XXXX, und für Allgemeinmedizin, Dr. XXXX, zogen in ihren ärztlichen Sachverständigengutachten bzw. in der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme unter Berücksichtigung der vom BF vorgelegten ärztlichen Befunde und Atteste im Wesentlichen zusammengefasst die Schlussfolgerung, dass beim BF wegen der ausgeprägten Stand- und Gangunsicherheit ein sicherer Transport oder das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Transportmittel nicht möglich sei.

Aus den angeführten Gründen erweist sich die Beschwerde als berechtigt und begründet und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wie schon ausgeführt, sind ausgehend von den bisherigen, durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" Funktionseinschränkungen relevant, die die selbständige Fortbewegung im öffentlichen Raum, sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

In Anbetracht der von den ärztlichen Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen ist beim BF von einer erheblichen funktionellen Einschränkung auszugehen, die das selbständige Fortbewegen im öffentlichen Raum, sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unmöglich machen würde.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung nicht primär von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Im gegenständlichen Fall ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen maßgebend.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt, oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, wie eine Gesamtbeurteilung zweier oder mehrerer Leidenszustände (auch bei Schmerzuständen in verschiedenen Körperregionen) zu erfolgen hat, hat der Verwaltungsgerichtshof in einer Vielzahl von Erkenntnissen (vgl. VwGH vom 19.11.1997, Zl. 95/09/0233; VwGH vom 14.03.2001, Zl. 95/08/0103; VwGH vom 23.01.2001, Zl. 2000/11/0191; VwGH vom 24.09.2003, Zl. 2003/11/0032; VwGH vom 26.09.2013, Zl. 2011/11/0176) einheitlich beantwortet. Beim Vollzug des Sachverständigenbeweises hat sich das erkennende Bundesverwaltungsgericht an die bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs angelehnt.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:G305.2147864.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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