Entscheidungsdatum
25.06.2018Norm
BBG §40Spruch
G304 2183707-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER, und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX1947, vertreten durch RA Dr. Hans GRADISCHNIG, MAS, Moritschstraße 5, 9500 Villach, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle
Kärnten, vom 16.11.2017, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, zu
Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben.
Der Grad der Behinderung beträgt 50 v. H.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 27.03.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten (im Folgende: belangte Behörde) einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung in den Behindertenpass samt Beilagen ein.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde amtswegig eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 13.09.2017, wird aufgrund einer an demselben Tag durchgeführten Begutachtung des BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Herzklappenstenosen, Aortenklappenstenose - erfolgreich operiertes Vitium Z.n. Aortenklappenersatz, vorgegebener Rahmensatz mit 30% nach erfolgreich operiertem Vitium, letzter Echo-Befund von XXXX zeigt keinen Hinweis einer Ventrikeleinschränkung oder Klappendysfunktion
05.06.04
30
2
Magen und Darm, Chronische Darmstörungen mittleren Grades mit chronischen Schleimhautveränderungen Unterer Rahmensatzwert bei Z.n. Dickdarmteilresektion bei Divertikulose und intraepithialer High-Grade-Neoplasie bei einem Adenom. Hier als Folge chronische Obstipation mit med. Behandlung.
07.04.05
30
3
Hypertonie, leichte Hypertonie. Aktuell die RR-Selbstmessungen im normotensiven Bereich, dzt. keine med. Behandlung notwendig.
05.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.
Als
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:
"Führend sicherlich die Gesundheitsschädigung 1 nach vorgegebenem Richtsatzwert. In der letzten Echo-Kontrolle vor 6 Monaten XXXX keine Klappendysfunktion, kein Hinweis auf eine linksventrikuläre Einschränkung. Die Gesundheitsschädigungen 2 und 3 zu gering um zu steigern bzw. in keiner direkten Wechselbeziehung stehend."
2.2. In einem weiteren eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie, vom 29.10.2017, wird aufgrund einer am 25.10.2017 durchgeführten Begutachtung des BF im Wesentlichen Folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
degenerative Veränderung der Wirbelsäule Oberer Rahmensatzwert bei geringer Bewegungseinschränkung, keine sensomotorischen Defiziten, keine physiotherapeutischen Maßnahmen, geringe Einschränkung in Arbeit und Alltag
02.01.01
20
2
Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, Zustand nach multiplen Kontusionen des gesamten Bewegungsapparates Oberer Rahmensatzwert bei Zustand nach multiplen Kontusionen mit Gefühlsstörungen beider Vorfüße, keine vorliegenden aktuellen Befunde (z.B. NLG)
02.02.01
20
3
degenerative Veränderung des rechten Daumengrundgelenkes Unterer Rahmensatzwert bei freiem Bewegungsumfang, keine therapeutischen Maßnahmen geringgradige Einschränkung im Alltag
02.06.26
10
4
Impingementsyndrom Schulter rechts Fixer Rahmensatzwert bei vorliegendem Bewegungsumfang mit geringgradiger Einschränkung im Alltag
02.06.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:
"GS 2 ist führend aufgrund der klinischen Symptomatik, GS 1, GS 2 und GS 4 steigern wegen Geringfügigkeit den GdB nicht weiter."
2.3. In einer eingeholten sachverständigen "Gesamtbeurteilung" von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 13.11.2017, wird in Zusammenfassung der Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 13.09.2017, und Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie vom 29.10.2017, Folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Herzklappnestenosen, Aortenklappenstenose - erfolgreich operiertes Vitium Z.n. Aortenklappenersatz, vorgegebener Rahmensatz mit 30% nach erfolgreich operiertem Vitium, letzter Echo-Befund XXXX zeigt keinen Hinweis einer Ventrikeleinschränkung oder Klappendysfunktion
05.06.04
30
2
Magen und Darm, Chronische Darmstörungen mittleren Grades mit chronischen Schleimhautveränderungen Unterer Rahmensatzwert bei Z.n. Dickdarmteilresektion bei Divertikulose und intraepithialer High-Grade.Neoplasis bei einem Adenom. Hier als Folge chronische Obstipation mit med. Behandlung
07.04.05
30
3
Hypertonie, leichte Hypertonie Aktuell die RR-Selbstmessungen im normotensiven Bereich, dzt. keine med. Behandlung notwendig.
05.01.01
10
4
degenerative Veränderung der Wirbelsäule oberer Rahmensatzwert bei geringer Bewegungseinschränkung, keine sensomotorischen Defiziten, keine physiotherapeutischen Maßnahmen, geringe Einschränkung in Arbeit und Alltag
02.01.01
20
5
Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates, Zustand nach multiplen Kontusionen des gesamten Bewegungsapparates oberer Rahmensatzwert bei Zustand nach multiplen Kontusionen mit Gefühlsstörungen beider Vorfüße, keine vorliegenden aktuellen Befunde (z.B. NLG)
02.02.01
20
6
degenerative Veränderung des rechten Daumengrundgelenkes unterer Rahmensatzwert bei freiem Bewegungsumfang, keine therapeutischen Maßnahmen geringgradige Einschränkung im Alltag
02.06.26
10
7
Impingementsyndrom Schulter rechts fixer Rahmensatzwert bei vorliegendem Bewegungsumfang mit geringgradiger Einschränkung im Alltag
02.06.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:
"Führend ist laut dem internistischen Fachgutachten die Gesundheitsschädigung 1. In der letzten Echokardiographiekontrolle vor 6 Monaten keine Klappendysfunktion, kein Hinweis auf eine linksventrikuläre Einschränkung. Die Gesundheitsschädigungen 2 und 3 sind als Einzelschädigungen zu gering ausgeprägt um weiter zu steigern und stehen auch in keiner direkten Wechselbeziehung zur führenden Gesundheitsschädigung. Die Positionen 4-7 betreffen den Bewegungsapparat, sie stehen in keiner direkten Wechselwirkung zur führenden Gesundheitsschädigung und sind ebenfalls zu geringgradig ausgeprägt um weiter steigern zu können."
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.11.2017 wurde ausgeführt, dass der BF mit einem GdB von 30% nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfülle. Begründend wurde ausgeführt, im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden. Nach diesem Gutachten betrage der Grad der Behinderung 30%. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem der Beschwerde beigelegten Gutachten vom 13.11.2017 zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Da das ärztliche Begutachtungsverfahren einen Grad der Behinderung von 30% ergeben habe, seien die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr erfüllt. Der Behindertenpass des BF sei daher einzuziehen.
4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde auf die Mangelhaftigkeit der von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten hingewiesen und beantragt, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen und dem BF einen GdB von 50 v.H. zuzuerkennen und seiner Beschwerde stattzugeben.
5. Am 19.01.2018 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein
6. Mit Verfügung des BVwG vom 30.01.2018, Zl. G304 2183707-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach der Einschätzungsverordnung beauftragt.
7. Mit einem weiteren Schreiben des BVwG vom 05.02.2018, Zl. G304 2183707-1/2Z, wurde der rechtlich vertretene BF aufgefordert, sich am 27.02.2018, um 16:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.
8. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX vom 01.03.2018 wird auf Grund der am 27.02.2018 durchgeführten Begutachtung des BF folgende "Einschätzung" abgegeben:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Z.n. Dickdarmteilentfernung 2003 bei Sigmadivertikulose und intraepithelialer high grade Neoplasie bei einem Adenom. Unterer Rahmensatz entsprechend der VGA, bei notwendiger Einnahme von Laevolac bei Obstipationsneigung. Es erfolgt keine Änderung bei gleichbleibendem Beschwerdebild. Die Heilungsbewährung ist 03/08 abgelaufen.
07.04.05
30
2
Rez. Cervikolumbalsyndrom Unterer Rahmensatz bei rez. Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule bei Z.n. Schleudertrauma sowie immer wiederkehrenden Beschwerden von Seiten der Lendenwirbelsäule mit aktuell bestehendem Funktionsdefizit. Beide Abschnitte werden hier zusammengefasst und entsprechend eingestuft. Es besteht in beiden Abschnitten kein Hinweis auf eine aktuelle Nervenwurzelreizung. Es erfolgt eine Änderung im Vergleich zum angefochtenen Bescheid, da laut vorliegender älterer Befunde immer wieder diesbezügliche Beschwerden bei Abnützungserscheinungen und Bandscheibenschäden festgestellt worden sind. Der Antragsteller war auch aus diesem Grund schon mehrfach auf Heilverfahren.
02.01.02
30
3
Z.n. Motorradunfall (AU) 2010 mit nachfolgender 2x notwendiger Schulteroperation rechts sowie Gefühlsstörungen beide Vorfüße bei Z.n. Quetschung Oberer Rahmensatz entsprechend dem angefochtenen Bescheid bei nur endlagiger Einschränkung des rechten Schultergelenkes und berichteter Par- und Hypästesien im Bereich beider Vorfüße. Eine Höhereinstufung ist nicht möglich, zumal die Nervenleitgeschwindgkeitsmessung, welche zwischenzeitig erfolgt ist, unauffällig war.
02.02.01
20
4
Polyarthrosen. Oberer Rahmensatz, entsprechend der bekannten Abnützungserscheinungen der Daumengrundgelenke rechts betont, sowie der Zehengelenke, vor allem der Großzehen bds. Es erfolgt eine Änderung zum angefochtenen Bescheid aufgrund der nun auch beginnenden Bewegungseinschränkung des linken Daumengrundgelenkes, außerdem werden die Arthrosen der Zehengelenke mit Funktionsdefizit hier mitbeurteilt.
02.02.01
20
5
Folgenloser Z.n. Aortenklappenersatz Op. 08/2016. Vorgegebener Rahmensatz nach erfolgreicher Operation. Es erfolgt keine Änderung zum angefochtenen Bescheid.
05.06.04
30
6
Bluthochdruck Vorgegebener Rahmensatz entsprechend der Hypertonie mit 1 Medikament seit 12/2017 behandelt. Die Durchschnittswerte haben sich zwischenzeitig gebessert. Nach wie vor werden "Ausrutscher" festgestellt. Eine Therapieumstellung bzw . Optimierung wäre möglich, weshalb keine Höhereinstufung erfolgt.
05.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:
"Führend ist wie in sämtlichen VGA-s die Pos. Nr. 1 mit 30%. Die Pos. 2 steigert um eine weitere Stufe, ebenso wie die Pos. 3 und 4 gemeinsam, wie im bereits von XXXX durchgeführten GA von 2012. Die 50% wurden damals auf Dauer zugesprochen, es hat sich keinerlei Besserung, eher eine Verschlechterung der Funktion ergeben, weshalb eine Herabstufung nicht angebracht erscheint. Die Pos. 5 und 6 steigern nicht weiter, da keine gegenseitige Wechselwirkung besteht, optimalere Blutdruckeinstellungen wären möglich. Laut zuletzt vorliegender Echokardiographie bestand keine Klappendysfunktion. Keine Einstufung erfolgt bei blanden Nierenzysten bds. und Z.n. Fundoplikatio,- subjektiv beschwerdefrei und unbehandelt."
9. Mit Verfügung vom 29.03.2018, Zl. G304 2183707-1/4Z, dem Rechtsvertreter des BF zugestellt am 07.04.2018, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten seitens des BVwG übermittelt und wurde ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
10. Eine Stellungnahme dazu ist beim BVwG bis dato nicht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist österreichischer Staatsbürger.
Der Grad der Behinderung des BF beträgt 50 %.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Die Staatsbürgerschaft des BF ergibt sich aus dem Akteninhalt. Die Feststellung hinsichtlich des Grades der Behinderung gründet sich auf das seitens des BVwG eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin.
2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden: VwGH) muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zu Grund gelegt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das seitens des BVwG eingeholte Gutachten der Amtssachverständigen von Dr. XXXX schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf.
In diesem Gutachten wird der GdB nach persönlicher Untersuchung des BF und unter Berücksichtigung seiner Angaben und der vorgelegten Befunde mit 50 v. H. festgesetzt.
In dem Gutachten wird auf die Art und Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Es wurde auch eine ausführliche Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung gegeben. Da der BF dem seitens des BVwG eingeholten Sachverständigengutachten vom 01.03.2018 im Rahmen des ihm dazu gewährten Parteiengehörs nicht entgegengetreten ist, wird dieses in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des BVwG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - im Folgenden: BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - im Folgenden: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat gemäß § 43 Abs. 1 BBG, wenn Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG).
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)
Aufgrund des seitens des erkennenden Gerichts durchgeführten Ermittlungsverfahrens, konkret des seitens des BVwG eingeholten schlüssigen und nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 01.03.2018 ergab sich ein GdB von 50 v.H.
Der BF hat gegen die Ausführungen der beigezogenen Sachverständigen, denen das BVwG folgt, keine Einwendungen erhoben.
Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Nur wenn die Entscheidungsfindung den persönlichen Eindruck von der Person des Antragstellers verlangt, ist sowohl bei der Einschätzung des Grades der Behinderung als auch bei der Beurteilung, ob die gesundheitlichen Einschränkungen des Betroffenen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lassen, grundsätzlich eine mündliche Verhandlung geboten (vgl. VwGH 28.03.2018, Ra 2016/11/0085; VwGH 21.06.2017, Ra 2017/11/0040).
Im gegenständlichen Fall wurde der GdB des BF unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung festgesetzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen Sachverständigengutachtens vom 01.03.2018, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.
3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2183707.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.09.2018