TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/15 G309 2168684-1

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Veröffentlicht am 15.03.2018
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Entscheidungsdatum

15.03.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2168684-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden sowie der Richterin Dr. Eva WENDLER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen, in der Beschwerdesache des XXXX, geb. XXXX, gegen den am 13.06.2017 mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 70 (siebzig) v.H. (von Hundert) ausgestellten Behindertenpass des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, OB: XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 11.04.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung in den Behindertenpass ein. Dem Antrag waren Kopien des Meldezettels und des Behindertenpasses des BF (Ausstellungsdatum: 03.03.2009) sowie eine Reihe medizinischer Beweismittel angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde zur Überprüfung der im Antrag gemachten Angaben ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

Im von der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 07.06.2017, wird nach persönlicher Untersuchung des BF am 29.05.2017, im Wesentlichen zusammengefasst folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Hüftendoprothese beidseits, Schulterschädigung links, Bizepssehneriss rechts, Fingerpolyarthrosen Unterster Richtsatzwert entsprechend den geringen bis mittelgradigen Funktionseinschränkungen verbunden mit der Reizsymptomatik

02.02.03

50

2

Nierenfunktionsstörung Oberer Richtsatzwert entsprechend den erhöhten Kreatininwerten (zuletzt 2,36 mg/dl) verbunden mit dem begleitenden Bluthochdruck unter Medikation

05.04.01

40

3

Wirbelsäulenschädigung Oberer Richtsatzwert entsprechend den höhergradigen radiologischen Veränderungen verbunden mit der Reizsymptomatik bei geringen Funktionseinschränkungen ohne neurologisches Defizit

02.01.02

30

4

Traumatisch bedingte Durchblutungsstörung der Langfinger Unterer Richtsatzwert entsprechend der weitgehenden Beschwerdefreiheit bei unauffälligem Hautbefund und nicht mehr notwendiger Blutverdünnung

05.03.02

20

Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.

Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, der Gesamtgrad der Behinderung werde im Zusammenwirken der Positionen 1 bis 3 gebildet, wobei der GdB der führenden Position 1 durch die Positionen 2 und 3 um jeweils eine Stufe angehoben werde, da eine maßgebliche, negative wechselseitige Leidensbeeinflussung und Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit vorliege.

Folgende beantragte bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierte Gesundheitsschädigungen würden keinen Grad der Behinderung erreichen:

"Der Bluthochdruck ist in GS 1 inkludiert. Der Zustand nach Operation einer Dupuytren'schen Kontraktur rechts und operiertem Karpaltunnelsyndrom ist in GS 1 inkludiert."

Im Hinblick auf die Änderungen im Vergleich zu dem durch die belangte Behörde im Vorverfahren eingeholten Sachverständigengutachten wurde folgendes festgehalten:

"Die vormals unter GS 1 (Fingerarthrosen ohne relevante Funktionsdefizite} und GS 3 eingestuften artrhotischen Gelenkserkrankungen werden bei geringen bis mittelgradigen Funktionseinschränkungen unter GS 1 zusammengefasst, die Höhe der Einstufung erhöht sich um 10 v.H.. Die Nierenfunktionsstörung (vormals GS 6) wird unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Kreatininwerte und des medikamentös behandelten Bluthochdrucks (vormals GS 4) unter GS 2 mit 40 vH eingestuft. Die Wirbelsäulenschädigung (vormals GS 2) bleibt unter GS 3 mangels relevanter Funktionsverschlechterung unverändert. Die vormals unter GS 5 eingestufte Durchblutungsstörung der Langfinger wird bei unauffälligem Hautstatus, mangelnden Beschwerden (siehe Befund Klinik-asymptomatisch) nunmehr unter GS 4 mit 20 vH eingestuft und somit um eine Stufe reduziert."

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 13.06.2017 wurden dem BF das Sachverständigengutachten von XXXX und der korrigierte Behindertenpass mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. und den Zusatzeintragungen "Der Inhaber/Die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese", "Gesundheitsschädigungen gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstich VO 303/1996 liegt vor" und "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" übermittelt.

4. Mit Schreiben vom 04.08.2017 (Datum: Eingangsstempel) brachte der BF bei der belangten Behörde Beschwerde gegen den festgestellten Grad der Behinderung von 70 von Hundert ein. Darin brachte der BF zur Position 4 des Sachverständigengutachtens (Traumatisch bedingte Durchblutungsstörung der Langfinger) vor, dass er vom Sachverständigen zu dieser Gesundheitsschädigung nicht befragt worden sei. Da er keine Blutverdünnungsmittel mehr einnehme, sei ihm eine Stufe (10 %) abgezogen worden. Diese sei dem BF jedoch bereits im Jahr 2013 von 40 % auf 30 % gekürzt worden. Der Sachverständige hätte auch kein Gerät zur Messung der Durchblutung gehabt. Zur Gesundheitsschädigung führte der BF aus, er müsse bei einer Temperatur von +5 °C bereits einen Kälteschutz tragen, was sich auch nicht bessern werde.

5. Der Verwaltungsakt wurde seitens der belangten Behörde vorgelegt und langte mit 24.08.2017 beim erkennenden Gericht ein.

6. Mit Schreiben des erkennenden Gerichtes vom 11.09.2017 wurden die Verfahrensparteien vom Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und dem BF zur Kenntnis gebracht, dass seine Beschwerde offensichtlich verspätet eingebracht worden sei. Dem BF wurde die Gelegenheit eingeräumt, sich binnen zwei Wochen ab Zustellung der Verständigung zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern.

7. Mit Schreiben vom 22.09.2017 (Datum: Poststempel) brachte der BF vor, er habe den Bescheid am 19.06.2017 von der Post erhalten. Da der BF im Urlaub gewesen sei und er diesen noch um eine Woche verlängert habe, war es ihm erst am 31.07.2017 möglich, die Beschwerde abzuschicken. Der BF brachte zudem eine Bestätigung des Postamtes 8740 Zeltweg über die Absendung eines Einschreibens an die belangte Behörde am 31.07.2017 in Vorlage.

8. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

Im eingeholten Gutachten vom 08.11.2017 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, zusammengefasst folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Hüftendoprothese beidseits, Schulterschädigung links, Bizepssehnenriss rechts, Fingerpolyarthrosen Unterer Richtsatzwert entsprechend den geringen bis mittelgradigen Funktionseinschränkungen verbunden mit der Reizsymptomatik

02.02.03

50

2

Nierenfunktionsstörung in 1. Linie gefäßbedingt Oberer RSW entsprechend den erhöhten Kreatininwerten (zuletzt 2,36 mg/dl) verbunden mit dem begleitenden Bluthochdruck unter Medikation

05.04.01

40

3

Wirbelsäulenschädigung mit Osteoporose Oberer Richtsatzwert entsprechend den höhergradigen radiologischen Veränderungen verbunden mit der Reizsymptomatik bei geringen Funktionseinschränkungen ohne neurologisches Defizit

02.01.02

30

4

Traumatisch bedingte Durchblutungsstörung der Langfinger Mittlerer Richtsatzwert entsprechend der weitgehenden Beschwerdefreiheit bei unauffälligem Hautbefund und nicht mehr notwendiger Blutverdünner

05.03.02

30

Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.

Als Begründung wurde zum Gesamtgrad der Behinderung folgendes festgehalten:

"Die führende GS 1 (orthopädische Gelenksfunktionseinschränkung an mehreren Orten) wird durch die Wirbelsäulenerkrankung GS 3 sowie durch die Durchblutungsstörungen der Langfinger GS 4 um jeweils eine Stufe gehoben, da eine negative gegenseitige Wechselwirkung in der Funktionskette gegeben ist. Die GS 2 (Nierenfunktionsschädigung mit Bluthochdruck) welcher medikamentös kompensiert ist führt zu keiner weiteren Erhöhung da keine negative Leidensbeeinflussung gegeben ist."

Darüber hinaus wird zu dem von der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten wie folgt ausgeführt:

"[Die] Leiden der GS 1, 2 und 3 sind entsprechend der Funktionsminderung ausreichend gewürdigt und meines Erachtens korrekt eingeschätzt. Die Einschätzung der Leiden der GS 4 (Durchblutungsstörung der Langfinger) ist meinerseits nicht nachvollziehbar warum auf 20 % reduziert wurde nur weil eine Blutverdünnung nicht gegeben ist. Die Beschwerdesymptomatik ist unverändert und es ist eine Einschätzung von 30% zu empfehlen, dies aufgrund der Beschwerden und Funktionsminderung ohne Beschwerdebesserung. Der Gesamtgrad der Behinderung wird dadurch nicht gehoben, dies ist in der Begründung des Gesamtgrades begründet."

9. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 14.11.2017 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF hat seinen Wohnsitz im Inland und ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Der BF leidet an einer Hüftendoprothese beidseits mit Schulterschädigung links und einem Bizepssehnenriss rechts sowie Fingerpolyarthrosen, an einer Nierenfunktionsstörung, an einer Wirbelsäulenschädigung mit Osteoporose und an einer traumatisch bedingten Durchblutungsstörung der Langfinger.

Der Grad der Behinderung beträgt 70 (siebzig) von Hundert.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das im Ermittlungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 08.11.2017, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung sowie auf Grund der vorgelegten Befunde ausführlich erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Das vom erkennenden Gericht in Auftrag gegebene Gutachten kommt hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung des BF im Wesentlichen zu denselben Ergebnissen wie das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten. Im Hinblick auf die Durchblutungsstörungen der Langfinger hielt der Sachverständige XXXX nachvollziehbar fest, dass eine Herabsetzung des Grades der Behinderung um 10 v. H. wegen der gleichbleibenden Beschwerdesymptomatik nicht gerechtfertigt sei. Die Einschätzung dieses Krankheitsbildes mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. ist jedoch nicht geeignet, den Gesamtgrad der Behinderung des BF nochmals zu steigern. Es konnte somit ein Grad der Behinderung von 70 v.H. objektiviert werden.

Das Sachverständigengutachten wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht, und von diesen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen. Es wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses, der Vornahme von Zusatzeintragungen oder der Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 leg. cit.) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung beantragten.

3.2. Zu Spruchteil A):

In der gegenständlichen Rechtssache sind die Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes in der geltenden Fassung anzuwenden.

Nach § 1 Abs. 2 BBG ist unter einer Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder eine Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BGBl. Nr. 22/1970 in der geltenden Fassung), angehören.

§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (Bundesgesetz über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen - EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988 in der geltenden Fassung) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 BGBl. Nr. 376. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 in der geltenden Fassung) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, diesem auf gleichem fachlichen Niveau entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH 20.10.1978, Zl. 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, Zl. 0705/77).

Im vorliegenden Fall ergibt sich daraus wie folgt:

Beim BF konnten eine Hüftendoprothese beidseits mit eine Schulterschädigung links, Bizepssehnenriss rechts und Fingerpolyarthrosen sowie eine Nierenfunktionsstörung, eine Wirbelsäulenschädigung mit Osteoporose und eine traumatisch bedingte Durchblutungsstörung der Langfinger mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. festgestellt werden.

Da beim BF ein Grad der Behinderung von 70 (siebzig) von Hundert festgestellt wurde, und ihm bereits ein Behindertenpass mit diesem eingetragenen Grad der Behinderung von der belangten Behörde ausgestellt wurde, war spruchgemäß zu entscheiden, und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2168684.1.00

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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