TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/30 99/18/0357

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Veröffentlicht am 30.11.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §44;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der O K, geboren am 28. März 1965, vertreten durch Dr. Georg Kahlig und Mag. Gerhard Stauder, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Siebensterngasse 42, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. August 1999, Zl. SD 662/99, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Aus dem angefochtenen Bescheid, der Beschwerde und dem die Beschwerdeführerin betreffenden hg. Erkenntnis vom 14. November 1996, Zl. 96/18/0459, ergibt sich, dass mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. August 1996 gegen die Beschwerdeführerin, eine russische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992 (im Folgenden: FrG 1992), ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen worden war.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. August 1999 hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 1. Juni 1999 auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe sich seit Februar 1992 im Bundesgebiet befunden. Am 25. Jänner 1995 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Das Aufenthaltsverbot sei erlassen worden, weil sie das Vergehen der Nötigung und das Verbrechen des gewerbsmäßigen Menschenhandels begangen habe und dafür am 31. Jänner 1995 zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 16 Monate bedingt nachgesehen, rechtskräftig verurteilt worden sei.

Den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes habe die Beschwerdeführerin damit begründet, dass sie am 7. Februar 1998 ein Kind geboren hätte, das österreichischer Staatsbürger sei, und sie sich seit der Verurteilung wohl verhalten hätte. Darüberhinaus hätten sich die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Rußland seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes "katastrophal verschlechtert". Sie hielte sich in Westungarn auf, von dort drohte ihr jedoch die Abschiebung in ihr Heimatland.

Das vorliegende Aufenthaltsverbot hätte auch nach den Bestimmungen des FrG erlassen werden können. Es könne nicht bezweifelt werden, dass an der Verhinderung von Menschenhandel ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass die Beschwerdeführerin in der Absicht gehandelt habe, sich durch die wiederkehrende Begehung von Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Dieses Fehlverhalten verwirkliche nicht nur den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG, sondern rechtfertige auch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bzw. die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. Von einem Wohlverhalten der Beschwerdeführerin könne insofern keine Rede sein, als sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise ungeachtet des gegen sie erlassenen Aufenthaltsverbotes erst am 1. August 1998 nachgekommen sei. Dieses Fehlverhalten verstärke die für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen, sodass sich die vorliegende Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 1 FrG als zulässig erweise.

Aufgrund des aus der Sicht der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens durchaus nicht zu vernachlässigenden Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes habe sich die Interessenlage weiter zu ihren Ungunsten verschoben. Die familiären und privaten Interessen der Beschwerdeführerin hätten in den Hintergrund zu treten. Die Beschwerdeführerin habe nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes rechtens nicht mit einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet rechnen dürfen. Es würde dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens grob zuwiderlaufen, wenn sich ein Fremder durch die Gründung einer Familie (Geburt des Kindes) den Aufenthalt in Österreich auf Dauer erzwingen könnte.

Hinsichtlich der vorgebrachten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Rußland verkenne die Beschwerdeführerin, dass sich die Bestimmung des § 37 Abs. 2 FrG nur auf das in Österreich geführte Privat- und Familienleben, nicht jedoch auf jenes in einem anderen Staat beziehe.

Unter diesen Gesichtspunkten und unter gleichzeitiger Bedachtnahme darauf, dass an der Bekämpfung des Menschenhandels, einer besonderen Art der grenzüberschreitenden Kriminalität, ein großes öffentliches Interesse bestehe, könne ein (neuerlicher) Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 114 Abs. 3 FrG gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (am 1. Jänner 1998) noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können.

1.2. Die nicht bekämpfte Rechtsansicht der belangten Behörde, dass das vorliegend verhängte Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des FrG hätte erlassen werden können, begegnet im Hinblick auf das von der Beschwerdeführerin begangene Verbrechen des gewerbsmäßigen Menschenhandels unter Berücksichtigung der im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegebenen privaten und familiären Interessenlage (viereinhalbjähriger Aufenthalt und seit eineinhalb Jahren bestehende Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger) keinen Bedenken.

2. Gemäß § 44 FrG ist das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach der auch hier maßgeblichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur gleich lautenden Bestimmung des § 26 FrG 1992 kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 94/18/0203).

3.1. In dem die Beschwerde gegen die Verhängung des vorliegend in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes abweisenden zitierten hg. Erkenntnis, Zl. 96/18/0459, wurde ausgeführt, dass aufgrund des der Verurteilung der Beschwerdeführerin zu Grunde liegenden schwer wiegenden Fehlverhaltens auch unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Interessenlage die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von zehn Jahren gerechtfertigt sei. Des Näheren wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.

3.2. Wie auch die Beschwerdeführerin zugesteht, sind die aus ihrer Straftat resultierenden öffentlichen Interessen an der Verhängung bzw. Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes seit der Erlassung dieser Maßnahme vor drei Jahren "im Wesentlichen gleich geblieben".

Dazu kommt jedoch, dass die Beschwerdeführerin unstrittig auch nach Verhängung des Aufenthaltsverbotes - illegal - bis 1. August 1998 im Inland geblieben ist. Dieses Fehlverhalten verstärkt die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes.

4.1. Die Beschwerde wendet ein, dass die Beschwerdeführerin am 7. Februar 1998 - somit eineinhalb Jahre nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes - ein eheliches Kind geboren habe, das österreichischer Staatsbürger sei. Es sei ihr und insbesondere dem bei ihr lebenden Kind nicht zumutbar, in Rußland zu leben, weil sich die dortigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes in einer Weise "katastrophal verschlechtert" hätten, dass ihrem Kind dort sogar der Tod drohe.

4.2. Bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 12. November 1998, Zl. 98/18/0319) ein sich auf die Verhältnisse im Heimatstaat beziehendes Vorbringen unbeachtlich, weil mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat und dass er (allenfalls) abgeschoben wird. Gleiches gilt für die hier zu lösende Frage, ob die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt habe, weggefallen sind.

In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass sich die Beschwerdeführerin nach ihrem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Vorbringen tatsächlich nicht in Rußland, sondern in "Westungarn" aufhält.

Darüber hinaus entspricht auch die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, dass von § 37 FrG nur das in Österreich geführte Privat- und Familienleben geschützt werde, der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/18/0231). Bei der Beurteilung der Frage, ob das Aufenthaltsverbot betreffend einen Fremden, der sich infolge dieser Maßnahme nicht im Bundesgebiet befindet, gemäß § 44 FrG aufzuheben ist, sind daher die Interessen des Fremden an der Wiederherstellung des vor dem Verlassen des Bundesgebietes dort geführten Privat- und Familienlebens gegen die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes abzuwägen. Entgegen der Beschwerdemeinung führt diese Rechtsansicht keineswegs dazu, "dass ein sich entsprechend dem Aufenthaltsverbot nicht in Österreich aufhaltender Fremder keine Möglichkeit hat, private und familiäre Interessen im Sinn des § 44 FrG geltend zu machen, da er sich nicht in Österreich aufhalten darf".

Die Verstärkung der familiären Interessen der Beschwerdeführerin durch die Geburt ihres Kindes wird dadurch relativiert, dass sie sich im Zeitpunkt dieser Geburt bereits eineinhalb Jahre illegal im Bundesgebiet aufhielt und daher von vornherein nicht damit rechnen konnte, sich gemeinsam mit ihrem Kind rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten zu können.

4.3. Die aufgrund des illegalen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Inland von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes bis zum 1. August 1998 verstärkten öffentlichen Interessen rechtfertigen auch unter Berücksichtigung der durch die Geburt des Kindes ebenfalls - jedoch bei weitem nicht in dem von der Beschwerde vorgebrachten Ausmaß - verstärkten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes.

5. Da sich somit bereits aus dem Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999180357.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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