Entscheidungsdatum
24.07.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I414 2169189-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzenden und die Richterin MMag. Alexandra JUNKER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol vom 11.07.2017, Zl. OB:
XXXX, betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Am 19.04.2017 beantragte Frau XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Dem Antrag wurde ein Entlassungsbrief der Klinik beigelegt.
Vom Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet), wurde Dr. F., Fachärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt.
Mittels Schreiben vom 21.06.2017 wurde der Beschwerdeführerin im Wege des Parteiengehörs das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht.
Am 23.06.2017 erschien die Beschwerdeführerin persönlich vor der belangten Behörde und nahm zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung. Sie führten aus, dass sie alle 3 Wochen zur Immuntherapie und jedes
4. Mal auch zur Kontrolle über Nacht bleiben müsse. Da sie sehr häufig die Toilette aufsuchen müsse und beim Wechsel der Einlagen oftmals jede Sekunde zähle, sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sehr unangenehm und fast nicht ertragbar, vor allem wenn kein Sitzplatz vorhanden sei. Es wurde ein aktueller ärztlicher Befund vorgelegt.
Aufgrund der neuen Befunde wurde Dr. F. neuerlich mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens beauftragt. Unter Einbeziehung aller vorgelegten ärztlichen Befunde (vom 30.03.2017, vom 31.05.2017 und vom 21.07.2017) stellte die Sachverständige als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung fest:
"...
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Malignome, Entfernte Malignome mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der Heilungsbewährung je nach Funktionsstörung. Multilokuläres Urothelkarzinom der Harnblase, mindestens pT2a, Z.n. abgeschlossender Induktionstherapie mit 2 Zyklen Gem/Cis, Zustand nach Cystektomie und Anlage einer ilealen Neoblase am 13.3.2017. Laufende Imuntherapie mit Atezolizumab. Die Patientin befindet sich in gutem Allgemeinzustand, Nebenwirkungen der laufenden Immuntherapie sind nicht beschrieben.
2
Hypertonie, Leichte Hypertonie. Antihypertensive Monotherapie.
Dauerzustand
X Nachuntersuchung 03/2022 weil GdB kann nach Ablauf der 5-jährigen Heilungsbewährung unter 50% fallen.
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Die Neoblase kann vor der geplanten Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels entleert werden, eine eventuelle Harninkontinenz (in den vorliegenden Befunde nicht beschrieben) kann mit handelsüblichen Hygieneartikeln derart behandelt werden, dass störende Geruchsbildungen vermeidbar sind. Die Patientin befindet sich laut aktuellen Befunden in gutem Allgemeinzustand, Nebenwirkungen der laufenden Immuntherapie sind nicht beschrieben.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
Gutachterliche Stellungnahme:
Im Vergleich zum Vorgutachten keine Änderung der Einschätzung der Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel aufgrund der aktuell neu eingebrachten Arztbriefen.
..."
Mit Bescheid vom 11.07.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung in den Behindertenpass ab und führte begründend aus, dass das im Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten vom 03.07.2017 ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen. Die wesentlichen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens seien der Beilage zu entnehmen und stellen einen Bestandteil der Bescheidbegründung dar.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig Beschwerde und brachte vor, dass aufgrund ihres Gesamtgesundheitszustandes eine unkontrollierte Inkontinenz gegeben sei. Nach Rückkehr vom Rehaaufenthalt werde sie neuerliche Befunde und eine Kopie des Bescheides der Pensionsversicherungsanstalt nachreichen.
Beschwerde und bezughabender Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 30.08.2017 zur Entscheidung vorgelegt.
Am 04.09.2017 übermittelte die belangte Behörde die in der Beschwerde angekündigten Dokumente an das erkennende Gericht.
Die Sachverständige Dr. F. wurde vom Bundesverwaltungsgericht erneut mit der Erstellung eines Ergänzungsgutachtens, insbesondere mit der Beantwortung abschließender Fragen, beauftragt. In ihrem am 15.09.2017 eingelangten Gutachten führt sie aus wie folgt (Fehler im Original):
"...
1. Bestehen bei der Beschwerdeführerin erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit?
Nein.
Bei dem Patient liegt ein frühes Stadium eines Blasenkarzinoms vor. Nach 2 Zyklen Chemotherapie als Vorbereitung wurde am 13.3.2017 eine Cystektomie mit Anlage einer Neoblase (einer ilealen Neoblase, d.h. sie wurde aus einem Teil des Dünndarmes konstruiert) durchgeführt. Postoperativ wurde eine Immuntherapie mit Atezolizumab begonnen, die Patientin erhalt diese Medikament alle 3 Wochen im Rahmen einer tagesklinischen Aufnahme. Von diesen tagesklinischen Aufnahmen liegen 2 Arztbriefe vor, in diesen wird beschrieben, dass die Patientin die Immuntherapie gut verträgt und sich in einem guten Allgemeinzustand befindet. Daher liegt sicherlich keine erhebliche Einschränkung des Allgemeinzustandes vor.
2. Kann das von der Beschwerdeführerin abgesonderte Sekret von handelsüblichen Einlagen absorbiert werden bzw. sind solche Einlagen ausreichend sicher, bis eine Toilette aufgesucht werden kann?
Sicherlich.
Bei dem abgesonderten Sekret handelt es sich um Harn da die Neoblase aus einem Dünndarmteil konstruiert wurde, wird durch die Blasenwand weiterhin Schleim produziert und es ist ganz normal, dass der Urin aus der Neoblase Schleimflöckchen enthalt oder trüb erscheint. Die Patienten fühlen keinen Harndrang, wenn die Blase voll ist, daher müssen sie die Blase regelmäßig - ohne das Verspuren von Harndrang - entleeren. Falls die Patientin die Neoblase nicht regelmäßig entleert, wird diese überdehnt und es kann zu einem unwillkürlichen Urinverlust kommen.
Der Verschluß der Neoblase muss ganz allein von der Beckenbodenmuskulatur übernommen werden. Die Beckenbodenmuskulatur muss diese Aufgabe gewissermaßen neu erlernen, hierfür muss der Patient ein Schließmuskeltraining durchfuhren. Es kann Wochen bis Monate dauern, bis der Urin wieder zur vollen Zufriedenheit gehalten werden kann. Nach einem Jahr ist aber der Großteil der Patienten tagsüber vollständig trocken, sodass nicht einmal mehr eine Versorgung mit Einlagen tagsüber nötig ist.
Bei ausreichender Compliance der Patientin, welche voraussetzt, dass sie konsequent ein Beckenbodentraining durchführt und die Blase regelmäßig entleert (u.a. vor dem Besteigen eines öffentlichen Verkehrsmittels, falls eine längere Fahrzeit in diesem nötig ist), kann also davon ausgegangen werden, dass innerhalb eines Jahres nach der Operation überhaupt keine relevante Harninkontinenz tagsüber mehr vorliegen wird. Falls innerhalb des ersten postoperativen Jahres noch eine Harninkontinenz vorliegen sollte (diese wird in keinem der vorliegenden Arztbriefe angeführt), kann diese zweifelsfrei mit entsprechenden Einlagen versorgt werden, sodass eine Geruchsbelastung für mitfahrende Fahrgaste vermeidbar ist. Dies kann jedoch viel einfacher vermieden werden, indem die Patientin vor Besteigen eines öffentlichen Verkehrsmittels eine Toilette aufsucht und die Blase entleert.
3. Warum kann ein solches Sekret nicht absorbiert werden von einer Einlage?
Hierfür gibt es keinen Grund.
Unwillkürlich abgehender Harn kann von einer entsprechen dicken Einlage immer absorbiert werden. Viel sinnvoller wäre es jedoch, die Blase vor Besteigen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu entleeren, dann ist sie leer und auch bei längerer Fahrzeit sammelt sich nur mehr eine geringe Urinmenge in ihr, welche unwillkürliche während der Fahrt abgehen konnte und dann sicherlich problemlos von einer entsprechenden Einlage absorbiert werden kann.
4. ist eine solche Sekretabsonderung in den Befunden belegt? Kann eine solche Bildung bzw. Absonderung verhindert/vorgebeugt/verringert werden?
In den vorliegenden Arztbriefen ist kein einziges Mai das Vorliegen eines unwillkürlichen Harnabganges beschrieben.
Unwillkürlicher Harnabgang kann durch regelmäßige Entleerung der Blase sowie das Training der Beckenbodenmuskulatur (neuer Schließmuskel) verringert bzw. völlig vermieden werden.
5. Die Beschwerdeführerin beschreibt eine Verschlechterung der Situation seit dem Sommer. Kann bei adäquater Therapie eine Besserung auftreten? Ist eine Nachuntersuchung erforderlich?
Die Verschlechterung seit dem Sommer ist nicht nachvollziehbar. Da es im Sommer normal heißer ist und man mehr schwitzt, sinkt die Harnproduktion und somit auch die Menge des Harnes der unwillkürlich abgehen kann (daher sollte die Patientin bei Hitze auch mehr trinken, um eine Austrocknung zu vermeiden, die Harnmenge bei vermehrtem Schwitzen bleibt ungefähr gleich. Und sollte die Patientin einmal aufgrund großen Durstgefühles einfach mehr trinken, dann muss sie einfach die Blase öfters entleeren).
Insgesamt sollte sich die Problematik einer eventuell noch vorliegenden Harninkontinenz mit der Zeit bei Durchführung des Trainings der Beckenbodenmuskulatur sowie der regelmäßigen Blasenentleerung deutlich bessern. Die Nachuntersuchung im Marz 2022 ist nötig, da der GdB der Tumorerkrankung und somit der Gesamtgrad der Behinderung bei rezidivfreiem Verlauf unter 50% abfallen kann.
Anzumerken sei, dass, wenn so massive Beschwerden vorliegen, es sehr seltsam ist, dass diese in keinem der Arztbriefe erwähnt werden. Da man die Patientin bei jeder tagesklinischen Aufnahme i.R. der Aufnahmeuntersuchung sicherlich nach Beschwerden und ihrem Befinden fragt. Bevor neuerliche Gutachten von Seiten des Gerichtes angefordert werden, wäre es wünschenswert, dass die Patientin entsprechende Befunde der betreuenden Urologie der Klinik Innsbruck einbringt, in denen die von ihr geschilderten Beschwerden beschrieben werden. Eine persönliche Untersuchung bei einem Gutachter ist nicht zielführend, da nicht überprüft werden kann, wieviel die Patientin vorher trinkt, ob sie die Blase regelmäßig und ausreichend vor der Untersuchung entleert hat und ob sie letzteres ebenso konsequent wie das Training der Beckenbodenmuskulatur durchführt.
..."
Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien mit Schreiben vom 18.09.2017 zur Kenntnis gebracht.
Mit Schreiben vom 29.09.2017 legte die Beschwerdeführerin einen Entlassungsbrief der Universitätsklinik für Urologie vom 02.08.2017, einen ärztlichen Entlassungsbericht der onkologischen Rehabilitation Sonnberghof vom 22.08.2017 sowie einen Entlassungsbrief der Universitätsklinik für Urologie vom 23.08.2017 vor.
Die Sachverständige Dr. F. wurde vom Bundesverwaltungsgericht erneut mit der Erstellung eines Ergänzungsgutachtens unter Berücksichtigung der nachgereichten Befunde, beauftragt. In ihrem am 12.12.2017 eingelangten ergänzenden Gutachten führt sie wie folgt (Fehler im Original) aus:
"Folgende Befunde wurden aktuell neu eingereicht (alle übrigen lagen bereits für die früheren Einschätzungen vor):
Arztbrief Urologie Klinik Innsbruck vom 2.8.2017, 23.8.2017
Arztbrief Reha Zentrum "Der Sonneberghof" vom 22.8.2017
Bescheid über Pflegegeld (Suffe 1) vom 20.6.2017
Bewilligung der TGKK über Inkontinenzartikel vom 10.5.2017
Beantwortung der vom Bundesverwaltungsgericht gestellten Frage, ob die aktuell neu eingereichten Befunde die letzte Einschätzung vom 12.09.2017 bzgl. Der Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel ändern:
Nein, die neu eingereichten Befunde bedingen keine Änderung der Einschätzung vom 12.9.2017, da sich daraus keine neuen Aspekte bzgl. Der Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel ergeben.
Bei dem Patient liegt ein frühes Stadium eines Blasenkarzinoms vor. Nach 2 Zyklen Chemotherapie als Vorbereitung wurde am 13.3.2017 eine Cystektomie mit Anlage einer Neoblase (einer ilealen Neoblase, d.h. sie wurde aus einem Teil des Dünndarmes konstruiert) durchgeführt. Postoperativ wurde eine Immuntherapie mit Atezolizumab begonnen, die Patientin erhält diese Medikamente alle 3 Wochen im Rahmen einer tagesklinischen Aufnahme. Von diesen tagesklinischen Aufnahmen liegen aktuell 4 Arztbriefe vor, in diesen wird beschrieben, dass die Patientin die Immuntherapie gut verträgt und sich in einem guten Allgemeinzustand befindet. Seit dem Arztbrief vom 2.8.2017 wird in den Diagnosen auch eine belastende Harninkontinenz angeführt. In diesem Arztbrief wurde beschrieben, dass -anamnestisch- die bereits vorbekannte Harninkontinenz mit Bindenpflicht weiterhin besteht. Im Arztbrief vom 23.8.2017 wird dann in der Zusammenfassung des stationären Aufenthalts wieder eine völlige Beschwerdefreiheit angeführt.
Im Arztbrief des Reha Zentrums "Der Sonnenberghof", in dem die Patientin 5 Monate postoperativ vom 03.08.2017 bis zum 08.08.2017 stationär war, wird angegeben, dass die Patientin bis zu 4 Einlagen pro Tag benötigt, der Harndrang gut spürbar sein, sie nachts alle 3 Stunden Harn lassen müsse und auch tagsüber häufige Harnentleerungen nötig seien, eine starke Dranginkontinenz bestehe und 2 bis 4 Einlagen pro Tag unbedingt nötig seien.
Die neu vorgelegten Befunde enthalten keine neuen Aspekte bzgl. Der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel. Wie bereits in dem Gutachten vom 12.9.2017 angeführt, ist ein Großteil der Patienten mit einer Neoblase nach einem Jahr tagsüber vollständig trocknen, vorausgesetzt, dass das nätige Training der Beckenbodenmuskulatur (neuer Schließmuskel für die Neoblase) sowie die nötigen regelmäßigen Harnblasenentleerungen konsequent durchgeführt werden. Der letzte Bericht stammt vom 23.8.2017 und wurde somit erst 5 Monate nach Anlage der Neoblase verfasst, sodass daraus noch keine endgültige Aussage über die Harninkontinenz getroffen werden kann. Aber auch falls eine Harninkontinenz weiter bestehen bleibt, bedingt auch dies keine Änderung in Bezug auf die Einschätzung der Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel. Laut Befunden vom August 2017 benötigte die Patientin 3 bis 4 Inkontinenzeinlagen pro Tag. Wenn entsprechend dicke und somit saugfähige Inkontinenzeinlagen ausgewählt werden, sind diese in der Lage den unwillkürlich abgehenden Harn während einer Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu absorbieren (aufzusaugen), sodass keine für die Patientin bzw. mitfahrenden Fahrgäste unzumutbare Geruchsbelastung entsteht. Somit ist die Sicherheit des Transportes gewährleitstet. Falls die Patientin vor Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels geplant die Harnblase entleert (eine regelmäßige Harnblaseentleerung ist bei einer Neoblase ohnehin nötig) und nicht sehr große Flüssigkeitsmengen unmittelbar vor der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels zu sich nimmt, kann sie zudem einen größeren unwillkürlichen Harnabgang während der Fahrt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel vermeiden, jedoch würde auch eine größere unwillkürlich abgehende Harnmenge von den handelsüblichen Inkontinenzeinlagen ausreichend absorbiert werden, sodass keine störende, nicht zumutbare Geruchsbelastung entstehen würde. Falls die Patientin ein öffentliches Verkehrsmittel für eine längere Strecke und somit für mehrere Stunden benützen muss (Bahn, Fernreisebus), kann sie wie jeder andere Fahrgast die öffentlichen Toiletten im öffentlichen Verkehrsmittel zur Entleerung der Neoblase benützen.
In Ihrem Schreiben 29.08.2017 erwähnt die Patientin u.a., dass die Wirkung des schleimlösenden Medikamentes Mucobene (die Neoblase wurde aus einem Dünndarmteil konstruiert und daher bildet die Wand der Neoblase weiterhin Schleim, sodass der Urin der Neoblase Schleimflöcken enthalten oder trüb erscheinen kann) erst Stunden nach der Einnahme einsetze und daher unkalkulierbar wäre und daher das Sekret von der Inkontinenzeinlage nicht resorbiert werden würde, sondern sie die Einlage wechseln müsse. Falls wirklich zu einem bestimmten Zeitpunkt so viel Schleim im Urin enthalten ist, dass diese Schleimbeimengung nicht von der Einlage resorbiert wird (der flüssige Urin wird ja von der Einlage resorbiert), bleibt diese Schleimbeimengung auf der Oberfläche der Inkontinenzeinlage liegen, fällt nicht heraus, verursacht keine nicht zumutbare Geruchsbelästigung und bedingt somit keine Änderung in der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Falls dies für die Patientin störend ist, kann sie die Einlage auch sofort nach dem Aussteigen aus dem öffentlichen Verkehrsmittel wechseln bzw. bei Langstreckenfahren dies in der Toilette des Zuges oder des Fernreisebusses tun. Weiters könne sie zum Beispiel versuchen, anstatt einmalig Mucobene 600mg einzunehmen, 3mal täglich 200mg Mucobene einzunehmen, sodass die Wirkung dann eventuell gleichmäßiger über den Tag verteilt ist.
Insgesamt ergibt sich somit keinerlei Änderung zur Einschätzung vom 12.09.2017. Trotz bestehender Harninkontinenz ist die Sicherheit des Transportes sowohl für die Patientin als auch für die mitfahrenden Fahrgäste gewährleistet. Die auftretende Harninkontinenz kann mit handelsüblichen Hygieneprodukten so therapiert werden, dass keine störende Geruchsbelastung auftritt. Es besteht auch keine schwere Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit, sodass kurze Wegstrecken und einzelne Stufen beim Ein- und Aussteigen überwunden werden können. Es besteht auch keine anhaltende schwere Einschränkung des Immunsystems.
Ob die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zumutbar ist, ist eine Rechtsfrage und kann nicht von einem Mediziner beantwortet werden.
Innsbruck, am 04.12.2017"
Die belangte Behörde schloss sich den Ausführungen der Sachverständigen vollinhaltlich an, von der Beschwerdeführerin langte keine Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist in Besitz eines Behindertenpasses und leidet an den Folgen einer Cystektomie und Anlage einer ilealen Neoblase sowie an leichten Hypertonie.
Der Beschwerdeführerin sind das Ein- und Aussteigen in das Transportmittel sowie der sichere Transport im Verkehrsmittel möglich. Des Weiteren kann sie auch kurze Wegstrecken (300-400 Meter) ohne Hilfsmittel und Unterbrechung zurücklegen.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Sie ist nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind. Bei der Beschwerdeführerin besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems. Trotz ihrer Harninkontinenz kann diese mit handelsüblichen Hygieneprodukten so therapiert werden, dass unwillkürlich abgehender Harn während der Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel absorbiert wird.
Bei der Beschwerdeführerin kann unwillkürlicher Harndrang durch regelmäßige Entleerung der Blase sowie das Training der Beckenbodenmuskulatur verringert beziehungsweise völlig vermieden werden.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.
Die festgestellten Funktionseinschränkungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. F. vom 03.07.2017 und dem vom erkennenden Gericht ergänzend eingeholten Gutachten vom 12.09.2017. Das Bundesverwaltungsgericht kann nichts finden, was die Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit dieser Gutachten oder die Person der Sachverständigen in Frage stellen würde. Es geht daher davon aus, dass es diese Gutachten seinen Feststellungen ohne Bedenken zu Grunde legen kann.
Die Beschwerdeführerin ist den in den Gutachten getroffenen Feststellungen auch nicht substantiiert entgegengetreten. Das im Rahmen des Parteiengehöres vom 23.06.2017 Vorgebrachte und die vorgelegten Befunde vom 31.05.2017 sowie vom 21.06.2017 wurden im Gutachten vom 03.07.2017 berücksichtigt und entsprechend gewürdigt. Die weiters am 02.10.2017 beigebrachten Unterlagen wurden im Ergänzungsgutachten gewürdigt und entsprechend miteinbezogen. Für die dargelegte Inkontinenz konnte die Beschwerdeführerin Befunde vorlegen und wurden diese Arztbriefe ebenso im Ergänzungsgutachten von der medizinischen Sachverständigen entsprechend aufgegriffen und die Auswirkungen einer vorliegenden Inkontinenz medizinisch erörtert.
Es wird vom erkennenden Senat nicht verkannt, dass eine Harninkontinenz für die Beschwerdeführerin eine unangenehme Belastung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darstellt, doch ist - wie noch zu zeigen sein wird - eine Berücksichtigung einer Stuhl- bzw. Harninkontinzenz im Sinne einer Feststellung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gesetzlich nur in Ausnahmefällen vorgesehen.
Die Beschwerdeführerin ist daher den im Auftrag der belangten Behörde erstellten Gutachten sowie den vom erkennenden Gericht in Auftrag gegebenen ergänzenden Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten und erweisen sich diese aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch als schlüssig, plausibel und nachvollziehbar. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war die Frage, inwieweit eine Harninkontinenz zur Feststellung einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen kann. Dabei handelt es sich um Rechtsfragen, welche durch ein weiteres Gutachten eines medizinischen Sachverständigen nicht zu beantworten sind, sondern Gegenstand der rechtlichen Würdigung zu sein haben. Der medizinische Sachverhalt als solcher erscheint geklärt. Der erkennende Senat sieht daher von der Beauftragung eines weiteren, gegebenenfalls urologischen Sachverständigengutachtens ab.
Zum Unterbleiben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Vornahme der Zusatzeintragung Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass sind die Art und das Ausmaß die beim Beschwerdeführer festgestellte Gesundheitsschädigung. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ergänzendes Gutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses, so wie auch das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten der Dr. F. als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Im Rahmen des Parteiengehörs wurde die Möglichkeit gegeben, sich zu äußern. Dem Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht (auf gleicher fachlicher Ebene) entgegen getreten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen berücksichtigt. Somit ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
§§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:
Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.
§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.
Zu Spruchpunkt A) - Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 42 Abs. 1 zweiter Satz BBG können im Behindertenpass auf Antrag des behinderten Menschen zusätzliche Eintragungen vorgenommen werden, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen.
Gemäß § 45 Abs. 1 leg.cit. sind Anträge auf Vornahme einer Zusatzeintragung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) einzubringen.
Nach § 47 leg.cit. ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
In Ausübung dieser Ermächtigung wurde die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, erlassen.
Der für die hier strittige Zusatzeintragung relevante § 1 Abs 4 Z 3 der zitierten Verordnung in der Fassung BGBl. II Nr. 263/2016 hat folgenden Wortlaut:
"§ 1
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
...
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen."
Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, je mwN).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Die Sachverständigengutachten vom 19.06.2017 beschäftigte sich mit diesen Fragen und kam zum Schluss, dass keine diesbezügliche Einschränkung vorliegen würde. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in freier Beweiswürdigung dem nicht als unschlüssig zu erkennenden Sachverständigengutachten folgt, ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Wesentlich stützt die Beschwerdeführerin ihr Beschwerdevorbringen auf den Umstand, dass sie an Harninkontinenz leidet. Das Vorbringen wurde mit entsprechenden ärztlichen Befunden belegt. Hiezu wird ausgeführt, dass trotz bestehender Harninkontinenz ist die Sicherheit des Transportes für die Beschwerdeführerin gewährleistet. Die auftretende Harninkontinenz kann mit handelsüblichen Hygieneprodukten so therapiert werden, dass keine störende Geruchsbelästigung auftritt. Zudem kann unwillkürlicher Harnabgang durch regelmäßige Entleerung der Blase sowie das Training der Beckenmuskulatur verringert bzw. völlig vermieden werden.
Aus den vorgelegten Befunden ergibt sich nicht, dass bei der Beschwerdeführerin eine derart massive Form der Harninkontinenz vorliegt, welcher durch Inkontinenzprodukte nicht entsprechend begegnet werden könnte. Bei der Beschwerdeführerin konnten daher Umstände, die ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen unzumutbar machen, nicht festgestellt werden.
Das Ermittlungsverfahren hat des Weiteren ergeben, dass bei der Beschwerdeführerin keine schweren anhaltenden Erkrankungen des Immunsystems vorliegen und sie weder blind noch hochgradig sehbehindert oder taubblind ist. Es besteht auch keine schwere Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, auch im Zusammenhang mit Inkontinenz, ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I414.2169189.1.00Zuletzt aktualisiert am
20.09.2018