Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des M R A T in Wien, geboren am 6. September 1970, vertreten durch Dr. Veronika Cortolezis, Rechtsanwältin in 1013 Wien, Neutorgasse 9/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. März 1999, Zl. SD 168/99, betreffend Ausweisung gemäß § 34 FrG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. März 1999 wurde der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben im Oktober 1994 mit einem bis 30. Juni 1995 gültigen Touristensichtvermerk nach Österreich eingereist und habe im Anschluss daran eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck des Studiums erhalten. Diese Bewilligung sei zuletzt für den Zeitraum vom 16. Dezember 1997 bis 16. Dezember 1998 verlängert worden. Am 10. Dezember 1998 habe der Beschwerdeführer eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis beantragt. Ab Jänner 1997 habe er sich nach seinen eigenen Angaben allerdings einige Monate in seiner Heimat aufgehalten. Im Herbst 1996 habe der Beschwerdeführer ein Medizinstudium begonnen. Er habe im Herbstsemester 1996 ein Praktikum aus Biologie und eine Lehrveranstaltung für erste Hilfe absolviert und im Jänner 1997 eine Ergänzungsprüfung aus Latein abgelegt. Am 19. Februar 1996 sei der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Josefstadt wegen des Vergehens des versuchten Diebstahles zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Am 17. November 1998 sei er vom Bezirksgericht Floridsdorf wegen des Vergehens des versuchten Betruges neuerlich zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Oktober 1997 in einem Geschäft die Preisetikette einer Videoedition entfernt und an deren Stelle eine Etikette mit einem niedrigeren Preis geklebt habe. Aus der Urteilsbegründung sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat geleugnet und behauptet habe, wegen psychischer Probleme, Alkohol-, Tabletten- und Nikotinkonsums stark beeinträchtigt gewesen zu sein. Sämtliche Behauptungen des Beschwerdeführers seien vom Gericht als phantasievolle, aber in allen Punkten widerlegbare Schutzbehauptungen bezeichnet worden.
Aufgrund des zweimaligen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers gefährde dessen weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG liege somit vor. Die Ausweisung erweise sich im Grund des § 34 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer sei mit Unterbrechung seit etwa fünfeinhalb Jahren (tatsächlich seit viereinhalb Jahren) im Bundesgebiet aufhältig, um hier Medizin zu studieren. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Die Ausweisung sei daher mit einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch aufgrund der in den Straftaten des Beschwerdeführers zum Ausdruck kommenden Missachtung der Normen zum Schutz des Eigentums anderer zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Sicherheit des Eigentums) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 sei zu berücksichtigen, dass der mit der Dauer des Aufenthaltes verbundenen Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als diese Integration bei einer nur vorübergehenden Zwecken dienenden Aufenthaltserlaubnis an sich kein besondere Gewicht habe und überdies die für eine Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers wesentlich gemindert werde. In Abwägung all dieser Umstände gelangte die Behörde zum Schluss, dass die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Zu dem in der Berufung erhobenen Vorwurf, die Erstbehörde habe die vorgebrachte feste Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen nicht berücksichtigt, sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer dieses Vorbringen erstmals in der Berufung erstattet habe und er es auch dabei unterlassen habe, Name und Anschrift dieser österreichischen Staatsangehörigen bekannt zu geben. Überdies würde auch das Bestehen dieser Beziehung nichts an der Zulässigkeit des Eingriffes in sein Familienleben ändern.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer befand sich zuletzt unstrittig im Besitz einer bis 16. Dezember 1998 gültigen Aufenthaltsbewilligung zum Zweck des Studiums. Diese Bewilligung galt gemäß § 113 Abs. 4 FrG iVm § 7 Abs. 4 Z. 1 FrG ab Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Jänner 1998 als weitere Aufenthaltserlaubnis. Aufgrund des rechtzeitig gestellten Antrages auf Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis war der Beschwerdeführer gemäß § 31 Abs. 4 leg. cit. bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zum Aufenthalt berechtigt.
2.1. Gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG können Fremde, die sich aufgrund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.
Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2 FrG) insbesondere versagt werden, wenn (Z. 3) der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Der Beschwerdeführer wurde unstrittig am 19. Februar 1996 wegen versuchten Diebstahles rechtskräftig verurteilt. Nach Ausweis der Akten wurde die verhängte Geldstrafe im Ausmaß von 40 Tagessätzen für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Noch innerhalb dieser Probezeit - in der er sich mehrere Monate nicht in Österreich aufgehalten hat - wurde er neuerlich einschlägig straffällig und deshalb am 17. November 1998 wegen des Vergehens des versuchten Betruges zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 80 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde diese Strafe nach Ausweis der Akten nicht bedingt nachgesehen. Die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe durch das diesen Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten gezeigt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, erfüllten doch die beiden Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen sogar den Aufenthaltsverbotsgrund gemäß § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hatte die Fremdenpolizeibehörde die Frage, ob sein Aufenthalt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt, eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen, ohne an die Erwägungen des Gerichtes bei der Strafzumessung und der bedingten Strafnachsicht gebunden zu sein. (Vgl. das zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ergangene, aber auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 9. November 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033.)
2.2. Der Beschwerdeführer erfüllt somit den Tatbestand des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG. Daraus folgt aber noch nicht zwingend, dass die begehrte Berechtigung zu versagen ist. Hiezu ist vielmehr auch zu prüfen, ob ein durch die Versagung bewirkter Eingriff in ein durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht aus den im Abs. 2 dieser Bestimmung genannten Gründen gerechtfertigt ist. Eine solche Prüfung hat die belangte Behörde im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG vorgenommen. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0088.)
3.1. Der Beschwerdeführer wendet gegen die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei im Grund des § 37 Abs. 1 und 2 FrG zulässig, vor allem ein, dass die von ihm vorgebrachte langjährige Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin nicht festgestellt und bei der Abwägung nicht berücksichtigt worden sei.
3.2. Der Beschwerdeführer hat in der Berufung erstmals vorgebracht, eine "feste Beziehung" mit einer österreichischen Staatsbürgerin zu haben. Darin hat er allerdings auch vorgebracht, von Frühsommer 1997 bis Herbst 1998 aufgrund einer gescheiterten (früheren) Beziehung private Probleme gehabt zu haben. Die besagte "feste Beziehung" kann somit unter Zugrundelegung des Berufungsvorbringens - entgegen der Beschwerde - keineswegs als "langjährige Lebensgemeinschaft" qualifiziert werden. Im Übrigen hat die belangte Behörde dahingestellt sein lassen, ob der Beschwerdeführer eine Lebensgefährtin hat, und - für den Fall des Bestehens einer Lebensgemeinschaft - die unbedenkliche Ansicht vertreten, dass eine solche Beziehung nichts an der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 FrG ändern würde.
3.3. Der Beschwerdeführer hat noch im zuletzt gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als Aufenthaltszweck das Medizinstudium und als voraussichtliches Ende des Aufenthaltes den Abschluss dieses Studiums angegeben. Er befindet sich somit nur vorübergehend zu Studienzwecken im Inland. Das Gewicht der aus einem solchen Aufenthalt ableitbaren Integration wird aber zweifellos dadurch gemindert, dass der Beschwerdeführer bisher trotz insgesamt viereinhalbjähriger Aufenthaltsdauer - aus welchen Gründen immer - praktisch keinen Studienerfolg (nach der Aktenlage hat er lediglich eine Ergänzungsprüfung aus Latein abgelegt sowie Prüfungen über zwei Lehrveranstaltungen im Ausmaß von je einer Wochenstunde positiv abgeschlossen) aufzuweisen hat. Darüberhinaus wird die soziale Komponente der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration durch die beiden auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Straftaten des Beschwerdeführers gemindert. Insgesamt kommt somit den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Inland nur ein geringes Gewicht zu.
Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis kam, dass die Ausweisung auch unter Berücksichtigung der persönlichen Interessenlage des Beschwerdeführers zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG).
4. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 34 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung der Ausweisung Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte.
5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. November 1999
.matPolizeirecht (FrG 1997)
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999180235.X00Im RIS seit
20.11.2000